Sigwart
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Sigwart
Sigwart,
1) Christoph Wilhelm von, philosoph. Schriftsteller, geb. 1789 zu Remmingsheim im Württembergischen, war Professor der Philosophie in Tübingen, [* 2] ward 1841 Generalsuperintendent zu Hall, [* 3] starb als Prälat in Stuttgart [* 4] 1844. Er schrieb unter anderm: »Über den Zusammenhang des Spinozismus mit der Cartesianischen Philosophie« (Tübing. 1816);
»Handbuch der theoretischen Philosophie« (das. 1820);
»Handbuch zu Vorlesungen über die Logik« (3. Aufl., das. 1835);
»Grundzüge der Anthropologie« (das. 1827);
»Der Spinozismus« (das. 1839);
»Geschichte der Philosophie« (das. 1844, 3 Bde.).
2) Christoph von, Sohn des vorigen, geb. zu Tübingen, studierte Theologie und Philosophie und lebt als ordentlicher Professor der Philosophie in seiner Vaterstadt. Er schrieb: »Ulrich Zwingli; der Charakter seiner Theologie, mit besonderer Rücksicht auf Picus von Mirandula dargestellt« (Stuttg. 1855);
»Spinozas Traktat von Gott, dem Menschen und der Glückseligkeit« (Gotha [* 5] 1866);
»Logik« (2. Aufl., Freib. 1873-78, 2 Bde.; 2. Aufl. 1888);
»Kleine Schriften« (das. 1881, 2 Bde.);
»Vorfragen der Ethik« (das. 1886);
1) Johann Martin, Liederdichter und Romanschriftsteller, geb. zu Ulm, [* 7] studierte in Göttingen [* 8] Theologie und schloß sich hier dem Göttinger Dichterbund an, ward 1775 Vikar am Gymnasium seiner Vaterstadt, 1780 Pfarrer zu Jungingen, 1781 Professor zu Ulm, wo er, seit 1810 Dekan und geistlicher Rat, starb. Miller ward hauptsächlich durch seinen Roman »Siegwart, eine Klostergeschichte« (Leipz. 1776, 2 Bde.) ein vielgelesener Schriftsteller. Er gab darin der Sentimentalität der Zeit, welcher kurz vorher Goethes »Werther« entsprungen war, Ausdruck und Nahrung; doch blieb das Werk in seiner schwächlichen Unnatur tief unter dem genannten Roman zurück.
Dabei verfolgte »Siegwart« eine moralisierende Tendenz, die auf die unmännlichste Fügsamkeit gegen jede Brutalität der Außenwelt hinauslief. Ähnliche lehrhafte Tendenzen vertreten auch die Romane: »Beitrag zur Geschichte der Zärtlichkeit; aus den Briefen zweier Liebenden« (Leipz. 1776);
»Briefwechsel dreier akademischer Freunde« (Ulm 1776-77) und »Geschichte Karls von Burgheim und Emiliens von Rosenau« (Leipz. 1778-1779).
Das Beste, was Miller hervorgebracht, sind einzelne seiner ehedem vielgesungenen Lieder, denen Innigkeit und zuweilen ein ans echte Volkslied anklingender Charakter nachzurühmen sind. Seine Selbstbiographie findet sich in Bock [* 9] und Mosers. »Sammlung von Bildnissen Gelehrter und Künstler« (Nürnb. 1803).
Vgl. Prutz, Der Göttinger Dichterbund (Leipz. 1841).
2) Ferdinand von, Erzgießer, geb. zu Fürstenfeldbruck, trat als Lehrling bei einem Silberarbeiter in München [* 10] ein, besuchte seit 1836 die Akademie und modellierte und ziselierte nebenbei. Sein Oheim, der Erzgießer Stiglmaier, schickte ihn 1833 nach Paris, [* 11] damit er sich dort in der Technik des Erzgusses vervollkommte. In Paris trat er in die Werkstätte Soyers ein, arbeitete auch, um das Vergolden größerer Erzstatuen etc. zu erlernen, in einer Vergolderwerkstätte und kehrte dann heim, um später die 3 m hohen bayrischen Fürstenstatuen Schwanthalers für den Thronsaal des Saalbaues zu München in Feuer zu vergolden, was man in Paris für eine Unmöglichkeit erklärt hatte. 1844, wo er als Nachfolger seines Oheims zum Inspektor der königlichen Erzgießerei ernannt wurde, begann er den Guß der 17 m hohen Schwanthalerschen Bavaria und vollendete ihn 1850. Infolge der Londoner Ausstellung (1851) eroberte er sich durch einen der Löwen [* 12] vom Münchener Siegesthor den amerikanischen Markt. Von da an lieferte er, wie vorher für Deutschland [* 13] und Österreich, [* 14] nun auch eine lange Reihe von Kolossalgüssen für die Neue Welt, mehr als 80 an der Zahl, darunter das Thor des Kapitols in Washington. [* 15] Miller war längere Zeit Gemeindebevollmächtigter von München und bayrischer Landtags- und Reichstagsabgeordneter, als welcher er der Zentrumspartei angehörte. Das letzte größere Werk seiner Gießerei, [* 16] welche zuletzt von seinen Söhnen Ferdinand (s. Miller 5) und Ludwig (geb. 1850) geleitet wurde, war die [* 6] Figur der Germania [* 17] (s. d.) für das Niederwalddenkmal. Er starb
3) Orest Fedorowitsch, russ. Litterarhistoriker, geb. 1833 zu Reval, [* 18] studierte in Petersburg, [* 19] unternahm 1858 eine Reise ins Ausland zu wissenschaftlichen Zwecken und habilitierte sich 1863 als Dozent an der Petersburger Universität; später wurde er zum Professor der russischen (speziell ältern) Litteratur ernannt. Er veröffentlichte: »Ilja Murometz und das Paladinentum von Kiew. [* 20] Vergleichende kritische Untersuchungen über die Bestandteile des russischen Volksepos« (Petersb. 1869),
seine bedeutendste, aber einseitige Arbeit, in welcher das russische Volksepos dem deutschen gleichgestellt wird;
außerdem: »Die slawische Frage in Leben und Wissenschaft« (1865);
»Lomonossow und die Reform Peters d. Gr.« (1866);
»Vorlesungen über die russische Litteratur nach Gogol« (2. Aufl. 1878);
»Das Slawentum und Europa« [* 21] (1877) u. a. Miller gehört der slawophilen Partei an, ohne jedoch deren extreme Anschauungen zu teilen.
4) Joaquin (mit seinem eigentlichen Namen Cincinnatus Heine Miller), nordamerikan. Dichter, geb. im Staat Indiana, wo seine Eltern auf einer kleinen Farm wohnten. 1851 siedelte die Familie nach Oregon über, doch Joaquin trennte sich bald von ihr, um sein Glück auf eigne Faust in Kalifornien zu versuchen. Dort führte er anfangs ein Vagabundenleben, studierte dann Jurisprudenz und ward 1870 in einem kleinen, wenig besiedelten Distrikt zum Richter gewählt. 1863 verheiratete er sich mit einer unter dem Namen Minnie Myrtle schreibenden Dichterin, und sieben Jahre danach wurde er von ihr geschieden. 1870 ging er nach London [* 22] und fand daselbst einen Verleger für seine höchst originellen »Songs of the sierras« (1871). Diese Gedichte, in denen er die wilde Schönheit und Prachtfülle südlicher Gegenden mit ungewöhnlicher Energie schilderte, riefen eine Sensation in England hervor, wie man sie dort seit den Tagen Byrons nicht erlebt hatte.
Seit jener Zeit befindet sich Miller meistenteils auf Reisen. Er veröffentlichte noch: »Songs of the sunlands« (1873; eine neue, etwas sanfter gestimmte Fortsetzung der ersten Gedichtsammlung);
»The ship in the desert« (1875);
»Songs of Italy«, »Songs of far away lands« (1878);
das Schauspiel »The Danites« (1876);
»Life among the Modocs« (1873),
eine Beschreibung seiner Erlebnisse unter den Indianern;
»One fair Woman«, Novelle (1876, 3 Bde.);
»Shadows of Shasta« (1881);
»Memorie and rime« (1884);
»Forty-nine, the gold-seeker of the sierras« (1884);
»The destruction of Gotham«, Novelle (1886).
Eine neue Ausgabe seiner »Poetical works« erschien in New York 1882.
5) Ferdinand von, der jüngere, Bildhauer und Erzgießer, Sohn von Miller 2), geb. zu München, lernte das Gießen [* 23] bei seinem Vater, dann in den ¶
Gießereien zu Berlin, [* 25] Paris und London, das Modellieren bei Kiß in Berlin, bei Widnmann in München und bei Hähnel in Dresden, [* 26] bildete sich 1867 in Italien [* 27] weiter, ging 1871 nach Nordamerika [* 28] und Kalifornien, machte die Feldzüge von 1866 und 1870/71 als Kavallerieoffizier in der bayrischen Armee mit und leitete den Guß zahlreicher Monumente. An eignen Werken schuf Miller mehrere Figuren für den großen Brunnen [* 29] in Cincinnati, einen Indianer mit Pfeil und Bogen, [* 30] Statuen von Shakespeare und Humboldt für St. Louis und die Statue des Albertus Magnus für Lauingen in Schwaben. - Sein Bruder Fritz (geb. 1840), Goldschmied, Ziseleur und Emailleur, ist Lehrer für Metallarbeiten an der königlichen Kunstgewerbeschule in München.