Titel
Sibirien
(vom alten Herrschersitz Ssibir am rechten Ufer des Irtisch unfern Tobolsk), Name des gesamten Rußland unterworfenen Gebiets in Asien, [* 2] das sich von 60-190° östl. L. v. Gr. und von 42-77° nördl. Br. erstreckt und im W. durch das Uralgebirge vom europäischen Rußland getrennt, im Süden von der Kirgisensteppe und China [* 3] begrenzt, im O. von dem Berings-, Ochotskischen und Japanischen Meer und im N. vom Nördlichen Eismeer bespült wird.
Flüsse

* 4
Flüsse.[Physische Verhältnisse.]
Dieses Gebiet, 12,456,770 qkm (226,225 QM.) umfassend, zerfällt
in zwei sehr ungleiche Teile: das kleinere Westsibirien
und das dreimal so große
Ostsibirien, die nach Oberflächen- und
Bodenbeschaffenheit, nach Bodenschätzen,
Pflanzen- und Tierwelt sich auffallend voneinander unterscheiden.
Der nördliche und größere Teil des
Landes ist eben und flach im W., mit malerischen, tief eingeschnittenen Flußthälern
und tafelförmigen Berggipfeln bis zu 90 m
Höhe im O. Den
Raum zwischen
Irtisch, Ob und
Jenissei füllen im Mittellauf dieser
Flüsse
[* 4] große
Steppen.
Zwischen 58-63° nördl. Br. breitet sich eine durchschnittlich 100 m hohe, wenig gegliederte Hochebene aus mit niedrigen, flachen, vielfach sumpfigen Wasserscheiden. Hinter dieser Hochebene erhebt sich das nördliche Randgebirge des innerasiatischen Hochtafellandes, dessen Ausläufer im O. erst am Meer oder in der Tundra, der Niederung des hohen Nordens, ihr Ende finden. Namengebend für dieses Randgebirge Innerasiens ist der Gebirgszug des Altai (s. d.) im südwestlichen S. an der Grenze gegen China und die Kirgisensteppe.
Höhenschichten der Alp

* 5
Alpen.Die Kernmasse des Gebirges lagert zwischen Irtisch und Ob und ist Quellgebiet des letztern; im Bjeluchaberg erreicht sie 3352 m Höhe. Eine Fortsetzung des russischen Altai nach O. bildet als Grenzscheide gegen China das im Munku Sardik (nördlich vom Kossogol) 3490 m Höhe erreichende Sajanische Gebirge, ein schmalrückiges Kammgebirge, im W. vom Jenisseifluß durchbrochen, mit wenigen bequemen Paßübergängen. Durch die Tunkinskischen Alpen [* 5] erfüllt dieses Gebirge den Raum bis zum Baikalsee; im O. dieses Sees breitet sich bis zum Argun eine als Daurisches oder Transbaikalisches Gebirge bezeichnete Hochlandsmasse aus, die im N. in das Witimplateau übergeht.
Als 2453 m hoher Gebirgsknoten tritt unter 50° nördl. Br. die Sochondogruppe hervor; von ihr aus streicht in nordöstlicher Richtung weiter, mit mehr und mehr sich verflachendem Rücken und in mehrere untergeordnete Parallelketten gegliedert, das Jablonoigebirge (»Apfelgebirge«),
welches, später ostwärts sich wendend, größtenteils auf dem 55. Breitengrad bleibt und erst als Küsten- oder Stanowoigebirge wieder die Richtung nach NNO. annimmt. Aus der Mandschurei ragt in das Quellgebiet des Amur mit seiner obersten Stufe der große Chinggan herein, an der Küste, das Land rechts vom Ussuri füllend, das Tatargebirge (auch Mandschurisches Gebirge genannt).
Das Innere ist reich mit Strömen und Seen ausgestattet. S. zählt 17 Seen, welche ein Areal von 2,226,131 qkm (40,429 QM.) haben; unter ihnen ist der 21,805 qkm (396 QM.) messende Balchasch der größte. S. verfügt über vier Flußsysteme, deren Gebiet auf 1,131,616 qkm (20,551 QM.) geschätzt wird. Die sibirischen Stromsysteme zeichnen sich dadurch aus, daß die Hauptflüsse wie ihre Nebenflüsse von der Mündung an weit hinauf schiffbar und die die Stromsysteme trennenden Landrücken schmal sind.
Der Gedanke einer Verbindung der Flußsysteme durch Kanäle oder durch Eisenbahnen geht in neuester Zeit seiner Verwirklichung entgegen. Durch Herstellung der nötigen Kanäle wird sich dem Verkehr vom Uralgebirge bis zum Amur ein Wasserweg darbieten, zu dessen Ausnutzung auf dem Ob, Jenissei und Baikalsee seit 1842 Dampfer eingelegt sind; leider aber sind die Flüsse nur wenige Monate im Jahr eisfrei. Die Hauptflüsse, welche dem Eismeer zufließen, sind: der Ob mit dem Irtisch, der Jenissei und die Lena.
Zwischen diesen Hauptströmen liegen die Mündungen mehrerer Flüsse, welche zwar der Länge ihres Laufs nach keine Küstenflüsse, aber doch nur von geringer Bedeutung sind, indem sie nur Tundrawüsten durchfließen und nur wenige Wochen des Jahrs hindurch eisfrei sind. Hervorzuheben sind: die Piasina, Chatanga, Anabara und der Olenek westlich der Lena;
östlich derselben die Jana, Indigirka, Alaseja (Lascia), Kolyma und Tschaun.
Zahlreiche Flüsse fließen auch den Gliedern des Großen Ozeans zu: das Beringsmeer empfängt den Anadyr und Kamtschatka;
Hauptzufluß des Ochotskischen Meers ist der Amur (Sachalin).
Jundt - Jupiter

* 6
Klima.
Das
Klima
[* 6] ist im ganzen nördlichen S. unwirtlich, der
Entwickelung der
Vegetation und der Besiedelung ungünstig.
Der asiatische
Kältepol mit einer mittlern Jahrestemperatur von -12 C. liegt in
Ostsibirien, umschließt die Mündungen der
Flüsse Anabara bis zur
Indigirka und reicht nahezu bis
Jakutsk herab (-10,9° C.). Im
Winter fällt das
Thermometer
[* 7] auf -41°,
im
Sommer steigt es auf +17° (Unterschied 58°). Es friert fast jede
Nacht im Jahr, und die
Erde taut nur
oberflächlich auf. In Westsibirien
ist in Tolstonosowsk am
Jenissei unter 70° nördl.
Br. die Jahrestemperatur -10,1° C.,
in
Turuchansk (66°) -5,5° C., im O. in
Ochotsk -5,0,° im
Hafen
Nikolajewsk -2,6°. Viel günstiger und
geradezu vortrefflich ist dagegen das
Klima in Südsibirien
, in dem schmalen Landstrich, der sich an den nördlichen
Ausläufern
der südlichen Grenzgebirge hinzieht, im sogen. russischen S. Hier befindet man sich nicht mehr
in einer
Eis- und Schneeregion, wenn auch die
Winter streng und die
Gegensätze schroff sind.
Der Winter beginnt Anfang November: die Landschaft bedeckt sich mit einem gleichmäßigen Schneemantel, die Schlittenfahrt beginnt, und meist bis Ende März bleibt die Schneefläche unberührt. Die kältesten Monate sind Dezember und Januar, wo die Temperatur an einzelnen Tagen mit -58° den niedrigsten in Grönland beobachteten Kältegrad erreicht und fürchterliche Schneestürme auftreten. Im März tritt Tauwetter ein, Ende April schlagen die Birken aus, Mitte Mai sind alle Bäume belaubt. Frühjahr und Herbst sind meist regnerisch, der Sommer hat trockne Hitze und, wie der Winter, oft wochenlang gleichmäßiges Wetter [* 8] mit klarem, blauem Himmel. [* 9] Sehr schroff ist der Temperaturwechsel im April und Mai; auf 10° Kälte folgen oft sofort 20° Wärme. [* 10]
Sibirien (Naturprodukt

* 12
Seite 14.928.[Naturprodukte. Industrie.]
Die Flora begreift arktische, Steppen-, sibirisch-europäische und chinesisch-japanische Arten, letztere am Amur. Die Baumgrenze erreicht im Süden die höchste arktische Breite [* 11] (am Ob 67°, am Jenissei 69° 40', an der Lena bis 70° nördl. Br.), im O. tritt die Waldgrenze von der Küste zurück. Unabsehbare Wälder von Lärchen, Tannen ¶
mehr
im N., Zedern und Laubholz im Süden durchziehen die Steppen und bedecken die Berge. Im hohen Norden [* 13] ist nur Moos anzutreffen, eine kümmerliche Weide [* 14] für die Renntiere. Die Tierwelt ist vertreten durch das Elen, [* 15] Hirscharten, Renntiere, wilde Ziegen, Bären, Wölfe, weiße und blaue Füchse, Zobel und andre Pelztiere; aber die Pelztiere nehmen mehr und mehr ab, während die reißenden Tiere (Bären, Wölfe, Luchse) zunehmen. Zum Jahrmarkt von Irbit wurden 1850 noch 108,000 Stück Hermeline und 43,600 Zobel gebracht, aber 1880 nur 24,000 Hermeline und 5150 Zobel.
Gold (Gewinnung aus ge

* 16
Gold.Die Flüsse enthalten erstaunliche Mengen verschiedener Arten von Fischen. Reste vorweltlicher Tiere, darunter die ihres Elfenbeins wegen gesuchten Mammutleichen, sind nur im höchsten Norden und auch dort schon selten anzutreffen. Die Mineralreichtümer sind außerordentlich groß, aber so wenig bekannt und so wenig ausgebeutet, daß man sie als unberührt betrachten kann. Gold [* 16] erhält man als Berggold im Ural und durch Ausscheidung aus den goldhaltigen Silbererzen des Nertschinskischen Bezirks; der größte Teil aber wird als Waschgold aus dem Schwemmland gewonnen, welches sich bis ins Amurgebiet erstreckt. 1887 betrug die gesamte Goldgewinnung [* 17] ca. 32,933 kg. An Silber (Tomsk u. Transbaikalien) wurden 1884: 11,000 kg im Wert von 2 Mill. Mk. gewonnen.
Platin liefern Transbaikalien und Tomsk (1884: 3984 kg), Kupfer [* 18] (1886 für 200,000 Rubel) Tomsk; Blei, [* 19] aus dem das meiste Silber durch Ausscheidung in 7 Hütten [* 20] mit 111 Öfen [* 21] gewonnen wird, liefern aus 24 Gruben Tomsk und Transbaikalien, Eisenerze Irkutsk, Jenisseisk und Transbaikalien (1886 für 824,000 Rub. Gußeisen und Eisen), [* 22] Kohlen Tomsk und das Küstengebiet sowie die Insel Sachalin. Salzsolen und Salzseen findet man in Tobolsk, Tomsk, Jenisseisk, Jakutsk, Transbaikalien.
Geschichtskarten von D

* 23
Deutschland.
Salzsiedereien sind an verschiedenen Orten errichtet, die gesamte jährliche Produktion beträgt 24 Mill. kg. Graphit wurde 1847 im
Felsengebirge Batugol, westlich von Irkutsk, durch Alibert entdeckt und ist von dort in großen Mengen auch nach Deutschland
[* 23] geliefert
worden. Der Ackerbau ist mit Ausnahme der nördlichen Teile bis zum 57.° nördl. Br. überall verbreitet. Das Areal der bebauten
Ländereien ist ein ungeheures. In Westsibirien
allein stehen 4 Mill. Hektar unter Kultur; von anbaufähigen Ländereien sollen
sich in Westsibirien
705,126 qkm, in Ostsibirien 1,720,420 qkm befinden.
Als Getreidegrenze wird der 61.° nördl. Br. angegeben, doch kann an der Ostküste am Meer Getreide [* 24] nicht unter 50° aufkommen. Den Export von Getreide über den Ural schätzt man auf 70 Mill. kg. Weizen und Roggen sind die Hauptfrucht, hier und da auch Hirse [* 25] und Buchweizen; Gerste [* 26] und Hafer [* 27] werden seltener gebaut. Gartenbau ist nicht lohnend, Fruchtbäume zerstört der strenge Winter, doch bieten die Steppen einen Reichtum schmackhafter Beeren; Gemüse baut man auf offenem Felde.
Schafe

* 31
Schafe.
Die Viehzucht
[* 28] ist sehr bedeutend; auf Westsibirien
entfallen 5½ Mill. Pferde,
[* 29] Rinder,
[* 30] Schafe
[* 31] und Schweine;
[* 32] Ostsibirien hat nach
einigen doppelt soviel Vieh. Doch verwüsten die Viehseuchen oft ganze Gebiete; ganze Herden gehen auch
an den Unbilden der Witterung zu Grunde. Die Industrie ist noch gering;
1880 hatte die industrielle Produktion einen Umsatz von
10,5 Mill. Rubel, davon entfällt weit über die Hälfte auf die Branntweinbrennereien, mehr als 7 Mill. Rub. in Westsibirien
(1885: 33, in Ostsibirien 24 Etablissements);
nächstdem sind wichtig die Gerbereien, Talgsiedereien;
es bestanden aber nur 3 Eisengießereien und eine Tuchfabrik.
Mit
Ausnahme des Bergbaues und der Mühlen
[* 33] sind in Westsibirien
10,000
Menschen in der Industrie beschäftigt. An Steuerscheinen für die Berechtigung zum Betrieb von Handels- und Gewerbeetablissements
wurden 1884 in den Gebietsteilen Jenisseisk, Transbaikalien, Irkutsk, Tobolsk und Tomsk erteilt in der ersten
Gilde 580, in der zweiten Gilde 6771 und im Kleinhandel 15,442.
Deutsche Altertümer -

* 34
Deutsche.[Bevölkerung.]
Die Bevölkerung wird 1885 zu 4,313,680 Einw. angegeben (s. unten); doch beruht diese Angabe für große, dünn bevölkerte Landesstrecken auf unzuverlässigen Schätzungen. Dicht bevölkert ist nur der schmale Streifen europäischer Kultur an den Ausläufern der südlichen Gebirge; hier herrschen die Russen vor. Während auf das Quadratkilometer in Tobolsk 1, in Tomsk 1,4 Person kommt, finden wir im Gebiet Jakutsk nur 0,06, im Küstengebiet nur 0,04. Die Zahl aller Eheschließungen belief sich 1885 auf 32,095, der Gebornen auf 206,628, der Gestorbenen auf 139,054. Ethnographisch sind zu unterscheiden: Russen und ihre Nachkommen, die Sibirier, 2,8 Mill. (wovon 1,7 Mill. in Westsibirien), 208,000 Buräten, 80,000 Jakuten, 66,400 Tungusen, 62,000 Tataren, 25,000 Karakirgisen, je 24,000 Polen und Ostjaken, 19,000 Kalmücken, 13,500 Sojoten, 11,100 Juden, 10,000 Samojeden, 8500 Bucharen, 7000 Tschuktschen, 6000 Giljaken, 5000 Deutsche, [* 34] je 4500 Wogulen und Korjäken, 3500 Koreaner, 3100 Chinesen, 3000 Aino, 2000 Kamtschadalen und je 1000 Jukagiren und Jenissei.
Unter diesen Völkern finden wir alle Stufen von Kultur: Jagdvölker (Tungusen), Fischervölker (Ostjaken), Steppennomaden (Kirgisen) und angesiedelte Ackerbauer. Letztere sind für die Zukunft Sibiriens die wichtigsten; sie sind größtenteils eingewanderte Russen, und ihre Nachkommen stammen aus Ehen mit Russinnen wie mit Eingebornen. Den freien Ansiedlern folgten Zwangskolonisten und Sträflinge, als »Verschickte« zusammengefaßt, die bald in den Dörfern zerstreut, bald in geschlossenen Strafkolonien angesiedelt wurden.
Bevölkerungsstatistisc

* 35
Bevölkerung.In den letzten Jahrzehnten gingen jährlich durchschnittlich 19,000 Personen (darunter mehrere tausend Kinder, die ihren Eltern folgten) nach S. in die Verbannung. Dem Strafzweck entsprach diese Strafart durchaus nicht; seit Erwerbung der Insel Sachalin im Ochotskischen Meer (1875) ist auch diese als Verbannungsort benutzt worden, aber mit ebensowenig Erfolg. Die Gesamtzahl der Deportierten beträgt 200,000, also 5,2 Proz. der Bevölkerung. [* 35] Die Lage derselben ist meistens eine trostlose.
Zwar gelangen manche zu Vermögen, dagegen werden die Verbannten nicht selten als Landstreicher zur drückenden Landplage; die Mehrzahl der Goldwäscher besteht aus ihnen. Der Sibirier (Sibiriake) ist eine zumeist aus freien Einwanderern und aus Verschickten aus den verschiedensten Teilen Rußlands durch Vermischung mit Eingebornen entstandene Nationalität, im Äußern dem Russen stark ähnelnd, in der Sprache [* 36] russisch, jedoch im Dialekt dem Permischen sich nähernd.
Sibirien (Verwaltung,

* 39
Seite 14.929.Leibeigenschaft kannte S. nie. Der Beschäftigung nach sind 9/10 der Sibirier Ackerbauer. Der einzelne Bauer hat keinen eignen Besitz, alles Land gehört der Krone; diese vergibt es an die Gemeinde, und diese teilt die Gemeindeflur jährlich nach der Ernte [* 37] aus. Zum Häuserbau muß man in Dorf und Stadt den Grund von der Krone oder Gemeinde pachten; der Besitzer ist aber gehalten, den Bau auf Verlangen wieder fortzuräumen. Das Handwerk vertreten meist Russen und Deutsche. Kosakengemeinden trifft man überall an den Grenzen [* 38] und unter den Eingebornen. ¶
mehr
Sie teilen das Gemeindeland wie die andern Bauern; statt Kopfgeldes leisten sie Kriegsdienste; in dem Tauschhandel mit Eingebornen erzielen sie hohen Gewinn. Der niedere Beamte ist Sibirier; die höhern Stellen sind in den Händen von Russen, die sich später wieder in ihre Heimat zurückziehen. Die Tagelöhner stellen die Eingebornen, das eigentliche Nomadentum wird mehr und mehr eingeengt und vom Kulturboden verdrängt. Häuser findet man nur in den Industrieorten, überall sonst dienen ärmliche Hütten als Wohnungen. Der Religion nach zählte man 3 Mill. Christen (2,9 Mill. Griechisch-Orthodoxe; die Bekehrung unter den Nomaden ist eine rein oberflächliche, auch haben die Missionen wenig Erfolg hinsichtlich der Zahl der Bekehrten aufzuweisen), ferner 61,083 Mohammedaner, 283,621 Buddhisten und Schamanen (die letztern in beständigem Abnehmen).
[Verwaltung.]
Für Zwecke der Verwaltung zerfällt S. in vier Gouvernements und vier Gebiete.
QKilometer | QMeilen | Bevölkerung 1885 | |
---|---|---|---|
Küstengebiet | 1![]() ![]() |
34![]() |
101![]() |
Amurgebiet | 449![]() |
8163 | 62![]() |
Gebiet Transbaikalien | 603![]() |
10![]() |
530![]() |
= Generalgouv. Amur: | 2![]() ![]() |
53![]() |
695![]() |
Gouvernement Irkutsk | 784![]() |
14![]() |
408![]() |
Gebiet Jakutsk | 3![]() ![]() |
71![]() |
253![]() |
Gouvernement Jenisseisk | 2![]() ![]() |
46![]() |
447![]() |
= Generalgouv. Irkutsk: | 7![]() ![]() |
132![]() |
1![]() ![]() |
Gouvernement Tomsk | 847![]() |
15![]() |
1![]() ![]() |
" Tobolsk | 1![]() ![]() |
24![]() |
1![]() ![]() |
= Westsibirien | 2![]() ![]() |
40![]() |
2![]() ![]() |
Zusammen: | 12![]() ![]() |
226![]() |
4![]() ![]() |
Die Insel Sachalin hat eine gesonderte Verwaltung. Westsibirien war früher ein Generalgouvernement, seit 1882 unterstehen die Gouvernements Tomsk und Tobolsk dem Ministerium des Innern direkt. In den Gebieten sind die Befugnisse der Verwaltungsbeamten größer als in den Gouvernements. Die 1864 für das europäische Rußland durchgeführte Justizreform ist bis jetzt nur für Westsibirien in Aussicht genommen; inzwischen ward aber durch Einsetzung von Untersuchungsrichtern und Erhöhung der Beamtengehalte den schreiendsten Mißbräuchen gesteuert.
Die russische Städteordnung von 1870 ist in Tobolsk, Tomsk, Krassnojarsk und Irkutsk eingeführt. Die Einrichtungen für Schulwesen sind ungenügend, die Maßregeln der Regierung für Volksunterricht wurden nie ernstlich durchgeführt. Im ganzen gibt es (1885) 1251 Lehranstalten mit 41,237 Schülern, die kaum 2 Proz. der schulpflichtigen Kinder ausmachen sollen. Für Knaben gibt es 5 Gymnasien (Tomsk, Tobolsk, Omsk, Irkutsk u. Tjumen), 4 Progymnasien (Jenisseisk, Jakutsk, Blagoweschtschensk, Wladiwostok), 3 Realschulen und 9 Kirchenschulen, die zusammen von 3026 Schülern besucht werden.
Für Mädchen gibt es 29 mittlere Lehranstalten mit 3589 Schülerinnen. Elementarschulen zählte man 1179 für beide Geschlechter mit 33,213 Lernenden, Fachschulen 22 mit 1409 Lernenden. In Tomsk ist 1887 eine Universität eröffnet worden. Von Zeitungen bestehen in den größern Städten offizielle Publikationen und 5 Privatzeitungen, öffentliche Bibliotheken, die aber kaum benutzt werden, an mehreren Orten. Auch bestehen seit einer Reihe von Jahren mehrere gelehrte Gesellschaften.
Hunde I

* 40
Hunde.Die kaiserliche Post erreicht alle Garnisonen, die entlegensten aber nur einmal im Jahr; im N. wird sie durch Hunde [* 40] und Renntiere befördert. Eine Eisenbahn wurde 1885 von Jekaterinenburg nach Tjumen (342 km) vollendet. Mit der Ausarbeitung von Projekten für den Bau weiterer Bahnen ist man seit Jahren beschäftigt. Im Juli 1887 hat die Regierung Voruntersuchungen zu einer Eisenbahn von Tomsk nach Irkutsk (1200 km) und einer Bahn von Wladiwostok bis zum See Harki (400 km) ausführen lassen.
Telegraph I

* 42
Telegraph.Auch das Projekt zum Bau einer Ob-Eisenbahn (von Obdorsk an der Obmündung nordwestlich zum Waigatschmeer, 400 km) liegt der Regierung zur Bestätigung vor. Ein Projekt des Generals Skobelew endlich geht dahin, eine Eisenbahn herzustellen, welche Nordasien von W. nach O. durchschneidet und Orenburg über Tomsk, Irkutsk, Werchne-Udinsk, Kiachta und Urga mit Peking [* 41] verbindet (im ganzen 5900 km). Da es bei diesem Plan wesentlich darauf ankommt, ob China geneigt ist, die Bahn durch die Mongolei fortzuführen, hat Skobelew noch ein andres Projekt, nämlich das einer Bahn von Orenburg nach Strjetensk an der Schilka, deren Länge 4878 km betragen würde, aufgestellt. Der Telegraph [* 42] durchzieht seit 1871 S. seiner ganzen Länge nach und ist durch eine Landleitung bis Peking verlängert, durch ein Kabel auch mit Japan verbunden. Der Transitverkehr zwischen China und Europa [* 43] hat seit Eröffnung Chinas für die Seeschiffe aller Nationen und Beseitigung des Handelsmonopols für Kiachta an Bedeutung verloren.
Für Sicherheit nach außen sorgen eine Postenkette von Kosaken längs der Grenze und kleine Garnisonen an den Hauptorten im Innern. Die Kosakentruppen bestehen im Frieden aus 30 Sotnien zu Pferde, 12 Sotnien zu Fuß und 2 Batterien mit 8 Geschützen und 7279 Kombattanten. Die Citadellen haben vielfach alte, unbrauchbare Kanonen. In Westsibirien bilden Linienregimenter, in Ostsibirien Lokaltruppen, zu Linienbataillonen formiert, die Besatzung. Die allgemeine Wehrpflicht gilt seit 1874 für den größern Teil der Gouvernements Tomsk, Tobolsk und Jenisseisk; die aus Rekruten dieser Gouvernements formierten Regimenter bilden einen Teil der Reichsarmee. Die Lokaltruppen dienen nach Art ihrer Obliegenheiten dem Zivilressort und verrichten den Sicherheitsdienst. Für Heranbildung von Offizieren sorgt ein Kadettenhaus in Omsk. Wladiwostok, das aber ungenügend befestigt ist, bildet die Station für die sibirische Flotte, welche aus 8 Kriegsdampfern mit 42 Geschützen, 13 nichtarmierten Dampfern und 6 Torpedofahrzeugen besteht.
[Geschichte.]
In alter Zeit war S. die Zufluchtsstätte der aus Innerasien verdrängten Völker. Der Pelzhandel wurde die Ursache, daß die Kaufleute aus der russischen Familie Stroganow, die zu beiden Seiten des Uralgebirges ein weites Gebiet zu Lehen hatten, es unternahmen, die 1555 vom sibirischen Nachbarfürsten Jediger abgegebene Erklärung seiner Ergebenheit an den Zaren Johann IV. zur Wahrheit zu machen, um sich vor den Mißhandlungen zu schützen, denen sie sich ausgesetzt sahen. In Verbindung mit dem Kosakenführer Jermak besiegten sie Kutschum, Jedigers Nachfolger; 1579 zog Jermak mit einem kleinen Häufchen Uralischer Kosaken über den Ural, aber zu schwach, sich zu behaupten, bot er Iwan dem Schrecklichen seine Eroberung, die dieser annahm. So kam S. unter die Herrscher Rußlands, welche von 1563 ab sich Zaren von S. nannten. 1590 wurde Tobolsk zur Hauptstadt der neuen, damals an 6000 QM. großen Provinz bestimmt; 1600 drangen die russischen Kosaken in das jetzige Ostsibirien vor und gründeten die Städte Turinsk (1600), Tomsk (1609), Kusnetsk und Jenisseisk (1617-18). 1620 ¶