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ganze Frage durch eine friedliche Umwälzung und ohne fremde Einmischung erledigt. Das weniger zur Nachgibigkeit gestimmte Berner Patriziat zeigte allen Begehren gegenüber einen Starrsinn, der zu seinem Sturze führen sollte.
Als man in Lausanne am den eben erwähnten Beschluss des französischen Direktoriums vernahm, bildete sich unter dem Namen des «Comité de Réunion» sofort ein revolutionärer Klub, der nach allen Seiten hin Boten aussandte und sich mit den Patrioten der übrigen Ortschaften der Waadt in Verbindung setzte, um auf dem Wege der Petition die Einberufung der Waadtländer Ständeversammlung zu erwirken. Am 8. Februar beschloss der Rat der Zweihundert in Lausanne auf den von Maurice Glayre gestellten Antrag hin, diese Petition dem Berner Rate zu unterbreiten, worauf auch die übrigen Städte der Waadt diesem Beispiel folgten und somit die Bewegung vom ganzen Waadtland anerkannt und unterstützt war. Um die Petitionäre einzuschüchtern, beschloss Bern, die Milizen und die Räte der Städte auf den 10. Januar zur Huldigung einzuberufen.
Während Vevey, Cully, Moudon, Nyon, Aubonne und andere Orte sich zu huldigen weigerten, hielten sich in Lausanne selbst zahlreiche Bürger vom Huldigungsakte fern. Am folgenden Tag bemächtigten sich die Patrioten von Vevey des Schlosses Chillon. Da die Autorität des Rates von Bern nicht mehr anerkannt wurde, sorgten die Gemeindebehörden für Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Bern wandte sich an die Tagsatzung, welche J. C. Wyss und von Reding-von Biberegg als eidgenössische Kommissäre nach Lausanne abordnete.
Diese drangen in den Rat von Bern, dass er die Ständeversammlung einberufen solle, wovon Bern aber nichts hören wollte, sondern Truppen aufbot und das Waadtland unter die Militärdiktatur des Obersten von Weiss, Landvogtes von Moudon, stellte. Am 22. Januar verweigerte der Rat der Zweihundert zu Bern mit einer Mehrheit von zehn Stimmen die Einberufung der Stände, indem er zugleich die Truppen des deutschen Kantonsteiles einberief. Am nämlichen Tage hatte sich eine Abordnung der Waadtländer Städte nach dem Pays de Gex begeben, um sich der eventuellen Unterstützung von Seiten des Generales Ménard zu versichern. Am folgenden Abend, 23. Januar, kam eine aus Fernex datierte Proklamation dieses Generales in Lausanne an, die den Waadtländern ankündete, dass ihm das Direktorium den Auftrag erteilt habe, ihnen mit allen Mitteln zur Freiheit zu verhelfen. Am nämlichen Tage war ferner noch eine aus Paris kommende Broschüre angelangt, die den Titel Instruction pour l'Assemblée représentative lémanique trug und von F. C. de Laharpe und Vincent Perdonnet unterzeichnet war.
Am 24. Januar erklärten sodann die Abgeordneten der Gemeinden die Unabhängigkeit des Waadtlandes und bestellten eine provisorische Regierung. Die Mehrzahl der Berner Landvögte verliessen hierauf das Land. Damit hatte sich die Revolution vollzogen, ohne dass ein Tropfen Blutes vergossen worden war. Einige Landesteile wie Aigle, die Ormonts, das Pays d'Enhaut, Grandson, Sainte Croix, Orbe und ein Teil des Gros de Vaud waren indessen Bern treu geblieben, das auf seinem Standpunkt verharrte und sich anschickte, die Waadtländer mit Waffengewalt zur Unterwerfung zu zwingen.
Unterdessen ereignete sich der Zwischenfall von Thierrens, der den Franzosen den gesuchten Vorwand zum Einmarsch lieferte. Am 25. Januar hatte nämlich General Ménard seinen Adjutanten Autier als Unterhändler nach Yverdon gesandt. Während dieser in der Nacht in einem Wagen unterwegs war, wurde seine Eskorte von der Sicherheitswache, die die Bewohner von Thierrens zu ihrem persönlichen Schutze aufgestellt hatten, angehalten. Anstatt aber auf das an sie gerichtete «wer da?» zu antworten, zogen die französischen Husaren die Säbel, worauf sich ein Kampf entspann, in dem sie den Tod fanden.
Obwohl die sofort eingeleitete Untersuchung dartat, das die Bewohner von Thierrens in rechtmässiger Notwehr gehandelt hatten, beharrte General Ménard darauf, seine Husaren seien ermordet worden. Er hatte den Vorwand, den er schon lange gesucht, gefunden. So gab er denn am 27. Januar seinen Truppen (10500 Mann) den Befehl zum Einmarsch ins Waadtland. Aber auch ohne den Zwischenfall von Thierrens stand dieser Einmarsch unmittelbar vor der Türe, da er, wie aus einem Brief Ménard's an den General Müller hervorgeht, bereits beschlossene Sache gewesen war.
Während sich die Affäre von Thierrens am 25. Januar, abends 10 Uhr ereignete, datiert der Brief, der den Einmarsch der französischen Truppen auf den 28. Januar ankündigte, vom 26. Januar, zu welcher Zeit dem General Ménard von jenem Ereignis noch keine Kunde zugekommen sein konnte. Da Ménard's Truppen seit drei Monaten keinen Sold erhalten hatten, beeilte sich der General, von den Waadtländern 700000 Fr. auf dem Wege eines Zwangsanleihens zu verlangen, für welches er als Garantie die «französische Loyalität» gab. Ferner schrieb er die Lieferung von Brot, Fleisch, Wein, Branntwein, Heu, Hafer etc., sowie das Aufgebot von 5000 Mann Truppen vor.
Die eigentliche Absicht des Direktoriums war, wie dies auch der französische Geschichtschreiber Martin zugibt, der Umsturz des aristokratischen Regimentes in den Schweizer Kantonen, um dadurch in den Besitz des Staatsschatzes und der öffentlichen Kassen der einzelnen Orte zu kommen. Marmont sagt in seinen Memoiren: Man gab vor, sich über die Schweizer zu beklagen zu haben. Nachdem die eidgenössischen Truppen im Kampf geworfen und zerstreut worden waren, erreichte man Bern, wo man sich des durch Sparsamkeit und in Voraussicht kommender Ereignisse angesammelten beträchtlichen Staatsschatzes bemächtigte.
Trotz ihrem anspruchsvollen Auftreten, das einen ärgerlichen Eindruck machte, wurden die französischen Truppen in Lausanne gut aufgenommen, weniger gut dagegen in Yverdon und Sainte Croix. Bei der Nachricht vom Einmarsch der Franzosen in Lausanne zogen sich die Berner Milizen nach Gümmenen zurück und zeigte das Berner Patriziat ein verspätetes Entgegenkommen, indem es
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seinen Untertanenländern 52 Vertreter im Rate der Zweihundert einräumte und zugleich am 3. Februar eine Verfassungsrevision beschloss. Andrerseits organisierte die provisorische Ständeversammlung der Lemanischen Republik die Verwaltung des Landes, welche von den Gemässigten zu stande gebrachte Arbeit aber erfolglos war, indem dem Waadtland schon am 9. Februar eine von Ochs ausgearbeitete, von Laharpe empfohlene und vom Direktorium genehmigte Verfassung gegeben wurde, deren Annahme durch die provisorische Ständeversammlung und deren Genehmigung durch die Gemeinden nun sofort erfolgte. Die nämliche Verfassung wurde auch von den Baslern adoptiert.
Nun brachen sich die revolutionären Prinzipien rasch Bahn. Am 31. Januar beschloss der Grosse Rat von Luzern die Abschaffung des aristokratischen Regimentes und die Zuziehung von Abgeordneten der Landschaft zur Ausarbeitung einer auf dem Prinzip der Gleichheit beruhenden Verfassung. Aehnliche Zugeständnisse machten auch Schaffhausen und Zürich, während in den aargauischen und thurgauischen Vogteien, dem Rheinthal, dem Unter Wallis, den Untertanenländern des Abtes von St. Gallen und den italienischen Vogteien der Aufruhr ausbrach.
Bern bereitete sich vor, dem fremden Eroberer tapfer zu widerstehen. Am 1. Februar wurde Ménard durch den General Brune ersetzt, der durch Anknüpfung von Unterhandlungen Zeit zu gewinnen suchte, weil er vorläufig noch keine Artillerie und Kavallerie hatte und auch nicht über eine genügende Zahl von Fusstruppen verfügte. So täuschte er Bern, indem er der Stadt glauben machte, er wolle ernsthaft mit ihr unterhandeln. Er schloss einen Waffenstillstand ab und brachte zugleich Uneinigkeit unter die Berner Truppen, indem er ihnen vorgab, sie würden von ihren Führern verraten.
Als dann Verstärkungen angelangt waren und das den Jura besetzt haltende Armeekorps des Generals Schauenburg sich mit seinen Truppen vereinigt hatte, änderte Brune die Taktik, indem er beschloss, die Berner, die ihm bloss 18000 Mann entgegenstellen konnten, anzugreifen. Trotzdem er den Befehl zum Angriff bereits erteilt hatte, war er perfid genug, die Unterhandlungen mit der Stadt fortzusetzen und in die Länge zu ziehen. Jetzt wurden die Berner zwischen zwei Feuer genommen. Am 1. März überschritt Schauenburg die Solothurner Grenze und am 2. März besetzte er die Stadt Solothurn, während sich der General Pigeon zugleich der Stadt Freiburg bemächtigte. Am 4. März dankten der Schultheiss Steiger und das aristokratische Regiment in Bern ab, das durch eine provisorische Regierung ersetzt wurde.
Während der Tage des 4. und leisteten die Berner Milizen unter der Führung von Karl Ludwig von Erlach, F. von Wattenwil und Ferd. von Rovéréa bei Neueneck, Laupen, Fraubrunnen, im Grauholz und auf dem Breitfeld den anrückenden Franzosen heldenmütigen Widerstand, wurden aber von der Ueberzahl der Feinde erdrückt. Ihrer Niederlage folgte auf dem Fusse die Einnahme von Bern. Nicht zufrieden damit, dass sie den Staatsschatz erbeuteten, legten die Sieger noch den regimentsfähigen Geschlechtern übertriebene Kriegssteuern auf, verlangten die Stellung von Geisseln und verwüsteten und plünderten auch die Landschaft.
Ueber diese schweren Tage schreibt Bonstetten: «Ach, in Bern! da wimmelt alles von Husaren, Soldaten und Freiheitsbäumen. Auf allen Strassen abscheulicher Kot. Ganze Detachements Husaren sprengen durch die Arkaden. Pferde in den Hausgängen; Verzweiflung von allen Seiten. Der Schatz ist geplündert, eine Kirche wird als Stall und Kaserne gebraucht, viele Wohnhäuser vor der Stadt sind halb zerstört, Weinfässer in Stücken, Betten zerhauen. Ich hatte neunundzwanzig Soldaten im Hause. Niedergeschlagenheit, Tränen neben dem Gepfiff und Gesang der Husaren; verlassene Kanonen auf den Strassen und Wiesen, auch Tote. Die Strassen unsicher, so dass man ohne Bewilligung sich nicht regen kann.» Man schätzt die Summen, die sich Brune und seine Helfershelfer ohne Wissen ihrer Regierung persönlich aneigneten, auf 1½ Millionen Franken, den dem Direktorium zugefallenen Teil des Staatsschatzes auf 12½ Mill. Fr., sowie die den übrigen öffentlichen Kassen entnommenen Summen und die von den Patriziergeschlechtern erpressten Steuern auf 2½ Mill. Fr. Dazu gesellten sich noch Nahrungsmittel und Kriegsmaterial im Werte von 10 Mill. Fr. Als Trophäen führte Brune die Berner Bären und 16 aus dem Zeughaus entwendete Fahnen - keine einzige war von den Franzosen auf dem Schlachtfeld erbeutet worden -
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mit sich nach Paris. Diese Ausschreitungen und Uebergriffe riefen einer allgemeinen Missbilligung und sind auch selbst von einigen französischen Schriftstellern an den Pranger gestellt worden.
3. Der helvetische Einheitsstaat.
«In seinen Fall riss Bern, das Bollwerk der schweizerischen Aristokratie, auch die ganze übrige Schweiz.» Brune ward zum Diktator der Schweiz und schuf 1) eine rhodanische Republik mit den Kantonen Leman, Saane und Broye, Oberland, Wallis und Tessin; 2) eine helvetische Republik mit dem grössern Teil der alten Eidgenossenschaft und 3) die Republik des Tellgaues mit den Urkantonen. «Dieser Plan stand jedoch nur auf dem Papier; von allen Seiten erhoben sich Proteste; leicht war ja der Hintergedanke herauszulesen, dass durch die Teilung eine Einverleibung in Frankreich vorbereitet werden könnte.» Am 28. März verliess Brune, der mit seiner Division nach Italien versetzt worden war, Bern in einer dem alt-Schultheissen von Mülinen gehörenden Kalesche, worauf der Oberbefehl der französischen Truppen in der Schweiz an den General Schauenburg überging.
Als Zivilkommissär stand neben ihm Lecarlier, dessen Sekretär Rapinat sich durch seine Uebergriffe und Habgier einen bösen Namen gemacht hat. Die ersten Verfügungen des französischen Diktators schlossen alle Mitglieder der ehemaligen Regierungen von den öffentlichen Aemtern aus, überbanden den Unterhalt der französischen Truppen dem Volk und untersagten jegliche Diskussionen über die projektierte helvetische Verfassung, die ohne alle Abänderung genehmigt werden sollte. Dieses unverschämte und alle früher gemachten Versprechungen einfach zu Schanden machende Vorgehen verletzte die Gefühle der Eidgenossen aufs tiefste und flösste ihnen einen grossen Widerwillen gegen das neue Regiment ein.
So lagen die Verhältnisse, als die Abgeordneten am in Aarau zur Nationalversammlung zusammentraten und die neue einheitliche Verfassung annahmen. An dieser Versammlung nahmen bloss die Abgeordneten der Kantone Bern. Luzern, Basel, Schaffhausen, Oberland, Solothurn, Saane und Broye, Leman und Aargau teil. Der Name «Schweiz» wurde durch «Helvetien» und der Ausdruck «Eidgenossenschaft» durch «Republik» ersetzt, indem man die «eine und unteilbare helvetische Republik (République helvétique une et indivisible)» schuf.
Das Gebiet der alten Eidgenossenschaft wurde zerstückelt und in Kantone oder Verwaltungs- und Wahlbezirke eingeteilt. «Die Verfassung bestimmte ursprünglich deren zweiundzwanzig: die Kantone Wallis, Leman (Waadt), Freiburg, Bern, Solothurn, Basel, Aargau, Luzern, Unterwalden, Uri, Bellinzona, Lugano, Rätien (das zwar vorderhand nur eingeladen wurde, der helvetischen Republik beizutreten), Sargans (mit Rheinthal, Sax, Gams, Werdenberg, Gaster, Uznach, Rapperswil und March), Glarus, Appenzell, Thurgau, St. Gallen, Schaffhausen, Zürich, Zug (mit Stadt und Grafschaft Baden und den freien Aemtern), Schwyz (mit Gersau, Einsiedeln und den Höfen). Durch die Abtrennung des Oberlandes von Bern erhöhte sich die Zahl auf dreiundzwanzig Kantone. (Bereits von der Schweiz abgetrennt und daher nicht zu der helvetischen Republik gehörig waren: die Bündner Untertanenlande, das Bistum Basel, Biel, Mülhausen, Genf; Neuenburg stand in keiner Verbindung mehr mit Helvetien). Später fand (nach Unterwerfung der Urkantone) eine Reduktion auf neunzehn Kantone statt. Man sieht schon aus einer Anzahl Benennungen, wie sehr die geschichtliche Entwicklung mit Absicht verwischt wurde. Alle diese neuen Kantone behielten auch nicht einen Funken der alten Souveränetät; sie bildeten innerhalb des Ganzen nur das, was heute ein Bezirk innerhalb eines Kantons: Sie selbst teilten sich wieder in Distrikte.» An der Spitze des ganzen Landes standen ein Senat und eine Deputiertenkammer (Grosser Rat), deren Mitglieder von den Kantonen ernannt wurden, sowie ein aus fünf Mitgliedern bestehendes Direktorium, dem vier Minister beigegeben waren, und endlich ein oberster Gerichtshof für ganz Helvetien.
Jeder Kanton erhielt einen Statthalter oder Präfekten, eine Verwaltungskammer von 5 Mitgliedern und ein Kantonsgericht von 13 Mitgliedern. Den einzelnen Distrikten war ein Unterpräfekt vorgesetzt und ein Bezirksgericht beigegeben. Diese schematische und schablonenhafte Organisation unterlag noch während der kurzen Dauer der helvetischen Verfassung mehrfachen Abänderungen. Im Uebrigen enthielt die Verfassung mehrere für die damalige Zeit noch verfrühte, aber nicht verdienstlose Grundbestimmungen, die in anderer Form auch in die Bundesverfassungen von 1848 und 1874 wieder Eingang gefunden haben.
Die ersten Wahlen brachten Männer an die Spitze des Staatswesens, die sich durch ihren massvollen Charakter empfahlen die Direktoren Lukas Legrand, Maurice Glayre, Viktor Oberlin, Alfons Pfyffer und Ludwig Bay, die sich als Minister die Bürger Ludwig Bégos, Albrecht Rengger, Philipp Albrecht Stapfer, Franz Bernhard Meyer von Schauensee, Hans Konrad Finsler und Repond zugesellten. «Fast durchweg haben sich diese Minister», die übrigens wie die Direktoren nicht lange im Amte blieben, «durch ihr wohltätiges Wirken ein bleibendes Verdienst erworben, weit mehr als die Direktoren.»
Am drang zwischen Mittag und ein Uhr unversehens eine 1600 Mann starke Truppenabteilung durch drei verschiedene Tore in Genf ein, welche Stadt nun während 15 Jahren, d. h. bis zum Sturze Napoleons, französisch bleiben sollte. Da die Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden, sowie Glarus und Zug sich an der Nationalversammlung in Aarau nicht beteiligt halten, ergriff General Schauenburg unverzüglich Massregeln, um sie zur Anerkennung der vom französischen Direktorium im Namen der Freiheit aufgedrungenen Verfassung zu zwingen. Am 21. April verlegte er sein Hauptquartier nach Luzern und am 28. April nach Zürich. Am 30. April erlitten die Glarner bei Wollerau und am 1. Mai bei Lachen eine Niederlage. Am 2. Mai erfochten die Schwyzer unter der Führung von Alois von Reding bei Rotenturm und Sattel glänzende Erfolge über die Franzosen. Damit war die alteidgenössische Ehre gerettet, doch vermochten die Waldstätte den allzu ungleichen Kampf nicht mehr länger fortzusetzen. Um dem grausamen Todeskampf und den schrecklichen Ausschreitungen der französischen Soldateska ein Ende zu machen, schloss Reding einen Waffenstillstand ab. Am 4. Mai erklärte sodann die Landsgemeinde zu Schwyz die Anerkennung und den Beitritt zur helvetischen Republik. «Der Kapitulation von Schwyz
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schlossen sich Uri, Glarus, Zug und Unterwalden an Nidwalden jedoch nur mit unwilliger Zögerung. Auch St. Gallen, Appenzell und Sargans wurden besetzt und ergaben sich." Nun war noch das Wallis zu unterwerfen. Am 7. Mai zogen die Ober Walliser in Masse das Rhonethal hinab und verjagten die provisorische Regierung, die sich in Sitten gebildet hatte, erlagen aber am 17. Mai bei Pfin den gegen sie ausgesandten Truppen, worauf ihr Land entwaffnet, verwüstet und zur Erlegung einer Kriegssteuer gezwungen wurde.
4. Erhebung der Waldstätte.
Die helvetische Verfassung wurde in den meisten Kantonen ohne Schwierigkeiten beschworen. Wo diese Huldigung auf Opposition stiess, sandte Schauenburg Truppen hin. In den Waldstätten, wo die Priester dem Volke vorstellten, die Religion sei in Gefahr, waren zahlreiche Bürger auf Widerstand bedacht. Diese Partei der Unzufriedenen wurde stets mächtiger, da sich das helvetische Direktorium ausser stande sah, die Schweizerbürger gegen die Ausschreitungen der französischen Soldateska wirksam zu schützen.
Das von dem aufrührerischen Geiste benachrichtigte Direktorium traf militärische Massregeln. In Nidwalden traten am 18., 20., 22. und 24. August nacheinander vier Landsgemeinden zusammen, von deren nach Aarau gesandten Abgeordneten das Direktorium die bedingungslose Unterwerfung Nidwaldens verlangte. Da weigerte sich dessen eine letzte Landsgemeinde. Um der Situation endlich Herr zu werden, sandte General Schauenburg zwölf Infanteriebataillone, zwei Schwadronen Husaren und eine Batterie gegen Nidwalden aus, mit welchen Truppen er auf zahlreichen Nachen über die Stanser Bucht des Vierwaldstättersees setzte.
Aber die Nidwaldner liessen sich durch dieses gewaltige Truppenaufgebot in ihrem Widerstand nicht abschrecken. Am 9. April eröffnete Schauenburg den allgemeinen Angriff, der ihm nach hartnäckiger Gegenwehr und blutigem Kampf den Sieg brachte. «Von allen Seiten wälzten sich die fremden Sieger wie ein Strom gegen Stans, das stundenlang beschossen und endlich genommen wurde ... Die tapfern Einwohner kämpften bis zum letzten Blutstropfen. Mit Knütteln, Aexten und Sensen bewaffnet, stritten Weiber und Mädchen an des Gatten, an des Vaters Hand. Die Wut der Franzosen kannte keine Grenzen. Sie erwürgten Frauen, Greise, Kinder in der Wiege; scheusslich war die Schlächterei. Stans und die umliegenden Dörfer wurden angezündet; Rauch und Flammen stiegen aus den Wohnungen empor. Als am Abend das Fechten ein Ende nahm, glich Nidwalden einem ungeheuern Grabe, aus welchem schwarzer Rauch emporstieg...» Selbst Schauenburg bewunderte den Mut und die Widerstandskraft der Gegner. «Es war der heisseste Tag, den ich je gesehen», schrieb er ans Direktorium. Er gab sofort Befehl, dass das Rauben und Plündern eingestellt und den Leuten das geraubte Vieh wieder herausgegeben werde. Um der ersten Not zu steuern, liess er unter das Volk auch Lebensmittel verteilen.
5. Die Schweiz unter der helvetischen Verfassung.
Nun hatten die Anhänger der Einheit ihr Ziel erreicht. Das Direktorium war aber zu schwach, um durchgreifende Reformen an Hand zu nehmen, da die Ueberflutung mit fremden Truppen das Land hatte verarmen lassen. Immerhin verdankt man den helvetischen Behörden doch eine Reihe von nützlichen Massregeln: es wurden die Gewerbefreiheit gewährt, die Folter, Zehnten und Grundzinse abgeschafft, gemischte Ehen gestattet etc. Mit dem Eintritt von Ochs und Laharpe in das Direktorium, die am Bay und Pfyffer ersetzten, gewann die oberste helvetische Behörde allmählig einen tyrannischen und anspruchsvollen Charakter. Gegen Ende 1798 forderte Frankreich von der Schweiz das Aufgebot einer Truppenmacht von 18000 Mann.
Im Jahr 1799 brach der Krieg zwischen Frankreich und den alliierten Mächten von neuem aus und wurde die Schweiz zum Tummelplatz der grossen fremden Armeen. Am 4./5. Juni schlug der Erzherzog Karl vor den Mauern Zürichs die unter dem Oberbefehl von Masséna stehenden Franzosen. Doch sah sich der österreichische General infolge der Eifersucht seines Bruders, des Kaisers Franz II., und des russischen Hofes, sowie durch Intriguen aller Art gehemmt, ausser stande, seinen Sieg auszunutzen, sodass er mit Masséna einen zweimonatlichen Waffenstillstand abschliessen und die weitere Führung des Feldzuges den russischen Generalen
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überlassen musste. Am 13. August begannen die Feindseligkeiten von neuem, worauf Masséna dem General Korsakoff am 25. September vor Zürich eine entscheidende Niederlage beibrachte. Seinen Sieg benutzte er dazu, den Städten Basel, Zürich und St. Gallen ungeheure Kriegssteuern aufzuerlegen.
Das Wallis versuchte noch einmal einen Aufstand, der aber von General Xaintrailles grausam unterdrückt wurde. Die Schweiz war erschöpft, so dass das französische Direktorium seine Truppen, die unser Land nicht mehr zu unterhalten vermochte, nach Italien sandte. Der Abzug der fremden Truppen und der Sturz des Direktoriums in Frankreich am 18. Brumaire brachte unserm Land das Ende der Diktatur Laharpes. Am siegte die von Bonaparte unterstützte Partei der Gemässigten mit Dolder, Savary, Glayre etc. über die Draufgänger, die sich selbst als die Patrioten bezeichneten, ob. Alle Ausnahmegesetze und -massregeln wurden widerrufen und der Geistlichkeit, die bisher der Armut preisgegeben war, wieder der Schutz und der Beistand der Behörden zu teil. Die Notwendigkeit, neue Finanzquellen zu eröffnen, führte zur Wiedereinführung der Abgaben und Gefälle, welche Massregel den Patrioten einen willkommenen Vorwand zur Agitation gab und im Waadtland zum Aufstand der sog. Burla-papey (Papierverbrenner) führte.
Die eidgenössischen Wahlen brachten der Reihe nach die Unitarier (Rengger, Stapfer, Kuhn) und die Föderalisten (Reding) ans Staatsruder. Als diese letztern am durch einen Staatsstreich gestürzt wurden, erhoben sich die Gemässigten und verjagten unter der Anführung von Rudolf von Erlach die unitarische Regierung aus Bern, die sich nun nach Lausanne flüchtete und dann eiligst nach Savoyen hinüber retten wollte. Da legte sich Bonaparte ins Mittel, indem er plötzlich als Vermittler (Médiateur) zwischen den hadernden Parteien auftrat. «Der Schritt des ersten Konsuls wirkte wie ein Blitz aus heiterem Himmel: die Truppen zerstreuten sich, und die helvetische Regierung jubelte, ohne zu bedenken, dass diese ihre „Rettung“ dem Raub der schweizerischen Selbständigkeit gleichkomme.»
6. Die Schweiz unter der Mediationsakte.
Auf den Ruf des ersten Konsuls trat am in Paris die sog. Helvetische Konsulta, eine Abordnung von einigen sechzig Notabilitäten, die vom Senat und den Kantonen delegiert worden und in der Mehrzahl Unitarier, d. h. Anhänger der Einheitsverfassung waren, zusammen. Nach zahlreichen Beratungen redigierte Bonaparte selbst den Text der unter dem Namen der Mediationsakte (oder Vermittlungsakte) bekannten neuen Verfassung, den er am den Delegierten der Konsulta übergab, indem er zugleich Louis d'Affry zum ersten Landammann der Schweiz ernannte und ihn beauftragte, diese neue Verfassung in der Schweiz in Kraft zu setzen.
Trotz ihres fremden Ursprunges fand die Mediationsakte in der Schweiz eine gute Aufnahme. Sie erwies sich als eine glückliche Vermittlung zwischen den Ideen des alten Regimentes und denen der Revolution und entschied sich für keine der bestehenden politischen Parteien. Die Eidgenossenschaft erhielt wiederum den Namen «Schweiz» und bestand nun aus 19 Staaten, indem sich den 13 alten «Orten» als neue Kantone Graubünden, St. Gallen, Aargau, Thurgau, Waadt und Tessin anschlossen.
Eine aus 19 Abgeordneten bestehende Tagsatzung, an der die sechs Kantone mit mehr als 100000 Einwohnern (Bern, Zürich, Waadt, St. Gallen, Aargau und Graubünden) doppelte Stimme hatten, vertrat die Nation. Der oberste Beamte des Landes, der den Titel des Landammannes der Schweiz führte, die Tagsatzung präsidierte und die Eidgenossenschaft in ihren Beziehungen nach Aussen vertrat, wurde der Reihe nach von sechs Kantonen gestellt, nämlich Freiburg, Bern, Solothurn, Basel, Zürich und Luzern. Als Landammänner amteten während dieser Zeit Ludwig von Affry, Rudolf von Wattenwil, Peter Glutz-Ruchti, Andreas Merian, Hans von Reinhard, Vinzenz Rüttimann, Heinrich Grimm von Wartenfels und Peter Burckhardt (Affry, Wattenwil und Reinhard zweimal nach je sechsjähriger Unterbrechung). Dem Landammann stand ein auf zwei Jahre gewählter und stets wieder wählbarer Kanzler zur Seite, welches Amt während langer Jahre, 1803-1830, vom Juristen Mousson aus Morges, der gleichsam die eidgenössischen Geschäfte in sich verkörperte, bekleidet wurde.
Unter der Herrschaft der Mediationsakte erholte sich die Schweiz wieder allmählig von den heftigen Stössen, die sie so lange Zeit erschüttert hatten. Es war eine Zeit der Ruhe und des Fortschrittes, während welcher sich die Kantone im Innern zu festigen vermochten. Politisch war freilich die Schweiz zum Vasallenstaat Frankreichs geworden. Ihre Neutralität stand bloss auf dem Papier und hing vom guten Willen Frankreichs ab. Zehn Jahre lang entging sie einem Einmarsch fremder Truppen, musste dafür aber drückende Lasten tragen.
Eine von Frankreich aufgezwungene Militärkapitulation verpflichtete sie, vier stets vollzählige und freiwillig angeworbene Regimenter von je 4000 Mann zu stellen, welches Kontingent angesichts der damaligen kleinen Bevölkerungsziffer unseres Landes mit dessen Kraft in keinem Verhältnis stand. Um den Anforderungen der Rekrutierung genügen zu können, leerte man die Gefängnisse und wurden alle schlechten Elemente zwangsweise zum Militärdienst gepresst.
Das Jahr 1804 zeichnet sich durch einen Aufstand der Zürcher Landschaft aus, der wegen des zu hohen Ansatzes der Loskaufssummen der Zehnten und Grundzinse ausbrach (Bockenkrieg). 1805 zwang der Krieg zwischen Frankreich und den verbündeten Mächten die Schweiz, ihre Rheingrenze militärisch zu besetzen. Einer geplanten Reorganisation des Wehrwesens der Schweiz widersetzte sich Napoleon, der sich 1806 von Preussen das strategisch wichtige Fürstentum Neuenburg, das er dem Marschall Berthier verlieh, abtreten liess.
Das Wallis war gegen seinen eigenen Willen von der Schweiz abgetrennt und im Jahr 1802 als besonderes Staatswesen konstituiert worden. Am kam eine vom Marschall Berthier befehligte Armee aus Italien über den Grossen St. Bernhard und hielt sich dann im Rhonethal auf, worauf der Moniteur am verkündete, dass das Wallis unter dem Namen des Département du Simplon mit Frankreich vereinigt worden sei. Das folgende Jahr besetzte Napoleon trotz dem Widerspruch des Landammannes von Wattenwil auch den Kanton Tessin mit französischen Truppen. Im Jahr 1812 willigte dann der Kaiser ein, die Zahl der Bataillone der Schweizerregimenter auf drei herabzusetzen, was ungefähr der Stellung von insgesamt 12600 Mann gleichkam.
Während der ganzen Regierungszeit Napoleons hatten Handel, Industrie und Gewerbe der Schweiz unter den von Napoleon zum Schutze der französischen Interessen getroffenen Zollmassregeln viel zu leiden. Die Erzeugnisse der schweizerischen Handarbeit wurden bei der Ausfuhr nach Frankreich und Italien mit hohen Schutzzöllen belegt. Da unser Land die für seine Industrie notwendigen Rohmaterialien aus dem Ausland nicht zu beziehen vermochte, sahen sich tausende von Arbeitern ohne Beschäftigung.
Frankreich zwang die Schweiz ferner zur Teilnahme an der Kontinentalsperre, so dass auch dem Handel unseres Landes seine Betätigung nach Aussen grosse Schwierigkeiten sich in den Weg stellten. Ganze Landstriche gingen ihres bisherigen Broterwerbes verlustig. Alle diese misslichen Umstände hätten unrettbar den finanziellen und wirtschaftlichen Ruin der Schweiz nach sich gezogen, wenn nicht Napoleons Sturz dem Gang der Ereignisse eine andere Wendung gegeben hätte.
7. Einmarsch der Alliierten in die Schweiz. - Aufhebung der Mediationsakte.
Nach dem in der Schlacht bei Leipzig (18./19. Oktober 1813) erfochtenen Sieg, der der Vorherrschaft Frankreichs ein Ende machte, schickten sich die preussischen, russischen und österreichischen Armeen zum Rheinübergang an. Am 18. November erklärte die Tagsatzung die Neutralität der Schweiz, bot 12000 Mann auf, um die Rheingrenze zu besetzen, und zog ihre Beteiligung an der Kontinentalsperre zurück. Napoleon anerkannte die Neutralität der Schweiz, die für ihn von grossem Wert war. Da schmiedete eine Anzahl Patrizier (das sog. Waldshuter Komite), an denen «der ganze Umschwung zur Neuzeit spurlos vorübergegangen zu sein» schien, ein Komplot, um mit Hilfe der Verbündeten die alte Zeit wieder aufleben zu lassen. Sie wandten sich zu diesem Zwecke an Metternich. Die Höfe von Oesterreich und Russland waren aber nicht einig, indem
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jener die Existenz der neugeschaffenen Kantone in Frage stellen liess, Kaiser Alexander dagegen, auf Bitten von Laharpe hin, dieselbe verteidigte. Am 17. Dezember stellte sich vor Basel ein österreichischer Parlamentär ein, um den Platzkommandanten von Herrenschwand zu einer Unterredung nach Lörrach einzuladen. Hier eröffnete dann am 19. Dezember der österreichische General Langenau dem schweizerischen Offizier, dass der Einmarsch in die Schweiz beschlossen sei und mit einem Heer von 130000 Mann erfolgen werde, worauf dann Feldmarschall Bubna in der Nacht vom 20./21. tatsächlich in Basel einzog.
Der Durchzug des österreichischen Heeres «dauerte bis nach Mitte Januar. Die einen rückten über Basel und durchs Pruntrut, die andern über Solothurn und Neuenburg, wieder andere über Schaffhausen, Zürich, Bern und Neuenburg. Im ganzen hielten sie gute Mannszucht, wiewohl einzelne Unordnungen nicht zu vermeiden waren. Schwer wurden namentlich die Kantone Basel und Schaffhausen mitgenommen. Basel wusste sich in seiner Not fast nicht zu helfen; Mitte Januar waren beinahe alle Vorräte aufgezehrt, und die Regierung erliess einen dringenden Hilferuf an die Tagsatzung. Auf der ganzen Rheinlinie von Schaffhausen bis Basel herrschte grosser Mangel. Die Einquartierungslasten wollten kein Ende nehmen, und Pferde und Zugvieh wurden beständig von den Fremden gebraucht. Drei Monate lang dauerte die Verlegenheit und Not; dann kamen erst noch schlimme Nachwehen durch das sich verbreitende Lazaretfieber, welches in solchem Grade überhandnahm, dass in kurzem kein Arzt mehr dienstfähig war.»
Die Folgen dieses Durchzuges für das Verfassungsleben waren schwerwiegender Natur: Neuenburg, Wallis und Genf wurden frei; der Tessin kam wieder an die Eidgenossenschaft; Bern, Solothurn, Freiburg und Luzern richteten das Patrizierregiment wieder auf. Unter dem Einfluss des Waldshuter Komite und durch den von Metternich gesandten Freiherrn von Senfft-Pilsach im geheimen ermuntert, arbeiteten die Berner Reaktionäre sogar darauf hin, die Kantone Aargau und Waadt wieder unter Berns Oberhoheit zu bringen, vermochten diesen Plan aber nicht durchzusetzen. Da berief der Vorort Zürich unter dem Landammann von Reinhard eine ausserordentliche Tagsatzung ein, die am 27. Dezember zusammentrat und am die durch Napoleon gegebene Vermittlungsakte für erloschen erklärte. Am gleichen Tag wurde ferner noch beschlossen, dass die Ausarbeitung einer neuen Verfassung so rasch als möglich an Hand genommen und auch die neugeschaffenen Kantone zur Mitwirkung zugelassen werden sollten.
Ferner solle Zürich vorläufig die Leitung der eidgenössischen Angelegenheiten beibehalten. Diesen Beschlüssen stimmten 17 Kantone bei, während sich Bern und Graubünden ablehnend verhielten. Unterdessen hatte der Grosse Rat des Kantons Bern schon am 23. Dezember die Mediationsakte als nicht mehr zu Recht bestehend erklärt und seine Befugnisse in die Hand des Grossen und Kleinen Rates der Stadt als der rechtmässigen Behörden gelegt. Am 24. Dezember nahmen die Ueberlebenden des alten Patriziates von der Macht Besitz und taten den Regierungen der Waadt und des Aargaues sofort zu wissen, dass sie Kassen, Zeughäuser, Rechnungen etc. den neuen Machthabern zur Verfügung zu stellen hätten. Zugleich luden sie ihre einstigen Untertanen ein, den Truppen der verbündeten Mächte gute Aufnahme zu gewähren.
Die aargauische und Waadtländer Regierung trafen daraufhin energische Massnahmen und überreichten der Tagsatzung einen in würdigem Tone gehaltenen Protest gegen dieses Ansinnen. Der General Bubna, der im Auftrage Metternichs am 26. Dezember nach Lausanne gekommen war, überzeugte sich rasch von der Unmöglichkeit, die Herrschaft Berns wieder herzustellen. Von hier wandte er sich dann mit seinen Truppen nach Genf, welche Stadt der Präfekt des Departementes Leman schon am 25. verlassen hatte, da er sich hier nicht mehr sicher fühlte. Es bildete sich mit Des Arts, Lullin, Saladin, Pictet und Micheli eine provisorische Regierung, die vom französischen General Jordy den Rückzug seiner Garnison von 1500 Mann forderte, was denn auch ohne Widerstand bewerkstelligt wurde. Als Bubna am 31. Dezember mit 12000 Oesterreichern in Genf einzog, fand er die Tore der Stadt von den Genfer Milizen besetzt.
Am wurde in Graubünden durch einen Staatsstreich die alte bündnerische Verfassung von 1792 wieder hergestellt. Am 8. Februar fand in Solothurn, am 14. Januar in Freiburg und am 23. Februar in Luzern unter dem Schutz der fremden Bajonette die Wiederaufrichtung des Patrizierregimentes statt. Die mit allen Mitteln auf die Erreichung ihres Zweckes hinarbeitenden Berner Patrizier bemühten sich um den Beistand der Urkantone, welche ihrerseits mit dem Ansuchen um Vergrösserung ihres Gebietes an die Tagsatzung gelangten, was die Existenz des Kantons St. Gallen in Frage stellte. Den neuen Kantonen standen aber als entschiedene und treue Verbündete Zürich, Schaffhausen, Basel und Appenzell zur Seite.
8. Der Bundesvertrag von 1815. - Anerkennung der Neutralität der Schweiz durch den Wiener Kongress.
Die Tagsatzung beauftragte eine aus Reinhard, Reding und Heer bestehende Kommission mit der Ausarbeitung des neuen Bundesvertrages, der ihr am vorgelegt wurde. Diese 26 Artikel umfassende Vorlage zielte eher auf ein blosses Bündnis der Kantone untereinander als auf eine einheitliche Verfassung ab und überging alle die individuellen Rechte des Bürgers, die die unitarische Verfassung festgehalten hatte und auch die Mediationsakte noch zum Teil durchblicken liess, vollständig mit Stillschweigen.
Der Widerstand der aristokratischen Kantone liess sie scheitern. Die Schweiz sah sich in zwei nahezu gleich starke Lager geschieden, deren jedes seine besondere Tagsatzung hatte, von denen die eine unter Bürgermeister Hans von Reinhard in Zürich, die andere unter dem Schultheissen Rüttimann in Luzern ihre Sitzungen hielt. Gegen Ende März kam dann eine Annäherung zu stande und wurde dank den Bemühungen der fremden Diplomaten in der Schweiz, des russischen Gesandten Capodistria und des österreichischen Gesandten von Lebzeltern, der Sonderbund der Urkantone nebst Solothurn, Freiburg und Luzern aufgelöst. Am 31. März verstand sich dann auch Bern, durch die Erklärung der Alliierten, «dass sie nur der neunzehnörtigen Eidgenossenschaft ihre Anerkennung gewähren würden.» bewogen, dazu, die allgemeine eidgenössische Tagsatzung zu beschicken. Am trat dann diese vereinigte neunzehnörtige Tagsatzung in Zürich zusammen. Am verlangte Neuenburg seine Aufnahme in die Eidgenossenschaft, worauf am 2. und 10. Mai auch Genf und Wallis das nämliche Gesuch stellten.
Die Aufnahme dieser neuen Kantone wurde bis nach Annahme der auszuarbeitenden neuen Verfassung aufgeschoben, doch sandte man unterdessen ein Freiburger Bataillon nach Genf, das hier eine begeisterte Aufnahme fand. Am 10. Mai legte die Tagsatzungskommission einen neuen Verfassungsentwurf vor, der aber das nämliche Schicksal fand wie sein Vorgänger. Der Widerstand der reaktionären Kantone rief einer scharfen Note von Seiten der Ministerien Englands, Russlands und Oesterreichs (13. August). Die Mächte «bedauerten die Trennung und führten aus, dass dieser Zwiespalt die Eidgenossenschaft zu einer Null herabdrücke. Ob sie keinen besseren Gebrauch von ihrem Selbstbestimmungsrecht machen könne? Nein! So tief könne die Eidgenossenschaft nicht gesunken sein!» Diese Mahnung tat ihre Wirkung, und «schon am 8. September stimmten alle Kantone, mit Ausnahme von Schwyz und Nidwalden, dem veränderten Bundesverfassungsentwurf zu. Es folgte noch der Beschluss, Wallis, Neuenburg und Genf nach deren eigenem Begehren als Kantone in den Bund aufnehmen zu wollen, und dann zeigte man mit Befriedigung den fremden Mächten an, dass die Konstituierung der Schweiz zur Vollendung gelangt sei.» Die neue Verfassung enthielt 15 Artikel und schränkte die Kompetenzen der Tagsatzung, sowie die Befugnisse der zentralen Gewalt erheblich ein. An Stelle eines einzigen «Vorortes» traten drei Kantonsregierungen (Zürich, Bern und Luzern), denen abwechselnd die Leitung der eidgenössischen Angelegenheiten überbunden werden sollten.
Am 3. Oktober trat in Wien ein Kongress der Grossmächte zusammen, an den die Tagsatzung den Bürgermeister Reinhard von Zürich, den Staatsrat von Montenach von Freiburg und den Bürgermeister Wieland von Basel
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abordnete, die den neuen Bundesvertrag vorlegen, dessen Genehmigung verlangen, die förmliche Anerkennung der Neutralität der Schweiz und die Bewilligung einer strategischen Grenze erbitten sollten. Neben den Bundesabgeordneten schickten aber auch noch einzelne Kantone besondere Bevollmächtigte nach Wien, «um für ihre besonderen Interessen bei Fürsten und Diplomaten guten Willen zu machen.» So liessen sich die Waadt, der Aargau, Tessin, St. Gallen und Thurgau durch F. C. de Laharpe und Rengger, Bern, Uri und Zug durch den Ratsherrn Zeerleder, Genf durch Pictet de Rochemont und d'Ivernois, sowie auch Graubünden, Biel, das Bistum Basel und die Thalschaft Veltlin vertreten. Der Abt von St. Gallen begab sich zur Geltendmachung seiner Ansprüche ebenfalls persönlich nach Wien, während der h. Stuhl die Verteidigung seiner Interessen in der Schweiz einem besondern Nuntius übertrug.
Dieser Mangel an Einigkeit musste der schweizerischen Sache mit Notwendigkeit zum Schaden gereichen. Die Besorgnis Genfs und Graubündens vor einer katholischen Majorität in ihrem Lande liess die Versuche, das Veltlin, Chablais und Faucigny der Schweiz anzugliedern, scheitern. Auch die Grenzbereinigungen beschränkten sich nur auf untergeordnete Punkte. Andrerseits gewährleisteten die Mächte die immerwährende Neutralität der Schweiz, in welche später auch noch die Landschaften Chablais und Faucigny mit einbezogen wurden.
Ferner anerkannten die Mächte den unverletzlichen Bestand der Eidgenossenschaft der 19 Kantone, wie er durch die Uebereinkunft vom festgestellt worden war. Wallis, Neuenburg und Genf bildeten dazu drei neue Kantone. Das Dappenthal wurde der Waadt zugesprochen. An Bern kamen die Stadt Biel und das Bistum Basel, dieses aber mit Ausnahme des Bezirkes Arlesheim, den Basel erhielt. Die Gemeinde Le Cerneux-Péquignot wurde dem Kanton Neuenburg (der zugleich preussisches Fürstentum blieb) zugeschlagen.
«In betreff der Abrundung Genfs versprachen die Mächte, sich dafür verwenden zu wollen, dass eine Gebietserweiterung gegen Savoyen hin möglich werde.» Die von Bern und Zürich in England angelegten Gelder wurden diesen beiden Kantonen wieder zur Verfügung gestellt. Dagegen sollten die neuen Kantone Waadt, Aargau und St. Gallen den Kantonen Schwyz, Unterwalden, Glarus, Uri, Zug und Appenzell I. R. eine Summe von 500000 Fr. entrichten, Tessin dem Kanton Uri alljährlich die Hälfte des Zolles der Leventina vergüten, die Waadt den ehemaligen Berner Grundeigentümern im Kanton 300000 Fr. bezahlen, sowie der Fürstabt von St. Gallen und der Fürstbischof von Basel eine jährliche Rente auf Lebenszeit von je 12000 Fr. erhalten, Am 27. Mai erklärte sodann die eidgenössische Tagsatzung die Annahme dieser Beschlüsse des Wiener Kongresses.
Die Savoyer Angelegenheit war von diesem in einem vom 29. März datierten Nachtrag zu seinen Beschlüssen dadurch geregelt worden, dass man die nordsavoyischen Provinzen Faucigny und Chablais in die schweizerische Neutralität miteinschloss. «Alles Land nördlich der Linie von Ugine nach dem Süden des Sees von Annecy, dem See von Bourget bis zur Rhone, sollte in der schweizerischen Neutralität derart inbegriffen sein, dass im Kriegsfall keine Macht bewaffnete Truppen dort halten oder durchziehen lassen sollte und die Eidgenossenschaft dasselbe nach Gutfinden besetzen dürfte.»
Unterdessen war Napoleon von der Insel Elba unvermutet wieder nach Paris zurückgekehrt. Am 15. März weigerte sich die Tagsatzung, dessen Gesandten zu empfangen, indem sie zugleich den in französischen Diensten stehenden Schweizer Regimentern den Befehl zur Heimkehr zukommen liess. Während des nun folgenden Feldzuges gestaltete sich die Sachlage für die Schweiz sehr gefährlich. Um die Grenze zu decken, bot das Land eine Armee von 30000 Mann auf, die unter den Befehl des Generales Bachmann gestellt wurde und den Jura besetzte.
Als nun der die Festung Hüningen kommandierende General Barbanègre im Namen Napoleons, der indessen bereits abgedankt hatte, noch die Stadt Basel brandschatzen wollte und sie zu beschiessen begann, wurde der Platz von einem aus Oesterreichern und Schweizern bestehenden Armeekorps belagert und am genommen und geschleift. Am 7. August fand, nachdem Schwyz seinen Widerstand aufgegeben hatte, in Zürich die feierliche Beschwörung des neuen Bundes statt.
Die Fragen, die vom Wiener Kongress nicht erledigt worden waren, kamen dann auf dem in Paris tagenden neuen Kongress zur Diskussion. Hier schlossen die Verbündeten mit Frankreich am den zweiten Pariserfrieden. Von den 700 Millionen Fr. Kriegsentschädigung, die Frankreich an die Verbündeten bezahlen musste, wurden drei Millionen der Schweiz zugesprochen. «Frankreich versprach ferner, Hüningen nie herzustellen und wenigstens auf eine Entfernung von drei Meilen von Basel keine anderen Befestigungswerke zu errichten; es anerkannte den Einschluss Nordsavoyens in die schweizerische Neutralität und versprach, bei Sardinien sich zu gunsten von Abtretungen an Genf zu verwenden». Im Vertrag von Turin traten dann endlich Sardinien sechszehn links der Rhone und Frankreich sechs rechts der Rhone gelegene Gemeinden, die dem Kanton Genf angegliedert wurden, an die Eidgenossenschaft ab
VI. Erweckung und zunehmende Stärkung des Nationalgefühles.
1. Die Schweiz unter dem Bundesvertrag von 1815.
Der am in Kraft getretene Bundesvertrag war weniger eine eigentliche Verfassung als vielmehr ein lockerer Bund, den die souveränen Kantone der Eidgenossenschaft zum Schutz ihrer gemeinsamen Sicherheit unter sich geschlossen hatten. Die Gewährleistung individueller Freiheiten, die die helvetische Einheitsverfassung ausgesprochen und die Mediationsakte zum Teil noch aufrecht erhalten hatte, war vollständig mit Stillschweigen übergangen. Während heute auf Grund internationaler Verträge jeder Franzose, Engländer, Italiener, Deutsche etc. sich in der Schweiz niederlassen darf und dasselbe Hecht auch jedem Schweizer in jedem der betreffenden fremden Staaten zusteht, war damals die Niederlassung eines Kantonsbürgers in einem der übrigen Kantone bloss geduldet.
Auch die Schweiz musste sich dem reaktionären Winde, der zu jener Zeit durch ganz Europa blies und der politischen wie wirtschaftlichen Entfaltung unseres Landes wenig günstig war, beugen. Die bedauerlichen Lücken, die der Bundesvertrag aufwies, wurden durch besondere Konkordate über Fragen des Verwaltungs-, öffentlichen und Privatrechtes, die einige der vorgeschrittensten Kantone unter sich abschlossen, einigermassen ausgefüllt. Während dieser Epoche fanden verschiedene grosse Unternehmungen allgemeinerer Natur ihre Durchführung, wie der Bau der Strassen Lausanne-Échallens-Yverdon, Neuenburg-Delsberg-Basel, Olten-Hauenstein-Basel, Brunnen-Schwyz-Arth-Wohlenswil, Toggenburg-Rheinthal und diejenige längs dem Südufer des Walensees.
Diesen Verkehrswegen, die die Existenzbedingungen der Bewohner des Mittellandes besser gestalteten, schlossen sich die drei grossen Alpenstrassen über den Splügen (1818-1824), Bernhardin (1819-1823) und Gotthard (1820-1830) an. Da die eidgenössischen Behörden sich nicht in der Lage sahen, Arbeiten von solchem Umfange selbst an Hand zu nehmen oder finanziell zu unterstützen, deckte man die Kosten mit Hilfe von Anleihen, die durch die kantonalen Zölle garantiert wurden.
Der noch unter der Mediationsakte im Jahr 1807 begonnene Linthkanal war 1822 vollendet. Im Jahr 1816 begann man mit den Vorarbeiten zur Trockenlegung des Seelandes und zur Korrektion von Rhein, Landquart, Aare und Sihl. 1823 und 1824 tauchten auf dem Genfer- und dem Bodensee die ersten Dampfschiffe auf, denen sich die Dampfschiffahrt auf dem Langen-, Zürich-, Neuenburger- und Vierwaldstättersee anschloss.
Es standen damals zwei auf dem Wege des Konkordates geregelte Münzsysteme in Kraft: dasjenige der nördlichen und östlichen Kantone Schaffhausen, St. Gallen, Appenzell und Thurgau, dessen Grundlage der in Süddeutschland übliche Gulden bildete, und dasjenige der Kantone Aargau, Bern, Freiburg, Solothurn, Basel und Waadt mit dem (alten) Schweizerfranken zu zehn Batzen. Die zehn übrigen Kantone hatten jeder ihren besondern Münzfuss. Endgiltig geregelt wurde die Münzfrage erst im Jahre 1850. Auch das Postwesen, sowie Mass und Gewicht waren zum Teil durch Konkordate vereinheitlicht, doch
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nur in ganz ungenügender Weise. Eine traurige Berühmtheit haben die Jahre 1816 und 1817 durch die Hungersnot erlangt, die damals ganz Zentraleuropa heimsuchte. Um dem Elend zu steuern, mussten besondere Massnahmen getroffen werden. So kauften die Regierungen der Kantone Waadt, Freiburg, Basel, Graubünden etc. mit Hilfe von öffentlichen Subskriptionen beträchtliche Mengen von Korn im Ausland an, welche Operationen durch die Beihilfe einiger Grosskapitalisten erleichtert wurde, indem z. B. Theodor Rivier dem Kanton Waadt die Summe von 300000 alten Franken (= 450000 Franken heutiger Währung) lieh.
Die schwierige Lage, in der sich die Schweiz befand, veranlassten tausende von Personen zur Auswanderung nach Amerika. In den Nachbarstaaten machten sich schutzzöllnerische Anwandlungen geltend. Während das lombardisch-venetische Königreich, Piemont und Oesterreich ihre Zollansätze erhöhten, behielt auch das monarchische Regiment in Frankreich das von Napoleon eingeführte Prohibitivsystem bei. Ein Glück war es daher, dass sich das Grossherzogtum Baden entgegenkommender zeigte und durch Aufhebung der Durchgangsgebühren den Erzeugnissen der schweizerischen industriellen und gewerblichen Tätigkeit eine Absatzpforte öffnete. Da Frankreich auf seinem starren Prohibitivsystem beharrte, schlossen sich Baiern, Württemberg, Baden, Hessen und die Schweiz zum gemeinsamen Vorgehen gegen den französischen Zolltarif zusammen. Am beschloss die Tagsatzung mit 13½ gegen 8½ Stimmen einen Kampftarif, der aber nur in den annehmenden Kantonen in Wirksamkeit trat, sodass sein Erfolg kein durchgreifender war.
Aus dieser Sackgasse kam die Schweiz nur dank dem guten Willen Württembergs und Badens heraus, welche Staaten durch Vertrag von 1826 ihren Durchgangsverkehr nach Norddeutschland, Holland, Russland und Amerika erleichterten, wofür sie ihrerseits Massnahmen zur Erleichterung des Durchgangsverkehrs von Deutschland Italien traf. Nach der Vollendung der Strasse über den Splügen begann Oesterreich, sich entgegenkommender zu zeigen, und auch Frankreich änderte nach dem Sturz der Bourbonen seine ablehnende Haltung.
Die kantonalen Zölle legten dem Binnenhandel der Schweiz selbst erhebliche Schwierigkeiten in den Weg, denen ein von 14 Kantonen im Jahr 1830 abgeschlossenes Konkordat teilweise abzuhelfen versuchte.
Alter Ueberlieferung getreu, beeilten sich die meisten Kantone, mit den fremden Staaten Militärkapitulationen einzugehen. So verpflichtete sich Neuenburg am zur Stellung eines Jägerbataillones an den König von Preussen und Bern am zur Stellung eines Regimentes von 2000 Mann an die Niederlande. Auch Zürich, Graubünden, Schwyz, Appenzell, Tessin, Unterwalden, Solothurn und Luzern unterzeichneten 1816 mit den Niederlanden Kapitulationen für drei Regimenter. Im selben Jahre schlossen 17 Kantone mit Frankreich eine Kapitulation für die Rekrutierung von sechs Regimentern.
Einzig Basel und Glarus beteiligten sich nicht an solchen Militärverträgen. 1825 und 1829 schlossen 10 Kantone Kapitulationen mit dem Königreich beider Sizilien, und 1832 schuf der h. Stuhl zwei Fremdenregimenter, die zum grössern Teil aus Schweizern bestanden. Mit Berücksichtigung der ältern, aber immer noch giltigen Kapitulationen mit Spanien und Piemont, sowie der im Solde Englands stehenden Schweizer Soldaten, kann gesagt werden, dass zu einer gegebenen Zeit mehr als 30000 Schweizer unter fremden Fahnen standen, während die Bevölkerung der Schweiz sich damals auf bloss 1700000 Seelen, d. h. also die Hälfte der heutigen Volkszahl belief. Diese Verträge mit den fremden Mächten fanden sowohl in der Schweiz als im Auslande bald Widerspruch, sodass die Kapitulationen mit den Niederlanden 1828, mit Frankreich 1830 und mit Neapel 1859 nicht mehr erneuert wurden, bezw. erloschen.
Laut dem Bundesvertrag war nicht, wie heute, jeder Schweizerbürger zugleich auch wehrpflichtig, indem sich die Kantone bloss verpflichtet sahen, zum gemeinsamen Bundesheer ein Kontingent im Verhältnis von 2% ihrer Einwohnerzahl zu stellen, was eine Gesamtstärke des eidgenössischen Heeres von 33758 Mann ausmachte. Diesem ersten Aufgebot hatte die Tagsatzung von 1816 noch eine gleich starke Reserve angegliedert, so dass das eidgenössische Heer 67516 Mann mit 104 Kanonen und 3127 Pferden zählte. Im Jahr 1818 schuf man einen eidgenössischen Generalstab, an dessen Spitze ein Generalmajor, ein Artillerieinspektor und ein Kriegskommissar standen, während ihm ausserdem noch 29 Obersten und Oberstleutnants, sowie 24 Offiziere von geringerem Grad angehörten.
Die militärische Ausbildung lag in den Händen der Kantone. Die Bewaffnung der Infanterie und Kavallerie, sowie die Ausrüstung sämtlicher Milizen fiel jedem einzelnen Mann zur Last, der hierin im Falle des Unvermögens von seiner Gemeinde unterstützt wurde. In mehr als einem Kanton war aber allen denjenigen die Heirat verboten, die die ihnen gemachten Vorschüsse noch nicht zurückbezahlt hatten. Die Notwendigkeit, die Ausbildung der Offiziere zu vereinheitlichen, führte die Tagsatzung 1819 zur Schaffung einer Zentralmilitärschule, die unter die Leitung des Obersten Göldlin von Tiefenau gestellt wurde, welchem G. H. Dufour und Sal. Hirzel als Instruktoren für die Genietruppen, bezw. die Artillerie zur Seite standen. In diese Zentralschule wurden 300 Offiziere und 150 Unteroffiziere einberufen. 1820 fand in Wohlen im Aargau ein eidgenössisches «Uebungslager» statt, an dem sich 2500 Mann aus verschiedenen Kantonen beteiligten und das vom Obersten Giuguer de Prangins befehligt war. Seither folgten sich diese Truppenzusammenzüge, die als Vorläufer unserer heutigen Manöver gelten können, alle zwei Jahre (Bière, Schwarzenbach, Thun etc.). Dazu arbeitete man auch einheitliche Exerzierreglemente aus.
Im Jahr 1821 legte Oberst Dufour den Plan zu einer Befestigung der strategisch wichtigen Stellung von Saint Maurice vor, mit der aber erst 10 Jahre später Ernst gemacht wurde. 1822 begann man mit den ersten Triangulationsarbeiten, die der später nach General Dufour benannten eidgenössischen Karte als Grundlage dienten.
Das Jahr 1831 bot der Schweiz Gelegenheit, die Fortschritte, die sie in ihrer Militärorganisation gemacht, zu verwerten. Als sich nämlich damals im Mailändischen, in Piemont und in Frankreich Truppenbewegungen
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vollzogen, beschloss die Tagsatzung am 29. Dezember, alle kantonalen Kontingente auf Piket zu stellen und in fünf Divisionen zu je vier Brigaden zu vereinigen.
Ausserordentlich beschränkt waren die finanziellen Mittel der Eidgenossenschaft. Sie bestanden in Geldbeiträgen der Kantone, die sich im Jahr 1821 auf 61950 Fr. alter Währung beliefen und zur Deckung der Kosten für die Bundeskanzlei und die eidgenössischen Gesandten an fremden Höfen bestimmt waren. Die eidgenössischen Militärauslagen bestritt eine besondere Kasse, der aus den von den Grenzkantonen bezogenen Einfuhrzöllen jährlich 90000 alte Franken zuflossen. Daneben bestanden noch eine Kriegskasse, eine Sparkasse und eine Inspektionskasse, die mit der von Frankreich 1815 bezahlten Kriegsentschädigung von 3 Millionen Franken geäufnet worden waren.
Die oberste Staatsgewalt lag in den Händen der Tagsatzung, die eher einer Versammlung von mit Instruktionen ausgerüsteten Gesandten als einem Nationalparlament im modernen Sinne glich. Den Vorsitz führte der amtierende Bürgermeister oder Schultheiss des jeweiligen Vorortes. Dieser Tagsatzung standen mehrere Befugnisse zu, die heute der obersten Exekutive zugewiesen sind, wie z. B. die Ernennung der drei diplomatischen Vertreter (in Paris, Wien und Mailand) und die Wahl der Offiziere des allgemeinen Armeestabes.
Wenn die Tagsatzung nicht versammelt war, führte der Regierungsrat des jeweiligen Vorortkantones die eidgenössischen Geschäfte, zu deren Erledigung ein Bundeskanzler, ein Staatssekretär, ein Staatsarchivar und ein eidgenössischer Kriegssekretär bestellt waren. Es bestanden auch eine eidgenössische Militärkommission, der ein Teil der heute vom eidg. Militärdepartement besorgten Geschäfte zufiel, sowie verschiedene andere Kommissionen (wie z. B. eine Zollkommission). In Anbetracht der geringen Befugnisse der eidgenössischen Behörden sahen sich die Kantone veranlasst, eine Reihe von Fragen betr. Niederlassungsrecht, Glaubensänderungen, Heimatlose, Erbschafts- und Vormundschaftsgebühren, zivil- und strafrechtliche Untersuchungen und Urteile, Bankrott, Ausweisungen, polizeiliche Beziehungen etc. auf dem Wege des Konkordates zu regeln.
Die eidgenössische Zentralgewalt, die alle zwei Jahre wechselte und von Zürich nach Bern, sowie von da nach Luzern übersiedelte, ermangelte der strengen Konsequenz und der wünschenswerten Stabilität und war leicht geneigt, fremden Einflüssen Gehör zu schenken. So wurde die Schweiz im Jahr 1817 dahin geführt, den Grundsätzen der zwischen dem Kaiser von Russland, dem Kaiser von Oesterreich und dem König von Preussen geschlossenen «Heiligen Allianz», der in der Folge alle europäischen Staaten mit Ausnahme Englands, des Papstes und des Sultans sich anschlossen, beizustimmen.
Es machte sich in Europa eine immer stärker anschwellende rückgängige Strömung bemerkbar, die einen stets wieder unterdrückten Kampf zwischen den Monarchen und ihren Untertanen heraufbeschwor. Als sich freisinnige Elemente aus Deutschland und Italien in die Schweiz flüchteten, verlangten die auswärtigen Regierungen deren Ausweisung, sowie die Unterdrückung der freiheitlichen Auslassungen der schweizerischen Presse. Durch das «Conclusum» vom dem alle Stände beigestimmt hatten, lud die Tagsatzung die kantonalen Regierungen ein, geeignete Massregeln zu treffen, um die Schweiz vor den unangenehmen Folgen zu bewahren, die sich aus der den Fremden gewährten Gastfreundschaft und den Uebergriffen der Presse ergeben könnten. Die zur Erreichung dieses Zweckes dem jeweiligen Vorort eingeräumten Machtbefugnisse wurden bis 1827 alljährlich erneuert, in welchem Jahre sich eine Majorität von 12 Kantonen für deren Abschaffung erklärte.
Mit der Wiedererweckung des politischen Lebens vollzog sich in der Schweiz, wie übrigens in ganz Europa, auch eine solche der religiösen Ideen. Die von Deutschland und England ausgegangene protestantische religiöse Bewegung pflanzte sich nach Frankreich und der Schweiz fort und wurde hauptsächlich gefördert durch die Pietisten und mährischen Brüder einerseits, sowie die Methodisten und Baptisten andrerseits. Unter dem Einfluss dieser Sekten sahen sich die Landeskirchen veranlasst, ihre Organisation und selbst ihre Dogmen allmählig abzuändern.
Die reformierte Geistlichkeit, die sich lange Zeit sozusagen als den Inhaber eines Monopoles betrachtet hatte, musste die Aufnahme von Laien in die kirchlichen Behörden zugeben. Von den die religiöse Erweckung besonders fördernden Männern seien genannt Ami Bost, Felix Naeff, Olivier, Merle d'Aubigné und besonders César Malan in Genf, sowie Chavannes, Auguste Rochat und, später, Vinet im Kanton Waadt. Diese Männer, deren Eifer vor keinem Opfer zurückschreckte, gaben ihre amtlichen Stellungen auf und begründeten dissidente Gemeinschaften, aus denen sich später die freien (evangelischen) Kirchen entwickelten.
Die Waadtländer und Genfer Regierung bemühte sich, die Bewegung durch Verordnungen und Gesetze zu unterdrücken. Besonders bekannt geworden ist in dieser Hinsicht das Waadtländer Gesetz vom Jahr 1834, das die Versammlungen der neugebildeten Sekte, der sog. «mômiers» (Frömmler), verbot. Aehnliche Bewegungen machten sich auch in Bern und Neuenburg geltend, während in der Ostschweiz (Zürich, Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen und Appenzell) eine ausserordentliche religiöse Ueberreizung um sich griff, die stellenweise zu wirklichem Irrsinn führte (Greuelszenen in Wildisbuch 1823).
Lebhafter Opposition begegnete die Wiederzulassung der Redemptoristen in Freiburg 1818, der diejenige der Jesuiten auf dem Fusse folgte. Später wurden die Jesuiten auch nach Solothurn, ins Wallis, nach Luzern und Schwyz berufen. Gewisse Regierungen versuchten, die katholische Kirche ihres Kantones nach eigenem Gutfinden zu organisieren, was an verschiedenen Orten zu lebhaftem Kampf führte. Grosses Aufsehen erregten ferner namentlich auffallende Bekehrungen zum Katholizismus (Professor Karl L. von Haller in Bern und Pfarrer Hurter in Schaffhausen), die Frage der gemischten Ehen und die Umwandlung der Bistümer.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts teilten sich acht Bistümer in die Leitung der katholischen Geistlichkeit der Schweiz, nämlich diejenigen von Konstanz, Chur, Basel, Lausanne, Annecy-Genf, Sitten, Como und Mailand. Am umfangreichsten war das Bistum Konstanz, dessen Sitz ausserhalb der Grenzen der Schweiz lag. Der Umstand, dass fremde Bischöfe über Schweizerbürger die geistliche Gerichtsbarkeit ausüben konnten, erwies sich als anormal, so dass die kantonalen Regierungen eine Umwandlung der schweizerischen Bistumsverfassung wünschten.
Während sich der h. Stuhl zu einer Abänderung der Grenzen der Bistümer geneigt zeigte, ersehnten die schweizerischen Katholiken den Abschluss eines Konkordates. Eine Einigung kam nicht zu stande. Bern verlangte die Beibehaltung des Bistums Basel (1817), Luzern dagegen den Vorzug, Sitz eines eigenen Bistums zu werden; 1818 wünschten auch Solothurn, Aargau und Thurgau die Kreierung eines neuen Bistums, während Schwyz im selben Jahre die Absicht äusserte, ein Bistum Einsiedeln zu schaffen, welchem Plan die übrigen Urkantone jedoch nicht beistimmten.
Diese und ähnliche unerquicklichen Verhältnisse dauerten bis 1828. Der h. Stuhl sah sich ausser stande, die Regierungen zu befriedigen, die alle auch in kirchlichen Sachen die Oberhand haben wollten. Die langwierigen Unterhandlungen in dieser Angelegenheit führten endlich dazu, dass Genf dem Bistum Lausanne mit Sitz in Freiburg angegliedert (1819) und dann ein Doppelbistum St. Gallen-Chur (Kantone St. Gallen und Graubünden) geschaffen wurde, welches man aber schon 1832 wieder auflöste, um als eigenes Gebilde das Bistum St. Gallen zu schaffen. Dieses umfasst heute die Kantone St. Gallen und Appenzell. Das reorganisierte Bistum Basel erhielt seinen Sitz in Solothurn und als Diözesangebiet die Kantone Basel und Solothurn, den Berner Jura, sowie die vom Bistum Konstanz abgelösten Kantone (Luzern, Zug, Aargau, Thurgau und Schaffhausen) zugesprochen (Konkordat von 1828). Der Ober Elsass war schon 1802 vom Bistum Basel abgetrennt worden.
Die in den Jahren 1814 und 1815 an der staatlichen Organisation von Bund und Kantonen vorgenommenen Abänderungen sollten im Verein mit der wirtschaftlichen Entwicklung, dem Beitritt zur «heiligen Allianz», den Angriffen auf die persönliche Freiheit und den religiösen
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Zwistigkeiten zum politischen Umschwung des Jahres 1830 fuhren.
Verschiedene Gesellschaften vereinigten die fortschrittlich gesinnten Männer aller Parteien und Konfessionen in ihrem Schoss und trugen nicht wenig zur Entfaltung der neuen Anschauungen bei, denen die moderne Schweiz ihre Entstehung verdankt. Solche Vereinigungen waren (und sind teilweise heute noch) die 1760 gegründete Helvetische Gesellschaft, die schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, die schweizerische Gesellschaft für die gesamten Naturwissenschaften (1815), sowie die eidgenössischen Verbände der Aerzte, Sänger, Turner, Künstler, Schützen etc. und die zahlreichen Tochtergesellschaften, die sich in der Folge daran anschlossen.
Zur gleichen Zeit stärkte sich auch das schweizerische Nationalgefühl durch die Errichtung von Denkmälern zur Verherrlichung von grossen Taten der Vorfahren. Der Freiheitskampf der Griechen fand in der Schweiz einen lebhaften Widerhall: überall bildeten sich Komites, die während Jahren freiwillige Gaben im Betrag von hunderttausenden von Franken sammelten. An erster Stelle dieser Bewegung standen J. G. Eynard in Genf und W. Haldimand in Lausanne.
2. Revolution von 1830. - Sieg der demokratischen Staatsform in verschiedenen Kantonen.
«Allmählig erwachten die Geister. Aus allen Teilen des Schweizerlandes kamen zu Ende der zwanziger Jahre Berichte, welche uns das Fortschreiten des Volksgeistes, das Drängen und Sehnen nach Umgestaltung der politischen Zustände schildern. Die Zeit wurde reif für eine Reform und bald für eine radikale Umwälzung.» Es entstand eine neue, liberale oder demokratische Partei, welche allmählig die Stelle der 1814 ans Ruder gekommenen Konservativen einnehmen sollte.
Die neuen Bestrebungen erwirkten die weitere Ausgestaltung der persönlichen Freiheit, die Trennung der Gewalten in gesetzgebende, vollziehende und richterliche Behörden, sowie die aus dem Volkswillen sich ergebende Staatssouveränetät. Gewissensrücksichten verhinderten die Liberalen, ihre Ansichten und Wünsche mit Waffengewalt durchzusetzen, so dass sie zwar in mehreren Kantonen die Oberhand gewannen, dagegen auf dem Felde der eidgenössischen Politik unterlagen.
Die freisinnige Bewegung brach am zuerst in Appenzell I. R. aus, wo sich die Regierung nach langem Zögern entschloss, die auf mehr als 300 Jahre zurückgehenden und niemals gedruckten Landesstatuten und -gesetze zu veröffentlichen. Am kam eine Verfassung zu Stande, die den Volksrechten ausgedehntere Rechnung trug. Da auch in Appenzell A. R. noch Gesetze in Kraft waren, die dem Geiste der Zeit längst nicht mehr entsprachen, wurde auf der Landsgemeinde von 1829 eine Verfassungsrevision verlangt, die 1832 zum Ziele führte, ohne aber die Glaubensfreiheit und die Trennung der Gewalten mit sich zu bringen.
Im Kanton Waadt brachte der General de Laharpe die Frage der Verfassungsrevision in Fluss. Es handelte sich hier in erster Linie darum, gegen den Nepotismus anzukämpfen, dessen sich die 1815 zur Macht gelangte Regierung befliess. Pidou war gestorben und der Einfluss von Monod durch Muret untergraben. Dieser letztere hatte sich zu einem sehr hochmütigen, anmassenden und gewalttätigen Politiker ausgewachsen, der seine Freunde aus dem Bürgerstand, mit denen er dreissig Jahre früher den Umschwung vorbereitet und durchgeführt, zur Seite schob und sich aus dem Bauernstand eine aus den nämlichen Elementen bestehende, fügsame und geschlossene Majorität rekrutiert hatte, auf welche sich dann im Jahr 1845 auch Druey und Delarageaz wieder stützten.
Der Grosse Rat bestand zur Mehrzahl aus Beamten oder Angehörigen des Richterstandes und zählte bloss 30 Mitglieder, d. h. ein Sechstel des gesamten Bestandes, die kein staatliches Amt innehatten. Die Opposition setzte sich zusammen aus dem systematisch von den Staatsangelegenheiten und -stellen ausgeschlossenen alten Adel und Patriziat, den Vertretern der Schule und Kirche, sowie endlich den Advokaten und dem aufgeklärten Bürgerstand. Nacheinander wurden drei Revisionsbegehren verworfen. Als aber die Opposition fortdauernd an Boden gewann, konnte diese Obstruktion nicht mehr wohl aufrecht erhalten werden, sodass der Grosse Rat am einige Abänderungen am Wahlverfahren bewilligte, die dann von der Tagsatzung am gewährleistet wurden.
Auch im Tessin brach eine ähnliche Revisionsbewegung aus. In diesem Kanton lag die Staatsgewalt bei einer oligarchischen Sippschaft, an deren Spitze sich der Landammann Quadri gestellt hatte. Am forderte der Altlandammann und Ratsherr Maggi eine Revision der Wahlkreise. Das namentlich auch durch Stefano Franscini, den Obersten Luvini, den Advokaten Peri, den Arzt Lurati und den ehemaligen Landammann Lotti unterstützte Revisionsbegehren führte am zur Annahme einer neuen Verfassung durch das Tessiner Volk. «Die Volksabstimmung über die neue Verfassung - die erste rein kantonale in der Schweiz - ergab das glänzende Resultat, dass von achtunddreissig Kreisversammlungen bloss eine verwarf. Festlichkeiten leiteten die neue Aera ein. So erlebte man das Ausserordentliche, dass von Süden her ein frischerer Luftzug kam.»
Auf Begehren von Jakob Kopp und der Gebrüder Pfyffer wurde am auch in Luzern eine teilweise Verfassungsrevision durchgeführt, die die Trennung der Gewalten brachte, die Mitgliederzahl des Kleinen Rates einschränkte und ein Appellationsgericht schuf. Die Zustimmung der Tagsatzung zu diesen Abänderungen erfolgte am
Zu dieser Zeit brach in Frankreich die Julirevolution aus, die ganz Europa erschütterte und auch in der Schweiz zur Aufrüttelung der Gemüter vieles beitrug, indem sie zugleich die Abschaffung der reaktionären Einrichtungen von 1815 erleichterte. Sofort machte sich die revisionistische Bewegung im Aargau geltend, wo in Wohlenswil am eine Versammlung von 3000 bis 4000 Bürgern stattfand, die eine von Dr. Tanner redigierte Petition für Revision der Verfassung kräftig unterstützten. Die Bewohner des Freiamtes griffen zu den Waffen und marschierten gegen Aarau, worauf die Regierung sich zur Einberufung eines Verfassungsrates bequemte, dessen Arbeit am vom Volk genehmigt wurde. Die neue Verfassung proklamierte u. a. das System der konfessionellen Parität.
Im Thurgau lag das Regiment in den Händen einer Koterie. Deren Häuptern, den Landammännern Anderwert und Morell, warf man namentlich die ungleiche Berücksichtigung der verschiedenen Volksklassen bei der Besetzung der öffentlichen Aemter, die herrschende Zensur und den Mangel an Volksrechten vor. Es bildete sich eine fortschrittlich gesinnte Oppositionspartei mit dem Dichter Thomas Bornhauser und dem Arzt Dr. Wilhelm Merk als Führern, die am die Einführung einer neuen Verfassung durchsetzte.
Im Kanton Zürich bemühten sich hervorragende Männer, wie Paul Usteri, Meyer von Knonau, Melchior Hirzel, Ludwig Keller, David Ulrich, J. J. Hess u. A., die Verfassung ihres oligarchischen Charakters zu entkleiden. 1829 setzten sie die Anerkennung der Pressfreiheit und 1830 die Erteilung des Rechtes der Initiative an den Grossen Rat durch. Die Liberalen der Landschaft stellten ein weiter gehendes Revisionsprogramm auf und luden das Volk ein, die politische Gleichstellung zu fordern. Am wurde in Uster eine «massvolle Reform von oben herab» gewünscht. Um den drohenden Sturm zu beschwören, machte der Kleine Rat am 24. Oktober dem Grossen Rat einen Revisionsvorschlag, der jedoch als ungenügend befunden wurde.
Die Liberalen vom Lande arbeiteten unter der Mitwirkung von Ludwig Snell, eines staatsmännisch gebildeten deutschen Flüchtlings, das unter dem Namen des «Memoriales von Küsnacht» bekannte Revisionsprogramm aus, das folgende Forderungen stellte: Volkssouveränetät, Rechtsgleichheit, direkte Volkswahlen, Abschaffung des Zensus, Trennung der Gewalten, Oeffentlichkeit der Verwaltung und Petitionsrecht. Eine von etwa 12000 Mann besuchte allgemeine Volksversammlung in Uster stimmte am 22. November nach mehreren würdigen Ansprachen den im Memorial von Küsnacht aufgestellten Gesichtspunkten bei. Als sich dann noch die Liberalen aus der Stadt denen der Landschaft anschlossen, nahmen am der Grosse Rat und am 20. April auch das zürcherische Volk
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eine neue Verfassung an, die die eben erwähnten Prinzipien zur vollendeten Tatsache erhob. «Der zürcherische Volkstag von Uster hat mächtig auf die übrigen Gaue unseres Vaterlandes eingewirkt. Ein Zeitgenosse (der St. Galler Baumgartner) sagt: Der Eindruck war unermesslich durch die Schweiz, einer gewonnenen Schlacht gleich, doch ohne Verderben und Trümmer zu hinterlassen.»
In St. Gallen stritten die Radikalen für das Repräsentativsystem, während die Katholiken, hinter denen die Masse des Volkes stand, eine reine Demokratie vorzogen. Der Anstoss zur Revisionsbewegung ging hier vom Regierungssekretär Baumgartner aus, der am unter dem Titel Wünsche und Anträge eines St. Gallischen Bürgers für Verbesserung der Staatseinrichtung dieses Kantons in siebenundvierzig Punkten eine besondere Schrift ins Volk warf. Der alte Müller-Friedberg, der Gründer des Kantons, der seit mehr als 30 Jahren an der Spitze der Regierung stand, sah sich von der mächtig einsetzenden Volksbewegung überflutet und zog sich ins Privatleben zurück, worauf das Volk am eine neue Verfassung annahm, die das Prinzip der Volkssouveränetät sanktionierte und das fakultative Referendum einführte.
Nach einer am in Balsthal abgehaltenen Volksversammlung verlangten die Solothurner die Einberufung eines Verfassungsrates. Der Grosse Rat widersetzte sich aber seiner Auflösung und revidierte von sich aus die Verfassung in demokratischem Sinne, indem er den Zensus abschaffte, die Zünfte als politische Körperschaften auflöste, die Oeffentlichkeit der Verwaltung bewilligte etc. Das Volk nahm darauf die neue Verfassung am an.
Die eben geschilderten Ereignisse in verschiedenen Kantonen hatten zur Folge, dass auch in Sursee am 21. November eine Volksversammlung tagte, worauf der Kanton Luzern seine Verfassung in demokratischem Sinne neu revidierte. In der nun am ans Ruder gekommenen Regierung hatten die Liberalen (Schultheiss Amryhn, Ed. Pfyffer etc.) die Majorität.
In Freiburg hielt sich das jeder Neuerung feindlich gesinnte Patriziat für stark genug, seine Vorrechte aufrecht erhalten zu können. Nachdem sich aber in Murten, Châtel Saint Denis, Bulle, Rue, Greierz und Romont Herde der Opposition gebildet, marschierte das Volk am gegen die Hauptstadt. «Das Rathaus war aussen besetzt, und heimlich auch im Innern; das Volk jedoch war unbewehrt. Nach zwei bis drei Stunden ging das Gerücht, dass die Mehrheit im Rat der Revision nicht günstig sei und dass man das Volk mit Gewalt wegzutreiben beabsichtige. Es entstand eine dumpfe Gährung, dann lautes Murren und stärkerer Andrang gegen das Rathaus. Plötzlich soll der Kommandoruf zum Feuern ergangen sein. Grenzenlos war das Entsetzen und Toben im Volke, und ein einziger Schuss hätte schreckliche Szenen veranlasst. Da stürzte der zweite Schultheiss, von Diesbach, schnell die Treppe hinunter, verbot den Gebrauch der Waffen, warf sich vor den Haufen und mahnte zur Ruhe. Dies wirkte wie ein Wunder; der Sturm legte sich». Am 7. Dezember entschloss sich dann der Grosse Rat zum Entgegenkommen und genehmigte die Einberufung eines Verfassungsrates, der am seine Arbeit abschloss. Die neue Verfassung gab dem Volke die Rechtsgleichheit, Pressfreiheit und Oeffentlichkeit der Verwaltung.
Durch seine Verfassung vom vervollständigte der Kanton Waadt das von ihm im Jahr 1830 begonnene Werk. Es wurden darin das allgemeine Stimm- und Wahlrecht, die Pressfreiheit, die Trennung der Gewalten und gewisse Inkompatibilitäten durchgeführt.
Im Dezember 1830 brach die Bewegung auch auf der Schaffhauser Landschaft aus. Grosser und Kleiner Rat legten am ihre Mandate nieder, worauf sich ein Verfassungsrat bildete, dessen Arbeit jedoch durch Aufstände, welche eidgenössische Intervention nötig machten, beeinträchtigt wurden. Mit Mühe stellten der Bürgermeister von Muralt aus Zürich und der Zuger Landammann Sidler den Frieden wieder her, worauf das Volk endlich am die ihm vorgelegte neue Verfassung genehmigte.
Wie in Freiburg suchte auch in Bern, wo der Schultheiss Fischer den Kampf energisch verfocht, das Patriziat, dem drohenden Sturm die Spitze zu bieten. «Mittelpunkt der Reformbewegungen wurde das Städtchen Burgdorf, besonders durch die Bestrebungen der drei Gebrüder Schnell». Am traf der Grosse Rat einige Massnahmen zur wirtschaftlichen Hebung der Landschaft, während er zu gleicher Zeit unter dem Befehl des Obersten von Effinger Truppen zum Schutz der Hauptstadt aufbot und die Bürgergarde durch Rekrutierung von aus Frankreich heimgekehrten Söldnern verstärkte.
Doch machte die Anwesenheit dieser «roten Soldaten», wie man die Söldner nannte, auf das Volk einen sehr schlechten Eindruck. Volksversammlungen in Interlaken, in Glütsch bei Thun, in Biel und in Pruntrut beschlossen den Erlass von Adressen an die Regierung. Diese dankte nach der grossen Volksversammlung zu Münsingen ab, indem ihre Mitglieder zwar erklärten, dem neuen Verfassungsrat nicht angehören zu wollen, das Volk aber vom Treueid entbanden und die Bürger gleichzeitig einluden, sich im Interesse der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung dem neuen Regiment zu fügen. So endete das Berner Patriziat, das der Republik Bern während mehreren Jahrhunderten einen grossen Glanz verliehen hatte, nicht unrühmlich und mit einer gewissen antiken Grösse.
Die am in Kraft getretene neue Verfassung des Kantons Bern behielt den Zensus bei und proklamierte das Prinzip der Trennung der Gewalten, die Rechtsgleichheit, die Gewissens- und Glaubensfreiheit, die Gewerbefreiheit und das Petitionsrecht. Drei Mitglieder der alten Regierung (von Tscharner, von Lerber und Bürki) wurden am 14. November in die neue Exekutive gewählt, der ausser ihnen noch Karl Neuhaus, von Tillier, von Jenner u. A. angehörten. Die neue Regierung forderte von den Staatsangestellten, der Geistlichkeit und den Offizieren einen Eid. Während sich die Geistlichkeit nach einigem Sträuben dazu verstand, diesen Eid zu leisten, nahmen die Offiziere zum grössten Teil den Abschied und weigerten sich auch mehrere Patrizier, das ihnen zugefallene Mandat als Grossrat anzunehmen, was als ein grosser Fehler bezeichnet werden muss.
Die Berner Umwälzung führte im Jahr 1832 noch zu
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einem Aufsehen erregenden Prozess, indem der Schultheiss Fischer und einige andere Angehörige des Patriziates einer Verschwörung gegen das neue Regiment angeklagt wurden. Nachdem die Angeklagten, die ihre Unschuld nachzuweisen vermochten, freigelassen worden waren, der Grosse Rat aber einen Antrag auf Amnestie verworfen hatte, endigte der Prozess 1839 damit, dass Schultheiss Fischer und sein Schwiegervater Oberst von Tscharner zu je zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurden, welche Strafe sie im Schloss Thorberg erstanden. Fischer verlor aber dadurch die Achtung seiner Mitbürger nicht, indem ihn diese im Jahr 1850 neuerdings zum Mitgliede des Grossen Rates wählten.
Im Zeitraum von zwölf Monaten waren zwölf Kantone, d. h. die Mehrzahl der eidgenössischen Stände mit zwei Dritteln der Bevölkerungsziffer der Schweiz zur Revision ihrer Verfassungen geschritten. Die in allen diesen Kantonen einander mehr oder weniger ähnlichen neuen Staatseinrichtungen hatten folgende Prinzipien zur Grundlage: Trennung der Gewalten, Verminderung oder vollständige Aufhebung der Vorrechte der Kantonshauptorte, Oeffentlichkeit der Verwaltung, Pressfreiheit, Petitionsrecht, allgemeines Stimm- und Wahlrecht, Uebertragung des Rechtes der Initiative an die Grossen Räte, Gewährleistung gewisser individueller Rechte. Diese Entwicklung des schweizerischen Staatsgedankens bedeutete den Zusammenbruch des Werkes von Metternich und eine teilweise Rückkehr zu den Anschauungen von 1803 und von 1798. Während der ganzen Zeit der Verfassungskrisen hatte der Vorort keinerlei Rolle zu spielen vermocht, indem er sich darauf beschränkt hatte, eidgenössische Kommissäre in den zeitweise in Aufruhr stehenden Kanton Schaffhausen zu entsenden.
Die Kantone, die ihre Verfassung geändert, gelangten mit dem Ansuchen an die Tagsatzung, sie möchte die neuen Verfassungen gewährleisten. Als aber die Urkantone, sowie Basel und Neuenburg sich weigerten, den neuen Zustand anzuerkennen, bildete sich am in Luzern unter dem Vorsitz von Eduard Pfyffer ein Siebnerkonkordat (Zürich, Luzern, Bern, Solothurn, St. Gallen, Aargau und Thurgau) zur gegenseitigen Wahrung der gemeinsamen Interessen und zu einer Revision des eidgenössischen Bundesvertrages. Dem setzten die Urkantone samt Basel und Neuenburg am unter dem Vorsitz des Landammannes Spichig den sog. Sarnerbund entgegen, der sich einer Revision des Bundesvertrages widersetzen sollte. «So war die Trennung in zwei Eidgenossenschaften vollzogen».
3. Unruhen in Neuenburg, Basel und Schwyz.
Auch im Kanton und Fürstentum Neuenburg machte sich das Bedürfnis zu politischen Reformen geltend. Die Freisinnigen, die sich damals noch in der Minderheit sahen, strebten nach der Umformung des Landes zu einer Republik, während die royalistische Majorität, die die Notwendigkeit gewisser Reformen nicht unbedingt ablehnte, dem monarchischen System treu bleiben wollte. Im Januar 1831 kam die Revisionsbewegung zum Ausbruch, die zunächst zur Aufhebung der 1814 wieder eingeführten Ständeversammlung (Audiences générales) und zu ihrer Ersetzung durch einen gesetzgebenden Körper (Corps législatif) führte.
Dieses Resultat brachte den Republikanern eine grosse Enttäuschung, so dass sie sich entschlossen, zu den Waffen zu greifen. Am drangen 400 Bewaffnete aus dem Val de Travers, Bevaix, La Chaux de Fonds und Cortaillod unter der Führung des Leutnants Alphonse Bourquin in Neuenburg ein, wo sie ohne Schwertstreich das Schloss besetzten und die Tore des Zeughauses öffneten. Der Staatsrat, der Blutvergiessen zu verhindern trachtete, zog sich nach Valangin zurück, wo sich die Anhänger des bisherigen Regierungssystemes sammelten.
Der gesetzgebende Körper trat in der Wohnung seines Präsidenten Sandoz-Rollin zusammen, erklärte sich in Permanenz, rief den Schutz des eidgenössischen Vorortes an und schloss einen Waffenstillstand ab. Am 17. und 19. September kamen die eidgenössischen Kommissäre (Sprecher und Tillier) in Neuenburg an, wo am 23. und 24. September auch drei eidgenössische Bataillone (aus der Waadt, Freiburg und Bern), sowie eine Batterie Artillerie unter dem Oberbefehl des Obersten Forrer einrückten und die Aufrührer am 27. September kapitulierten. Das Versprechen, alles Vorgegangene vergessen zu wollen, wurde von der Regierung, sobald sie wieder genügend sichern Boden unter den Füssen zu haben glaubte, nicht innegehalten, indem man nun eine Reihe von Massregeln gegen die Republikaner zu treffen begann. Da brach Am 17. Dezember ein neuer Aufruhr aus, der seinen Grund darin hatte, dass die Regierung nicht, wie sie versprochen, eine Abstimmung über die Trennungsfrage von Preussen angeordnet hatte. Von Yverdon herkommende Freischaren überschritten die Kantonsgrenze, wurden aber bei Boudry von den angeworbenen Söldnern und der Bürgergarde der Stadt Neuenburg geschlagen und über die Waadtländer Grenze zurückgeworfen, während zu gleicher Zeit auch eine von Sainte Croix anmarschierende Kolonne zerstreut ward. Der Gouverneur von Neuenburg, General von Pfuel, berief einen Kriegsrat ein, der die hauptsächlichsten Führer des Aufstandes (Roessinger, Bourquin, Renaud, Constant Meuron, Petitpierre und Dubois) zum Tode verurteilte, die Strafe aber für diejenigen, die sich nicht durch schleunige Flucht hatten retten können, in Zwangsarbeit umwandelte. Ueber eine grosse Anzahl von Bürgern, die man, wie z. B. den Advokaten Bille, der indirekten Begünstigung des Aufstandes beschuldigte, wurden Gefängnisstrafen verhängt.
Die siegreiche royalistische Partei richtete nun an den König von Preussen eine Adresse, in welcher sie ihn bat, nach dem Wege zu suchen, auf welchem man die Neuenburg an die Eidgenossenschaft knüpfenden Bande lösen könnte. Obwohl Friedrich Wilhelm III. dieser Trennung persönlich günstig gesinnt war, erklärte er doch, dass dies eine Frage von europäischer Bedeutung sei, die nur mit Beistimmung aller Signatarmächte der Verträge von 1815 entschieden werden dürfe Ein im Jahr 1834 unternommener neuer Versuch, Neuenburg in die Stellung eines einfachen Verbündeten der Schweiz zurück zu versetzen, wurde von der Tagsatzung am abgewiesen und auch vom König von Preussen nicht gebilligt.
Während die Bewohner der Landschaft Basel im Zeitraum 1798-1814 sich der gleichen Rechte erfreut hatten, wie sie die Stadtbürger besassen, waren sie durch die Restauration wieder in ihren alten Zustand der Abhängigkeit versetzt worden. Die 16000 Einwohner der Hauptstadt wählten in den Grossen Rat 90 Vertreter, die 40000 Bewohner der Landschaft dagegen deren bloss 61. Ferner durften die Handwerker der Landschaft die Erzeugnisse ihrer Tätigkeit in der Stadt nicht frei verkaufen, erhielten aber von 1830 an die Erlaubnis zum Verkauf von solchen Gegenständen, die sie auf Bestellung eines Stadtbürgers hin angefertigt hatten und die mit einem Ursprungsschein versehen waren. Auch standen Stadt und Landschaft in zivilrechtlicher Beziehung nicht gleich.
Die Revisionsbewegung setzte mit Versammlungen des Landvolkes in Liestal und in Bubendorf (18. November und ein. Am 5. Dezember beschloss der Grosse Rat, dass er in der Folge aus 75 Stadtbürgern und 79 Vertretern der Landschaft bestehen werde. Dieses Entgegenkommen erschien jedoch nicht genügend, so dass eine am in Liestal tagende Volksversammlung völlige Rechtsgleichheit und eine Proportionalvertretung verlangte, welch letztere der Landschaft 5/7 der Sitze im Grossen Rat überwiesen hätte.
Nachdem die Verhandlungen mit der Stadt zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt und sich in Liestal eine provisorische Regierung gebildet, marschierten die Landschäftler in Masse gegen Basel, wurden aber von den Truppen der Stadt wiederholt (13. und zurückgeworfen. Auf die Kunde von diesen Ereignissen sandte die Tagsatzung zwei eidgenössische Kommissäre, Sidler und Schaller, nach Basel, auf deren Begehren die Regierung eine Amnestie verkündete und die Truppen entliess. Der Umstand, dass sich die gewährte Amnestie nicht auch auf die Führer des Aufstandes erstreckte, gewann diesem die Sympathie der Aargauer und Zürcher Demokraten. Am kam dann eine neue Verfassung zustande, deren Artikel 45 vorsah, dass für jede künftige Abänderung sowohl die Majorität der Stadt als auch diejenige der Landschaft vonnöten sei. Diese Klausel führte im Verein mit der eben erwähnten, nur
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teilweisen Amnestie zu einem erbitterten Kampf, der erst nach zweijähriger Dauer mit der Trennung von Basel in zwei Halbkantone sein Ende finden sollte. Trotzdem am 18. April und 4. Juni das Kriminalgericht eine Reihe von Verurteilungen zu Hausarrest und zum Entzug der bürgerlichen Rechte erliess und am 15. Juni der Grosse Rat das Gesuch um Gewährung einer vollständigen Amnestie abwies, gewährleistete doch am die Tagsatzung die Basler Verfassung vom Die Gerichte von Neuenburg und Bern waren in der Verurteilung der Häupter der Opposition viel strenger verfahren als dasjenige von Basel. Es ist aber zu bedenken, dass der Neuenburger Regierung die Autorität des Königs von Preussen zur Seite stand und diejenige von Bern der Unterstützung der regenerierten Kantone sicher war, während die Stadt Basel die gesamte radikale Partei der Schweiz gegen sich hatte.
Die Bewohner der Landschaft Basel gaben sich nicht zufrieden und veröffentlichten eine Petition, die die Einberufung eines Verfassungsrates und die Lostrennung von der Stadt forderte. Die Tagsatzung beschloss am mit 15 Stimmen, diese Petition entgegenzunehmen, und stiess damit ihren frühern Beschluss der Gewährleistung der Basler Verfassung vom 28. Februar um. Uri, Schwyz, Unterwalden, Wallis, Neuenburg und Bern enthielten sich dabei der Stimmabgabe, indem sie nicht mit Unrecht geltend machten, dass es der Schweiz als einem Staatenbund nicht zustehe, von einzelnen Bürgern ausgehende Klagen in Berücksichtigung zu ziehen.
Von nun an schwoll die Agitation von Woche zu Woche an und wurden die Feindseligkeiten von neuem aufgenommen. Eine zweite eidgenössische Intervention 1) zeitigte kein Resultat, indem zwar die Stadt sich zur Einstellung der Feindseligkeiten bereit erklärte, die Landschaft dagegen den Vorschlag zurückwies. [1) Diese eidgenössischen Kommissäre wechselten häufig und waren den Beamtengreisen der Mehrzahl der Kantone entnommen. So finden wir als solche: von Schaller, Sidler, von Muralt, von Meyenburg, Heer, von Tscharner, Glutz, Nagel, de Laharpe, Zraggen, Buol, Mörikofer, Eder, Druey.
Dorer, von Steiger, Snell u. A.] Die Landschäftler zerrissen die Proklamationen der eidgenössischen Kommissäre und ernannten eine eigene Verwaltungskommission, indem sie zugleich den Bezirk Gelterkinden und das Reigoldswilerthal, die auf Seiten der Stadt standen, vielfach belästigten. Nun entschloss sich die Tagsatzung zu einer militärischen Besetzung des Landes und bot eidgenössische Truppen auf, die am in den Kanton einrückten und die Mitglieder der in Liestal sitzenden provisorischen Regierung verhafteten und nach Aarau abführten.
Die eidgenössischen Kommissäre überzeugten sich, dass eine Trennung notwendig sei, worauf am eine städtische Abstimmung angeordnet wurde, an der sich 3865 Bürger für die Beibehaltung des status quo und bloss 802 für die Trennung aussprachen. Eine kurz nachher veranstaltete Unterschriftensammlung, an der sich aber die Stadt nicht beteiligte, ergab 4098 Unterschriften für und 2615 gegen die Trennung. Von den 78 Landgemeinden hatten sich 46 zu gunsten der Trennung ausgesprochen, während 32 der Stadt treu geblieben waren.
Als die Mehrzahl der Kantone sich weigerte, die Gewährleistung der Verfassung vom anzuerkennen, beschloss der Grosse Rat von Basel am die Abtrennung der 46 Gemeinden vom Kanton. Jetzt setzten die Führer der Landschaft alle Hebel in Bewegung, um die der Regierung treu gebliebenen Gemeinden einzuschüchtern. Am 9. Mai trat die Tagsatzung in ausserordentlicher Sitzung zusammen, um über eine Versöhnung zu beraten. Nachdem sich die in Zofingen angeknüpften Unterhandlungen zerschlagen hatten, beschloss die Tagsatzung nach langen Diskussionen am die Trennung von Basel in zwei Halbkantone, welche Entscheidung von der Mehrheit der Stände (16 Stimmen) am 14. September ratifiziert wurde.
Doch war damit die Ruhe immer noch nicht völlig hergestellt. Im Frühjahr 1833 brachen in den konservativen Gemeinden von den Landschäftlern geschürte Wirren aus, worauf die Stadt zur Aufrechterhaltung der Ordnung 1600 Mann Truppen aussandte, die am 3. August bei Pratteln und Muttenz blutige Scharmützel mit den Landschäftlern zu bestehen hatten. Die Tagsatzung ordnete eine neue militärische Besetzung an und beschloss mit 13 Stimmen, der Stadt Basel bloss die Gemeinden rechts vom Rhein zu belassen. Im gleichen Sinne der Parteinahme für die Landschaft wurde auch die Frage der Entschädigungen und der Kosten geregelt.
Der Schatz des Münsters und das Vermögen der Universität wurden in die Teilung miteinbezogen und zu zwei Dritteln den Landschäftlern zugesprochen, ebenso die öffentlichen Bauten, für welche die Stadt Geldentschädigungen auszurichten hatte. Ihren Anteil am Münsterschatz, welcher zur Zeit der Reformation in einem unterirdischen Gewölbe des Münsters vergraben worden war und nun nach drei Jahrhunderten wieder ans Tageslicht kam, verzettelten und verkauften die Landschäftler ins Ausland (so u. a. ein prachtvolles, goldenes Altarblatt, das sich heute im Musée de Cluny in Paris befindet).
Das diese Teilung vollziehende Schiedsgericht war von Dr. Ludwig Keller aus Zürich präsidiert, der einige Jahre später als Professor an die Universität Berlin berufen wurde und sich in der Folge von den radikalen Ideen, die er in der Schweiz verfochten, vollständig abwandte.
Die Bewohner des alten Landes Schwyz waren seit 1814 stärker im Rate vertreten als diejenigen der äussern Kantonsteile (March etc.). Es war ihnen auch gelungen, die neuen Kantonsbürger, die doch von seit mehreren Generationen im Lande niedergelassenen Familien abstammten und sowohl unter der helvetischen Republik als der Mediationsakte sich der Rechtsgleichheit erfreut hatten, von allen Staatsbeamtungen und selbst von der Landsgemeinde auszuschliessen. Als sich der Grosse Rat weigerte, die Verfassung durch den Druck zu veröffentlichen, traten am 4000 Männer aus den äussern Bezirken in Lachen zusammen, um von dem innern, herrschenden Bezirk Schwyz die Anerkennung ihrer Rechte zu fordern. Daraufhin beauftragte die