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erfolgt auch in Österreich, [* 3] nachdem inzwischen die Hauptverhandlung eröffnet ist, in Gegenwart sämt- licher Angeklagten in öffentlicher Sitzung. Nach §.288 der Deutschen Strafprozeßordnung richtet der Vor- sitzende an die zu Beeidigenden folgende Worte: «Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und All- wissenden, in der Antlagesache wider N. N. die Pflichten eines Geschworenen getreulich zu erfüllen und Ihre Stimme nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben», worauf die Geschworenen einzeln unter Erhebung der rechten Hand [* 4] die Worte sprechen: «Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.» Die Beeidigung nach §. 313 der Österr.
Prozeßordnung unterscheidet sich nur dadurch, daß die Anrede des Vorsitzenden die ! Pflichten der Geschworenen im einzelnen unischreibt. ^ III. Hauptverhandluug vor dem Schwur- gericht. Die Vernelimung des Angeklagten und die Beweisaufnahme findet nach den für die Haupt- verhandlung (s. d.) überhaupt gegebeuen Vorschriften statt, jedoch in unausgesetzter Gegenwart der Ge- schworenen, weil diese zur Teilnahme an der Urteils- ftndung berufen sind. Dieselben haben deshalb gleich den Richtern das Recbt, Fragen an die Zeugen und Sachverständigen zu stellen, nach §. 315 der Österr.
Strafprozeßordnung auch die Befugnis, Be- weisaufnahmen zu beantragen. Nach ß. 317 der Österr. Strafprozeßordnung tann der Gerichtshof ohne Mitwirkung der Geschworenen auf Freispre- chung erkennen, wenn der erforderliche Strafantrag fehlt oder die Strafverfolgung durch Verjährung oder Vegnadignng oder prozcssualische Gründe aus- geschlossen ist. Im übrigen schließt sich an das Be- weisverfahren die Fragestellung an die Geschworenen an. Da letztere zur Entscheidung der Schuldfrage berufen sind, bezicht sich die für jeden Angeklagten und für jede strafbare Handlung besonders zu stellende Hauptfrage auf die Schuld des Angeklagten nach Maßgabe der Anklage.
Das Nähere über den Inhalt der Hauptfrage, über Hilfs^ und Nebenfragcn (nach §. 323 der Österr. Strafprozeßordnung Eventual- und Zusatzfragen) s. Hauptfrage, Hilfsfr'age, Neben- frage. Alle Fragen sind so zu stellen, daß sie mit Ja oder Nein sich beantworten lassen. Sie werden von dem Vorsitzenden entworfen, verlesen und auf Ver- langen den Beteiligten abschriftlich mitgeteilt. Wenn Abänderung oder Ergänzung der Fragen beantragt wird, werden dieselben vom Gerichtshof festgestellt und nochmals verlesen. An die Fragestellung schlie- ßen sich die Vorträge der Beteiligten, welche indes auf die von den Geschworenen zu entscheidende Schuldfrage zu beschränken sind.
Während hierauf nach §. 300 der Deutschen Strafprozeßordnung die Rechtsbelehrung (s. d.) des Vorsitzenden folgt, steht dem Vorsitzenden in Österreich eine erheblichere Ein- wirkung auf die Geschworenen zu. Er hat nach §. 311 die allgemeine Pflicht, den Geschworenen die erforderliche Anleitung zu geben, ihnen die Sache auseinanderzusetzen und sie nötigenfalls an ihre Pflichten zu erinnern und soll nach § 325 nach Schluß der Verhandlung die wesentlichen Ergebnisse der- selben in gedrängter Darstellung zusammenfassen (s. Resume), in Kürze die für und wider den Ange- klagten sprechenden Beweise auffübren, freilich ohne Kundgabe seiner eigenen Ansicht, sodann die gesetz- lichen Merkmale der strafbaren Handlung und die Bedeutung der in den Fragen vorkommenden gesetz- lichen Ausdrücke erklären.
Seine Nechtsbelehrung! soll im Protokoll ersichtlich gemacht werden. Nach ! der Nechtsbelehrung werden die Fragen vom Vor- ! sitzenden unterzeichnet und den Geschworenen über- geben, welche sich in ihr Veratungszimmer zurück- ziehen, während der Angeklagte aus dem Sitzungs- saale entfernt wird. In der Verhandlung vorgelegte Gegenstände, nach österr. Gesetz auch die Akten mit Ausnahme nicht verlesener Vernehmungsprotokolle, können den Geschworenen in das Veratungszimmer verabfolgt werden.
Jeder Verkehr mit andern Per- sonen während der Beratung ist den Geschworenen untersagt. Die Geschworenen wählen zur Leitung ihrer Beratung einen Obmann und können, falls sie vor Abgabe ihres Spruchs einer weitern Beleh- rung zu bedürfen glauben, diese vom Vorsitzenden erbitten, welcher sie ihnen nach §. 306 der Deutschen Strafprozeßordnung im Sitzungszimmer, nach §. 327 der Österr. Strafprozeßordnung in ihrem Veratungs- zimmer erteilt. Ergicbt sich dabei Anlaß zur Ergän- zung oder Änderung der Fragen, so muß in die Ver- handlung wieder eingetreten werden.
Der Spruch der Geschworenen soll in der Regel «Ja» oder «Nein» lauten, doch ist eine teilweise Bejahung und teilweise Verneinung zulässig. Zur Bejahung der Schuld- frage sowie zu jeder dem Angeklagten nachteiligen Entscheidung sind wenigstens acht Stimmen not- wendig, zur Verneinung der mildernden Umstände nach der Teutschen Strafprozeßordnung jedoch nur sieben. Nach §. 329 der Österr. Strafprozeßordnung können diejenigen Geschworenen, die bei der Haupt- frage überstimmt sind, sich der Abstimmung über eine etwaige Zusatzfrage enthalten, mit der Wir- kung, daß ihre Stimmen den dem Angeklagten gün- stigsten beigezählt werden.
Der Spruch (nacb österr. Sprachgebrauch Ausspruch, s. Wahrspruch) ist vom Obmann neben der Frage niederzuschreiben und zu unterzeichnen und zwar unter Angabe des Stimmen- verhältnisses, die indes nach §.307 der Deutschen Strafprozeßordnung auf die Bemerkung «mit mehr als sieben oder »mit mehr als sechs Stimmen» be- schränkt ist. Nach beendigter Abstimmung tebren die Geschworenen in den Sitzungssaal zurück und der Obmann giebt nach feierlichen Eingangsworten (in Deutschland: [* 5] «Auf Ehre und Gewissen bezeuge ich als den Spruch der Geschworenen», in Österreich: «Die Geschworenen haben nach Eid und Gewissen die an sie gestellten Fragen beantwortet wie folgt») den Spruch durch Verlesung der Fragen und Antworten kund und derselbe wird dann von dem Vorsitzenden und dem Gerichtsschreibcr unterzeichnet.
Mängel des Spruchs, insbesondere Undeutlichkeit, Unvoll- ständigkeit und Widersprüche berechtigen und ver- pflichten den Gerichtshof, die Berichtigung anzu- ordnen, zu welchem Behufe die Geschworenen sich wieder in ihrAeratungszimmer zurückziehen. Ergiebt sich dabei Veranlassung zur Abänderung der Fragen, so ist darüber unter Zuziehung der Beteiligten zu verhandeln. Liegt ein ordnungsmäßiger Spruch vor, so wird derselbe dem Angeklagten nach Wieder- eintritt in den Sitzungssaal verkündet; lautet er auf Nichtschuldig, so spricht der Gerichtshof den An- geklagten ohne weiteres frei: andernfalls müssen vor Fällung des Urteils Ankläger und Angeklagter gehört werden. Mit der Verkündung des Urteils schließt die Zauptverhandlung. Zur Verhütung ungerechter Verurteilung ist bestimmt, daß der Ge- richtshof, falls er einstimmig der Ansicht ist, daß die Geschworenen sich in der Hauptsache zum Nachteil des Angeklagten geirrt haben, die Sache an das S. der nächsten Periode verweisen kann. Ein Antrag hierauf darf nicht gestellt werden. An der neuen ¶
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Verhandlung darf kein Geschworener, nach §. 333 der Österr. Strafprozeßordnung als Vorsitzender auch kein Richter teilnehmen,
welcher an der ersten Verhandlung teilgenommen bat. Der neue Spruch muß, auch wenn er mit dem frühern übereinstimmt, dem
Urteil zu Grunde gelegt werden. IV. Zuständigkeit des Schwurgeri
chts. Nach §. 80 des Deutschen Gcrichtsverfassungsgesetzcs
sind die S. zuständig für die Verbrechen, welche nicht zur Zuständigkeit der Strafkammer (s. Land- gericht) oder des Reichsgerichts
(s. d.) gehören. In Art. 6 des Einführungsgcsetzes zur Österr.
Straf- prozeßordnung sind die Verbrechen und Vergehen, für welche die S. zuständig sind, unter 25 Nummern aufgeführt und
sind die S. außerdem wegen aller durch den Inhalt einer Druckschrift verübten Ver- drechen und Vergehen
für zuständig erklärt. Doch kann nach einem gleichzeitig erlassenen Gesetz die Wirksamkeit des S. hinsichtlich aller ihm
zugewie- senen .Handlungen oder einzelner Arten derselben zeitweilig, und zwar längstens auf ein Jahr, für ein bestimmtes
Gebiet dnrch Verordnung des Gesamt- ministeriums nach Anhörung des Obersten Gerichts- hofs eingestellt
werden. In Deutschland ist die landesgesetzlich begründete Zuständigkeit der E. für Preßvergehcn durch §. 6 des Einführungsgesetzes
zum Gerichtsverfassungsgesetz, soweit sie bestand, d.i. in Bayern,
[* 7] Württemberg,
[* 8] Baden,
[* 9] Olden- burg, beibehalten.
V. Wert des Schwurgeri
chts.
Während so im Laufe des 19. Jahrh, das S. wenigstens für die schwerern Straffälle fast in allen Kulturstaaten Europas und Amerikas ohne Unterschied der Re- gierungsform feinen Platz erobert hat, ist der Streit über seine Zweckmäßigkeit unter den Juristen und in der öffentlichen Meinung keineswegs ausge- tragen, vielmehr in neuerer Zeit lebbafter als zu- vor entbrannt. Wenn auch in Deutschland die Ge- lehrten in der ersten Hälfte des 19. Jahrh, bei Empfehlung der S. an die dem engl. Verfahren zu Grunde liegende Fortbildung der german. Volts- gerichte des Mittelaltcrs anknüpften, fo war dock die Einführung der S. in Deutschland und Öster- reich ein wesentlich polit.
Akt. Als mit den Be- wegungen des I. 1848 die konstitutionelle Mon- archie nach franz. Muster die absolute und stän- dische Monarchie verdrängte, übernahm man auch das franz. Strafverfahren, dessen Einführung sich um so leichter gestaltete, als es nicht nur in geschlosse- ner Form vorlag, sondern auch in den bis 1815 unter franz. Zerrschaft gestandenen rhein. Landes- teilen in Geltung geblieben, der Bevölkerung [* 10] lieb und einem Teil der Richter aus Erfabrung bekannt geworden war.
Konnte so eine polit. Forderung der liberalen Parteien schnell, vielleicht überstürzt, er- füllt werden, fo mußte man andererseits die Fehler des französischen S.: den Einfluß der Verwaltung auf die Auswahl der Geschworenen, die Trennung von That- und Rechtsfrage, den Formalismus der Fragestellung mit in den Kauf nehmen. Von dicfen Fehlern ist nur der erstgedachte in der neuen deut- schen und österr. Gesetzgebung beseitigt. Man muhte es zunächst wohl allgemein als einen Fortschritt em- pfinden, daß an Stelle des schriftlichen, geheimen, an eine gesetzliche Veweistheorie gebundenen Ver- fahrens das öffentlich - mündliche Verfahren mit freier Beweiswürdigung und Geschworenen trat.
Welcken Anteil an diesem Fortschritt aber die Münd- lichteit und Unmittelbarkeit ls. Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege), welchen die Öffent- lichkeit des Verfahrens und die Mitwirkung von Laien hat, ist schwer zu bestimmen. Stände aber auch fest, daß der gelehrte, beamtete Richter nach dem unmittelbaren Eindruck einer mündlichen Verhand- lung bei freier Beweiswürdigung ebenso gut oder besser als Laien im stände wäre, die Schuldfrage zu entsckeidcn, so wäre^dies zwar ein Grund gewesen, der Einfübrung der ausreichend, die bestehende Einrichtung abzuschaffen, sofern dieselbe das Vertrauen des Volks hat.
Man sagt, daß, wie schon durch die Öffentlichkeit, so noch in höberm Maße durch die Mitwirkung von Laien nicht bloß eine Kontrolle der Unparteilichkeit des Richters geübt, sondern auch letzterer, um die Sache den mitwirkenden Laien klar zu machen, selbst zu einer gründlichern Vorbereitung und Prüfung der- felbcn genötigt wird; das Vertrauen des Angeklagten zu seinen Mitbürgern wird trotz aller Garantien der richterlichen Unabhängigkeit häufig größer sein als zu einem gelehrten Beamten, gegen dessen Entschei- dung er den höhern Beamten, das größere Kollegium anruft.
Jedenfalls aber wirkt die Teilnahme der Laien an der Rechtspflege, die Gelegenheit, sich selbst davon zu überzeugen, daß das Recht und nur das Recht gepflegt wird, die Nötigung, einen strengen, rechtlichen Maßstab [* 11] an die Handlungen anderer zu legen, woblthatig auf die herangezogenen Bürger und mittelbar auf weitere Volkstlassen ein; das Vertrauen zu den Gesetzen und Staatseinrichtungen wird gehoben, das Rechtsgefühl gestärkt. Das S. ist aber nicht die einzige Gestaltung für die Mit- wirkung der Laien.
Nach 1848 hat sich daneben in verschiedenen deutschen Staaten das in der Ver- einigung von Richtern und Laien zu einem Kollegium bestehende Schöffengericht (s. d.) hauptfächlich für minder schwere Straffälle ausgegebildet. Damit ist auch für diejenigen, die für die Beteiligung der Laien an der Strafrcchtspflege stimmen, die Frage ent- standen, in welcher von beiden Formen, Schöffen- gericht oder S., die Vorzüge mehr zur Geltung kom- men, die Mängel mehr zurücktreten.
Abgesehen von der geringern Inanspruchnahme von Zeit und Auf- wand der zum Gerichtsdienst berufenen Laien rühmt man dem Schöffengericht die gegenseitige lebendige Einwirkung der Kenntnis, Erfahrung und Urteils- kraft des Richters einerseits, der natürlichen An- schauung und Unbefangenheit der Laien andererseits und gegenüber der Zwiespältigkeit in der Rechts- sindung im S. die Einbeit des Verfahrens und der Urteilsfällung nach. Die Gegner machen geltend, daß die zu einem Kollegium mit dem Richter vereinten Laien diesem gegenüber in den meisten Fällen keine selbständige Ansicht, für Prozeßleitung und Straf- bemessung überhaupt kein Verständnis haben, und fürchten andererseits, daß das Schöffengericht be- stimmt sei, das S. zu verdrängen.
Dies war auch die Absicht des ersten preuß. Entwurfs zur Reichs- Strafprozeßordnung. Dieselbe stieß indes auf so starken Widerspruch, daß man sich schließlich einigte, für schwere Straffälle die S., für mittlere die ge- lehrten Richter beizubehalten und nur die leichtern Straffälle den Schöffengerichten zuüberweisen. Diese dreifache Gestaltung des urteilenden Gerichts (Schöf- fengericht, recktsgelebrte Nichter, S.) wird wohl all- seitig als auf die Tauer nicht haltbar angesehen werden. Für eine völlige Verdrängung des Laien- clements aus der Rechtsprechung wird sich keine all- gemeine Zustimmung erzielen lassen, und endlich ¶