Sickingen
,
Franz von, deutscher Ritter, geb. auf der Ebernburg bei Kreuznach [* 2] als Sohn des Ritters Schwicker v. S., focht schon 1508 in Diensten des Kaisers Maximilian I. gegen die Venezianer, führte aber im Frieden ganz das Leben eines damaligen Ritters, der neben der städtischen und Fürstenmacht sich durch alle Mittel emporzubringen suchte und jede Fehde, jeden Raub für erlaubt hielt, wenn er nur einen ordentlichen Fehdebrief hatte vorausgehen lassen. S. betrieb dies nur in größerm Stil. So begann er 1513 eine Fehde gegen die Stadt Worms [* 3] zu gunsten eines nach einem verunglückten Aufstand gegen den dortigen Rat vertriebenen Bürgers, Balthasar Schlör, den er als Sekretär [* 4] in seine Dienste [* 5] nahm; er plünderte einen Wormser Kaufzug bei Oppenheim und belagerte dann mit 7000 Mann die Stadt, die er indes vergeblich bombardierte.
Hierauf bekriegte er den Herzog von Lothringen, um dem Grafen Geroldseck zu seinem Recht zu verhelfen. König Franz I. von Frankreich nahm den bereits berühmten Führer einer wohlgeschulten Söldnerschar in seine Dienste und gab ihm den Feldherrnstab. Von Bürgern der Stadt Metz [* 6] gegen den Rat der Stadt um Hilfe angesprochen, zog S. mit 16,000 Kriegsleuten zu Fuß und 4000 zu Roß vor Metz und zwang den Rat, den Gekränkten Schadenersatz zu leisten und ihre Rechte und Freiheiten zu bestätigen, ihm selbst aber eine Brandschatzung von 20,000 Goldgulden und einen Monatssold für sein Heer zu zahlen.
Die nun wider ihn ausgesprochene
Reichsacht ward vom
Kaiser, der in seinem
Kampf gegen
Ulrich von
Württemberg
[* 7] Sickingens
bedurfte, wieder aufgehoben. Bevor S. im
Dienste des
Schwäbischen
Bundes den Kriegszug gegen den
Württemberger antrat,
sandte er dem
Landgrafen
Philipp von
Hessen,
[* 8] der einen Verwandten Sickingens
benachteiligt hatte, den
Fehdebrief, rückte eilends
vor
Darmstadt
[* 9] und erzwang den
Abschluß eines
Vertrags, worin außer Befriedigung der Ansprüche
seiner
Freunde für ihn selbst eine Entschädigungssumme von 35,000
Gulden ausbedungen war.
Doch kam dieser Vertrag, da ihn der Kaiser nicht bestätigte, nur zum Teil zur Ausführung. Bei der Einnahme Stuttgarts 1519 ließ S. besonders Reuchlin seinen Schutz angedeihen und nahm sich dieses Gelehrten auch in seinem Streit mit den Dominikanern an. Nach der Vertreibung des Herzogs Ulrich führte er sein Heer in die Nähe von Frankfurt [* 10] und übte auf die dort zur Wahl versammelten Kurfürsten einen Druck aus, der nicht am wenigsten zur Wahl Karls V., auf dessen Regierung er trügerische Hoffnungen für sich und Deutschland [* 11] setzte, beitrug.
Die ihm von demselben hierauf zugedachte Erhebung in den Grafenstand lehnte S. ab; dagegen nahm er die Ernennung zum kaiserlichen »Rat, Kämmerling, Hauptmann und Diener« an. In Schwaben hatte. S. auch die Bekanntschaft Huttens gemacht, der seit 1520 beständig bei ihm verweilte, einen großen Einfluß auf ihn erlangte, ihn für die Sache Luthers gewann und seinem edel und groß angelegten, aber ungebildeten Geist höhere Ziele seines Strebens steckte. Bald bethätigte er offen seine Anhänglichkeit an die Reformation.
Seine festen Schlösser, namentlich Landstuhl u. Ebernburg, galten als »Herbergen der Gerechtigkeit«. Hier waren Kaspar Aquila, Martin Bucer und Ökolampadius, die Prediger des Evangeliums und Beförderer der Wissenschaft, willkommene Gäste. Als kaiserlicher Feldhauptmann sammelte S. dem Kaiser 1521 zu dem Feldzug gegen Frankreich 14,000 Mann zu Fuß und 2400 zu Roß, welches Heer er und der Graf von Nassau anführten, und mit dem sie bis an die Grenzen [* 12] der Champagne vordrangen, wo die Feste Mézières Trotz bot.
Durch die Übermacht König Franz' sowie durch Seuchen und Mangel zum Rückzug genötigt, bewerkstelligten sie denselben mit großer Meisterschaft. S. wandte nun seine ganze Thätigkeit wieder dem schon früher aufgenommenen Plan einer politisch-kirchlichen Umgestaltung der deutschen Zustände zu, welche zunächst durch Abschaffung der geistlichen Fürstentümer und Erhebung der Reichsritterschaft angebahnt werden sollte. Er stiftete im August 1522 einen Bund des oberrheinischen Adels, der ihn zum Hauptmann erwählte, und wollte auch das Bürgertum zum Bund mit dem Adel gegen die Fürsten heranziehen. S. eröffnete den Kampf mit einem Fehdebrief und bald darauf mit einem Angriff gegen den Erzbischof zu Trier, [* 13] Richard v. Greiffenklau, einen heftigen Gegner der Reformation.
Mit 5000 Mann zu
Fuß und 1500 Mann zu
Roß brach S. ins triersche Gebiet ein, eroberte die
Burg
Blieskastel und die Stadt St.
Wendel und stand 7. Sept. vor
Trier, mußte aber, da er auf unerwarteten tapfern
Widerstand stieß, dessen
Belagerung 14. Sept. wieder aufheben. Mit diesem ersten mißlungenen
Schlag war aber das ganze Unternehmen Sickingens
vereitelt.
Die
Reformatoren mißbilligten sein Unternehmen, die
Stimmung des
Volkes war nicht mit dem kühnen
Ritter, dessen Zug
ihm nur als
eine gewöhnliche
Fehde erschien.
Das
Reichsregiment sprach über ihn die
Acht aus, und die
Fürsten von
Hessen und Kurpfalz rüsteten ein
Heer. Obwohl von allen
Freunden verlassen, fiel S. doch im
Frühling 1523 ins pfälzische Gebiet ein. Ein
Anschlag, sich der
Feste
Lützelstein durch
Überfall zu bemächtigen, mißlang aber, und bald ward er in seiner
Feste
Landstuhl von den
Fürsten belagert. Am durch eine
Kugel in der Seite tödlich verwundet, ergab er sich 6. Mai starb 8. Mai, nachdem die
Fürsten
in die eroberte
Burg eingezogen waren.
Sein
Grab befindet sich in der katholischen
Kirche zu
Landstuhl.
Pfingsten 1889 wurde ihm
und
Hutten auf der
Ebernburg ein prächtiges Denkmal errichtet. Hauptquelle für Sickingens
Geschichte
ist die »Flersheimer
Chronik« (hrsg. von O. Waltz, Leipz. 1874).
Vgl. Ulmann, Franz v. S. (Leipz. 1872);
Bremer,
Franz v. Sickingens
Fehde gegen
Trier (Straßb. 1885) - Sickingens
Sohn
Franz
¶
mehr
Konrad von S. ward von Kaiser Maximilian H. in den Reichsfreiherrenstand und dessen Nachkommen 1773 von Kaiser Joseph II. in den Reichsgrafenstand erhoben und 1791 in das schwäbische Grafenkollegium eingeführt.
Das Geschlecht teilte sich in mehrere Linien, von denen aber nur die zu S. unmittelbare Güter in der Herrschaft Landstuhl besaß, die 1803 aufgegeben werden mußten. Gegenwärtig blüht das Geschlecht nur noch in einer in Österreich [* 15] und Schlesien [* 16] begüterten katholischen Linie, an deren Spitze Graf Joseph von S., geb. steht.
Vgl. Hüll, F. v. Sickingens
Nachkommen (Ludwigsh. 1887).