Snorri
Sturluson, einer der bedeutendsten Isländer, der in der Geschichte der skandinavischen Litteratur wie in der seiner engern Heimat eine wichtige Rolle spielt, geb. 1179 auf dem Hof [* 3] Hvamm in Island [* 4] als Sprößling eines der ältesten Geschlechter der Insel, der Sturlunge. Er ward von seinem dritten Jahr an bei Jon Loptsson, dem Enkel Sämunds, zu Oddi erzogen und unterrichtet. Seinen durch Heirat erworbenen bedeutenden Reichtum verwandte er zum Teil auf Bauwerke in seinem Lieblingsgut Reykjaholt. Er bekleidete mehrmals das Amt eines Gesetzsprechers, welches damals die höchste Würde auf Island war.
An den Bruderfehden der Sturlunge (von denen die »Sturlungasaga« handelt) war er, und nicht immer in rühmlicher Weise, beteiligt, wie denn Ehrgeiz und Habsucht ihm nicht abzusprechen sind. 1237 floh er vor seinem Bruder Sighvat und dessen Sohn nach Norwegen [* 5] zum Herzog Skuli, mit dem er seit seinem ersten Aufenthalt in Norwegen (1218) eng befreundet war. König Hakon, dem S. der Mitschuld an Skulis Aufstand verdächtig war, erklärte ihn, da er 1239 gegen sein Verbot nach Island zurückkehrte, für einen Hochverräter, und in seinem Auftrag ward S. von Gizurr, seinem eignen Schwiegersohn, zu Reykjaholt überfallen und ermordet.
Ungleich rühmlicher als die politische ist die litterarische Thätigkeit Snorri
Sturlusons. Diese betrifft zunächst die
»Heimskringla« (so genannt nach den Anfangsworten der Haupthandschrift), eine Sammlung von 16 norwegischen
Königssagas (von Halfdan dem
Schwarzen,
Harald Schönhaar,
Hakon dem
Guten,
Harald Grafell,
Olaf Tryggvason,
Olaf dem
Heiligen,
Magnus dem
Guten,
Harald Hardradi,
Olaf dem Friedfertigen,
Magnus
Barfuß,
Sigurd dem Jerusalemfahrer,
Magnus dem
Blinden u. a.),
der ein
Prolog und die mythische »Ynglingasaga« vorhergehen.
Überliefert ist die »Heimskringla« in den Handschriften: »Kringla« und »Jöfraskinna« (die beide 1728 in Kopenhagen [* 6] verbrannten, aber in Abschriften erhalten sind),
im »Eirspennill« und in der »Fríssbók«
(hrsg. von
Unger, 1871), welche Sturla Thordharsons
Saga von
Hakon dem Alten anhängt, dagegen die
Saga von
Olaf dem
Heiligen fortläßt.
Was Snorris
Anteil an dieser Sammlung betrifft, so gehen die
Ansichten darüber auseinander; jedenfalls
benutzte er schon schriftliche
Sagas, und sein Hauptverdienst ist das der kritischen Sichtung und Bearbeitung des vorhandenen
Materials. Herausgegeben ward die
»Heimskringla« von Peringskjöld (Stockh. 1697), von
Schöning und
Sk. Thorlacius (Kopenh.
1777-83, 3 Bde.), am besten, jedoch ohne
Apparat, von
Unger
(Christ. 1868); teilweise ins Deutsche
[* 7] übersetzt
von
Wachter (Leipz. 1835-36), Mohnike (Strals. 1835-37), ins
Dänische von
Grundtvig (Kopenh. 1818-22), von
Aall
(Christ. 1838-39),
ins
Schwedische von Richert (Stockh. 1816 bis 1829), von H.
Hildebrand
(Örebro 1869-71, 3 Bde.).
Vgl. P. E. Müller, Undersögelse om Kilderne til Snorros Heimskringla (das. 1823);
G. Storm, »Snorre Sturlassöns Historieskrivning« (Kopenh. 1873);
Boesen, S. (das. 1879).
Ferner rühren nach alten Zeugnissen (das älteste in der
Upsalaer
Handschrift um 1300) die ältern Teile der jüngern
Edda von
S. her (daher »Snorra-Edda« genannt). Außer dem in dieser enthaltenen
»Háttatal«, einem Lobgedicht auf den König
Hakon und den
Jarl Skuli (s.
Edda, S. 305), dichtete er auch
Drapas (von denen jedoch nur ganz dürftige Reste erhalten sind) auf
Jarl
Hakon Galins
Witwe
Christine, auf den
Bischof Gudmund
Arason u. a. Neuerdings hat
man es auch wahrscheinlich zu machen gesucht, daß das unter
Sämunds des
Weisen
Namen überlieferte
Gedicht »Noregs konungatal« eine Jugendarbeit von S.
ist. Snorri
Sturlusons schriftstellerische Thätigkeit fällt wahrscheinlich in die Jahre 1220-37.
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