Sinne
(Sensus), in der weitesten Bedeutung die verschiedenen
Arten der
Wahrnehmung. Die S. unterrichten
uns sowohl über die
Außenwelt, und dann nennen wir sie objektive oder äußere S., als auch über gewisse Zustände unsers
eignen
Körpers, und dann heißen sie
Gemeingefühle oder innere S. Bei der von alters her angenommenen Fünfzahl der S.:
Sehen,
[* 3] Hören,
Riechen, Schmecken, Fühlen, sind nur die äußern S. berücksichtigt. Für jeden dieser S. besitzen
die höhern
Tiere bestimmte
Organe, sogen.
Sinnesorgane (s. d.). Was im allgemeinen das Zustandekommen der
Empfindungen betrifft,
so ist dasselbe
an drei
Bedingungen gebunden, nämlich an eine objektive
Ursache der
Empfindung, den sogen. Sinne
sreiz, sodann
an die Erregung der Sinne
snerven und endlich an die bewußte
Wahrnehmung eines veränderten Zustandes
des betreffenden Sinne
snervs.
Licht

* 4
Licht.
Die Sinne
sreize sind homologe oder adäquate und heterologe
Reize. Für die erstern ist das
Sinnesorgan speziell eingerichtet,
und der betreffende Sinne
snerv ist an seinem peripherischen Ende vermöge besonderer
Apparate dafür in hohem
Grad empfänglich.
Solche homologe
Reize sind das
Licht
[* 4] für das
Auge,
[* 5] der
Schall
[* 6] für das
Ohr.
[* 7] Heterologe
Reize nennt man alle
übrigen, welche überhaupt
Empfindungen veranlassen können, z. B.
Elektrizität
[* 8] für die
Netzhaut des
Auges etc. Die durch
heterologe
Reize verursachten
Empfindungen sind aber den durch homologe
Reize veranlaßten ähnlich.
Sinnen - Sinnesorgane

* 9
Seite 14.993.
Zur Erregung objektiver
Empfindungen sind äußere (homologe oder heterologe), zur Erregung subjektiver
Empfindungen innere, im
Körper selbst liegende und den nervösen Sinne
sapparat treffende
Reize erforderlich, welch letztere
entweder den Empfindungsnerv in dessen
Peripherie oder Verlauf, oder gewisse
Partien des
Gehirns, nämlich die sogen.
Zentralorgane
der S., betreffen. Die subjektiven
Empfindungen sind übrigens bezüglich ihrer
Qualität den objektiven vollkommen ähnlich.
Der
Sehnerv z. B. kann, durch innere
Reize
(Blutandrang u. dgl.) erregt, keine andern
Empfindungen als die von
Licht und
Farbe hervorrufen. Obschon die
Empfindung zunächst nichts andres ist als eine bewußte
Wahrnehmung
veränderter Zustände der nervösen Sinne
sapparate selbst, so verlegen wir doch erfahrungsgemäß das Empfundene in die
Außenwelt, ja wir fassen sogar den durch das äußere
Objekt in uns
¶
mehr
verursachten Empfindungszustand auf als objektive Eigenschaft dieses äußern Objekts. Die Gesichts- und Gehörsempfindungen
sind von allen die objektivsten. Wir verlegen dieselben, mit vollständigem Vergessen unsers empfindenden Ichs, ganz und gar
außerhalb unsers Körpers, so daß nicht im geringsten die begleitende Vorstellung eines veränderten Zustandes des Sinne
sapparats
vorhanden ist. Weniger objektiv schon sind die Druckempfindungen. Auch diese verlegen wir an den Ort,
wo das den Sinn erregende Objekt wirklich sich befindet; dieser Ort ist aber die Peripherie des Sinne
snervs selbst. Daher beziehen
wir diese Empfindungen sowohl unmittelbar auf Teile unsers Körpers als auch auf die äußern Dinge selbst, doch so, daß
letztere das Übergewicht behalten. Empfindungen geringer Objektivität sind die Temperatur-, Geruchs- und Geschmacksempfindungen.
Bei diesen haben wir verhältnismäßig am meisten das Gefühl veränderter Zustände des eignen Körpers.
Nerven I

* 10
Nerven. Da objektiv ganz verschiedene Reize, welche denselben Sinne
snerv treffen, Empfindungen ähnlicher Art hervorrufen, während
anderseits ein und derselbe äußere Reiz, wenn er auf verschiedene Sinne
snerven einwirkt, verschiedene
Empfindungen verursacht, so schreibt man jedem Sinne
snerv eine ihm eigentümliche, spezifische Energie zu, welche wir nicht
von der Beschaffenheit der Nerven
[* 10] selbst ableiten können. Vielmehr sind die spezifischen Energien wahrscheinlich von dem nervösen
Zentralapparat des Sinnes
abhängig.
Mangelt ein Sinne
sendapparat, so fallen die ihm zukommenden objektiven Empfindungen aus, während subjektive
Reize noch spezifische Empfindungen auslösen können. Jeder Sinn verschafft uns die qualitativ mannigfachsten Empfindungen:
wir nehmen die verschiedensten Farben, die verschiedensten Töne wahr. Auch quantitativ sind die Empfindungen äußerst verschieden;
doch gelingt es uns nur bei räumlichen und zeitlichen Empfindungen, ein absolutes Maß für dieselben zu
finden, während wir qualitativ gleiche Empfindungen der Spezialsinne
nur einfach verschieden intensiv wahrnehmen, ohne in
dem Sinn selbst ein absolutes Maß für die verschiedenen Intensitäten zu haben.
Ganz schwache Reize nehmen wir übrigens gar nicht wahr. Mit der Vermehrung der Reizstärke steigert sich auch die Empfindungsintensität. Bei fortgesetzter Einwirkung eines nicht zu schwachen Reizes tritt allmählich Abstumpfung der Empfindung ein, letztere wird schwächer oder erscheint selbst qualitativ verändert. Stärkere Reize führen früher zur Abstumpfung als schwächere. Allzu starke Reize, wie sehr grelles Licht, sehr lauter Schall, rufen die Empfindung des Schmerzes hervor.
Durch anhaltende Übung kann man es in der Unterscheidung von Empfindungen, welche sich qualitativ oder
quantitativ sehr nahe stehen, zu einer ungewöhnlichen Feinheit bringen. Äußerst wichtig ist der Umstand, daß wir beständig
zahlreichen Sinne
sreizen ausgesetzt sind, ohne von den meisten derselben wirklich etwas zu empfinden. Da erfahrungsmäßig
jeder Reiz erst eine gewisse Höhe erreichen muß, ehe er Empfindungen anregen kann, so ist uns bis zu einer
gewissen Grenze ein durch äußere Reize ungestörter Zustand gesichert.
Gehirn

* 11
Gehirn.Aber auch bei starker Reizung von Sinnesnerven können die Empfindungen ausfallen, wenn die Leitung zwischen dem peripherischen Ende der Sinnesnerven und dem Gehirn, [* 11] z. B. durch Nervendurchschneidung, aufgehoben ist, oder bei getrübtem Bewußtsein, wie in gewissen Hirnkrankheiten, im tiefen Rausch, oder endlich bei Ablenkung der Aufmerksamkeit von den unsre S. treffenden Gegenständen und von unsern eignen Empfindungszuständen. Merkwürdig ist, daß auch nicht beachtete Eindrücke mehr oder minder deutlich uns zum Bewußtsein kommen können.
Vgl. George, Die fünf S. (Berl. 1846);
Dornblüth, Die S. des Menschen (Leipz. 1857);
Böhmer, Die Sinneswahrnehmungen (Erlang. 1866-68);
Leyden, Über die Sinneswahrnehmungen (2. Aufl., Berl. 1872);
Preyer, Die fünf S. des Menschen (Leipz. 1870);
Bernstein, [* 12] Die fünf S. des Menschen (2. Aufl., das. 1889).