Somalland,
Landschaft in Nordostafrika, zwischen dem 11.° nördl. Br. und 2.° südl. Br., wird begrenzt im N. vom Golf von Aden, im O. vom Indischen Ocean und im W. von den Wohngebieten der Danakil und Galla, und zwar durch eine Linie, welche, von der Tedschurabai ausgehend, über das Kondelagebirge (östlich von Harrar), den Erer abwärts bis zur Mündung in den Webi Schebehli, dann zum Jub (oberhalb Logh) und von Bardera bis zum mittlern Tana verläuft (s. die polit. und physik. Karte beim Artikel Afrika). Das ganze Land stellt eine von Nordwesten nach Südosten geneigte Hochfläche (1900–2800 m) dar, welche im N. von einem Randgebirge (Kondela 3500 m, Gan Libach 2200 m, Ankor 1130 m und Aisema) umsäumt wird. Zwischen dem Golf von Aden und dem Gebirge zieht sich bis zum 47.° östl. L. eine schmale, niedrige Küstenebene (Goban) hin. Die nach dem Innern abgezweigten Bergketten lösen sich bis Ogaden (s. d.) in sanft gewellte Hügellandschaften auf. Am Ostrand erhebt sich 60–120 m hoch eine felsige Kante, 500 km lang, welcher von Merka an längs der Benadirküste mächtige Dünenwälle folgen. Der steile Teil der Küste wird Barr el-Khasain genannt. Geologisch betrachtet ist S. nach Paulitschke eine vulkanische Decke, ein Abschub der großen vulkanischen Herde im NO.; nach den neuesten Entdeckungen von Ruspoli und Donaldson Smith aber ein emporgehobener Meeresboden, mindestens in Bezug auf die Hochebene südlich von Ogaden. Das Wenige, was man wissenschaftlich bis jetzt erforscht hat, läßt sich dahin zusammenfassen, daß die Küste des Golfs tertiär ist und daß die Gegenden südlich von Berbera und bei Harrar aus rotem Lehm mit Mergel und Kalkuntergrund, daß die Steppen zwischen dem Küstengebirge und dem Tug Fafan aus horizontal geschichteten Porphyrmassen, endlich daß die Landstriche am mittlern Webi und Jub aus Seichtwasserbildungen eines ehemaligen Kreidemeers, überaus reich an Ammoniten, bestehen. Im ganzen ist das östlich gelegene Binnenland wasserlos; nur zur Regenzeit füllen sich die vom Randgebirge ausgehenden Rinnsale mit fließendem Wasser. Dagegen sind stets wasserreich:
1) der Webi Schebehli; er bildet sich (unter 7° nördl. Br. und 42° 20' östl. L. von Greenwich) aus der Vereinigung der Erer (mit dem weit aus dem Westen zuströmenden Wabi Sidama) und des Tug Burka (beide bei Harrar entspringend), wird von Ime (Imi) an schiffbar und mündet nahe dem Indischen Ocean in zwei Sumpfseen; 2) der Jub (s. d.). Das Klima wird im ganzen als sehr angenehm gerühmt, obwohl die Jahresmitteltemperatur gegen 28° C. betragen soll. Am gesündesten ist das Gebirge und die Hochfläche im N. und die Gegend von Harrar; weniger zuträglich der Küstenstrich am Golf von Aden und Süd-Ogaden. Die kühlste Zeit fällt in die Monate Januar bis Mitte März, die heißeste in Juli, August, September und November. Die Regenzeit mit dem Nordostmonsun dauert im N. von Dezember bis Mai (im Innern von April bis Juli); die Trockenzeit mit dem Südwestmonsun von Juni bis November (im Innern von Mitte Oktober bis Mitte März). Die Vegetation ist sehr dürftig, nichts als Savannen und krüppelhaftes Buschwerk; nur der Süden besitzt einigermaßen fruchtbaren Boden. Über der Küstenflora von Tamarisken, pers. Salvadore und Schirmakazien erhebt sich eine an Trockenheit gewöhnte Bergflora mit kandelaberartig hochwachsenden Wolfsmilchbäumen, Aloen, fleischig-massigen Passifloren und harzreichen Balsambäumen. Bemerkenswert ist unter den Fleischgewächsen Adenium multiflorum (auch auf Sokotra heimisch), deren Milchsaft Pfeilgift liefert. Waldungen im eigentlichen Sinne giebt es nicht; nur Galeriewälder mit Feigenbäumen und Dattelpalmen an den Ufern der Flüsse. Als Paradies von S. wird Ogaden gerühmt; doch ist es meistens nur Weideland, gering der Anbau von Durra, Mais und Erbsen. Besonders charakteristisch sind die Mimosen und Prairiegräser, welche wegen ihres intensiven Geruches dem S. seit uralten Zeiten den Ruf eines «wohlduftenden Landes» eingebracht haben, und die wertvollen Weihrauchbäume mit mächtigem, ästigem Gefüge. Es giebt Elefanten, Nashörner, Flußpferde und Giraffen im Süden, Löwen, Leoparden, Antilopen, Zebras und eine Unmenge von Affen. An Haustieren werden außer Kamelen, Pferden, Eseln,
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Rin-43 dern und Ziegen auch Strauße gehalten. – Die Hauptmasse der Bevölkerung bilden die Somal (s. d.); unter ihnen leben an der Küste Araber und im Innern Reste der ursprünglichen Bewohner, Bantuneger. Ein Zusammenleben oder gar eine Vermischung mit den Galla findet nicht mehr statt. Die hauptsächlichsten Ortschaften sind: am Golf von Aden Zeila, Berbera (s. d.), Halule (Bandar Alula) und Lasgori mit lebhaftem Handel nach Arabien und Persien; am Indischen Ocean Hopia (Obbia), Warschech, Makdischu (Mogdischu, s. d.) und die wichtigen Hafenplätze Merka, Barawa und Kismaju (s. d.); im Innern Milmil und Faf in Ogaden und Bardera am Jub. Forschungsreisen. Bei der Feindseligkeit der Somal gegen alle Fremden wurde S. nur mühsam erforscht; erst 1891 gelang die erste Durchquerung von Süden nach Norden. Die bedeutendsten Entdeckungsreisenden waren: Burton und Speke (1855), von der Decken (1865), Brenner (1867–68), Haggenmacher (1874), Révoil (1882–86), Menges (1881–85), Paulitschke (1885), James, der erste Europäer, der 1885 Ogaden erreichte, Baudi und Candeo (1891), Robecchi (1891), der von Mogdischu durch das Innere bis Berbera kam, Ruspoli (1891 und 1892–93), Bottego (1893), Graf Hoyos (1893–94), Donaldson Smith (1894/95) und Fürst Demeter Ghika Comaneşti (1895/96).
Geschichte. Die ersten Niederlassungen in den Hafenplätzen gründeten Araber im 13. Jahrh.; 1698 vertrieb Sef, der Sultan von Maskat, die Portugiesen von den Küstenorten, und 1814 breitete Abdallah, der Statthalter von Sansibar, seine Macht vorübergehend hier aus. Erst 1866, unter Seid Madjid, kamen Kismaju, Barawa, Merka und Mogdischu unter die dauernde Herrschaft des Sultanats Sansibar. Im Golf von Aden bemächtigte sich 1875 Ägypten der Städte Zeila und Berbera, überließ aber diese sowie die Landstriche bis Harrar 1884 den Engländern. Bei dem Abkommen zwischen Frankreich und England im Mai 1887 wurde als Grenze eine Linie von Ras Dschebulil (Südspitze der Tedschurabai) festgesetzt. Durch das engl.-ital. Abkommen vom 15. April 1891 wurde der Jubfluß als die Grenze zwischen Englisch-Ostafrika und Erythräa (s. d.) bestimmt. Italien gewann 1892 von dem Sultan von Sansibar gegen eine jährliche Entschädigung das Recht der Verwaltung und damit die Herrschaft über die Handelsplätze an der östl. Somalküste.
Vgl. Burton, First footsteps in Eastern Africa (Lond. 1856); von der Decken, Reisen in Ostafrika (4 Bde., Lpz. 1869–79); Haggenmacher, Reise in S. (in «Petermanns Mitteilungen», 1884–85); James, The unknown Horn of Africa (Lond. 1888); Baudi di Vesme und Candeo, Un' escursione nel paradiso dei Somali (Rom 1893); Graf Hoyos, Zu den Aulihan (Wien 1895); Mocchi, La Somalia Italiana (Benadir) e il suo avvenire (Neapel 1896).