Sehnerven
7 Wörter, 57 Zeichen
Sehnerven,
Gehirn
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Seite 7.1.Das im laufenden Alphabet nicht Verzeichnete ist im Register des Schlußbandes aufzusuchen.
[* 2] (Hirn), bei den Wirbeltieren (mit Ausnahme der Leptokardier) der vorderste, im Kopf gelegene Abschnitt des Zentralnervensystems, der sich von seiner Fortsetzung nach hinten, dem Rückenmark, gewöhnlich durch komplizierten Bau und größere Weite unterscheidet, von Haus aus jedoch nur das Vorderende desselben darstellt. Bei Wirbellosen (z. B. den Insekten) [* 5] nennt man häufig Gehirn die über dem Schlund gelegene Nervenmasse im Gegensatz zu dem unter demselben verlaufenden Bauchmark (s. Nervensystem). - Das Gehirn der Wirbeltiere ist seiner Entstehung beim Embryo zufolge gleich dem Rückenmark ein Rohr, dessen Höhlung aber nicht an allen Stellen gleich weit ist, und dessen Wandungen von Nervenzellen und Nervenfasern gebildet werden.
Vorn ist das Rohr geschlossen, hinten setzt es sich in das Rückenmark fort; es zerfällt in fünf blasenartige Abschnitte, das Vorder-, Zwischen-, Mittel-, Hinter- und Nachhirn. Diese liegen jedoch nicht genau hintereinander, vielmehr ist das Rohr gewöhnlich an der Grenze zwischen Mittel- und Hinterhirn geknickt. Der beim Embryo stark entwickelte Hohlraum schwindet bei den erwachsenen Tieren mehr, indessen lassen sich Reste davon auch beim Menschen noch als die sogen. Hirnhöhlen erkennen.
Nach vorn zieht sich das Vorderhirn in zwei kleinere Höhlen, die sogen. Riechlappen (Textfig. 1 u. 2 a), aus, von denen die Riechnerven entspringen; in ähnlicher Weise bildet seitlich je eine Ausbuchtung desselben Hirnteils die Anlage des Auges. Was das Verhältnis der einzelnen Abschnitte des Gehirns zu einander betrifft, so nimmt mit der Ausbildung der Intelligenz das Vorderhirn bedeutend zu und überwiegt daher bei vielen Säugetieren so sehr, daß es als sogen. großes (b) die übrigen Teile nahezu und beim Menschen sogar ganz bedeckt. Es ist bei fast allen Wirbeltieren in zwei nebeneinander liegende.
Hälften (Hemisphären oder Lappen des großen Gehirns) geteilt und bei starker Ausbildung an seiner Oberfläche mit Furchen und Falten versehen, so daß es, wenn man diese glätten wollte, im Schädel nicht Raum genug finden würde. Von den andern Hirnabschnitten sind die beiden letzten, Hinter und Nachhirn, gewöhnlich als kleines (c) und verlängertes Mark (d) bezeichnet, stets stark entwickelt, während Zwischen- und Mittelhirn (e) gewöhnlich an Masse unbedeutend sind.
Beim Menschen hat das Gehirn eine nahezu eiförmige Gestalt und ein Durchschnittsgewicht von etwas über 1400 g beim Mann und etwas über 1300 g beim Weib (Genaueres s. unten); es erreicht dieses und seine bleibende Größe schon im 7.-8. Lebensjahr. Von den schon erwähnten fünf Teilen faßt man drei als Unter- oder Mittelhirn (subencephalon, mesencephalon) zusammen und bezeichnet außerdem noch besonders das kleine (cerebellum) und das große Gehirn (cerebrum). Letzteres macht etwa sechs Siebentel der ganzen Hirnmasse aus und bedeckt den Rest derselben völlig. Von obenher wird es durch eine tiefe Längsspalte (s. Tafel, [* 2] Fig. 3) in die zwei Hemisphären geteilt, welche unter sich durch den sogen. Balken (corpus callosum, [* 2] Fig. 1 u. 2), mit dem Mittelhirn durch die beiden Großhirnschenkel (pedunculi cerebri, [* 2] Fig. 2) verbunden sind, mit dem Kleinhirn aber direkt gar nicht zusammenhängen. Die gesamte Oberfläche der Großhirnhemisphären zeigt eine eigentümliche Faltung, wodurch die Hirnwindungen (gyri) entstehen. Dies sind Wülste [* 2] (Fig. 3) von 5-17 mm Breite, [* 6] die durch enge, aber
Fig. 2. Gehirn des Kaninchens.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 1 von oben (rechts geöffnet, um die Hirnhöhlen zu zeigen); ]
Gehirn (Anatomisches)
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Seite 7.2.[* 2] ^[Abb.: Fig. 2 von unten, mit den Ursprungsstellen einiger Nerven. [* 7] a Riechlappen, b Vorderhirn, c Kleinhirn, d verlängertes Mark, e Mittelhirn, f Hirnanhang (Hypophysis).] ¶
14-27 mm tiefe Thäler äußerlich voneinander gesondert werden und die Oberfläche des Gehirns etwa acht bis zehnmal größer machen, als sie ohne dieselben sein würde. Eine besonders tiefe. Falte, die Sylviussche Grube (fossa Sylvii, [* 8] Fig. 4), auf der untern Fläche (Basis) des Großhirns scheidet es in zwei Lappen, den vordern und mittlern; letzterer geht ohne scharfe Grenze in den hintern [* 8] (Fig. 3) über. Die schon erwähnten Höhlungen der Hemisphären, die sogen. Seitenventrikel (ventriculi cerebri, [* 8] Fig. 2), sind sehr eng und niedrig, enthalten etwas wässerige Flüssigkeit und haben zwischen sich eine Scheidewand, deren hinterer Teil Gewölbe [* 9] (fornix, [* 8] Fig. 1 u. 2) heißt, an der Basis des Gehirns von den Markhügeln (corpora candicantia, [* 8] Fig. 1 u. 4) ausgeht und durch eine kleine Öffnung, das sogen. Monrosche Loch (foramen Monroi), die Seitenventrikel mit der dritten Hirnhöhle (s. unten) kommunizieren läßt.
Ganglien - Gannat
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Ganglienzellen.Jeder Ventrikel hat drei Ausläufer (Hörner), die sich weit in die Lappen des Großhirns erstrecken, und deren Wandungen zum Teil besondere Namen (Ammonshorn, Seepferdefuß etc.) erhalten haben. Da Großhirn besteht in seiner ganzen Masse aus einer etwa 5 mm dicken Rindenschicht (Hirnrinde) von grauer Farbe und großem Reichtum an Ganglienzellen [* 10] und der darunter gelegenen weißen, aus Nervenfasern, die in allen möglichen Richtungen verlaufen, zusammengesetzten Markschicht.
Die graue Rinde macht etwa 40 Proz. des Gesamtvolumens des Großhirns aus; die Anzahl der Ganglienzellen schätzt man auf Milliarden, sie sind hier dichter angehäuft als an irgend einer andern Stelle des Nervensystems. Das Zwischenhirn ist sehr unbedeutend; seine Höhle, der sogen. dritte Ventrikel, verlängert sich nach der Basis des Gehirns zu in einen kleinen geschlossenen Trichter [* 8] (Fig. 2), an dem ein solider Körper, der sogen. Hirnanhang (hypophysis cerebri, auch Schleimdrüse, glandula pituitaria, genannt, [* 8] Fig. 1; s. ferner Tafel »Nerven I«, [* 8] Fig. 1), sitzt.
Ehrlicher Makler - Ei
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Ehrlicher Makler.Dieser, von der Größe einer kleinen Kirsche, geht beim Embryo zum größten Teil aus einem sich abschnürenden Stück der Rachenschleimhaut hervor und ist beim Erwachsenen ohne jede Bedeutung. Ähnlich verhält es sich mit der Zirbeldrüse (glandula pinealis oder epiphysis cerebri), in der man wohl den Sitz der Seele gesucht hat. Auch sie ist ein Rest einer während der Entwickelung im Ei [* 11] auftretenden Bildung, nämlich ein Stück des Kanals, durch welchen das Gehirn zu jener Zeit mit der Außenfläche des Kopfes in Verbindung steht.
Beim Erwachsenen hat sie die Größe einer Kirsche und enthält in ihrem Innern den Hirnsand, d. h. Kalkkörperchen. Den Hauptteil des Zwischenhirns bilden die Sehhügel (thalami nervi optici, von denen ein Teil der Fasern des Sehnervs herkommt. Die Höhle des Mittelhirns ist ein sehr enges Rohr: die sogen. Sylviussche Wasserleitung [* 12] (aquaeductus Sylvii), und kommuniziert vorn mit dem dritten Ventrikel, hinten mit der Höhle des Hinterhirns. Am Mittelhirn selbst sind die Vierhügel (corpora quadrigemina) bemerkenswert. Das Hinterhirn oder kleine Gehirn (cerebellum) zerfällt gleich dem großen in zwei Hemisphären [* 8] (Fig. 4) und einen sie verbindenden mittlern Teil (Wurm, [* 13] vermis). Die hier nur etwa 3 mm dicke Rindenschicht, in ihrem Bau ähnlich derjenigen des Großhirns, ist in regelmäßige Falten gelegt, so daß ein senkrechter Schnitt durch das Kleinhirn eine eigentümliche baumförmige Zeichnung zu Tage treten läßt (Lebensbaum, arbor vitae, [* 8] Fig. 1), Die im Kleinhirn befindliche Höhle bildet zusammen mit der im verlängerten Mark den sogen. vierten Ventrikel. Das Nachhirn oder verlängerte Mark (medulla oblongata, [* 8] Fig. 4) geht nach hinten unmittelbar in das Rückenmark über und ist demselben in der Verteilung der sogen. weißen und grauen Substanz gleich (s. Rückenmark). Man unterscheidet an ihm mehrere Teile, von denen die Varolsbrücke (Brücke, [* 14] pons Varoli, [* 8] Fig. 1 u. 4) einer der wichtigsten ist, indem sie die Verbindung des verlängerten Markes mit dem übrigen Gehirn bewerkstelligt.
Das Gehirn ist gleich dem Rückenmark in einen häutigen Sack eingeschlossen, welcher aus drei Schichten oder Gehirnhäuten (meninges) besteht. Die äußerste oder harte Hirnhaut (dura mater, [* 8] Fig. 2) ist stark, sehnig, außen mit dem Schädelknochen verwachsen, innen glatt und feucht. An einzelnen Stellen spaltet sie sich in zwei Blätter, in deren Zwischenraum (Blutleiter, sinus durae matris, [* 8] Fig. 1 u. 2, und Tafel »Nerven I«, [* 8] Fig. 1) je eine Vene verläuft. In die Masse des Hirns hinein gehen von der harten Hirnhaut aus mehrere Fortsätze, welche die einzelnen Teile desselben in ihrer Lage erhalten helfen und zugleich den großen Venen ihre Bahn anweisen. Es sind dies die große und kleine Hirnsichel (falx cerebri und f. cerebelli, [* 8] Fig. 2) sowie das Hirnzelt (tentorium cerebelli, [* 8] Fig. 1). Die innerste der drei Hirnhäute, die weiche Hirnhaut oder Gefäßhaut (pia mater), ist zart, dünn, an Blutgefäßen außerordentlich reich; von ihr aus wird das Gehirn ernährt, indem ihre feinen Blutgefäße allenthalben strahlenförmig in die Hirnmasse eindringen.
Haut (anatomisch)
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Haut.Zwischen ihr und der harten Haut. [* 15] liegt die sogen. Spinnwebenhaut (arachnoidea), eine zarte, durchsichtige Haut, welche das Gehirn mäßig fest umschließt, aber nicht gleich der Gefäßhaut in die Hirnwindungen eindringt, sondern brückenartig über sie hinwegzieht. Die so zwischen diesen beiden Häuten bleibenden Räume sind mit Lymphe erfüllt. Dem Gehirn wird das viele zu seiner Ernährung bestimmte Blut durch vier Gefäße zugeführt, nämlich durch ein Paar Gehirnschlagadern (carotis interna) und ein Paar Wirbelschlagadern (arteria vertebralis); das verbrauchte Blut sammelt sich aus den Hirnvenen in den beiden Querblutleitern und ergießt sich von da in die beiden innern Drosselvenen (vena jugularis interna).
Von der Hirnbasis gehen zwölf Paar Nerven, Gehirnnerven, ab und zwar in der Richtung von vorn nach hinten folgende (vgl. Fig. 4 und Tafel »Nerven I«): Erstes Paar, die Riechnerven (nervi olfactorii), stammen von dem ursprünglich hohlen sogen. Riechkolben des Vorderhirns, verlassen den Schädel durch die Löcher der Siebplatte des Riechbeins und verbreiten sich in der Schleimhaut der Nasenscheidewand (s. Nase). [* 16] Zweites Paar, die Sehnerven (n. optici), deren Fasern aus dem Sehhügel und den Vierhügeln stammen, endigen in der Netzhaut des Augapfels.
Gehirn (Physiologische
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Seite 7.3.Sie bilden kurz nach ihrem Ursprung eine Kreuzung (s. Auge, [* 17] S. 75). Drittes Paar, die Augenmuskelnerven (n. oculomotorii), kreuzen sich gleichfalls noch innerhalb der Schädelhöhle und versorgen diejenigen Augenmuskeln, welche nicht vom vierten und sechsten Nervenpaar innerviert werden; dienen auch zur Verengerung der Pupille. Viertes Paar, die Rollmuskelnerven (n. trochleares s. pathetici), entspringen aus den Vierhügeln und gehen zu dem schiefen obern Augenmuskel. Fünftes Paar, die dreigeteilten Nerven (n. trigemini), bestehen aus einer vordern Wurzel, [* 18] welche aus der Brücke stammt, und aus einer hintern Wurzel, welche aus dem verlängerten Mark hervorgeht. Sie besitzen ¶
je ein großes Ganglion (ganglion Gasseri) und lösen sich in drei Äste auf, welche gesondert die Schädelhöhle verlassen. Von diesen tritt der erste in die Augenhöhle und ist für die Weichteile derselben und die Stirn bestimmt; der zweite verbreitet sich in der Gegend des Oberkiefers; der dritte geht zu den Kaumuskeln und verbreitet sich im Bereich des Unterkiefers und der Zunge. Sechstes Paar, die äußern Augenmuskelnerven (n. abducentes), entspringen aus dem verlängerten Mark und versorgen den äußern geraden Augenmuskel.
Siebentes Paar, die Gesichtsnerven (n. faciales), kommen vom verlängerten Mark und vom Boden der vierten Hirnhöhle her, treten durch einen besondern Kanal [* 20] des Felsenbeins hindurch und sind für die sämtlichen Muskeln [* 21] des Kopfes und Gesichts, mit Ausnahme der Kaumuskeln, bestimmt. Achtes Paar, die Gehörnerven (n. acustici), entspringen vom Boden der vierten Hirnhöhle und endigen in der Schnecke und in dem Säckchen des Vorhofs (s. Ohr). [* 22] Neuntes Paar, die Zungen-Schlundkopfnerven (n. glossopharyngei), stammen aus dem verlängerten Mark, versorgen die Rachengebilde und verbreiten sich in der Schleimhaut des Zungenrückens.
Mundhöhle, Nasenhöhlen
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Kehlkopf.Sie sind die eigentlichen Geschmacksnerven (s. Zunge). Zehntes Paar, die herumschweifenden oder Lungen-Magennerven (n. vagi), stammen gleichfalls aus dem verlängerten Mark und geben Nerven für den Schlundkopf, den Kehlkopf, [* 23] das Herz, die Lungen, die Speiseröhre und den Magen [* 24] ab (s. Vagus). Elftes Paar, die Beinerven (n. accessorii), entspringen aus dem Halsmark, steigen nach oben durch das Hinterhauptsloch in die Schädelhöhle, legen sich an den Nervus Vagus und endigen im Kopfnicker und in dem Kappenmuskel an der Schulter. Zwölftes Paar, die Zungenfleischnerven (n. hypoglossii), stammen aus dem Rückenmark und verbreiten sich an den Muskeln des Zungenbeins und der Zunge.
Was den feinern Bau des Gehirns betrifft, so wird es im wesentlichen aus Nervenfasern und Ganglienzellen zusammengesetzt, zwischen denen sich ein Gerüst von feinen Bindegewebszellen (sogen. Nervenkitt, neuroglia) befindet. Die Unterscheidung der letztern von den kleinern Ganglienzellen ist jedoch sehr schwer. Die Ganglienzellen sind meist zu bestimmten Gruppen (Nestern) angeordnet, bis zu denen sich in manchen Fällen der Ursprung der einzelnen Hirnnerven verfolgen läßt.
Man bezeichnet diese daher als Nervenkerne. Genaueres über den Verlauf der Nervenfasern im Großhirn ist trotz. zahlreicher Arbeiten noch wenig ermittelt. Die Hirnnerven, mit Ausnahme der beiden ersten Paare, haben gleich den Rückenmarksnerven je eine vordere und hintere Wurzel mit verschiedener Funktion (s. Rückenmark); doch sind die hintern Wurzeln meist sehr schwach entwickelt, auch haben sonst sowohl Verschmelzungen ursprünglich gesonderter Nerven als auch Auflösungen einheitlicher Nerven in mehrere Bündel stattgefunden, so daß beim Menschen und den übrigen höhern Wirbeltieren diese Verhältnisse noch lange nicht aufgeklärt worden sind. Die Auffassung. der Hirnnerven als Rückenmarksnerven ist für die Schädeltheorie (s. d.) von Wichtigkeit.
Gewicht und Größe des Gehirns schwanken sehr beträchtlich nach Alter, Geschlecht, Körpergröße und darum auch nach der Rasse. So wiegt das deutsche Gehirn im Mittel 100 g mehr als das französische, etwa 300 g mehr als das der Hindu. Der Unterschied im Hirngewicht zwischen Mann und Weib ist um so größer, je höher die Rasse steht; dasselbe gilt von den Differenzen innerhalb desselben Geschlechts. Das größte Gewicht beträgt bei Männern etwa 1500 gehirn Vergleichungen sind übrigens äußerst schwierig, zumal man in vielen Fällen dieselben nicht auf das Gehirn selbst, sondern nur auf den Hohlraum des Schädels basieren kann.
Ablauf - Ableitung
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Ablauf.Vergleichend-anatomische Untersuchungen, welche zeigten, daß sich in der Tierreihe eine um so bedeutendere Entwickelung der Psyche findet, je mächtiger entwickelt das Gehirn ist, Beobachtungen am Krankenbett und am Seziertisch, welche ergaben, daß der normale Ablauf [* 25] seelischer Funktionen an die normale Beschaffenheit des Gehirns, resp. Bestimmter Abschnitte desselben geknüpft seien, und endlich das physiologische Experiment haben den unumstößlichen Beweis geliefert, daß das Gehirn als das Organ der Seelenthätigkeit aufgefaßt werden muß. Als Seele bezeichnet man den Inbegriff aller Vorstellungen eines Organismus. Der physiologischen Forschung ist für die Erklärung der seelischen Funktionen kein Angriffspunkt geboten; nicht das Wesen der Seele, sondern nur ihr Eingreifen in materielle Prozesse, z. B. die Erregung motorischer Nervenfasern durch das Willensorgan, kann Gegenstand des physiologischen Experiments sein.
Trägt man bei einem Frosch [* 26] die Großhirnhemisphären ab, so ist dem Tier das bewußte Wollen vollständig abhanden gekommen. Sich selbst überlassen, sitzt das Tier ruhig da, kann jedoch durch Anwendung geeigneter Reize zu allen von einem gesunden Frosch ausführbaren Bewegungen, Schwimmen, Hüpfen etc., veranlaßt werden. Legt man ihn auf den Rücken, so nimmt er nach kurzem seine natürliche Haltung wieder an;
Schweriner See - Schwe
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Schwerpunkt.bringt man ihn in irgend eine andre abnorme Stellung, so sucht er alsbald seinen Schwerpunkt [* 27] in geeigneter Weise zu stützen;
wirft man ihn ins Wasser, so beginnt er zu schwimmen;
kneipt man ihn ins Bein, so hüpft er von dannen;
streicht man ihm sanft die Flanken, so quakt er, und die Laute erfolgen hierbei so regelmäßig, daß man das Tier fast wie einen musikalischen Apparat behandeln kann.
Entfernt man bei einer Taube die Großhirnhemisphären, so gleicht das Tier vollständig einem gewöhnlichen schlafenden Vogel; läßt man das Tier in Ruhe, so bleibt es teilnahmlos und bewegungslos sitzen. Bringt man es in eine Seiten oder Rückenlage, so richtet es sich auf, um sich in eine bequemere Lage zu bringen; wirft man es in die Luft, so fliegt es alsbald von dannen, um sich nach einiger Zeit wieder ruhig niederzulassen. In den Schnabel gebrachtes Futter wird verschluckt, und es gelingt bei künstlicher Fütterung, die Tiere monatelang am Leben zu erhalten.
Höhere Säugetiere gehen nach der Zerstörung der ganzen Großhirnhemisphären als bald zu Grunde, nachdem sie im übrigen ähnliche Erscheinungen gezeigt haben; indessen bleiben sie nach mehr oder weniger ausgiebigen Abtragungen der Großhirnrinde am Leben. Gleich nach der Operation zeigen die Tiere eine hochgradige Depression, [* 28] von der sie sich indessen langsam erholen, um dann als bleibende Nachwirkungen Abnahme der Sinnesfunktionen, Ungeschick in der Ausführung willkürlicher Bewegungen und eine mehr oder weniger hochgradige Herabsetzung der Intelligenz zu bewahren.
Die oben genannten Versuche sind ausnahmslos als Ausfallsversuche zu bezeichnen; bei ihnen kommt es darauf an, die Funktion der Großhirnhemisphären oder eines begrenzten Gebiets derselben vorübergehend oder dauernd aufzuheben. Ihnen ¶