Sinn
,
in ursprünglicher Bedeutung die Fähigkeit des Menschen, den Inhalt irgendwelcher Erfahrungen aufzufassen, und in übertragener Bedeutung dieser Inhalt selbst. So sagt man von jemand, er habe S. für die Poesie, für Naturschönheit u. s. w., so spricht man von dem S. einer Rede u. s. w. In der Physiologie und Psychologie bedeutet S. ein leibliches Organ, das unsern Verkehr mit der Außenwelt vermittelt, oder die Leistungen eines solchen Organs. In der Philosophie versteht man unter S. im allgemeinen das Vermögen unmittelbarer Auffassung und Erkenntnis im Gegensatz zu dem begrifflichen Denken. (S. Sinnlichkeit.)
Die naturgemäße Thätigkeit der S., Wahrnehmungen von der Außenwelt und von den Zuständen des eigenen Leibes zu liefern,
wird vermittelt durch die Erregung bestimmter
Nerven
[* 3] oder Nervenkomplexe. Vermöge einer Einrichtung, die man als
specifische Energie der Sinnesorgane
bezeichnet hat, erscheint in dem entwickelten Organismus jede Art von sinn
licher Empfindung an bestimmte
Nervenbahnen derartig gebunden, daß einerseits sie selbst nur durch deren Reizung entsteht, andererseits jede beliebige
Reizung dieser Nervenbahnen zu Empfindungen derselben Art führt. So entstehen z. B. Gesichtsempfindungen
nie anders als durch Reizung des
Sehnerven; aber wie und an welcher
Stelle man auch diesen
Nerven reize,
ob durch Licht
[* 4] oder durch
Stoß oder durch Elektricität, ob an seinem peripherischen oder centralen Ende oder in der Mitte,
nie giebt er eine andere Empfindung als die der Helligkeit oder der
Farbe.
Diese eigentümliche Thatsache beruht darauf, daß die Thätigkeit der Nerven durch ihre peripherischen Endigungen bedingt ist, die durch ihren Bau zur Aufnahme und Fortpflanzung nur bestimmter Bewegungsformen befähigt sind. So sind z. B. die Endigungen des Sehnerven im Auge [* 5] so eingerichtet, daß sie zwar auf die feinen Schwingungen des Lichtäthers, nicht aber auf die gröbern Bewegungen der Luft ansprechen, denen sich das Ohr [* 6] mit den Endigungen des Gehörnerven angepaßt hat. Dadurch und namentlich durch die Beobachtung, daß eine Stellvertretung der nervösen Bahnen im Gehirn [* 7] wie im peripherischen Verlauf möglich ist, hat die Annahme einer specifischen Energie ihre eigentliche Bedeutung verloren. Von der Verbindung, in der verschiedene nervöse Elemente miteinander stehen, ist ihre specifische Funktion abhängig zu denken, nicht von einer ihnen innewohnenden Energie.
Im einzelnen unterscheidet man fünf äußere S.: den Gefühlssinn
, den
Geschmack, den
Geruch, das
Gesicht
[* 8] und das
Gehör.
[* 9] Für
einen jeden dieser S. bestehen besondere Sinn
esorgane, die aus den betreffenden
Sinnesnerven und gewissen peripherisch gelegenen
nervösen Endorganen zusammengesetzt sind und durch die Einwirkung specifischer Sinn
esreize (Wärme,
[* 10] Licht,
Schall,
[* 11] mechan., chem. und elektrischer Reiz) die Erregung
gewisser Partien des
Gehirns und damit die Entstehung der Sinn
eswahrnehmung vermitteln. Näheres s. Gefühl (physiologisch),
Gemeingefühl,
Tastsinn,
Auge,
Sehen,
[* 12]
Gehör,
Geruch,
Geschmack.
Während die
Psychologie die Sinn
esempfindungen als ein Geschehen in der Seele betrachtet, erforscht die
Physiologie die sie
bedingenden leiblichen Vorgänge, d. h. die Formen der Erregung in den
Sinn
esorganen,
-Nerven und -Centren. Als Eindrücke im eigentlichen Sinne
, als Abbildungen der Gegenstände kann aber weder
die
Psychologie noch die
Physiologie die Empfindungen betrachten: sie sind der
Ausdruck eines Geschehens, das durch die Organisation
des
Nervensystems und durch dessen Verhältnis zum
Bewußtsein bedingt ist;
daher uns die sinn
liche Empfindung
niemals die wahre Beschaffenheit der Dinge, sondern nur die Art verrät, wie wir davon affiziert werden. (S. Empfindung.)
Insofern ist jede Empfindung subjektiv im weitern Sinne.
Als subjektive Empfindungen im engern Sinne
bezeichnet man dagegen
solche, die ohne Einwirkung äußerer Gegenstände durch bloße Erregungszustände der
Nerven erfolgen;
z. B. die subjektiven Gefühle des
Hypochonders, der säuerliche
Geschmack bei verdorbenem
Magen,
[* 13] das Ohrenbrausen u.s. w. Werden
derartige subjektive Empfindungen nicht als solche erkannt, sondern irrtümlich auf äußere Gegenstände bezogen, so entstehen
daraus die sog.
Sinnestäuschungen (s.
Hallucinationen,
Illusion). Die Empfindungen geben weder die Gestalt
und Beschaffenheit der physik. Reize genau wieder, noch auch wachsen sie in demselben Verhältnis, wie die Reize wachsen,
vielmehr nach einer Gesetzmäßigkeit, die zuerst
E. H.
Weber und Fechner exakt zu bestimmen versucht haben. (S.
Psychophysik.)
Der gesamten leiblich vermittelten Wahrnehmung steht nun aber im Menschen noch die sog. innere Wahrnehmung, d. h. Erfahrung von unsern eigenen psychischen Funktionen gegenüber, und diese bezeichnet man seit Locke als den innern S. Dieser Ausdruck bedeutet nicht etwa ein mystisches Vermögen höherer Wahrnehmungen, sondern nur die allgemeine Thatsache, daß unsere eigenen Bewußtseinsakte von uns erkannt und beurteilt werden können.–
Vgl. außer
den Lehrbüchern der
Physiologie und
Psychologie besonders: Leyden,
Über die Sinn
eswahrnehmungen (2. Aufl.,
Berl. 1872);
Preyer, Die fünf S. des Menschen (Lpz. 1870);
Bernstein, [* 14] Die fünf S. des Menschen (ebd. 1875; 2. Aufl. 1889).
Über die allmähliche Entwicklung der S. handelt Preyer, Die Seele des Kindes (3. Aufl., Lpz. 1889).
Vgl. ferner: Zeitschrift
für
Psychologie und
Physiologie der Sinn
esorgane, hg. von Ebbinghaus und König (Hamb. 1890 fg.).
¶
Sinn
(Breite [* 16] S.), rechter Nebenfluß der Fränkischen Saale im bayr. Reg.-Bez. Unterfranken, entspringt auf der Westseite des Rhöngebirges, nimmt rechts die Schmale S. und die vom Spessart kommende Jossa auf und mündet bei Gemünden.