stellten, jetzt bestimmt letztere die Art der Bauten, und dabei ist eben nur der kirchliche Gedanke maßgebend, der überall der «gleiche» ist. Wenn die gotischen Kirchen den religiösen Empfindungen des Volkes Ausdruck geben, zugleich aber auch als Denkmal der bürgerlichen Macht den Ruhm der Städte verewigen sollten, so hatten die katholischen Barockbauten nur die eine römische Kirche zu verherrlichen und in derem Sinne die religiöse Empfindung des Volkes zu leiten.
Eigenart der Barock-Baukunst. Die Renaissancekunst hatte überhaupt als letztes Ziel die «Schönheit an und für sich», und diesen rein künstlerischen Grundgedanken suchte sie bewußt zu verwirklichen. In der Baukunst war es nun die «Schönheit des Raumes», der in diesem Sinne anzustreben war, und darum blieb die Raumgestaltung die Hauptsache, das Schmuckwerk war nur eine Zuthat, die nicht unbedingt nötig erschien. Jetzt aber wird das Verhältnis umgekehrt: auf das die Sinne fesselnde Schmuckhafte wird der Schwerpunkt gelegt und der Raum danach so gestaltet, daß er zur stärksten Wirkung gelangen kann. Die Bauformen richten sich daher nicht nach den Erfordernissen der Baufügung, sondern werden mit Rücksicht auf Schmuckwirkung gebildet, und es kommen daher nicht selten willkürliche Gestaltungen vor.
Daß man das Hauptgewicht auf die Ausführung der Schauseite der Kirchen legte, ist nach dem Vorgesagten wohl begreiflich; dabei entfalteten die Baukünstler all ihre Erfindungsgabe und ihr ganzes Können. Noch mehr als in der Renaissancezeit wurde jetzt die Schauseite als etwas ganz Selbständiges betrachtet, das mit dem Inneren des Baues in keinem unbedingten Zusammenhange zu stehen brauche. Man kann daher auch nie von dem Aeußeren einen sicheren Rückschluß auf die innere Anlage ziehen. Auf der Schauseite fanden nun alle Formen Verwendung, wie sie die Renaissance von der Antike übernommen und ausgebildet hatte; und dabei verfuhr man ziemlich willkürlich, ohne Rücksicht
^[Abb.: Fig. 592. Bernini: Brunnen der vier Flüsse.
Rom. Piazza Navona.] ¶
auf die innere Bedeutung derselben als Bauglieder zu nehmen. So verloren beispielsweise die Säulen oft ganz ihre Bedeutung als Stützen, ebenso mußten Gebälke, Gesimse, Giebel und Verdachungsformen zur Verzierung dienen, ohne daß die Baufügung damit irgendwie in Zusammenhang stand.
Kraftvoll und groß, oft bis zur erdrückenden Wuchtigkeit, wurden alle diese Formen gebildet und ebenso auch in überreicher Fülle zusammengestellt. Das Zierliche und Feine ist verbannt, alles erscheint fest und haltbar. Auch die Baufügung ist daher einfach und ungekünstelt, durch Lösung besonderer Schwierigkeiten sich hervorzuthun, liebten die Barockbaumeister nicht. Da sie auf Festigkeit und Kraft bedacht waren, so entfiel auch die feine Gliederung der Einzelheiten, wie sie namentlich in der Frührenaissance üblich war.
Für das zarte Zierwerk, mit welchem man damals allen Raum ausfüllte, die Riefelung der Säulen, die Blattreihen und Perlstäbe gab es keinen Platz mehr, denn diese kleinlichen Einzelheiten hätten den Gesamteindruck gestört. Dagegen wurde meisterhaft ausgebildet die Kunstfertigkeit in der Gestaltung der Gesimse, insbesondere mit Rücksicht auf die Schattenwirkung und die Abwägung der Massen, und es zählt zu einem der vornehmsten Vorzüge der Barockkunst, daß sie große Wandflächen, vor allem aber die Schauseiten durch großzügige Linienführung und Kraftentfaltung an entscheidenden Stellen in ausdrucksvoller Weise bildnerisch zu gestalten verstand.
Im Vorstehenden wurde versucht, die wesentliche Eigenart des «Barockstiles» in Kürze zu kennzeichnen; hinsichtlich der Einzelheiten kann ich mich auf wenige Bemerkungen beschränken. Was den Grundriß der Kirchen anbelangt, so herrscht ziemliche Freiheit, und
^[Abb.:Fig. 593. Borromini und Rainaldi: Kirche St. Agnes.
Rom.] ¶