Somal
(Singular Somali), ein den Hamiten und zwar der äthiopischen Familie derselben zugerechneter großer Volksstamm, welcher das ganze östliche Horn Afrikas östlich von den Galla und südlich von den Danakil über den Dschubbfluß hinaus bis gegen den Tana bewohnt. Sie zerfallen in drei voneinander unabhängige Stämme: die Adschi von Tadschura am Golf von Aden bis Kap Gardafui, die Hawijah an der Küste des Indischen Ozeans bis zur Stadt Obbia und die Rahanwin im W. der Hawijah zwischen Dschubb und Webbi (s. Tafel »Afrikanische Völker«, Fig. 29 u. 30). Die ethnographische Stellung der S. ist noch keine sichere; sie scheinen ein Mischvolk zu sein, bei dem nach den physischen Eigenschaften
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einmal der nordostafrikanische Typus durchschlägt, dann aber wieder eine Annäherung an das Semitische sich kundgibt. Unzweifelhaft sind sie Verwandte der Abessinier und Galla. Als fanatische Mohammedaner rühmen sie sich ihrer Herkunft aus Arabien. Bemerkenswert ist die von Revoil bei Somalweibern häufiger beobachtete Steatopygie (s. d.). Das Haar läßt man lang wachsen, beizt es mit Kalk rötlich; im Innern werden Perücken aus Schaffell getragen. Die Zahl der S. (zu 5 Mill. geschätzt) ist nicht bekannt, da in den eigentlichen Kern ihres Landes bis jetzt nur der Brite L. James nebst Genossen eingedrungen ist. Die Sprache der S. gehört zu dem äthiopischen (südlichen) Zweig des hamitischen Sprachstammes (dargestellt von Prätorius in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 24, 1870; auch von Hunter: »Somal-Grammatik«, Bombay 1880). Eine Schrift besitzen die S. nicht. Der Charakter des Volkes ist nach der Lebensweise verschieden. Die beduinischen S. sind leidenschaftlich, verräterisch und grausam, der Wert eines Mannes wird bei ihnen nach der Zahl seiner Mordthaten bemessen. Dagegen zeigen die Bewohner der größern Ortschaften eine verhältnismäßig nicht unbedeutende Bildung. Alle aber sind stolz und freiheitliebend u. im allgemeinen Feinde der Fremden. Sie leben meist in Monogamie, Sklaven sind nicht häufig. Die Kinder beiderlei Geschlechts werden beschnitten, die Mädchen bis zur Verheiratung vernäht. Bei der Verheiratung wählt das Mädchen den Mann, letzterer muß aber den Schwiegervater für dasselbe bezahlen. Auf die Frauen fällt die ganze Arbeitslast. Als Kleidung dienten früher Felle, jetzt ein der abessinischen Schama ähnliches Baumwollentuch, auch tragen die Frauen Beinkleider, Sandalen sind häufig in Gebrauch. Als Waffen dienen Lanzen, runde Schilde, Messer, im Süden auch Schwerter, ferner Bogen und vergiftete Pfeile. Die Wohnungen werden in den Städten aus Steinen und Lehmziegeln, sonst aus Fachwerk und Strohmatten errichtet; die nomadisierenden S. haben leicht abtragbare, zeltähnliche Hütten. Die Nahrung besteht im Fleisch ihrer Herden, in Sorghum, Mais, Milch, Butter sowie eingeführten Datteln und Reis. Spirituosen und Schweinefleisch sind verboten. Als Haustiere werden Kamele, Rinder (Zebu), Schafe, Ziegen, Pferde, Esel gehalten. Gelegentlich jagt man Elefanten, Nashorn, Büffel, Antilopen, Strauße. Den Toten zollt man viel Verehrung. Die Stämme stehen unter Häuptlingen, die aber wenig Macht haben. Die Gesellschaft zerfällt in drei Klassen: die Saladin, die Reichen und Würdenträger; die Barkele oder Beduinen und die Mödgan, letztere sind die Eisenarbeiter und werden als Zauberer scheel angesehen. Eine Art Hörige sind die Tomal, welche als Hirten, Kamelreiter u. a. dienen; eine Art Zigeuner, verachtet, aber wegen ihrer Zaubereien gefürchtet, sind die Jibbir. Bei allen hat die Blutrache Geltung. Das Somal- oder Somaliland besteht aus einem schmalen, sandigen Küstenstreifen, der an der Nordseite mehrere Häfen (Zeila, Bulhar, Berbera, Las Gori, sämtlich in englischem Besitz, ferner am Osthorn Bender Felek, Ras Felek) hat, während die Ostküste ganz ohne Häfen verläuft bis zu den im Besitz von Sansibar befindlichen: Warscheich, Mogduschu, Merka, Barawa, Kismaju. Das Innere ist eine weite, von einzelnen Höhenrücken unterbrochene Hochfläche, die zum Teil aus großen wüsten Strichen mit hartem Boden besteht. Die Wasserläufe, die das Land durchziehen, sind den größten Teil des Jahrs trocken, nur der Dschubb führt das ganze Jahr hindurch Wasser und ist auch eine beträchtliche Strecke aufwärts bis Bardera, wo v. d. Decken ermordet wurde, schiffbar; der nächstbedeutende Webi erreicht die See nicht. Auf dem Hochland sind der Tug Dehr und Tug Faf ihrer fruchtbaren Thalmulden wegen zu bemerken. Die hohe Temperatur des Küstenstrichs wird durch heftige Seewinde sehr gemildert; auf dem Hochland bilden 8° C. das Temperaturminimum und 32° C. das Maximum. Mimosen, Calotropis procera, Euphorbien und Koloquinten charakterisieren die Vegetation des Tieflandes, während im Hochland Weihrauchbäume, alle Gummisorten, Leuchtereuphorbien, im Webigebiet auch der Affenbrotbaum gedeihen. Die Fauna bietet Wanderheuschrecken, giftige große Ameisen, viele Bienen, Flußpferde und Krokodile, Strauße, alle afrikanischen Katzen, große Antilopenherden, das Zebra und den Wildesel. Vgl. Haggenmacher, Reise im Somaliland (Gotha 1876); Révoil, La vallée du Darror. Voyage au pays Çomalis (Par. 1882); Derselbe, Faune et flore des pays Çomalis (das. 1882); Paulitschke, Beiträge zur Ethnographie und Anthropologie der S., Galla und Harari (Leipz. 1886); James, The unknown horn of Africa (Lond. 1888).