Skythen
,
Volk des Altertums, mit dessen Namen die Griechen die Völker des Nordens, d. h. nördlich vom Paropamisos, Kaukasus und Schwarzen Meer, bezeichneten: die Massageten, Saken, Sarmaten und die Skoloten. Diese letztern, von Herodot als die eigentlichen S. bezeichnet, wohnten an der Küste der Mäotis und des Pontus vom Tanais (Don), der ihr Gebiet von dem der Sauromaten (Sarmaten) im N. des Kaukasus trennte, bis an den Istros (Donau) auf 20 Tagereisen (100 Meilen) in das Binnenland hinein.
Ihr Gebiet, aus dem sie die Kimmerier verdrängt hatten, war von großen Flüssen, dem Borysthenes (Dnjepr), Hypanis (Bug) und Tyras (Dnjestr), durchflossen und eine baumlose Steppe. Deshalb trieben sie wenig Ackerbau, meist Viehzucht und [* 2] führten ein Nomadenleben. Ihre mit Ochsen bespannten und mit einer Filzdecke versehenen Wagen dienten zugleich als Haus. Die Männer lebten meistens zu Pferd. [* 3] Sie zerfielen in eine Anzahl Stämme, an deren Spitze Vorsteher oder Stammesfürsten standen; ein Stamm in der Landschaft Gerrhos am Borysthenes hatte den Vorrang, und aus ihm wurde der König erwählt.
Ihre ehrenvollste Beschäftigung war der Krieg, sie kämpften als Bogenschützen zu Pferd. Als höchste Gottheiten verehrten sie den Himmelsgott (Papäos), das Herdfeuer und den Kriegsgott und zwar ohne Götterbilder und Altäre, aber mit blutigen, auch Menschenopfern. Sie waren tapfer, gutartig, sorglos und gesellig, neigten aber zu Unmäßigkeit und wüstem Genuß und lebten, da sie sich nie wuschen, in größter Unreinlichkeit. Ob die S. und Sarmaten arischen Stammes (Slawen) oder Mongolen ¶
mehr
waren, ist eine noch streitige Frage. Für die mongolische Abstammung entscheidet sich Neumann (»Die Hellenen im Skythen
lande«,
Berl. 1855),
für die arische Safarik (»Slawische Altertümer«, 1837),
Zeuß (»Die Deutschen und ihre Nachbarstämme«, Münch. 1837),
Müllenhoff und Cuno (»Die S.«, Berl. 1871). Mit den Griechen, die an ihrer Küste zahlreiche Kolonien anlegten, standen sie in lebhaftem, freundlichem Verkehr und nahmen gern griechische Sitten und Bildung an (vgl. Anacharsis). Um 630 v. Chr. fielen die S. in Medien ein und drangen in das Euphrat- und Tigrisgebiet und in Syrien bis Ägypten [* 5] vor. Nachdem sie die Macht des assyrischen Reichs gebrochen, wurden sie nach etwa zehn Jahren von Kyaxares wieder aus Asien [* 6] vertrieben. Um sie für diesen Einfall in Medien zu züchtigen, setzte der persische König Dareios I. 515 mit 700,000 Mann auf einer über den thrakischen Bosporus [* 7] geschlagenen Brücke [* 8] nach Europa [* 9] hinüber und drang durch Thrakien in das Land der S. ein.
Diese zogen sich, eine Schlacht vermeidend, zurück, worauf die Perser über den Tanais vordrangen, aber dann, des nutzlosen, aufreibenden Verfolgens müde, wieder auf demselben Weg unter großen Verlusten nach dem Istros und von da durch Thrakien nach Asien zurückkehrten. Seitdem erfährt man von den S. mehrere Jahrhunderte lang fast gar nichts. Erst der König Mithridates d. Gr. geriet wieder in Kampf mit ihnen, nachdem die Dynasten der griechischen Städte am Pontus, des lästigen Druckes der skythischen Grenznachbarn überdrüssig, ihre Städte in die Hände jenes pontischen Königs geliefert hatten, worauf dieser die S. aus der ganzen Taurischen Halbinsel verdrängte.
Als nach Besiegung des Mithridates die Römer [* 10] die bosporanischen Könige von sich abhängig gemacht und mit den Völkern am Pontus und an der Mäotis Handelsverbindungen angeknüpft hatten, besonders aber seit der Unterwerfung Daciens durch Trajanus, wurden auch sie mit Skythia genauer bekannt. Doch verschwand nun der Name S., um dem der Sarmaten, die jene seit 300 v. Chr. überwältigt hatten, Platz zu machen. Der Name Skythia aber wurde auf asiatische Landstriche übertragen. Dieses von Ptolemäos beschriebene asiatische Skythia umfaßt die Gegenden zwischen dem asiatischen Sarmatien im W., dem unbekannten Land im N., Serika im O. und Indien im Süden und wird in zwei Hauptteile geschieden: Skythia innerhalb und Skythia außerhalb des Imaos (eines großen Gebirges). Als Flüsse [* 11] werden hier erwähnt: der Paropamisos, Rhymnos (jetzt Gasuri), Daix (jetzt Jaik), Oxos und Jaxartes.