Solmisation
,
die im Mittelalter gebräuchliche Methode, den Schülern Tonleitern und Intervalle beizubringen. Bei textlosen Singübungen wurden allgemein die Silben ut re mi fa sol la gebraucht; ein solches Singen hieß solmisieren oder solfeggieren (s. Solfeggio). Man teilte die Töne nicht ab nach Oktaven, sondern nach Systemen von sechs Tönen und benannte diese mit dem griech. Worte Hexachord. Dem Hexachord lag die Durtonleiter zu Grunde. Jeder Grundton einer Leiter heißt ut, der zweite Ton oder die Sekunde re u. s. w. Also in C-dur bedeutet ut re mi fa sol la soviel als c d e f g a, in G-dur soviel als g a h c d e, in F-dur soviel als f g a b c d. Hieraus geht hervor, daß bei der S. die Namen der Töne nicht konstant sind, wie bei unserer Buchstabenbenennung, sondern daß sie nach den Tonarten wechseln; so z. B. heißt c in C-dur ut, in G-dur aber fa, und in F-dur sol, es hat also drei verschiedene Namen, je nachdem es Grundton oder Quarte oder Quinte ist.
Dieser Umstand führte in der alten Musiklehre zu einem verwickelten System der wechselnden Benennung der Töne, das Mutation genannt wurde. Die Schwierigkeiten der Mutation suchte man dem Schüler an den Gliedern der Guidonischen Hand zu erleichtern, so genannt von Guido (s. d.) von Arezzo, dem angeblichen Erfinder der S., von dessen Schülern diese Lehren [* 3] seit dem 11. Jahrh. nach und nach ausgebildet wurden. Zu den sechs Silben kam man angeblich durch einen von Paulus Diakonus gedichteten Hymnus an den heil. Johannes, in welchem die sechs ersten Verse mit diesen Silben anfingen (Ut queant laxis | Resonare fibris | Mira gestorum | Famuli tuorum | Solve polluti | Labii reatum | Sancte Johannes) und zwar zu einer Melodie, die in c (ut) begann, mit jeder folgenden Zeile einen Ton höher stieg und sich dadurch als die passendste Schulübung erwies.
Die S. ist für Gesang und Kontrapunkt bestimmt und hat für beide bleibende Bedeutung. Hinsichtlich der Benennung der Töne mußte aber der Apparat der Mutation aufgegeben werden, als das System der Oktave an die Stelle des Hexachords trat. Man half sich nun damit, daß (im 17. Jahrh.) als Name für die siebente Tonstufe (h und b) die Silbe si gewählt wurde, wodurch die sieben Silben ut re mi fa sol la si für die sieben Töne der Oktave gewonnen und damit gleiche, feststehende Namen für alle Töne hergestellt waren.
Nach diesen sieben Silben werden die Töne wie die Tonarten jetzt von allen musikalischen Nationen bezeichnet (die Italiener sagen do statt ut des Wohlklangs und der Gleichmäßigkeit wegen); nur die Deutschen machen hiervon eine Ausnahme, da sie aus ihrer alten Orgeltabulatur die noch einfachere, obgleich gesanglich ungünstigere Benennung nach den Buchstaben gewählt und beibehalten haben. Zur Zeit als die Guidonische Hand außer Brauch und die damit verbundene Notenbenennung ins Schwanken kam, tauchten verschiedene Vorschläge für ein neues Tonalphabet auf, die man unter dem Titel Bobisationen zusammenfaßt. Die größte praktische Bedeutung erlangte unter ihnen die sog. belgische, auf Hubert Waelrant in Antwerpen [* 4] zurückgeführte S., gemeinhin als Bocedisation bekannt. Ihre sieben Silben heißen bo, ce, di, ga, lo, ma, ni. ^[]