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GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
S
(FORTSETZUNG)
Schweiz
52 Seiten, 585'070 Wörter, 4'202'539 Zeichen
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
S
(FORTSETZUNG)
In eidgenössischer Hinsicht ist die Demographie bei uns eine ganz neue Wissenschaft. Zwar hat man in unserem Lande schon seit sehr langer Zeit statistische Erhebungen gemacht - lokale Beispiele finden sich seit dem 15. Jahrhundert - doch sind die in einigen Städten oder Kantonen unternommenen Versuche von Volkszählungen etc. infolge der politischen Verhältnisse und der vollständigen Dezentralisation der Verwaltung vereinzelt geblieben. Dazu kommt, dass die Grundlagen dieser Erhebungen je nach dem Kanton verschiedene sind, so dass die erzielten Ergebnisse keineswegs untereinander verglichen werden können.
Unser Artikel gibt der Reihe nach eine Uebersicht über die eidgenössischen Volkszählungen mit Vergleichung ihrer Ergebnisse, die heutige Verteilung der Bevölkerung in unserem Land, die Volksdichte und die Gliederung der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Heimat, Konfession und Sprache, sowie über die verschiedenen Faktoren, unter deren Einfluss die Bevölkerung ständigen Schwankungen unterliegt: Eheschliessungen und Ehescheidungen, Geburten, Todesfälle, Auswanderung. Der letztgenannte Punkt wird uns auch zu einer Betrachtung der Verteilung der Schweizer im Ausland führen.
Die älteste Urkunde, die uns über die Einwohnerzahl von Helvetien Auskunft gibt, ist eine Stelle in Caesars Commentarien. Der Verfasser berichtet uns von einer allgemeinen Zählung, die eine Volkszahl von 336000 Seelen in 12 Städten und 400 Dörfern ergeben habe. Nachdem die ausgezogenen Helvetier bei Bibracte (Autun) vernichtet worden waren, kehrten die Ueberlebenden in ihr Land zurück: Eorum qui domum redierunt, censu habito, ut Caesar imperaverat, repertus est numerus millium centum et decem.
Unser Land ist auch während der Zeiten der grössten Blüte nie sehr volkreich gewesen. So weiss man z. B., dass die Volkszahl im 15. Jahrhundert keine volle Million betrug. Die später folgenden Kriege hatten eine rasche Entvölkerung zur Folge. So ging z. B. die Einwohnerzahl des Kantons Zürich im Zeitraum 1610-1634 infolge der Wirkungen des 30jährigen Krieges und der Pest von 144000 auf 86000, d. h. in einem Vierteljahrhundert um ganze 2/5 zurück. Später suchten Hungersnöte und Epidemien das Volk heim und hatten enorme Schwankungen in der Zahl der Bewohner zur Folge. Seit dem 19. Jahrhundert vollziehen sich dann die Aenderungen weniger schroff und zeigen sich weniger allgemeine und weniger scharf ausgeprägte Rückgänge.
Joh. Konrad Faesi schätzt 1767 die Gesamtbevölkerung der Schweiz auf 1847500 Seelen, die er auf die einzelnen Landesgegenden wie folgt verteilt: 13 alte Orte 961000, Untertanenländer 345500, Bundesgenossen 541000. Diese Zahlen waren übrigens zum grossen Teil blosse Annahmen und beruhten noch auf keiner sichern Grundlage. Aus dem Jahr 1795 besitzen wir zwei Schätzungen, die von Durand mit 1855000 Ew. und diejenige des Conservateur Suisse mit 1842827. Da letztere von Picot in seinem Buch über die Statistik unseres Landes als die genauere angesprochen wird, wollen wir sie an dieser Stelle in ihren Einzelheiten wiedergeben:
1. Orte (Kantone). | Ew. |
---|---|
Zürich | 181393 |
Bern | 396554 |
Luzern | 90000 |
Uri | 28000 |
Schwyz | 30000 |
Unterwalden | 18000 |
Glarus (mit Werdenberg) | 22280 |
Zug | 14000 |
Freiburg | 72800 |
Solothurn | 46000 |
Basel | 39000 |
Schaffhausen | 30000 |
Appenzell | 52000 |
: | 1020027 |
2. Untertanenländer. | |
Thurgau | 72355 |
Rheinthal | 14600 |
Grafschaft Sargans | 12300 |
Landschaft Gaster und Uznach | 12000 |
Grafschaft Baden | 22200 |
Freiamt | 19245 |
Rapperswil | 5000 |
Gemeinsame Vogteien von Bern und Freiburg | 40600 |
Bellinzona, Riviera, Bleniothal | 33200 |
Lugano | 42000 |
Locarno | 30000 |
Maggiathal | 24000 |
Mendrisio | 16000 |
: | 343500 |
3. Bundesgenossen. | |
Abtei St. Gallen | 92000 |
Stadt St. Gallen | 9000 |
Biel | 5500 |
Wallis | 90000 |
Graubünden (mit Untertanenländern) | 210000 |
Gersau | 1650 |
Neuenburg und Valangin | 44500 |
Mülhausen | 7650 |
Abtei Engelberg | 1400 |
Fürstbistum Basel (schweizer. Teil) | 17600 |
479300 | |
Gesamttotal: | 1842827 |
Diese Zusammenstellung erscheint für die Orte als ziemlich genau, ist aber mit Bezug auf die Untertanen, namentlich die italienischen Vogteien, übertrieben.
Unter der alten Eidgenossenschaft fand niemals eine das ganze Gebiet umfassende allgemeine Volkszählung statt, indem man sich zur Bestimmung der zu stellenden Truppenkontingente mit annähernden Schätzungen begnügte. Die erste allgemeine Volkszählung war das Werk der Behörden der helvetischen Republik und verdient ¶
diese Bezeichnung eigentlich nur unter Vorbehalten, da man sich mit einer Zählung auf Grund der Pfarr- und Gemeinderegister begnügte. Diese Ermittlung von 1798 hatte als Zweck, eine neue territoriale Einteilung des Landes zu ermöglichen. Die Gesamtresultate der einzelnen damaligen Kantone verdienen, hier zusammengestellt zu werden:
Einwohnerzahl der Helvetischen Republik.
Kantone | Ew. | Kantone | Ew. |
---|---|---|---|
Aargau | 60549 | Luzern | 86722 |
Baden | 44982 | Oberland | 44544 |
Basel | 40900 | Säntis | 133128 |
Bellinzona | 26591 | Schaffhausen | 25751 |
Bern | 184695 | Solothurn | 45244 |
Freiburg | 73664 | Thurgau | 81076 |
Leman | 13891 | Waldstätten | 60336 |
Linth | 78136 | Wallis | 57278 |
Lugano | 63588 | Zürich | 192884 |
: | Total | 1436959 |
Die erste wirkliche Volkszählung über das gesamte Gebiet der Eidgenossenschaft wurde von der in Zürich am zusammengetretenen sog. «langen Tagsatzung», die dem Land eine neue Verfassung geben sollte, angeordnet. Die mit der Revision der Verfassungsartikel betr. die von den einzelnen Bundesgliedern zu liefernden Mannschaftskontingente und zu leistenden Geldbeiträge betraute Kommission verlangte als Grundlage für ihre Arbeit eine nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführte Volkszählung.
Angesichts der schwankenden damaligen politischen Verhältnisse verzichtete die Tagsatzung jedoch am auf die Verwirklichung ihres Beschlusses und begnügte sich damit, für diejenigen Kantone, die durch den Wiener Vertrag einen Gebietszuwachs erfahren hatten, eine neue Schätzung zu verlangen. Das Kontingent wurde auf zwei Mann für je hundert Einwohner festgesetzt, wobei man noch stipulierte, dass die Stufenleiter der Kontingente alle 20 Jahre revidiert werden sollte. Da diese Zählung oder Schätzung, so summarisch sie auch war, die erste ist, die innerhalb der heutigen Grenzen der Schweiz ausgeführt wurde, verdienen ihre Resultate, an dieser Stelle nach Kantonen beigefügt zu werden:
Erste eidgenössische Schätzung der Volkszahl (1817).
Kantone | Ew. | Kantone | Ew. |
---|---|---|---|
Zürich | 185000 | Schaffhausen | 23300 |
Bern | 291200 | Appenzell | 48600 |
Luzern | 86700 | St. Gallen | 131500 |
Uri | 11800 | Graubünden | 80000 |
Schwyz | 30100 | Aargau | 120500 |
Unterwalden | 19100 | Thurgau | 76000 |
Glarus | 24100 | Tessin | 90200 |
Zug | 12500 | Waadt | 148200 |
Freiburg | 62000 | Wallis | 64000 |
Solothurn | 45200 | Neuenburg | 48000 |
Basel | 45900 | Genf | 44000 |
: | Total | 1687900 |
Picot erwähnt bei diesem Anlass, dass mehrere Gelehrte diese von der Tagsatzung anerkannte Schätzung als zu niedrig ansehen und dass man ihr noch an die 200000 Köpfe zufügen müsste, um ein richtiges Bild von der damaligen Einwohnerzahl der Schweiz zu erhalten. In der Tat handelte es sich damals für die einzelnen Kantone darum, behufs proportionaler Verminderung der zu stellenden Kontingente und zu liefernden Geldbeiträge sich ärmer an Volkszahl zu erklären, als sie wirklich waren.
Den Bestimmungen des Bundesvertrages gemäss forderte das eidgenössische Direktorium 20 Jahre später, am die Kantone auf, ihre Einwohnerzahl anzugeben. Die hierfür angesetzte Frist lief bis zu Ende März 1836 ab, doch antworteten innerhalb derselben blos 10 Kantone und 3 Halbkantone auf das gestellte Begehren, sodass man die Kantone unter Festlegung der bei den betr. Erhebungen zu befolgenden Grundsätze nochmals um die Erfüllung ihrer Pflicht ersuchen musste. Dabei ¶
war zum erstenmal von Fragen die Rede, die eine Einteilung der Bewohner nach Geschlecht und Heimat gestatten sollten. Dadurch erscheint diese neue Bestimmung der Einwohnerzahl als die erste eigentliche Volkszählung in der Schweiz, die nicht mehr blos auf den Angaben der pfarramtlichen Register fusste. Als Fehler haftet ihr aber die ungleichzeitige Durchführung an, die je nach den Kantonen um ganze zwei Jahre schwankt. Ausserdem stand der Zentralgewalt keinerlei Kontrole über die Ergebnisse zu, indem sie sich auf eine blosse Nachprüfung der arithmetischen Richtigkeit der Zahlenangaben beschränken musste, ohne über zweifelhafte Punkte Auskunft verlangen zu können. So wurde z. B. namentlich die Frage nach der Anzahl der ausserhalb der Gemeinden niedergelassenen Ortsbürger nicht durchwegs genau beantwortet.
Trotz alledem war diese Zählung aber doch ein bedeutender Fortschritt. Folgendes sind ihre Ergebnisse:
Eidgenössische Volkszählung von 1836-1838.
Kantone | Datum der Zählung | Kantonsbürger | Uebrige Schweizer | Ausländer | Total |
---|---|---|---|---|---|
Zürich | 9.-11. V. 1836. | 217219 | 7991 | 6366 | 231576 |
Bern | 30. X. -4. XI. 1837. | 386681 | 16029 | 5203 | 407913 |
Luzern | Febr. 1837. | 120512 | 3383 | 626 | 124521 |
Uri | Febr. 1837. | 12948 | 537 | 34 | 13519 |
Schwyz | Legalisiert 9. V. 1837. | 39326 | 1128 | 196 | 40650 |
Obwalden | 1. III. 1837. | 11857 | 500 | 11 | 12368 |
Nidwalden | März 1836. | 9804 | 388 | 11 | 10203 |
Glarus | Januar 1837. | 28217 | 821 | 310 | 29348 |
Zug | April 1836. | 14193 | 1019 | 110 | 15322 |
Freiburg | August 1836. | 83234 | 6010 | 1901 | 91145 |
Solothurn | Februar 1837. | 59214 | 3274 | 708 | 63196 |
Basel Stadt | Januar 1837. | 10611 | 8481 | 5229 | 24321 |
Basel Land | 22. III. 1837. | 35990 | 3952 | 1161 | 41103 |
Schaffhausen | Ende 1836. | 29462 | 1847 | 1273 | 32582 |
Appenzell A. R. | Anfang 1837. | 38701 | 1898 | 481 | 41080 |
Appenzell I. R. | Legalisiert 5. V. 1837. | 9671 | 89 | 36 | 9796 |
St. Gallen | 13. II. 1837. | 144359 | 11139 | 3355 | 158853 |
Graubünden | Januar 1838. | 79601 | 2967 | 1938 | 84506 |
Aargau | Februar 1837. | 174992 | 5965 | 1798 | 182755 |
Thurgau | April 1837. | 78160 | 4463 | 1501 | 84124 |
Tessin | Legalisiert 15. V. 1837. | 110445 | 299 | 3179 | 113923 |
Waadt | Legalisiert 24. III. 1837. | 164686 | 14931 | 3965 | 183582 |
Wallis | März 1837. | 73673 | 1012 | 1905 | 76590 |
Neuenburg | Legalisiert 27. III. 1837. | 40868 | 14534 | 3214 | 58616 |
Genf | Legalisiert 3. IV. 1837. | 38156 | 8677 | 11833 | 58666 |
: | Total | 2012580 | 121334 | 56344 | 2190258 |
davon Männlich | 988403 | 62630 | 1085220 | 34187 | |
Weiblich | 1024177 | 58704 | 22157 | 1105038 |
Auch der Volkszählung von 1850 lagen politische Rücksichten zu Grunde. Das Bundesgesetz vom machte dem eidgenössischen Departement des Innern als letzte Aufgabe die Bearbeitung der statistischen Verhältnisse der Schweiz zur Pflicht. Nachdem der erste Nationalrat auf Grund der Zahlen von 1837 gewählt worden war, wurde nun eine neue Zählung notwendig, um die Vertretung der Kantone in diesem Rat zu bestimmen, sowie auch um die Stufenleiter der Kontingente neu aufzustellen und endlich die Frage der sog. Heimatlosen zu erledigen.
Man beschloss deshalb am auf den März 1850 eine allgemeine Volkszählung anzuordnen, die überall am gleichen Tag beginnen und innerhalb sechs Tagen durchgeführt sein sollte. Endzweck dieser neuen Zählung war «die Erlangung einer über die schweizerische Bevölkerung in ihrer Gesamtheit sich erstreckenden Sammlung von statistischen Angaben, wie sie verschiedene Kantone (Zürich, Basel Stadt, Genf) bereits besitzen und wie sie jedes Land von vorgeschrittener sozialer Kultur sich zu verschaffen angelegen lassen sein sollte.» In die Formulare von 1850 wurden zahlreiche neue Rubriken aufgenommen, indem man neben der schon 1837 verlangten Angabe des Geschlechtes und der Heimat auch noch die Bestimmung des Alters, des Zivilstandes (verheiratet, ledig etc.), der Konfession, des Berufes, des Geburtsortes und der Eigenschaft als Grundbesitzer forderte.
Charakteristisch für jene Zeit ist die Einrichtung von speziellen Kolonnen für «Heimatlose» und für «politische Flüchtlinge». Ferner sei der Beifügung eines Formulares zur Ermittlung der ausgewanderten Schweizer, sowie ihrer Existenzbedingungen etc. gedacht. Diese Volkszählung stellt trotz einiger Unklarheiten in den Instruktionen doch einen bemerkenswerten Fortschritt dar, indem die ermittelten Angaben infolge der Möglichkeit einer Kontrole vollständiger und exakter sind als in frühern Zeiten.
Immerhin gelang die von Franscini gewünschte Nutzbarmachung der Daten über Alter und Beruf nur in beschränktem Masse, da eine Zentralstelle zur Bearbeitung der Ergebnisse damals noch fehlte. Eine solche kam dann mit der am erfolgten Schaffung des Eidgenössischen statistischen Bureaus, und wenige Tage nachher, am 3. Februar, wurde durch ein neues Bundesgesetz bestimmt, dass sich die eidgenössischen Volkszählungen alle 10 Jahre zu folgen hätten. Damit war sowohl eine gründliche Bearbeitung der gesammelten Materialien als auch eine regelmässige Wiederholung der Zählungen gesichert.
Die Zählung von 1860 wurde mit ganz besonderer Sorgfalt vorbereitet und angeordnet. Man setzte sie auf den 10. Dezember an und beschloss, dass sie neben allen an diesem Tage in der Schweiz anwesenden Personen auch diejenigen umfassen sollte, die zwar momentan abwesend waren, aber doch ihren gewöhnlichen Wohnsitz in der Schweiz haben. Auch die Art des Vorgehens war eine andere, indem an Stelle einer Gemeindeliste ein Haushaltungsformular trat, das so weit möglich vom Familienhaupt oder Haushaltungsvorstand ausgefüllt werden musste. Die auszufüllenden Formulare enthielten endlich auch noch eine Frage über die in der Haushaltung vorherrschend übliche Sprache, sowie eine solche über die Anzahl und die Art von im Familienbesitz befindlichen Waffen. Diese auf Wunsch des eidgenössischen Militärdepartementes aufgenommene letztere Frage wurde aber ¶