Solon
,
berühmter Gesetzgeber Athens, unter den sieben Weisen Griechenlands der bedeutendste, geboren um 640 v. Chr. zu Athen, [* 2] Sohn des Exekestides, aus einem alten edlen Geschlecht, welches Kodros unter seinen Ahnen zählte, widmete sich dem Handel und ging frühzeitig auf Reisen. Zum erstenmal trat er 604 öffentlich auf. Die Athener, eines langen resultatlosen Kampfes mit Megara um Salamis müde, hatten ein Gesetz gegeben, welches jeden mit dem Tod bedrohte, der eine Erneuerung des Kampfes beantragen würde. S. erschien hierauf in der Rolle eines Wahnsinnigen auf dem Markt, sang vom Stein des Herolds herab eine von ihm verfertigte Elegie: »Salamis«, und entflammte dadurch die Kriegslust der Athener aufs neue in solchem Grade, daß der Kampf wieder begonnen und mit der Eroberung der Insel beendigt wurde.
Nicht lange nachher (600) wurde auf Solons
Betrieb der erste
Heilige
Krieg gegen Krissa zum
Schutz des delphischen
Heiligtums beschlossen.
Athen selbst aber befand sich um diese Zeit in einer bedenklichen
Lage. Die Zerrüttung war allgemein,
und der Zwiespalt der
Parteien drohte den
Staat zu untergraben. Da trat S. im entscheidenden
Augenblick abermals als Retter
seiner Vaterstadt auf, bewirkte eine allgemeine Sühnung des
Volkes durch
Epimenides und stiftete
Frieden.
Hierauf machte er, um der wachsenden Not und Verarmung des niedern Volkes zu steuern, durch die Seisachtheia (s. d.) dem Wucher ein Ende und ermöglichte die Abwälzung der Schulden. 594 zum ersten Archon gewählt, gab er dem Staat eine neue Verfassung. Seine Absicht ging hierbei vornehmlich dahin, die bisher zwischen Adel und Volk bestandene Kluft auszufüllen, die Anmaßung des erstern zu brechen, die Entwürdigung der letztern zu beseitigen, Standesvorrechte und Beamtenwillkür abzuschaffen und eine nach den Leistungen abgestufte Beteiligung aller Staatsbürger an der Staatsregierung einzuführen (s. Athen, S. 1001). Seine Verfassung war also eine Timokratie. Ihren Charakter und Zweck hat S. selbst am schönsten in den Versen bezeichnet (nach der Übersetzung von Geibel):
So viel Teil an der Macht, als genug ist, gab ich dem Volke,
Nahm an Berechtigung ihm nichts, noch gewährt' ich zu viel.
Für die Gewaltigen auch und die reicher Begüterten sorgt' ich,
Daß man ihr Ansehen nicht schädige wider Gebühr.
Also stand ich mit mächtigem Schild [* 3] und schützte sie beide,
Doch vor beiden zugleich schützt' ich das heilige Recht.
Außerdem gab er dem Volk eine dessen ganzes Leben und ganze Thätigkeit umfassende Gesetzgebung, deren segensreiche Wirkungen seine Verfassung überdauert haben; sie gewöhnte das Volk zu lebendiger, selbständiger Teilnahme am öffentlichen Leben, hob die geistige Bildung und erzeugte bewußte Sittlichkeit und edle Humanität in ihm. Die Sage erzählt, daß S. die Athener verpflichtet habe, während eines zehnjährigen Zeitraums an seiner Gesetzgebung nichts zu ändern, und daß er eine Reise ins Ausland deshalb gemacht habe, um nicht selbst Hand [* 4] an die Abänderung seiner Gesetze legen zu müssen. Er ging zunächst nach Ägypten, [* 5] wo er mit den Priestern von Heliopolis und Sais Umgang hatte, dann nach Cypern [* 6] und nach Sardes zu Krösos, mit dem er nach der (historisch unmöglichen) Sage die bekannte Unterredung über die Nichtigkeit menschlicher Glückseligkeit hatte.
Nach seiner Rückkehr nach Athen suchte er vergeblich den von neuem ausbrechenden Zerwürfnissen daselbst zu steuern und mußte noch sehen, daß sich Peisistratos zum Tyrannen aufwarf. Er starb 559; seine Gebeine sollen auf sein eignes Verlangen nach Salamis gebracht und dort verbrannt, die Asche aber auf der ganzen Insel umhergestreut worden sein. Als Sittenspruch wurde ihm beigelegt: »Nichts zu viel«. Als Dichter war er nicht minder ausgezeichnet wie als Gesetzgeber.
Seine Gedichte sind größtenteils hervorgegangen aus dem
Bedürfnis, seinen Mitbürgern die
Notwendigkeit der von ihm getroffenen
Staatseinrichtungen darzuthun. Die
Fragmente derselben sind gesammelt von
Bach
(Bonn
[* 7] 1825), in
Schneidewins
»Delectus poesis Graecorum elegiacae«
(Göttingen
[* 8] 1838) und in
Bergks »Poetae lyrici graeci«. Ins Deutsche
[* 9] übersetzte sie
Weber in den »Elegischen Dichtern der
Hellenen« (Frankf. 1826). Die ihm von
Diogenes Laertius beigelegten
Briefe an
Peisistratos
und einige der
sieben Weisen sind untergeschoben. Solons
Leben beschrieb Plutarch.
Vgl.
Kleine, Quaestiones
de Solonis
vita et fragmentis (Kref. 1832);