Titel
Soissons
(spr. ßŏasóng).
1) Arrondissement im franz. Depart. Aisne in der Isle-de-France, hat auf 1245,37 qkm (1896) 71 055 E., 6 Kantone und 165 Gemeinden. - 2) S., lat. Noviodunum, Augusta Suessionum, Hauptstadt des Arrondissements S., früher der Isle-de-France und von Soissonais, 90 km nordöstlich von Paris, in fruchtbarem Thale links an der schiffbaren Aisne, an den Linien Paris-Laon und Compiègne-S. (40 km) der Nordbahn sowie Reims-S. (111 km) der Ostbahn, ist Festung zweiten Ranges, von Forts umgeben, Sitz des Kommandos der 7. Infanteriebrigade, eines Bischofs, Gerichtshofs erster Instanz, Handelsgerichts, einer Ackerbaukammer und hat (1896) 9715, als Gemeinde 12 373 E., in Garnison das 67. Infanterieregiment, Großes und Kleines Seminar, Collège, Erziehungsanstalten, ein Krankenhaus (vom J. 1247), Promenaden am Fluß; besonders eine got. Kathedrale aus dem 12. und 13. Jahrh. (Turm 66 m hoch) mit einem Querbau von drei Schiffen, Ruinen der Abtei St. Jean des Vignes (13. Jahrh.), von der noch das prächtige Portal und zwei Türme (70 und 75 m hoch) erhalten sind, die Abtei St. Léger (jetzt Kleines Seminar) mit einer Kirche aus dem 13. Jahrh., die Abtei Notre-Dame (Kaserne) und die roman. Kirche St. Pierre aus dem 12. Jahrh. (Gymnasium). Auf dem Großen Platz ist das Theater und eine hübsche Fontäne aus Bronze von Blanchard. Das Rathaus (18. Jahrh.) enthält die Bibliothek mit 59000 Bänden und 275 kostbaren Handschriften sowie das Museum; im Hofe steht das Bronzestandbild des Advokaten Paillet (gest. 1858) von Duret.
Aus der Römerzeit sind Reste eines großen Amphitheaters sowie Münzen, Skulpturen, Mosaiken und Gefäße gefunden, die der Archäologische Verein aufbewahrt. Auf dem rechten Ufer der Aisne liegt unterhalb der Vorstadt St. Vaast das Dorf St. Médard, das früher eine berühmte Abtei mit 7 Kirchen hatte, wohin 1530 gegen 300000 Pilger kamen; auf dem Platze ist ein Taubstummeninstitut. S. hat Strumpfwirkerei, Ölmühlen, Lohgerberei und bedeutenden Handel mit Getreide, Mehl und feinen beliebten Bohnen, besonders nach Paris. - S., schon zu Cäsars Zeit als Hauptstadt der Suessonen mächtig, erhielt später ein röm. Palatium.
Hier schlug Chlodwig I. 486 den röm. Feldherrn Syagrius; bei der Erbteilung 511 wurde S. Hauptstadt von Neustrien und somit die Wiege der franz. Monarchie; 576 besiegte Chilperich I. die Austrasier, Karl Martell 719 den Herzog von Aquitanien, 744 tagte hier eine wichtige Synode und 751 wurde Pippin zum König erhoben. S. wurde 884 von den Normannen erobert und hatte danach noch viele Belagerungen und Besitzwechsel zu erleiden. Ferner besiegte hier Hugo der Große von Francien im Juni 923 Karl (III.) den Einfältigen und hielt Philipp II. August 1213 einen Reichstag ab. Am wurde S. von Bülow und Wintzingerode genommen, aber schon 5. März von Marmont und Mortier zurückerobert. Am mußte es sich den Preußen und nach viertägiger Beschießung der deutschen Maasarmee ergeben. -
Vgl. Gärtner, Die Belagerung von S. im Sept. und Okt. 1870 (Beiheft 5 u. 6 zum «Militär-Wochenblatt», Berl. 1874).