Sittenpolizei
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Gesamtheit der polizeilichen Maßregeln, die gegen öffentliche Unsitte und Anreizung zur Unsittlichkeit gerichtet sind, und die zur Ausführung dieser Maßregeln bestellten amtlichen Organe. Die S. beschränkt sich gegenwärtig in den deutschen Staaten auf Maßregeln gegen die Trunksucht, geschlechtliche Ausschweifungen, Glücksspiele, Tierquälerei, und solche zum Schutze der Sonn- und Festtagsfeier. Die Bekämpfung der Trunksucht geschieht durch Beschränkung der Gastwirtschaften, Einrichtung sog. Polizeistunden (s. d.), Strafandrohungen gegen Wirte in betreff der Aufnahme schulpflichtiger Kinder in ihren Lokalen und Bestrafung solcher Personen, welche sich durch den Trunk unfähig machen, diejenigen zu unterhalten, zu deren Unterhalt sie verpflichtet sind (Reichsstrafgesetzbuch §. 361⁵, sowie zahlreiche Polizeivorschriften in den Einzelstaaten).
Gegen geschlechtliche Ausschweifungen richten sich mehrfache Vorschriften des Reichsstrafgesetzbuchs, nämlich §§. 183, 184, 174, 179, 182, 160, 361⁶. Außerdem ist in einzelnen Staaten der Konkubinat (s. d.), sofern dadurch öffentliches Ärgernis erregt wird, verboten; ferner gehören hierher auch die Vorschriften gegen öffentliche Tanzbelustigungen. Gegen das Glücksspiel richtet sich das reichsgesetzliche Verbot der Duldung von öffentlichen Spielbanken, sowie verschiedene strafrechtliche Vorschriften (Reichsstrafgesetzbuch §§. 284‒286, 361⁵); gegen Tierquälerei die Vorschrift im Reichsstrafgesetzbuch §. 360¹³ sowie polizeiliche Strafbestimmungen in Württemberg, [* 2] Baden, [* 3] Hessen, [* 4] Sachsen; [* 5] zum Schutz der Sonntagsfeier bestehen ebenfalls Polizeivorschriften in den Einzelstaaten mit der Strafdrohung des §. 366¹ des Reichsstrafgesetzbuchs. Gegen «groben Unfug» hat, ohne nähere Bestimmung, das Reichsstrafgesetzbuch (§. 360, Nr. 11) Maßregeln getroffen. –
Vgl. R. von Mohl, Die Polizeiwissenschaft, Bd. 2 (3. Aufl., Tüb. 1866).