Simrock
,
Karl Joseph, Dichter und Germanist, geb. zu Bonn, [* 2] studierte auf der Universität daselbst Rechtswissenschaft und hörte daneben A. W. v. Schlegels Vorlesungen über deutsche Litteratur und Sprache. [* 3] Seit 1822 setzte er in Berlin, [* 4] namentlich unter Lachmann, seine Studien fort; 1826 trat er als Referendar beim Kammergericht in den Staatsdienst ein. Praktische Arbeiten und poetische Beschäftigung gingen von nun an Hand [* 5] in Hand. Außer vielen Beiträgen zu Zeitschriften und Almanachen lieferte er in dieser Zeit namentlich seine Übersetzung des »Nibelungenlieds« (Berl. 1827; 40. Aufl., Stuttg. 1880),
der die Übersetzung des »Armen Heinrich« von Hartmann von Aue (Berl. 1830; 2. Aufl., Heilbr. 1875) und eine kleine Sammlung von Romanzen folgte. Da er die Julirevolution in einem Gedicht: »Die drei Farben«, mit Begeisterung begrüßt hatte, erhielt er durch Kabinettsorder des Königs seine Entlassung aus dem Staatsdienst. Er blieb noch zwei Jahre in Berlin und ließ sich dann 1832 in Bonn nieder, wo er sich litterarischen Arbeiten widmete, später sich auch an der Universität habilitierte und 1850 zum ordentlichen Professor der altdeutschen Litteratur ernannt wurde. S. starb in Bonn Seine Hauptthätigkeit, zu der ihn poetische Anlagen und tiefreichende gelehrte Bildung gleichmäßig befähigten, galt der Übertragung alt- und mittelhochdeutscher Dichtungen in die neuhochdeutsche Sprache.
Den schon oben angeführten Übersetzungen schlossen sich an: »Zwanzig Lieder von den Nibelungen, nach Lachmanns Andeutungen wiederhergestellt« (Bonn 1840);
die »Gedichte Walthers von der Vogelweide« (Berl. 1833, 2 Bde.; 7. Aufl., Leipz. 1883);
»Parcival und Titurel« von Wolfram von Eschenbach (Stuttg. 1842, 6. Aufl. 1883);
»Reineke Fuchs« (Frankf. 1845, 2. Aufl. 1847);
»Der gute Gerhard von Köln« [* 6] von Rudolf von Ems (das. 1847, 2. Aufl. 1864);
»Die Edda« (Stuttg. 1851, 9. Aufl. 1889);
»Tristan und Isolde« von Gottfried von Straßburg (Leipz. 1855, 2 Bde.; 2., mit Fortsetzung und Schluß vermehrte Aufl. 1875);
»Heliand« (Elberf. 1856, 3. Aufl., Berl. 1882);
»Beowulf« (Stuttg. 1859);
»Der Wartburgkrieg« (das. 1858);
»Lieder der Minnesinger« (Elberf. 1857);
»Freidanks Bescheidenheit« (Stuttg. 1867);
»Loher und Maller«, Ritterroman (das. 1868);
Sebastian Brants »Narrenschiff« (Berl. 1872) u. a. Doch auch auf andern Gebieten der Litteratur versuchte sich S. mit Glück. So vereinigte er sich mit Echtermeyer u. Henschel zur Abfassung des Werkes: »Quellen des Shakespeare in Novellen, Märchen und Sagen« (Berl. 1831, 3 Tle.; 2. Aufl., Bonn 1870, 2 Bde.),
dem sich die »Italienischen Novellen« (Berl. 1832; 2. Aufl., Heilbr. 1877) anschlossen.
Ferner gab er auf Grund der ältesten Ausgaben eine Bearbeitung der »Deutschen Volksbücher« (Berl. 1839-43; dann Frankf. 1844-1867, 13 Bde.; neue Ausg., Basel [* 7] 1886 ff.; Auswahl in 2 Bdn. 1869) heraus und stellte das alte »Puppenspiel vom Doktor Faust« in seiner ursprünglichen Gestalt her (das. 1846; neue Ausg., zugleich mit dem Volksbuch, das. 1875). Zu seiner Hauptaufgabe machte er die Neubearbeitung alles dessen, was in den verschiedensten Quellen von der alten Heldensage unsers Volkes übriggeblieben ist, teils durch Übertragung, teils durch Ergänzung mittels eigner Dichtung. So entstand sein »Heldenbuch« (Stuttg. 1843-49, 6 Bde.),
welches zunächst das Epos »Gudrun« (14. Aufl. 1888) und das »Nibelungenlied« enthält, dann das »Kleine Heldenbuch« (4. Aufl. 1883, mit den Dichtungen: »Walther und Hildegunde«, »Alphart«, »Der hörnerne Siegfried«, »Der Rosengarten«, »Das Hildebrandslied«, »Ortnit« und »Hug- und Wolfdietrich«),
endlich das den
Sagenkreis
Dietrichs von Bern
[* 8] umfassende »Amelungenlied«, zu welchem das bereits 1835 erschienene
Gedicht
»Wieland der
Schmied« (3. Aufl., Stuttg. 1851) die
Einleitung bildet. Der
Stoff zum »Amelungenlied«
war in
der »Wilkinasage« gegeben,
Anordnung und Ausführung aber ist ganz Simrocks
Werk. Von
Shakespeares
Dramen übersetzte er
»Macbeth«
(Bonn 1842) und eine Anzahl andrer für die sogen. Dingelstedtsche
Shakespeare-Ausgabe (Hildburgh. 1866-70); ferner
»Shakespeares
Gedichte« (Stuttg. 1867) und aus dem
Schwedischen
Tegnérs
»Frithjofssage« (4. Aufl., das. 1883). Viele
¶
mehr
seiner eignen Dichtungen finden sich in den »Rheinsagen aus dem Munde des Volkes und deutscher Dichter« (Bonn 1836, 9. Aufl. 1883);
selbständig erschienen: »Bertha, die Spinnerin« [* 10] (Frankf. 1853);
»Legenden« (Bonn 1855, 3. Aufl. 1876);
»Gedichte« (Leipz. 1844; neue Auswahl, Stuttg. 1863) und die von patriotischer Empfindung durchströmten »Deutschen Kriegslieder« (Berl. 1870).
S. gehört zu jenen sangesfrohen Dichtern des Rheinlandes, in deren Gedichten sich der romantische Reiz und der tiefsinnige
Sagenreichtum ihrer Heimat widerspiegeln. Glut der Farbe findet man bei ihm selten; doch entschädigen dafür die heitere Weltanschauung,
der Humor und die mannhafte Gesinnung seiner Lieder und Balladen. Simrocks
prosaische Schriften bestehen,
außer kleinern Aufsätzen, in den litterargeschichtlichen Einleitungen, welche er seinen Bearbeitungen der mittelalterlichen
Dichter beigefügt hat, sodann in dem umfassenden »Handbuch der deutschen Mythologie« (Bonn 1853-55, 6. Aufl. 1887),
in dem »Altdeutschen Lesebuch« (2. Aufl., Bonn 1859),
dem »Altdeutschen Lesebuch in neudeutscher Sprache« (Stuttg. 1854; 2. Aufl. 1884),
dem »Malerischen und romantischen Rheinland« (4. Aufl., das. 1865) und in kleinern Schriften, wie: »Der gute Gerhard und die dankbaren Toten« (das. 1856). Außerdem veröffentlichte er: »Die deutschen Sprichwörter« (Stuttg. 1846, 4. Aufl. 1881);
»Deutsches Kinderbuch« (das. 1848, 3. Aufl. 1879);
»Die geschichtlichen deutschen Sagen« (Frankf. 1850; 2. Aufl., Basel 1886);
»Die deutschen Volkslieder« (das. 1851, 2. Aufl., Basel 1887);
»Deutsche [* 11] Sionsharfe« (Elberf. 1857);
»Die Nibelungenstrophe und ihr Ursprung« (Bonn 1858);
»Das deutsche Rätselbuch« (3. Aufl., Frankf. 1874);
»Deutsche Weihnachtslieder« (Leipz. 1859);
»Lieder vom deutschen Vaterland aus alter Zeit« (Frankf. 1863, neue Ausg. 1871);
»Deutsche Märchen« (Stuttg. 1864) u. a.
Vgl. Hocker, Karl S. (Leipz. 1877);
Düntzer, Erinnerungen an Karl S. (in Picks »Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands«, Trier [* 12] 1876 u. 1877).