Serben
,
allmählich innerlich abnehmen, entkräftet werden, hinwelken, hinsiechen. Vgl. auch Schröpfen.
Serben
3 Seiten, 1'225 Wörter, 8'678 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Serben,
allmählich innerlich abnehmen, entkräftet werden, hinwelken, hinsiechen. Vgl. auch Schröpfen.
Serben,
ein Volk slawischen Stammes, dessen Name bei Plinius und Ptolemäos zuerst als Serbi, später als Sorbi, Spori, Surbi, Sorabi vorkommt und der nach Schafarik einfach Nation, Volk bedeutet. Zusammen mit den ihnen auf das nächste verwandten Kroaten sehen wir sie im 7. Jahrh. den größten Teil Illyriens einnehmen und sich allmählich von Save und Donau gegen Süden, bis Durazzo, verbreiten, von wo sie allerdings durch die Albanesen wieder verdrängt wurden. Im allgemeinen haben sie aber seit dem 9. Jahrh. ihre alten Sitze auf der Balkanhalbinsel [* 2] bewahrt, wo sie in kompakter Masse den Nordosten einnehmen.
Sehen [* 3] wir ab von den Kroaten und Dalmatinern, die im weitern Sinn zu den S. gehören, so finden wir dieses Volk jetzt als Hauptbevölkerung im Königreich Serbien, [* 4] in Bosnien [* 5] und der Herzegowina, in Montenegro und als Raizen (s. d.) in Ungarn [* 6] angesessen. In Serbien wohnen etwa 1,800,000, in Montenegro 250,000, in Bosnien und der Herzegowina 1,300,000 S. Rechnet man dazu die Kroaten, Dalmatiner und Raizen Österreich-Ungarns mit 3,150,000 Seelen, so erhält man 6,500,000 als Gesamtzahl sämtlicher S. im weitesten Sinn.
Wie dieselben aber politisch unter verschiedene Staaten geteilt sind, so zerfallen sie auch in religiöser Beziehung, indem bei den S. der Balkanhalbinsel die griechische, bei denen Österreich-Ungarns die katholische Religion vorherrscht. In seiner vollen Eigentümlichkeit lernen wir den S. in den innern Teilen des Königreichs kennen, zwischen Bergen [* 7] und Wäldern, aus denen die Führer und Streiter im serbischen Freiheitskampf hervorgingen. Dort zeichnet sich der typische Serbe durch scharfes Gesichtsprofil und kräftige Körperformen aus. Er ist eher groß als klein, breitschulterig, selten fett.
Der Kopf erscheint gut proportioniert, das Oberhaupt mehr spitz, die Stirn wohlgebildet, die Backenknochen etwas hervorragend, die Nase [* 8] oft eingedrückt, aber auch wieder von schönem Adlerschnitt, das Haar [* 9] meist blond oder braun, seltener schwarz. Der Serbe trägt nur Schnurrbart, bloß die Geistlichkeit macht mit Vollbärten eine Ausnahme. Die Frauen, von mittlerer Größe, zeigen regelmäßige Züge, ohne schön zu sein. Sie schminken sich und färben das Haar schwarz.
Die Kleidung ist sehr mannigfaltig und wechselt, namentlich bei den Weibern, von Bezirk zu Bezirk. Auf dem Land sind faltige, weiße Leinengewänder, ein breiter Gürtel [* 10] um die Mitte und braune oder lichte Oberkleider von Wolltuch bei beiden Geschlechtern in Gebrauch. Das rote Fes bildet die Kopfbedeckung. In den Städten kommt die westeuropäische Tracht mehr und mehr in Aufnahme. Die Wohnungen auf dem Land und in den kleinen Städten sind meist sehr einfacher Natur; sie bestehen aus roh behauenen Balken, zwischen welche Lehmziegel eingefügt sind, sind mit Stroh oder Holz [* 11] gedeckt und in zwei oder drei Gemächer abgeteilt. Der Rauch zieht durch eine Öffnung im Dach [* 12] ab; Herde oder Kamine sind kaum gekannt. Das Möblement ist das primitivste und Bettstellen wie Schränke fast unbekannt. Das beste Haus ist dasjenige des Familienältesten (Starjeschina), welches den unverheirateten Familiengliedern zur Wohnung dient, und um das sich die kleinen Häuschen der Verheirateten ¶
gruppieren. Sie enthalten gewöhnlich nur einen Schlafraum, da zum Essen [* 14] etc. alle Familienglieder im großen Raum des Ältestenhauses sich versammeln. Mais, Milch, Käse, getrocknete Fische, [* 15] Speck, Bohnen, von Gewürzen Knoblauch und Paprika bilden die Hauptnahrungsmittel des Volkes. Die Verfassung des serbischen Hauses ist die patriarchalische, begrenzt durch die Rechte der einzelnen Familie. Stirbt der Vater, das natürliche Familienoberhaupt, so geht dessen Nachfolger aus der freien Wahl der Hausgenossenschaft (Zadruga) hervor.
Der Befähigtste wird alsdann zum Starjeschina gewählt. Er vertritt die ganze Hausgenossenschaft gegenüber den politischen Behörden, schlichtet die Streitigkeiten und leitet die Arbeiten des Hauses, an denen die ganze Familie teilnimmt. Die erwachsenen Männer und Frauen arbeiten im Feld und Walde, die jüngern hüten das Vieh. Die Anordnungen des Ältesten werden willig befolgt; er verteilt die Einkünfte und Ausgaben des Hauses zwischen den Genossen und sorgt für diese wie für sich selbst.
Die Erträgnisse aus dem Feldbau, der Obst- und Weinkultur, der Schweinezucht etc. bilden die Einnahmequellen. Zum Verkauf oder der Schuldenbelastung des genossenschaftlichen Vermögens ist die Zustimmung der Mehrzahl der Genossen nötig. Die gemeinsame Hauswirtschaft wird wechselweise von einer der verheirateten Frauen geführt. Die Frau teilt alle Arbeit des Mannes: sie ackert, spinnt, webt, färbt, arbeitet überhaupt mehr als der bequemere Mann. Durch die Zadruga wird die Familie zusammengehalten, und Pauperismus und Proletariat sind im allgemeinen in Serbien unbekannt.
Neben manchen schlimmen Seiten des Nationalcharakters hat der Serbe, wo er von fremden Einflüssen unberührt blieb, sich auch die guten Seiten desselben zu bewahren gewußt. Jahrhunderte hindurch abgesperrt von aller Welt, hat er an deren Fortschritten keinen Anteil genommen. Aber der Sinn für die Familie, die Liebe zum Vaterland und der persönliche, jeder Knechtschaft abholde Mannesmut sind in allen Klassen des Volkes lebendig. Mit starrer Zähigkeit hält er an alten Sitten und Gebräuchen fest, eine Tugend, die selbst in Eigensinn ausartet, wo veränderte Verhältnisse das Aufgeben des Ererbten erheischen.
Der Serbe ist duldsam und gastfrei. Seine kriegerischen Tugenden wurden schon von den Byzantinern gerühmt und bewährten sich in den Freiheitskriegen. Voll stolzen Selbstgefühls, ist er schlau und läßt sich keinen Vorteil entgehen, dabei ist er prozeßsüchtig, streitet gern und greift leicht zu Thätlichkeiten. Das religiöse Moment bildet einen Grundzug seines Charakters, er neigt zum Mystischen u. ist voller Aberglauben. Weise Frauen stehen ihm höher als der Arzt.
Standesunterschiede kennt der Serbe nicht, seit die Türken das Land demokratisierten und den Adel gleich den Hörigen zur Rajah erniedrigten. Bei großer Neigung für Poesie und Musik zeigt der Serbe sehr geringen Sinn für die bildenden Künste und noch geringern für das Handwerk, welches ihm als Lebensberuf sogar verächtlich erscheint. Wenn er nicht Ackerbauer und Viehzüchter ist, wird er am liebsten Beamter oder Soldat. Eine eigentliche Intelligenz beginnt erst neuerdings unter dem Einfluß Westeuropas sich herauszubilden.
Mäßigkeit gehört zu den schönsten Tugenden des S. Gastfreundschaft übt er besonders gern; von Spielen liebt er ausschließlich die Musik und den Tanz, zumal den nationalen Kolo, einen Rundreigentanz. Die Elternliebe, die Achtung der Jugend vor dem Alter wurzeln tief im Gemüt des S., und nicht minder fest begründet ist die Heiligkeit des Bandes zwischen Bruder und Schwester. Dem hohen Grade der Geschwisterliebe stellt sich an Innigkeit nur der Freundschaftsbund zur Seite, welchen zwei Mädchen oder junge Männer aus freier Neigung schließen. Die Bundesbrüder- und Bundesschwesterschaft (pobratimstvo, posestrimstvo) gestaltet diese Freundschaft zu einem von der Kirche geheiligten, für das Leben unlöslichen Band, [* 16] welches in höherm Grad als selbst die Blutsverwandtschaft zu gegenseitiger Treue und Unterstützung verpflichtet. Vgl. Litteratur bei Serbien.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Serben,
serb. Srbi (Einzahl Srbin), slaw. Volksstamm im W. der Balkanhalbinsel, durch einheitliche Schriftsprache mit den Kroaten vereinigt, von denen sie sich durch den Gebrauch der Cyrillischen Schrift und durch ihre Zugehörigkeit zur orient. Kirche unterscheiden. Ihre Wohnsitze umfassen außer dem Königreich Serbien und dem Fürstentum Montenegro auch die benachbarten österr. und türk. Gebiete. S. wohnen im Wilajet Kosovo (über die Zugehörigkeit der Slawen von Macedonien wird zwischen S. und Bulgaren viel gestritten), in Bosnien und der Herzegowina (wo die Landesregierung die Bezeichnung der Sprache [* 17] und Nationalität als «bosnisch» gegen die üblichen Benennungen serbisch oder kroatisch unterstützt), in Dalmatien (Kreis [* 18] von Cattaro; im N. bei Knin und Benkovac durch Militärkolonien der Venetianer im 17. Jahrh.), in Kroatien (meist in der im 16. und 17. Jahrh. durch Flüchtlinge aus der Türkei [* 19] kolonisierten ehemaligen Militärgrenze; Patriarchensitz in Karlowitz) und im südl. Ungarn (durch Einwanderung am Ende des 17. Jahrh.). Auf österr. Gebiet stehen Kroaten und S. einander meist feindlich gegenüber. (S. Serbische Sprache, Serbische Litteratur, Serbische Kirche und Serbien [Geschichte].)