Semper
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Gottfried, Baumeister, geb. in Hamburg, [* 2] besuchte das Johanneum seiner Vaterstadt und widmete sich dann zu Göttingen [* 3] archäol. und mathem., besonders aber militärwissenschaftlichen Studien. Seit 1825 studierte er in München, [* 4] arbeitete einige Zeit in Regensburg [* 5] bei Herausgabe des Domwerkes und wandte sich nach Paris, [* 6] um seine Studien unter Gau zu vollenden. Nach dreijährigem Aufenthalt begab er sich 1830 auf eine längere Studienreise nach dem Süden und besuchte Italien, [* 7] Sicilien und Griechenland. [* 8]
Hier machte er die damals noch Widerspruch erweckenden Beobachtungen über die Polychromie (s. d.) bei den Griechen. Nach der Rückkehr schuf S. in Hamburg das Donner-Museum, besuchte 1832 Schinkel in Berlin, [* 9] der ihn an seiner Statt 1834 für die Professur an der Dresdener Akademie vorschlug, wo er neben seiner Lehrthätigkeit einen großen praktischen Wirkungskreis gewann. Nachdem er sich beim Bau der neuen Synagoge (1838‒40) zweckentsprechend an den byzant.-orient. Centralbau gehalten und namentlich die Dekoration meisterhaft durchgebildet hatte, gab er in dem Hoftheater (1839‒41) das glänzendste Zeugnis seiner Gestaltungskraft. Neben Wohnhausbauten in Dresden [* 10] (Villa Rosa, Palais Oppenheim, beide in edlem Renaissancestil) beschäftigte ihn als Hauptwerk seit 1846 der Neubau des Dresdener Museums (Mittelbau, s. Tafel: Museen Ⅰ, [* 1] Fig. 3), welches ¶
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S. als Abschluß der noch unverbundenen Hauptanlagen des Zwingers errichtete. Die Möglichkeit eigener Vollendung dieses Monumentalwerkes verscherzte sich S. durch seine Beteiligung an dem Maiaufstande 1849. Er wendete sich zunächst nach Paris, dann nach England, wo er 1851 eine Stelle bei der Akademie zu Marlboroughhouse erhielt. Sein Rat war wesentlich mitbestimmend bei der seit 1851 in England beginnenden Reform des kunstgewerblichen Unterrichts und besonders bei der Anlage des South-Kensington-Museums. Damals entstand seine Schrift «Über die vier Elemente der Baukunst» [* 12] (Braunschw. 1851) und verschiedene andere kunstgewerbliche Abhandlungen, die ihre systematische Weiterführung in dem epochemachenden Buche «Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten» (2 Bde., Münch. 1860‒63; 2. Aufl. 1878-79) erhielten. 1855 folgte er dem Ruf an das neuerrichtete Polytechnikum in Zürich, [* 13] um nun den großartig schlichten Bau für diese Anstalt, zugleich aber auch die Leitung des Baufaches an der Schule in die Hand [* 14] zu nehmen (1859‒64). Gleichzeitig entstand die Sternwarte [* 15] in Zürich, das Stadthaus zu Winterthur (1805‒66), der Bahnhof zu Zürich und in monumentalem Sinne gehaltene Privathäuser, sowie die Entwürfe für ein großartiges Theater [* 16] für Rio [* 17] de Janeiro.
Der große Plan der Errichtung eines zunächst für Richard Wagners Operndramen bestimmten Theaters in München zerschlug sich zwar, doch wurde S. bald danach die Gelegenheit geboten, an Stelle seines abgebrannten Theaters in Dresden ein neues und größeres zu bauen, das 1877 zum Abschluß kam. 1869 wurde S. zuerst als Juror, später als Leiter der Bauten der k. k. Hofmuseen, der Hofburg und des Hofburgtheaters nach Wien [* 18] berufen, wohin er 1871 übersiedelte.
Hier hat S. zunächst in den Museen, welche durch Hasenauer nach teilweise verändertem Plane gebaut wurden (s. Tafel: Museen Ⅰ, [* 11] Fig. 4), seine Gestaltungskraft in neuer Frische bewährt. (Vgl. Die k. k. Hofmuseen in Wien und Gottfried S. Drei Denkschriften G. S.s, hg. von seinen Söhnen, Innsbr. 1892.) Die letzten Jahre seines Lebens verlebte er in Italien und starb in Rom. [* 19] Sein Bronzestandbild (von Schilling) wurde auf der Brühlschen Terrasse in Dresden enthüllt.
Von S.s Schriften sind noch zu erwähnen: «Über die formelle Gesetzmäßigkeit des Schmucks und dessen Bedeutung als Kunstsymbol» (Zür. 1856),
«Wissenschaft, Industrie und Kunst» (Braunschw. 1852),
«Über die bleiernen Schleudergeschosse der Alten» (Frankf. 1859). Alle Einzelschriften S.s finden sich zusammengestellt in der von seinen Söhnen Manfred und Hans S. herausgegebenen Sammlung «Kleine Schriften» (Berl. 1884). –
Vgl. Hans Semper
, Gottfried S. Ein Bild seines Lebens und Wirkens
(Berl. 1880);
Lipsius, Gottfried S. in seiner Bedeutung als Architekt (ebd. 1880);
Sommer, Gottfried S. (ebd. 1886).
Von seinen Söhnen wirkt der älteste, Manfred, geb. zu Dresden, als Architekt in Hamburg. Er baute nach den Plänen seines Vaters das neue Dresdener Theater und 1886‒88 gemeinsam mit Krutisch das Naturhistorische Museum zu Hamburg. – Hans S., geb. zu Dresden, ist Professor der Kunstgeschichte in Innsbruck. [* 20] Er schrieb: «Hervorragende Bildhauer-Architekten der Renaissance» (mit Wilh. Barth, Dresd. 1880),
«Carpi, ein Fürstensitz der Renaissance» (mit F. O. Schulze und Wilh. Barth, ebd. 1882),
«Donatellos Leben und Werke» (Innsbr. 1887),
«Die Brixener Malerschulen des 15. und 16. Jahrh.» (ebd. 1892).