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haben. Die Fortsetzung der Dents du Midi, nämlich die jenseits des Rhonethales stehenden Dents de Morcles, weist neben einigen oberflächlichen Faltenbiegungen nur noch einen einzigen, unbedeutenden Ausläufer der grossen Falte auf, welcher hier auf 5 km Weite eingeengt ist und nun vollständig unter die Wand der Diablerets, oder mit andern Worten unter eine am Rand des Rhonethales und längs dem Thal der Lizerne aufsteigende neue Falte eintaucht. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Vereinfachung und die zunehmende Reduktion der Spannweite dieser Falte sich auch noch weiterhin fortsetzt, so dass die Falte weiter ostwärts allmählig erlischt.
2. Falte der Diablerets. Sie kann zwischen dem Mont Bas (Kontakt des Triaskernes mit dem Nummulitenkalk) und den Rochers du Vent längs dem Pas de Cheville sehr schön beobachtet werden und erscheint als eine Kuppel, die einen zwischen sie und die Falte der Dents de Morcles eingeklemmten Fetzen von Neokom mit Klippenfazies überlagert, wovon später noch die Rede sein wird. Ihre Front taucht gegen Norden ein, während sich ihr Rücken südwärts zum Rhonethal senkt.
3. Wildhorn-Wildstrubelfalte. Steigt vom rechtsseitigen Rand des Rhonethales oberhalb Conthey auf und überdeckt den Dom der Diableretsfalte gleich einem Mantel, dessen vorderer Saum zwischen der Trias des Col du Pillon und dem Taveyannazsandstein des Creux de Champ untertaucht. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Diableretsfalte gleichwie die Falte der Dents du Midi nach Osten zu verschmälert und auskeilt, da von nun an einzig die Wildhorn-Wildstrubelfalte sich weiter entwickelt.
Sie baut neben verschiedenen kleineren Faltenbiegungen, die ihren Rücken wellenförmig aufbiegen, die gesamte Wildhornkette auf und setzt sich bis zum Wildstrubel, Steghorn und Lohner fort, wo sie einen andern Charakter erhält, indem sich ihre Schichten aufrichten und dem unter ihnen auftauchenden krystallinen Aarmassiv Platz machen, das dann die sedimentäre Decke am Lötschenpass endgiltig durchsticht. Die bis jetzt besprochenen Falten haben im Vergleich zu ihrer infolge der Auswalzung des Mittelschenkels verhältnismässig sehr schwachen Mächtigkeit oder Dicke eine derart weite Spannung - in horizontaler Projektion gemessen 14-15 km -, dass man sie mit vollem Recht als Deckfalten oder Faltendecken bezeichnet.
4. Falte des Mont Bonvin. Oberhalb Sitten sieht man längs der Combe d'Arbaz eine vierte Falte auftauchen, die noch weit mehr als die vorhergehenden den Namen einer Deckfalte verdient, da ihr die Merkmale einer liegenden Falte - Gewölbeschenkel mit regelmässiger Schichtreihe und oft ausgewalzter verkehrter Mittelschenkel, der direkt auf einer tertiären Unterlage ruht - fast gänzlich abgehen. Während die früher genannten Falten auf der Südseite der Ketten aus Juraschichten und auf der Nordseite aus Neokom mit Nummulitenkalk bestehen, sieht man hier im Hängenden blos noch Jurakalke (Dogger, Argovien-Divésien, Malm) in unregelmässig zerrissenen Schichtfetzen und teils in normaler, teils in verkehrter Reihenfolge der einzelnen Schichtglieder auftreten.
Diese Deckfalte weist also keinen so einheitlichen Zusammenhang wie die vorhergehenden auf, sondern löst sich in vereinzelte Schichtenpakete auf, die überall auf Nummulitenkalk ruhende Juragipfel bilden, wie z. B. den Sex Rouge, das Rawilhorn (oder Sex des Eaux Froides), den Mont Tubang, den Sex du Bonvin. Auf dem Scheitelplateau zeigt diese Decke unter dem Glacier de la Plaine Morte eine Jurakalkplatte und auf der Nordseite mehrere isolierte «Zeugen», wie den Rohrbachstein und das Laufbodenhorn. Diese auseinandergerissene und gequälte Falte verknüpft sich weiterhin mit dem Innenrand der Zone der Präalpen (vergl. weiter unten). Ihre letzten Ueberreste lassen sich bis zum Trubelnpass hin verfolgen.
5. Fortsetzung der Wildstrubelfalte bis zu den Glarner Alpen. Die Wildhorn-Wildstrubelfalte setzt sich bis zum Lohner fort und verknüpft sich an diesem Gipfel mit der Decke der Kienthaler Berge, der Schwalmeren und des Faulhorns. Dieses ganze Gebiet bildet eine gut ausgeprägte Faltendecke, da das als Unterlage dienende Tertiär auch hinter der Decke an der Stelle sich findet, wo das Auftauchen des Aarmassives die sedimentäre Hülle auseinandergerissen und überkippt hat.
Die Spuren dieser Tertiärzone können von Nusey oberhalb Siders über den Trubelnpass, längs der ganzen Passsenke der Gemmi (die ihr wahrscheinlich ihre Entstehung verdankt), über Kandersteg, das Oeschinenthal und Hohtürli bis ins Sefinenthal (Mürren) verfolgt werden, zeigen sich auch an den Flanken der Jungfrau und des Mönch, ziehen über Grindelwald und die Scheidegg bis ins Aarethal, gehen das Genthal aufwärts, am Fuss des Titlis (Lauberngrat) vorbei und setzen sich durch das Gitschenthal bis nach Flüelen fort, wo sie sich mit der die Unterlage der grossen Glarnerdecke bildenden Flyschzone Schächenthal-Linththal-Elm-Ragaz verbinden. Es ruhen somit alle Jura- und Kreidekalkketten nördlich dieser Tertiärzone ohne Wurzeln nach unten einem tertiären Grundgebirge auf und bilden gleichsam eine infolge einer ungeheuern Rutschung auf weit jüngere Schichten überkippte sedimentäre Masse.
Man kann sich auch so ausdrücken, dass die gleiche Deckfalte vom Wildhorn-Wildstrubel bis zur grossen Glarnerdecke reicht, indem sie in der Richtung gegen den Rhein hin allmählig immer breiter wird. Doch liegt die Sache nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick erscheinen möchte. Die dieser ungeheuern Decke, deren Breite in den Unterwaldner Alpen nahezu 30 km erreicht und in den Glarneralpen (von Tamins bis Stein im Toggenburg) mehr als 40 km beträgt, angehörenden Bergmassen weisen, rein äusserlich betrachtet, ganz den Charakter eines einfachen Faltengebirges auf, wie es etwa der Jura ist. (Eine Ausnahme machen nur die Gebiete, wo der zur tertiären Unterlage gehörende Flysch auf weite Strecken hin offen zu Tage liegt, wie z. B. im Linth- und im Sernfthal).
Auch hier in dieser wurzellosen Zone sieht man Reihen von Falten, die von ihren Nachbarn gut geschiedene Einzelketten bilden. Dies erklärt sich daraus, dass sich die gegen Norden überschobene Decke selbst wieder gefaltet hat. Diese Eigenfaltung betraf allerdings blos den Gewölbeschenkel, während der verkehrte Mittelschenkel sich überall gleichförmig der Ueberschiebungsfläche, die in gewissen Fällen eine reine Rutschfläche war, anpasste. Die Decke ist des fernere gelappt, indem sie sich jedesmal, wenn sie bei ihrer Vorwärtsbewegung auf ein Hindernis, z. B. auf eine grössere Masse miozäner Gebilde stiess, derart verdoppelte, dass sich eine obere überliegende Falte bildete (vergl. das Diagramm S. 664). So sieht man im Gebiet zwischen dem Brienzersee und dem Linththal unter dem Rücken der überkippten Decke drei Einfaltungen, die gegen Nordosten allmählig erlöschen.
Das Vorhandensein dieser drei Einfaltungen oder Lappen fällt zugleich mit einer beträchtlichen Verschmälerung der grossen Faltendecke zusammen. Da die lappenförmigen Einfaltungen sich horizontal in die Breite entwickeln, kann man im Nordosten der Decke ein bemerkenswertes Ausspringen derselben gegen Nordwesten beobachten. Die Ansätze oder Abbiegungen dieser Lappen oder Verzweigungen können sehr gut gesehen werden: a) längs der Linie Näfels-Deyenalp-Klönthal-Pragel-Muotathal- Riemenstalden-Sisikon-Isenthal-Schoneggpass-Grafenort; b) längs dem Sulzthal-Obersee (oberhalb Näfels); c) längs dem Wäggithal.
Ganz offenkundig erscheinen die durch diese Lappen vertretenen Schichtenreihen an der prachtvollen Glärnischpyramide, die aus den vier übereinander gelagerten überliegenden Falten herausgeschnitten ist. Sogar die untere Decke teilt sich noch in mehrere sehr verwickelte Schuppen, so dass man in diesem östlichen Abschnitt der Schweizer Alpen nicht weniger als fünf Decken oder Lappen unterscheiden kann, von denen zwei von sehr bedeutender Weite sind. Diese Falten tauchen zuweilen, wie bei den Diablerets, ihre Stirnpartie in die tertiären Schichten des Grundgebirges ein, während sie andernorts gleich dem den Kopfsprung machenden und mit dem Kopf wieder an die Oberfläche kommenden Taucher eine Kurve beschreiben und neuerdings in die Höhe steigen.
Solche Tauchdecken mit aufbrandender Stirnregion sind z. B. die Ketten des Sigriswilergrates, der Schrattenfluh, des Pilatus, der Rigi Hochfluh, des Grossen und Kleinen Aubrig, des Mattstocks und des Säntis (vergl. die Profile). Sie können entweder einfache Ueberfaltungsdecken (Schrattenfluh) oder dann selbst wieder stark gefaltet sein, wie z. B. am Pilatus und Säntis, welch' letzterer bis zu sechs einzig und allein nur Kreideschichten in Mitleidenschaft ziehende Einzelfalten aufweist. Die ganze Erscheinung gleicht einer vom zurückgebliebenen jurassischen
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Kern losgelösten Kreidehaut, die sich unabhängig von diesem Kern und wohl infolge eines wirklichen Abrutschens und Schubes nach der ersten Faltenbildung gerunzelt hat.
Der Glarner Abschnitt der grossen sedimentären Ueberfaltungsdecke erreicht seine ungeheure Spannweite von nahezu 45 km deshalb, weil hier der ganze permisch-karbonische Schichtenkomplex des Verrucano mitgerissen worden ist, welcher Fall sich bei keiner der Walliser Decken ereignete. Diese Glarnerdecke bildet einen Bogen oder Dorn, dessen Wurzelregion sich im Bündner Rheinthal und dessen Stirnregion sich nördlich der Kette der Churfirsten befindet. Verschiedene Einzelfaltungen tragen ferner noch zur weitern Komplikation bei. In dem den Faulenstock bildenden Verrucanokern unterscheidet man drei verschiedene Schuppen, die beweisen, dass die ganze Decke drei Lappen oder Teilfalten aufweist, von denen die obere aus Jurakalken besteht und den Mürtschenstock aufbaut. Die Kontaktfläche mit der zickzackförmig gefalteten Flyschunterlage erscheint meist als prachtvolle Rutschfläche, über der in stark reduzierter Mächtigkeit die Reste des zerquetschten und ausgewalzten Mittelschenkels liegen.
6. Vergleich der Ueberfaltungsdecken der Berner Kalkalpen mit den Glarner Verzweigungen.
Man darf zwischen den tiefern Ueberfaltungsdecken der hohen Kalkalpen der Westschweiz und denen der Glarner Region wohl kaum einen direkten Zusammenhang annehmen, obwohl sie sich gegenseitig in umgekehrtem Sinn entwickeln. Vom Rhonethal an sieht man nämlich die der Reihe nach von der Wurzelzone abzweigenden Decken in der Richtung von Westen nach Osten sich gegenseitig überfallen, bis längs dem Brienzersee blos noch eine einzige Decke sichtbar bleibt. Das Umgekehrte tritt darauf von Grafenort an ein, indem sich unter der eine gefaltete Oberfläche aufweisenden einheitlichen Decke neue Lappen oder Verzweigungen zeigen, die alle bald wieder verschwinden, weil sie entweder von der Erosion zerstört wurden oder - was wahrscheinlicher ist - einfach der Reihe nach erlöschen.
Soll man nun einen Zusammenhang zwischen diesen verschiedenen Decken annehmen? Sind die Falten, die in der Berner Kette einander überdecken, die nämlichen wie diejenigen, die zwischen Grafenort und dem Linththal der Reihe nach wieder unter der obern Decke emportauchen? Wir glauben es nicht. Es warnen uns vor dieser Annahme namentlich die in der Kette der Dents du Midi auf kurze Entfernungen hin sich zeigenden Schwankungen in der Amplitude gewisser dieser Verzweigungen (z. B. völliges Verschwinden der Synklinale zwischen der Falte der Dents Blanches und Bossetan).
Des fernern wurzeln die Falten der Kette Dents de Morcles-Diablerets im Rhonethal, während diejenigen der Glarnerzone offenkundig blosse Verzweigungen einer grossen Ueberfaltungsdecke sind. Es können sich somit die beiderseitigen Erscheinungen nicht entsprechen. Und selbst dann, wenn dies noch möglich erscheinen könnte, sollte man in der Aufstellung einer solchen Homologie vorsichtig sein, da die Entfernung zwischen dem Thal der Ormonts und dem Engelbergerthal mehr als 100 km beträgt und eine Konstanz der tektonischen Formen auf eine solch' weite Strecke hin kaum wahrscheinlich ist.
I. Südostrand des schweizerischen Molassebeckens;
II. Aeussere Klippenzone (Deckschollen und Schuppen mit schiefrigem Flysch), der Satteldecke (VII) entsprechend;
III. Zone des Gurnigelflysch, der Zone des Niesenflysch (VI) entsprechend;
IV. Aeussere Zone der mittleren Voralpen, mit vollständiger Schichtenreihe;
V. Innere Zone der mittleren Voralpen, mit reduziertem Dogger (Mytilusschichten), sowie ohne Lias und Neokom;
VI. Zone des Niesenflysch, der Zone des Gurnigelflysch (III) entsprechend;
VII. Sattelzone (oder Passzone) mit Klippen (Deckschollen und Schuppen mit schiefrigem Flysch), der Aeussern Klippenzone (II) entsprechend; VIII. Gebiet der überschobenen Hornfluhdecke, auf V. und VI. liegend;
IX. Hochalpen mit helvetischer Fazies: 1. Falte der Dent de Morcles; 2. Falte der Diablerets; 3. Falte des Wildhorns. Ueber 3 liegt die südl. Fortsetzung der Satteldecke (II und VII), welche die Laufbodenhorn-Scholle bildet.
gl. Glazialschutt;
mi. Miozän;
mn. Miozäne Nagelfluh;
mr. Rote Molasse (Oligozän);
Ef. Flysch, Et. Taveyannazsandstein;
En. Nummulitenkalk;
Cr. Obere Kreide (Couches rouges);
Cu. Urgon (inkl. Aptien);
Cn, Ci. Untere Kreide (Neokom);
Ms. Oberer Malm;
Mi. Unterer Malin (Oxford-Argovien);
D. Dogger (Dz. Dogger mit Zoophycos; Dm. Dogger mit Mytilus = Litoralfazies);
Ls. Oberer Lias;
Li. Unterer Lias;
Rh. Rät;
Td. Trias (Dolomit und schwarze Kalke);
Tr. Rauhwacke der Trias;
Tg. Gips der Trias;
Jh. Hornfluhbreccie; - X Ueberschiebungsflächen;
… Supponierte Grenzen der Schichten unter dem Meeresspiegel und Luftsättel (erodierte und abgetragene Schichtenmassen).
V. Die Präalpen der Chablais-Stockhornzone und die Klippen.
Diese Präalpen oder Voralpen zeigen neben ihrem besonderen stratigraphischen Charakter noch die Eigentümlichkeit, dass die Glieder ihrer medianen Zone, die Chablaisgruppe südwestlich und die Saanen- und Simmengruppe nordöstlich der Rhone, aus einer von der Trias bis zum Flysch reichenden und normal angeordneten Schichtenreihe aufgebaut sind und mit ihrer Triasbasis immer einer tertiären Grundlage aufruhen. Es findet sich demnach unter den ältesten Schichtgliedern der Präalpen stets das Tertiär (stellenweise auch Kreide), d. h. also das jüngste geologische Gebilde des ganzes Gebietes, was das sog. Präalpen-Gesetz bedingt.
1. Flyschzone des Gurnigel. Dieser Flysch bildet als Gurnigel-Pléiaden-Zone nö. vom Genfersee und als Zone der Voirons sö. von diesem See den Aussenrand der Präalpen. Die ganze Zone erscheint ziemlich unregelmässig ausgebildet und schwankt oft schroff in Breite und Höhe, wie wenn sie einer ungleichartig vor sich gegangenen Aufhäufung ihre Entstehung verdanken würde.
2. Mediane Präalpen. Aus dem eben Gesagten ergibt sich, dass die ganze zentrale oder mittlere Zone der Präalpen anormal oder verkehrt gelagert erscheint und eine in sich selbst vielfach gefaltete und überschobene Decke ist, die als Ganzes einem tertiären Grundgebirge aufliegt. Sie ist daher auch nicht an Ort und Stelle gewachsen, sondern stammt aus der Ferne, woher sie erst nach einer ziemlich langen Wanderung an ihren heutigen Platz gelangte. Diese mediane Zone der Präalpen, die im Chablais die von Meillerie bis zur Pointe de Bellevue (oder Pointe de Treveneusaz) reichende Region und in der Saanen- und Simmengruppe das Gebirgsland zwischen Moléson-Langenegggrat und Gummfluh-Spillgerten-Twirienhorn umfasst, wird beiderseits von einer breiten Zone von Flysch umrahmt, der bald schiefrig und bald sandig ist und auch mit grossblockigen Breccien vergesellschaftet erscheint.
3. Südlich der medianen Zone findet sich die Flyschzone des Niesen, die im Nordosten sehr breit ist und sich
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gegen SW. (besonders im Chablais) stark verschmälert.
4, und 5. Mesozoische Fetzen der Gurnigelzone und Passzone (Sattelzone). Beide Flyschzonen, die Gurnigelzone am äussern Rand und die Niesenzone im Innern der Präalpen, werden von zu Fetzen zerrissenen und vielfach ineinander verwickelten und gekneteten mesozoischen Schichtgliedern, die von der Trias (stellenweise auch vom Perm-Karbon) bis zur Kreide reichen, begleitet. Diese Gebilde sind ganz regellos zerstreut und zeigen keinerlei tektonische Einheitlichkeit.
Die einzige Konstanz besteht in der unregelmässigen Aufeinanderfolge der Schichten in beiden Regionen. Ihren Höhepunkt erreichen diese Verwickelungen in der nach innen zu gelegenen Passzone. Stellenweise sind die mesozoischen Schichtenpakete in den Flysch hineingeknetet und weithin mitten in diesen hinein verschleppt worden. Zwischen der äussern Flyschzone (Gurnigel) und der Passzone besteht der Unterschied, dass dort Kreidegesteine und Malm, hier dagegen Dogger, Lias und Trias vorherrschen, wenn auch in der Passzone Neokom und Kreide und in der Gurnigelzone Lias und Trias nicht ganz fehlen.
Beide Zonen gehören einer und derselben Schichtenmasse an, indem im Verlauf der Dislokationsbewegung die gleichen Fetzen sedimentären Gesteins überschoben worden sind. Es bildet somit der Flysch der Niesen- und der Gurnigelzone die Unterlage und den Rand der gesamten Präalpen, während sich zwischen ihn und die Hochalpen mesozoische Schichtfetzen einschieben und zwar in der Passzone vorwiegend die untern Stufen, in der Gurnigelzone dagegen vorwiegend die rezenteren Stufen.
Wir haben schon gesehen, dass sich die einzelnen Fetzen der vierten Faltendecke der Hochalpen, d. h. derjenigen des Mont Bonvin, über den Stock des Wildstrubel fortsetzen, um sich offenkundig mit den zerrissenen Fetzen der Passzone zu verknüpfen. Es sind daher die mesozoischen Schichten der Passzone keine eigentlichen präalpinen Gesteine, indem sie einer Faltendecke der Hochalpen angehören, welche im Wallis am Innenrand der Glanzschieferzone wurzelt. Die grosse Decke der Präalpen hat bei ihrem Gleiten über die Hochalpen hinüber diese vierte Faltendecke angerissen, mit sich gezogen und buchstäblich in den Flysch eingewickelt. Dabei sind die Stirnpartien (Malm und Kreide) dieser Faltendecke besonders in der Gurnigelzone, die Wurzelpartien (Trias und Dogger) dagegen vorzüglich in der Passzone liegen geblieben. Diesen Tatsachen entsprechend befindet sich die Wurzelregion der Faltendecke des Mont Bonvin zwischen den Präalpen helvetischer Fazies und den Glanzschiefern.
Die inmitten dieser ausserordentlich stark dislozierten und zerrissenen Umrandung gelegene Ueberfaltungsdecke der medianen Präalpen zieht sich in Gestalt von beinahe regelmässigen Faltenketten vom Moléson bis zum Langenegggrat, von den Verreaux bis zum Gantrisch-Kaiseregg und von den Rochers de Naye über den Vanil Noir bis zum Stockhorn. Eine vierte Kette, diejenige der Tour d'Aï-Gastlosen, ist noch durch das Auftreten von einer oder zwei schuppenförmigen Ueberschiebungen von 1-2 km Sprunghöhe kompliziert.
Noch grösser sind die Verwicklungen in der Gruppe Mont d'Or-Rübli-Gummfluh-Spillgerten-Niederhorn, wo sich keine liegenden Falten mehr, sondern blos noch ziemlich schwierig zu überblickende Ueberschiebungen vorfinden. Dieses zwischen den beiden Flyschrandzonen und der medianen Flyschmulde (Zone Ayerne-Rodomont-Hundsrück) der Präalpen eingeengte Gebiet muss während oder nach dem Schub, der die Schichten an ihre heutige Stelle geschafft hat, noch energischen Pressungen und Dislokationen unterworfen gewesen sein.
6. Zone der Hornfluhbreccie. Die Ueberfaltungsdecke der Präalpen trägt im Grenzgebiet zwischen der innern Zone und der Flyschzone des Niesen als zweite Decke noch diejenige der sog. Hornfluhbreccie, die eine vollständig verschiedene Fazies aufweist (vergl. die Formationstabelle). Diese Gesteine treten in der Gegend der Hornfluh und im Chablais in sehr ausgedehnten Decken auf, die - wie dies auch in den medianen Präalpen der Fall ist - immer mit ihren ältesten Schichtgliedern (Trias oder Karbon) auf Flysch oder Kreide sitzen. Im Chablais bildet die Hornfluhbreccie eine mehr als 30 km lange und 12 km breite Decke, während sie nordöstlich der Rhone stärker eingeengt erscheint, so dass hier zwischen den eingeklemmten Mulden der tiefer gelegenen Decke blos noch Schuppen und enggepresste Fetzen sich finden.
7. Zone der rätischen Decke. Endlich sind auch Gründe für die Annahme vorhanden, dass über der Decke der Hornfluhbreccie einst noch eine weitere Decke oder wenigstens Ueberreste einer solchen vorhanden gewesen sein müssen, welche sich durch das Vorkommen von Radiolaritenschichten und basischen Eruptivgesteinen (Gabbro, Spilit, Variolith, Porphyrit etc.) in Form von exotischen Blöcken auszeichnete. Wir werden nachher sehen, dass sich diese Decke im Gebiete des Rätikon heute noch erhalten hat.
8. Klippen. Die grosse Zone der Präalpen erstreckt sich als zusammenhängende Masse oder Decke vom Giffre und der Arve bis zur Aare hin, indem sie offenkundig einen Teil der Ueberfaltungsdecke der Hochalpen bedeckt. Diese Lage erklärt sich daraus, dass die beiden diese Zone im Nordosten und im Südwesten begrenzenden Linien den Rändern einer Senkungszone entsprechen. Es gab aber eine Zeit, in der sich diese Decke sowohl sw. der Linie Giffre-Arve, als auch nö. des Aarethales über die Alpen mit helvetischer Fazies hinüber noch weiter fortsetzte. Die Ueberreste und Fetzen dieser Decke bauen im Südwesten den Mont des Annes und Mont de Sullens, im Nordosten die Giswilerstöcke, das Buochserhorn, das Stanserhorn, den Chlewen, die Mythen und die Ibergerklippen auf und bilden daneben als Zwischenglieder noch eine grosse Menge von zerstreut gelegenen sog. exotischen
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Blöcken, die die Klippenzone, besonders im NO. gegen den Rätikon hin, fortsetzen. Die Klippen sind somit als Ueberreste oder Relikte einer Decke aufzufassen, die derjenigen der Hochalpen aufgesetzt war, sich als Fortsetzung der Präalpen einst vom Fuss des Rätikon bis in den Dauphiné hinein erstreckte und deren Abtragung die Molassesedimente von der aquitanischen bis zur pontischen Stufe mit Geschiebematerial versorgt hat. Die vollständige Zerstückelung dieser ehemaligen Decke muss durch die Erosion im Laufe der Pliozän- und der Pleistozänzeit erfolgt sein. Mit dieser Annahme lässt sich auch das Vorkommen von Gesteinen ostalpiner Fazies in der miozänen Nagelfluh sehr leicht erklären.
VI. Gebiet des Rätikon und der Graubündner Kalkalpen.
Die tektonische Darstellung dieses Gebietes wird uns zum Abschluss der Untersuchungsreihe führen, die bis dahin so bemerkenswerte, ja sogar ganz unerwartete und eigentümliche Resultate ergeben hat. Nördlich vom Rätikon sieht man die Falten der dreilappigen Glarnerdecke und diejenigen der Säntisdecke unter den Flysch eintauchen. Die letzteren setzen sich noch auf eine ziemliche Länge durch das Vorarlberger Land fort, während die Schichtenglieder der Glarner Decke sich zum letztenmal am Fläscherberg zeigen.
Nun tritt die hauptsächlich aus Triasgliedern ostalpiner Fazies bestehende Masse des Rätikon auf, die die Fortsetzung der österreichischen Kalkalpen bildet und sich wie eine Aussenbastion derselben zwischen die Thäler des Prätigaues und des Montafon einschiebt. Auf den ersten Blick könnte man versucht sein, die überall auf dem Flysch schwimmende triadische Scholle des Rätikon als die Fortsetzung der Klippendecke der Ostschweiz aufzufassen. Es haben aber neuere Untersuchungen gezeigt, dass wir es hier mit einer neuen und eigenen Ueberschiebungsdecke zu tun haben, zwischen welcher und dem Fläscherberg noch alle Glieder der Präalpen und der Klippen konstatiert werden können, während sie selbst in ihren obern Partien sich mit den Engadineralpen und den österreichischen Alpen im Allgemeinen verknüpft.
Zwischen dem den Fläscherberg bedeckenden Flysch und der Gipfeldecke des Rätikon findet man die zerquetschten und ausgewalzten Reste von drei verschiedenen Faltendecken. Diese sind:
1. Die Falknisdecke; Schuppen von Jurakalken (Tithon und krystalline sog. Falknisbreccie) mit roten Schichten der obern Kreide als Vertreter der Decke der medianen Präalpen.
2. Die Brecciendecke, die der Zone der Hornfluhbreccie entspricht.
3. Die rätische Decke mit Aptychenschiefern, Radiolaritenschichten und basischen Eruptivgesteinen.
Darüber folgt die ostalpine Decke. Alle diese auf fast unglaubliche Art ineinandergekneteten Schuppen werden einerseits von Flysch und andererseits von krystallinen Gesteinen begleitet und zeigen sich unwiderlegbar als überschobene grosse Komplexe. Das gleiche trifft auch für die grosse Decke des Rätikon oder die ostalpine Decke zu, an deren Aufbau krystalline oder sogar granitische und dioritische Gesteine in Gestalt von schwimmenden Massen einen so grossen Anteil nehmen.
Wir haben von dieser Erscheinung schon bei der Betrachtung der Zone der krystallinen Alpen gesprochen, in der man von nun an zwei verschiedene Regionen unterscheiden muss: die primären, d. h. an Ort und Stelle gebildeten krystallinen Zentralmassive und die überschobenen Massen an sekundärer Lagerstätte. Dieser letztern Kategorie gehört die Mehrzahl der krystallinen Gneis- und Granitmassive Bündens, vom Julier über die Sesvenna bis zum Silvrettamassiv, an, die von paläozoischen (Casannaschiefer, Verrucano) und mesozoischen (Trias und Jura) Sedimenten begleitet werden und in Gestalt von unzähligen Schuppen dem Flysch oder dem Bündnerschiefer aufsitzen. Die Ueberschiebung dieser Felsarten ist besonders klar zu erkennen zwischen Schuls und Ried im Unter Engadin, wo der tief eingeschnittene Inn unter der ostalpinen Decke die Bündnerschiefer des nördlichen und mittleren Graubündens wieder blosgelegt hat. Die Splügener Kalkberge bilden triadische und liasische Ueberschiebungsfetzen, während das Julier- und das Silvrettamassiv überschobene Fetzen von krystallinen Gesteinen sind.
Rückblick auf das tektonische Gesamtsystem der Schweizer Alpen. Die verschiedenen von uns festgestellten Dislokationserscheinungen, namentlich die grossen vom Innern des Gebirges gegen seinen Aussenrand hin geschobenen und überkippten Faltendecken oder Deckfalten, müssen mit Bezug auf ihren Ursprung und ihre Entstehungsweise noch etwas näher betrachtet werden. Die Falten der Hohen Kalkalpen von der Dent du Midi bis zu den Churfirsten fügen sich mit ihren Wurzeln alle zwischen und im Süden der krystallinen Massive der Aiguille Rouge, des Mont Blanc, der Aar und des St. Gotthard ein, d. h. also nördlich der breiten zentralen Muldenzone der Glanzschiefer.
Die Präalpen- und Klippendecke, sowie auch die Decke der Hornfluhbreccie müssen ihre Wurzeln südlich der Glanzschieferzone und zwar wahrscheinlich zwischen den liegenden Falten der Walliser Gneisdecken gehabt haben. Die Zone der «Pietre Verdi», die sich unter und auch über der Decke der Dent Blanche (Arollagneis) fortsetzt, zeigt eine gewisse Analogie mit den Serpentingesteinen der rätischen Decke. Die Wurzeln der ostalpinen Decke endlich dürften noch weiter südwärts gelegen haben, nämlich südlich der sog. Amphibolitzone von Ivrea, welche sie vom Addathal an überdeckt.
Auch die nördlicheren Gneiszonen und die Glanzschieferzone, sowie die Klippenzone werden von ihr überflutet, bis sie an die helvetische Fazies anstösst. Es scheint sogar, als ob diese grosse horizontale Bewegung der Erdkruste die bis an den Rhein zu verfolgenden nördlicheren Ueberschiebungen zuerst überdecke und dann vertrete. Es sind diese Annahmen bis jetzt aber blosse Hypothesen, da die betr. Gebiete geologisch noch zu wenig bekannt sind, um jetzt schon völlig beweiskräftige Schlüsse ziehen zu lassen. Die einzige sichere Tatsache ist der Ursprung der Decken mit helvetischer Fazies nördlich der Zone der Glanzschiefer und derjenige der Präalpendecken bis zum Rätikon südlich dieser Zone. Ein eigentliches Rösselsprungspiel hat diese letzteren dann an ihre jetzige Stelle nordwärts vor die erstgenannten zu stehen gebracht.
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Vor die Lösung einer grossen Aufgabe stellt uns ferner noch die Zone der Glanzschiefer, in der bis jetzt eine Gliederung in Unterabteilungen nicht möglich gewesen ist, obwohl sie einen mächtigen Komplex von sedimentären Schichten darstellt, der von der Trias vielleicht bis zum Tertiär reicht. Fast sicher erscheint dies für den Bündnerschiefer und wenigstens wahrscheinlich für die Walliser Glanzschiefer, die in einzelnen Teilen (z. B. den Sandsteinen von Sembrancher) grosse Aehnlichkeit mit dem Flysch zeigen.
Wenn man diese Aehnlichkeit mit der Tatsache zusammenhält, dass sich der stark gequetschte Flysch der Präalpen von den Glanzschiefern nicht unterscheiden lässt, dass dieser Flysch ursprünglich in grossen Massen zwischen der Zone der Präalpen und der Zone der Hochalpen, d. h. südlich dieser letztern, gelegen haben muss und dass er endlich zusammen mit den Präalpen über eben diese Hochalpen hinüber geschoben worden ist, so wird eine Zusammenstellung des Flysches mit den Glanzschiefern keineswegs als gewagt erscheinen, sondern eher eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben.
Hat ja doch schon Studer die Glanzschiefer ganz einfach mit dem Namen Flysch bezeichnet! Während der jetzige Flysch der Präalpen kaum metamorphosiert ist, zeigen der Graubündner Flysch, die Walliser Glanzschiefer und die Bündnerschiefer im Gegenteil eine weitgehende Veränderung infolge der dynamometamorphen Einwirkungen. Wenn ferner in den Präalpen jurassisch-kretazischer Flysch vorkommt, so wäre dies ein weiteres Argument für den Zusammenhang mit den Glanzschiefern, die ihrerseits nichts anderes als metamorphe Jura- und Kreidekalke, sowie vielleicht auch Tertiärschichten sind.
Mittelland. Das schweizerische Mittelland bildet in allgemeiner Hinsicht eine ausgedehnte Mulde von etwa 15 km Breite in der Nähe von Genf, welche bis über 50 km im mittleren und östlichen Teil unseres Landes anwächst. Die Tertiärablagerungen schmiegen sich am Jurafuss genau den Schichten der Sekundärzeit an.
Die als Molasseablagerungen bezeichneten Schichten des Mittellandes gehören vier Stufen an: der Aquitanischen, der Burdigalischen (auch Langhien genannt), der Helvetischen und der Oeninger Stufe. Darüber lagern die Quartärbildungen.
Diese Molasseschichten sind durch Aufschüttung in Seen oder Meerbusen entstanden; somit darf ihre ursprüngliche Schichtung nicht als absolut horizontal angenommen werden. Am Jurafuss, besonders im nördlichen Jura und auf dem Tafeljura, finden sich häufig Konglomerate, Juranagelfluh genannt, weil sie hauptsächlich aus Jurageröllen bestehen. Weit ausgedehnter sind die Geröllanhäufungen am Fusse der Alpen, wo sie hohe Gebirgsrücken aufbauen.
Während am Jurafuss u. zwischen den Jurafalten die Tertiärschichten, die überschobenen Teile ausgenommen, nur wenige Störungen aufweisen, haben dieselben dem Rande der Alpen entlang weitgehende Faltungen u. Ueberschiebungen erlitten, trotzdem die gewaltigen Nagelfluhanhäufungen wenig Tendenz zur Faltung besitzen mussten.
Aeusserst merkwürdig ist ausserdem das Vorhandensein einer Bruch- und Faltungslinie, welche 10-15 km vom Alpenrand entfernt verläuft und den fast horizontal liegenden westlichen Teil des Tertiärbeckens von dem dislozierten östlichen Teil trennt. In diesem letzteren sind die Schichten oft intensiv gefaltet oder überschoben und weisen, auch wenn sie nicht gefaltet sind, immer deutliches Einfallen gegen die Alpen auf, gerade als ob diese letzteren eingesunken seien. Diese Dislokationslinie hat die Benennung Antiklinalachse erhalten. Sie ist besonders im westlichen Gebiet sehr scharf ausgeprägt, indem ihre Richtung genau die Verlängerung der mitten im Molassebecken südlich von Genf auftauchenden Jura- und Kreideantiklinale des Mont Salève ist.
Die jetzige Gestaltung des Mittellandes steht insofern mit der tektonischen Lage in Zusammenhang, als die Oberfläche des ursprünglichen Beckens nach der Alpenerhöhung von den Alpen gegen den Jura zu geneigt war. Dadurch wurde die Richtung der erodierenden Flussläufe bedingt, von denen ein Teil nach Norden und ein anderer nach Südwesten abfliessen musste. Die Wasserscheide liegt aber nicht in der Mitte des Landes, indem dieser Mittelzone im Gegenteil eine Einsenkung entspricht, welche den Gewässern gestattete, nach Durchbruch des Jura die Rheinthalsenke zu erreichen. Die Wasserscheide des Mittellandes liegt im Südwesten nahe am Genfersee, der tiefsten Furche des Schweizerlandes.
Es muss noch besonders hervorgehoben werden, wie unregelmässig die Kontaktlinie des Mittellandes gegenüber den Alpenketten ist, welche oft bogenförmige Gestalt annehmen und förmlich auf die Miozänsedimente hinüber zu greifen scheinen. Letzteres ist denn auch tatsächlich der Fall bei der sog. Chablaiszone zwischen Rhone und Aare, welche eine auf das Tertiärgebiet überschobene grosse Scholle oder Decke bildet. Auch die übrigen, sog. normalen Ketten am Alpenrand greifen mehr oder weniger über
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das Tertiär hinüber. Der frühere Südrand des Mittellandes liegt daher unter den überschobenen Alpen.
Jura. Das Juragebirge weist im Vergleich zu den Alpen einen sehr einfachen Gebirgsbau auf, der jedoch je nach den einzelnen Regionen wieder ziemlich verschieden ist. Im allgemeinen reihen sich im Jura ziemlich regelmässige stehende Gewölbe, die jeweilen durch Mulden oder Synklinalen getrennt sind, nebeneinander. Meist ist dann auf der einen Seite das erste Gewölbe zugleich das höchste oder doch das am stärksten aufgefaltete. Die Formen der einzelnen Juragewölbe sind allerdings ziemlich verschiedene.
Bald bilden die Ketten aufrecht stehende gerade Gewölbe mit gleich geneigten Flanken oder Schenkeln, und bald sind es schief stehende Gewölbe mit ungleich geneigten Flanken, welche durch Auswalzung und Ausquetschung des überkippten Schenkels bis zur Ausbildung von überliegenden, ja sogar überschobenen Gewölben führen können. Viel häufiger, als man früher angenommen, finden sich im Jura Gewölbe mit ziemlich flachem Rücken und steil stehenden oder über die Vertikale hinaus geneigten Flanken. Es ist ersichtlich, dass in diesem Falle auch Ueberschiebungen nicht ausgeschlossen sind.
Ziemlich weitgehende Ueberschiebungen können aus Faltenverwerfungen hervorgegangen sein. Gewisse Gebiete weisen so weit ausgedehnte und nur von vereinzelten Faltenzügen (Synklinal- oder Monoklinaleinsenkungen) durchzogene flache Gewölberücken auf, dass man füglich von einem Plateau- oder Tafeljura sprechen kann. Die Synklinaleinsenkungen des Jura sind wie die Gewölbe von verschiedenartiger Ausbildung. Zwischen schmalen oder regelmässigen stehenden Gewölben sind die Synklinalen oder Mulden auch schmal, während flache und ausgebreitete Gewölbe oft durch ebenfalls breite Synklinalen voneinander getrennt werden, welche sich muldenartig zwischen die erhobenen Teile einsenken.
Eine merkwürdige Erscheinung, welche ganz besonders auf die geringe Entwicklung der Jurafalten nach der Tiefe zu hinweist, ist das Aus- und Einsetzen, d. h. die gegenseitige Ablösung von Antiklinalen (Gewölben) sowohl als von Synklinalen (Mulden.) Es trifft sich sogar, dass auf der Verlängerung einer plötzlich eintauchenden Antiklinale eine breite Synklinale sich einstellt, die aus der Vereinigung der beiden seitlichen Mulden entstanden ist, ohne dass jedoch diese letztern sich merklich näher gerückt wären oder sich mehr oder weniger eingesenkt hätten.
Die Synklinalfalten weisen besonders oft die merkwürdige Erscheinung auf, dass sie sich auf verhältnismässig kurze Strecken bedeutend erweitern und hierauf wieder verschmälern. So entstehen ellipsenförmige Mulden, in welchen gewöhnliche Tertiärablagerungen vorhanden sind und zwar oft in ganz bedeutender Mächtigkeit. Diese breiten Thalmulden sind das gerade Gegenstück zu den ebenfalls ellipsenförmigen Antiklinalplateaux. Es kommt auch hin und wieder vor, dass zwei Antiklinalfalten geradezu verschmelzen, indem die dazwischen liegende Synklinale einfach ausgeklemmt wird oder sich auskeilt.
Nicht selten bilden sich auch Verzweigungen von Falten und Einschaltungen von neuen Falten, woraus eben das büschelartige Ausbreiten der Jurafalten von SW. nach NO. entsteht. Den umgekehrten Fall stellt das Erlöschen der einzelnen tektonischen Einheiten dar, das soweit geht, bis zuletzt nur noch eine einzige Falte übrig bleibt, die sich dann endlich auch selbst noch ausgleicht: die Lägernfalte. Eine weitere Eigenschaft der Juraketten liegt in den Transversalverschiebungen, welche sowohl einzelne Falten als auch ganze Faltenbüschel durchziehen, und zwar entweder als scharfe Brüche oder auch als deutlich schleppende Verschiebungen, wodurch bruchlose Verwerfungen der Faltenzüge entstehen. Im ersteren Falle bilden sich oft sehr merkwürdige
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Inkongruenzen zwischen den beidseitigen Falten heraus, welch' letztere sich dann ganz verschieden verhalten. So können z. B. eine schmale Falte oder mehrere schwache Falten einerseits einer grossen und breiten Falte auf der andern Seite entsprechen, welch' letztere den ersteren gar nicht einmal gegenüber zu stehen braucht. Dagegen kann man oft auch beiderseits ganz homologe Schichtenbiegungen sehen, welche nur um einen gewissen horizontalen Abstand gegeneinander verschoben sind. Es ist ersichtlich, dass im ersteren Falle der Bruch, d. h. die Spalte, vor der Faltung vorhanden war und somit möglicherweise gar keine Transversalverschiebung vorliegt, sondern nur eine inkongruente Faltung, die dadurch entstanden ist, dass beide Teile sich getrennt und voneinander unabhängig gefaltet haben. Im zweiten Falle war aber die Faltung schon vollzogen oder doch angebahnt, als der Bruch und die Querverschiebung entstanden. Reine Querverschiebungen mit vollständig kongruenten Seiten sind selten, da die Brüche meist während der Faltung sich gebildet haben und so in den verschobenen Teilen zu beiden Seiten etwas Ungleichheit entstehen musste.
Einzelne Unregelmässigkeiten in der Richtung und Lage der Falten und Faltenverwerfungen in der Nähe und besonders beidseitig von Erosionsthälern mögen wohl auch auf den Umstand zurückzuführen sein, dass Erosion und Faltung zur gleichen Zeit einsetzten und vor sich gegangen sind. Ohne diese Annahme wäre z. B. die Bildung von Durchbrüchen, wie die der Birs, und von gewissen Klusen, welche hohe Gewölbe durchschneiden, sehr schwer zu erklären.
Die Falten des Jura sind überhaupt sowohl in Bezug auf ihre Breite als auf ihre Höhe sehr ungleich, was wohl auch auf die Richtung der Wasserläufe eingewirkt haben mag, wie weiter unten noch gezeigt werden soll. Die Synklinaleinsenkungen haben ebenfalls sehr ungleiche Tiefe und erscheinen oft als breite, von wenig erhabenen Antiklinalrücken eingefasste Hochebenen.
a) Im südlichen Jura kommt für uns nur eine einzige Falte in Betracht, nämlich diejenige der Reculetkette, welche mit der Spitze der Dôle auf Schweizergebiet übertritt. Diese Kette erhebt sich wie ein Wall zwischen dem mehr und mehr thalartig sich einengenden Molasseland und der Thalsenke der Valserine. Als höchste Spitzen krönen diesen Gebirgswall der Crêt du Creux de la Neige (1723 m) und der Reculet (1720 m). Er bildet ein nach O. überliegendes Gewölbe, welches an seiner Kulminationslinie unteres Sequan hervorbrechen lässt, während die Flanken aus oberem Malm (oberes Sequan bis Portland) bestehen und in den tieferen Teilen auch noch Neokom zeigen.
Der steil gegen das Thal der Valserine sich senkenden Westabdachung entlang ist eine ausgeprägte Faltenverwerfung vorhanden, welche sich auf gut 30 Kilometer verfolgen lässt und die ihre vollste Entwicklung beim Col de la Faucille erreicht, wo Kimeridgekalk auf horizontale Molasse überschoben ist. Diese Ueberschiebung setzt westwärts der Dôle ab, worauf an ihre Stelle mehrere kleinere Falten treten, sodass zwischen der Schweizergrenze bei Les Dappes (wo das Thal der Valserine mit demjenigen des Lac des Rousses in Verbindung steht) und dem ersten Juragewölbe oberhalb Trélex mehrere und sich oft ablösende kleine Falten sichtbar sind. Es sind deren drei bis vier, welche z. T. aus der Valserine (Dappes)-Synklinale hervorgehen. Ueber diesen südlichen Jurateil ist noch zu bemerken, dass an seinem Ostfuss mehrere kleine Nebengewölbe sich einschalten, die aber nie lange anhalten. Solche sind der Mont Mussy im Pays de Gex nahe der Schweizergrenze und der Mont Chaubert bei Gimel, welcher gleich einer momentanen Abzweigung der ersten Jurafalte erscheint. Malm und Neokom nehmen an deren Aufbau Teil.
Zum südlichen Jura gehört stratigraphisch noch der Mont Salève, obschon er sich mitten im Miozänland erhebt. Es ist hier auch der Ort, auf die eigentümliche Abschwenkung des Mont Vuache und dessen Längsverschiebung hinzuweisen, welche mit Transversalverschiebungen westlich vom Salève und mit der heute vom Lac d'Annecy eingenommenen Querverschiebung im Zusammenhang steht.
b) Der zentrale Jura, vom Col de Saint Cergues bis zur Linie Delsberg-Biel reichend, umfasst den grössten Teil des schweizerischen Juragebietes. Seine Abtrennung vom südlichen Jura ist durch die Transversalverschiebung des Col de Saint Cergues gegeben, während dagegen die Ostgrenze nicht so scharf definierbar erscheint. Die Westgrenze wird durch die Kette Haute Joux-Larmont-Pouillerel gebildet. Die gegen das Mittelland zu gerückte östliche Kette ist scheinbar die Fortsetzung der Reculetkette; doch ist in Wirklichkeit eine Unterbrechung vorhanden, da nordöstlich von Saint Cergues aus der Neokomdecke eine neue Falte hervorbricht, welche hierauf mit der Nächstinnern verschmilzt und sich als gefaltetes Plateau ausbreitet.
Einer der Antiklinalgräte dieses letztern bildet den höchsten Kamm des Mont Tendre. Die andern, weniger hohen, Gewölbe bis an die Landesgrenze sind durch Synklinalen voneinander getrennt, welche entweder breite Mulden mit senkrechten oder überkippten und oft mit Faltenverwerfungen ausgestatteten Flanken darstellen, oder dann als enge und ausgequetschte Zonen zwischen die Gewölbe sich einschalten. Am NO.-Ende des Jouxthales stellt sich eine merkwürdige Transversalverschiebung mit einer wirklichen Bruchfläche ein, an welcher die von SW. herkommenden Falten scharf absetzen, während auf der NO.-Seite andere Falten ansetzen. Es ist dies die Verschiebungslinie von Jougne-Pontarlier, die den südlichen Abschnitt des zentralen Jura von dessen nördlichen Teil trennt.
Dieser Querbruch hängt mit einer Faltenverwerfung zusammen, durch welche das Jouxthal an seinem NO.-Ende tatsächlich abgeschlossen wird. Juraschichten sind dort auf eine weite Strecke über Tertiärgebilde geschoben. Ein neues und vom vorigen ziemlich verschiedenes Faltensystem setzt nordöstlich der Linie Jougne-Pontarlier ein. Von nun an sind die Falten bogenförmig geschweift; auch verschmelzen sie oft miteinander, und die beiden äussern setzen gegen den äussern Gebirgsrand ab. Die dazwischen eingesenkten Synklinalen sind unregelmässig gestaltet, indem sie sich oft plötzlich verschmälern und dann wieder beckenförmig erweitern.
Auch hier sind überkippte Flanken oder gar Faltenverwerfungen häufig, so an der Synklinale des Val de Travers, deren Südostflanke auf mehr als 20 km Länge eine Ueberschiebung von Jura auf Tertiär aufweist. Als solche ausgebreitete beckenartige Synklinalen oder Mulden sind zu nennen: die Hochthäler von La Brévine und Le Locle-La Chaux de Fonds, dann das Becken von L'Auberson, das Val de Travers und das Val de Ruz, welche alle drei derselben Synklinale angehören;
ferner das Plateau von Les Ponts und dessen Verlängerung, das St. Immerthal;
endlich das Hochthal von Tess (oder Diesse).
Letzteres wird samt seiner nördl. Verlängerung vom Molasseland durch eine neue Falte (die sog. Seekette) getrennt, welche bei Saint Blaise beginnt und bei Grenchen wieder aussetzt. Die genannten breiten Synklinalen sind meist
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mit Neokom und Tertiärablagerungen ausgefüllt und die Antiklinalen meist nur bis auf den Dogger aufgeschlossen (Lias kommt blos an zwei Stellen zu Tage). Auf der Linie Les Bois-Grenchen stellt sich nun eine seltsame tektonische Erscheinung ein, indem die drei äusseren Falten der Reihe nach am Jurarand absetzen, wodurch die vierte Falte, das Sonnenberggewölbe, an den Jurarand herantritt. Damit ist auch die merkwürdige Abschwenkung der tektonischen Linien verbunden, welche hier auf eine gewisse Strecke fast genau W.-O. streichen. Es erscheint recht logisch, diese tektonische Linie als Grenze zwischen dem zentralen und dem östlichen Jura gelten zu lassen.
Das Sonnenberggewölbe ist eine entfernte Verlängerung der Pouillerelfalte, welche wir als Westgrenze des zentralen Jura ansehen. Diese Abgrenzung erscheint somit schon vom tektonischen Standpunkt aus ganz gerechtfertigt. Dazu gesellt sich nun auch der Umstand, dass sich zur Sonnenbergfalte noch eine ganze Reihe von anderen Gewölben gesellen, welche sich nordwestlich und westlich von ihr aus den Plateaux des westlichen Jura entwickeln und zuerst fächerförmig ausbreiten, um dann wieder zu konvergieren. Aus diesen Gründen wollen wir die genannte Linie hier als Nordgrenze des zentralen Jura festhalten, so dass nördlich von ihr für uns der östliche Jura beginnt.
c) Dieser östliche Jura hat die merkwürdige Eigenschaft, dass seine 5 Falten einen doppelten Fächer bilden. Die Faltung ist hier so intensiv, dass sich oft weitgehende Ueberschiebungen dazu gesellen, und ferner hat hier auch die Erosion so tief gewirkt, dass Lias und Trias fast in allen Gewölben zum Vorschein kommen. Zwischen den Falten senken sich breite, mit Tertiärablagerungen ausgefüllte Synklinalen ein, so das Thal von Tramelan-Tavannes-Gänsbrunnen-Balsthal, die Mulde von Sornetan-Münster-Mümliswil, diejenige von Soulce (Sulz)-Vermes und endlich das weite flache Becken von Delsberg.
Die drei erstgenannten Synklinalzonen sind ähnlich denjenigen im mittleren Jura bald verbreitert und dann wieder eingeengt. Auch entbehren sie oftmals der Tertiärausfüllung ganz, weil der Synklinalboden abwechslungsweise steigt und sinkt. Das Muldenthal von Delsberg ist dagegen von den drei andern sehr verschieden, indem es in seiner Längsrichtung durch tektonische Querstörungen abgeschlossen erscheint. Die Senke von Delsberg und die nördlich davon verlaufende Lomont-Mont Terrikette bilden die Abgrenzung zwischen dem östlichen und dem nördlichen Jura.
In den Mulden dieses Teiles des Jura fehlen die Kreideschichten, und seine Ausläufer gehen in Wirklichkeit aus der Vereinigung der südlich der Delsbergersenke gelegenen Falten mit der Lomont-Mont Terrikette hervor. Schon jene Falten südlich der Delsbergermulde haben in ihrer östlichen Verlängerung die Tendenz, durch bedeutende Verwerfungen, ja durch wirkliche Ueberschiebungen mit N.- oder NNO.-Bewegung des überschobenen Teiles gestört zu sein. So sind z. B. die Weissensteinkette und die Graiterykette bei Oensingen und Mümliswil durch merkwürdige Scheitelüberschiebungen kompliziert.
Die als W.-Abgrenzung des östlichen Jura gleich einer Steilküste verlaufende Lomontfalte setzt sich auf Schweizergebiet als Mont Terrikette weiter fort und weist auf ihrer ganzen Länge, von Soyhières ostwärts, eine bedeutende Faltenverwerfung auf, welche bald zur wirklichen Ueberschiebung wird. Dasselbe findet auch bei den südlicheren Falten statt, so bei denen des Graitery und des Raimeux. Die nördlichste, an den Tafeljura angrenzende Falte (Mont Terrifalte) ist auf weite Strecken über die Tertiärschichten hinübergeschoben, was zu Deckschollenbildung geführt hat.
Der Zusammenschub erreicht sein Maximum auf der Strecke zwischen Meltingen und dem Aaredurchbruch, wo ausser Ueberschiebungsschollen noch eine komplizierte und fast unentwirrbare Schuppenstruktur zu sehen ist. (Vergl. die Profile). Am Hauenstein sind nicht weniger als sieben Schuppen vorhanden, die hier aber nur den Muschelkalk in Mitleidenschaft ziehen. Sogar einzelne im Tafeljura auftretende Gewölbe sind geborsten und durch Scheitelüberschiebungen gestört. Ueberhaupt fällt eben mit dieser äusserst merkwürdigen Ueberschiebungszone die Konvergenz der verschiedenen Falten des östlichen Jura zusammen. Dennoch zeigt sich vom Hauenstein ostwärts wieder eine Andeutung zu divergierender Richtung, indem die mit Scheitelüberschiebungen versehenen Falten schwach
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nach OSO. biegen und dann nahe dem Aaredurchbruch der Reihe nach aussetzen. Die nördlichste dieser Falten setzt allein weiter nach Osten fort und bildet die Habsburg, den Petersberg und die Lägern, deren Faltenverwerfung bei Oberehrendingen aufs deutlichste sichtbar ist. Bei Regensberg verschwindet auch diese Falte und mit ihr endigt der Kettenjura.
d) Der nördliche Jura im engern Sinne hat einen ganz eigenen Charakter. Er besteht im Ganzen aus vier Falten, von denen die drei nördlichen gebogene Segmente bilden, und gehört eigentlich nicht mehr zum normalen Juragebirge, indem diese Falten nördlich der Lomont-Mont Terrikette in einem dem Tafeljura entsprechenden Gebiete auftreten. Die Entstehung dieser Falten ist offenbar mit der Rheinthaleinsenkung zwischen Vogesen und Schwarzwald in Verbindung zu bringen, da die bogenförmig verlaufenden Falten genau zwischen die vermutlichen Spalten des Rheinthaleinbruchs fallen. Die Beziehungen zwischen den faltenden Vorgängen und den Einsenkungen sind somit deutlich zu erkennen. In dieser Hinsicht kann der nördliche Jura als ein ausnahmsweise gefaltetes Stück des Tafeljura gedeutet werden.
e) Der Tafeljura. Im Gegensatz zum Faltenjura mit seinen Synklinalsenken mit Tertiärausfüllungen und seinen geborstenen und überschobenen Gewölben, weist der Tafeljura eine schwach geneigte Juraunterlage mit Tertiärbedeckung auf, ganz wie der Boden eines breiten Muldenthales. Die Erosionsthäler haben die Tertiärbedeckung meist durchschnitten und die Juraunterlage ebenfalls tief angegriffen. Trotzdem ist der Bau des sog. Tafeljura nicht weniger als einfach.
Unzählige Spalten durchsetzen die flach liegenden Schichtenkomplexe, welche staffelförmig gebrochen sind und sich auf diese Weise oft wiederholen. Zum Tafeljura gehört der nördliche Teil der Basler Landschaft und des Kantons Aargau (nördlich der Lägern), dann der Randen und der auf badischem Gebiet gelegene nahe Hegau mit seinen erloschenen Vulkanen, deren wahrscheinlich auf Spalten aufsitzenden Schlote die Jura- und Tertiärschichten durchbrochen und bedeutende Aschen- und Tuffkegel auf dem Tertiär aufgeworfen haben. Der Tafeljura ist ein nicht gefalteter Teil der Umrandung des Schwarzwaldmassivs, und die Vulkane des Hegau sind wohl - gleich denen der Schwäbischen Alb und des Rieskessels im fränkischen Jura - infolge von Einsenkungen längs tiefgehender Spalten entstanden.
4. Orographie.
Nach den einleitenden Worten und der tektonischen Betrachtung der verschiedenen Teile unseres Landes und nach den eingehenden Einzelartikeln, die das Lexikon diesen Teilen widmet, können wir die orographischen Verhältnisse sehr kurz zusammenfassen.
Die jetzige Gestalt der Schweiz ist hauptsächlich den Bodenerhebungen einerseits und der erodierenden Tätigkeit des Wassers und des Eises andererseits zuzuschreiben. Die auffüllende Tätigkeit der geschiebeführenden Gewässer und der Gletscher hat sowohl in vergangenen Zeiten als noch jetzt verhältnismässig nur wenig zur Gestaltung der Oberflächenformen beigetragen.
1. Alpen.
Ohne die erodierende Tätigkeit der Gewässer und Gletscher würden die Alpen ein um etwa 1500-2000 m höheres Gebirge von massiger und schwerfälliger Form darstellen. Die Thäler und Erosionsformen sind somit die Hauptbedingungen des orographischen Charakters. Es muss von vornherein angenommen werden, dass die Erosionstätigkeit der von dieser breiten Masse abfliessenden Gewässer schon während der Zeit der Gebirgsbildung stattfand und die hauptsächlichen Abflussrichtungen, d. h. die tief eingeschnittenen Hauptthäler, schon die ursprünglichen waren.
Während der Vertiefung der Thäler sind nur wenige Veränderungen eingetreten. Die Einsenkung der Thäler erfolgte vom Alpenrand an rückwärts, indem das ursprünglich an diesem Rand vorhandene Gefälle nach und nach gegen das innere des Gebirges vorrückte. Dadurch bildeten sich die tiefen Thalrinnen mit schwachem Gefälle, während die steilen Gefälle nunmehr nahe den Quellen der Gewässer in den höheren Teilen der Rinnen sich befinden. Hier arbeiten Wasser und atmosphärische Erosion zusammen an der Zerstörung der Gräte. Jedem
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Hauptthal, deren die Alpen auf Schweizergebiet sieben aufweisen, entspricht eine ganze Reihe von Nebenthälern, die je nach der Richtung der Hauptthäler symmetrisch oder unsymmetrisch eingeschnitten sind. Rhone und Rhein bilden in ihrem oberen Teil Längsthäler und sind südlich der krystallinen Massive der Mont Blanc- und St. Gotthardzone der Glanzschieferzone entlang eingeschnitten. Auf der einen Seite erheben sich die Gehänge der krystallinen Massive über die dieselben bedeckenden Sedimentmassen, auf der andern Seite liegen die auf die Glanzschieferzone überschobenen Gneismassen.
Die beiderseitigen Gehänge haben also ganz ungleiche Beschaffenheit, woraus sich auch ihre ganz ungleichen Neigungsverhältnisse und die unsymmetrische Lage der Nebenthäler erklärt. Diese letzteren sind auf der Nordseite, wo die krystallinen Massive liegen, kurz und steil, auf der Südseite dagegen lang, tief eingeschnitten und oft verzweigt. Durch Quereinschnitte, die sehr komplizierten Klusen entsprechen, münden diese zwei grossen alpinen Hauptthäler ins Mittelland aus.
Ganz anders verhält es sich mit den Querthälern. Diese haben - vom Alpenrand aufwärts gerechnet - allerdings verschiedene Gebirgsteile angeschnitten; doch setzen sich diese letztern diesseits und jenseits der Querthalrinne jeweilen in gleichartiger Ausbildungsweise fort, wodurch sie die Bildung von symmetrisch liegenden Nebenthälern gestattet haben. Beispiele hiefür sind die Thäler der Reuss, der Linth, des Tessin und dasjenige der Saane, soweit es quer verläuft, ebenso die Querstücke des Rheinthales und besonders diejenigen des Rhonethales.
Das Aarethal ist zwar ein Querthal, aber nicht durchwegs mit symmetrischen oder doch gleichfälligen Nebenthälern versehen. Es kommt dies daher, dass der untere Teil von Thun bis Interlaken zwischen der überschobenen Stockhorndecke und den ganz verschiedenen und abweichend gebauten Ketten mit helvetischer Fazies eingegraben ist. Von Interlaken aufwärts stellt sich dann ein mehr symmetrisches Erosionswerk ein. Die Alpen haben überhaupt, wie schon gezeigt wurde, einen ganz unsymmetrischen Bau, aus dem sich auch die ungleichen Gefälle der Thalrinnen beiderseits und die verschiedenartige Böschung der Gebirgsabdachung erklären. Im Norden liegt der Alpenrand auf einer Meereshöhe von rund 800 m (in den tieferen Thalrinnen 400-500 m), während auf der Südseite die Poebene mit weniger als 200 m an den Alpenrand herantritt. Daher sind auf dieser letztern Seite viel steilere Thäler eingeschnitten, von denen allerdings mehrere, so das Thal des Tessin und das der Adda, mit den nördlichen Thalrinnen verglichen werden können. Das Thal der Adda und das Engadinerthal erinnern durch ihre Längsrichtung an die Längsthäler der Rhone und des Rhein.
Abgesehen von ihrer Lage und Tiefe weisen die einzelnen Alpenthäler je nach der Gesteinsbeschaffenheit und der mehr oder weniger grossen Entfernung vom Alpenrand auch noch mit Bezug auf ihr Querprofil verschiedene besondere Eigenschaften auf. Die Hauptthäler sind fast ausnahmslos in ihren unteren Abschnitten fertig ausgetieft, ja meist schon durch beträchtliche Alluvialablagerungen wieder in Auffüllung begriffen, woher die flachen Thalböden, wie z. B. derjenige des Rheinthals vom Bodensee bis Truns und der des Rhonethales vom Genfersee bis Sitten und noch weiter aufwärts, rühren.
Hier haben auch die Schuttmassen der Nebenbäche vom Hauptfluss nicht mehr fortgeführt werden können und dadurch zur Bildung von Schuttkegeln geführt, welche den Hauptfluss stauten und zu eigentlichen Thalsperren Veranlassung gaben (Illgraben, St. Barthélemy etc.). Einzelne ziemlich weniger tief ausgewaschene Thäler sind z. T. schon in Auffüllung begriffen, so das untere Simmenthal, das untere Saanethal etc. Hier sind zugleich auch die Gehänge meist steil.
Ein in gleichförmig beschaffenes und wenig hartes Gestein eingegrabenes Thal hat auch gleichförmige Böschungen, während ein in ungleichförmig beschaffene Gebirgsteile ein gesenktes Thal abwechselnd Steilgehänge und sanfte Böschungen aufweist. Oft bemerkt man, dass enge Thäler von cañonartigem Charakter auf einer gewissen Höhe breite seitliche Terrassen zeigen, die einem in der Mitte von der engen Schlucht durchschlitzten weiten Thalboden gleichen.
Hier kann nur mit einander abwechselnde Wasser- und Eiserosion die Erklärung bieten. Das breite obere Thal ist ein durch Gletschererosion ausgeweiteter Thalboden. Schon während der Gletschererosion, welche bekanntlich besonders seitlich wirksam ist, hat der Gletscherbach unter dem Gletscher selbst, oder nach dessen Rückzug, das Schmelzwasser den engen Schlitz ausgefurcht. Diese Wirkung wurde durch die grosse Menge der vom Gletscher geschaffenen Geschiebe noch besonders erleichtert. Typische Thäler dieser Art sind auf der Südseite des Wallis und in Graubünden äusserst häufig. Sie haben unten schluchtartigen Charakter, während oben, namentlich im hintern Teile des Thales, die für Gletschererosion so typische kesselförmige Gestalt auftritt. Oftmals kam die enge Schlucht nicht zu Stande, weshalb dann solche Seitenthäler bei ihrer Einmündung ins
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Hauptthal sehr schöne Wasserfälle zeigen. Das Hauptthal selbst ist meist ebenfalls durch Gletschererosion erweitert, nicht aber ausgetieft worden. Dank der unverhältnismässig grossen Geschiebemenge mussten sich solche Thäler viel schneller vertiefen als die Nebenthäler, und es konnte sogar der Fall eintreten, dass das Vorhandensein der Eismasse im Hauptthal einfach die Vertiefung der Seitenthäler verhinderte und zu blosser Ausweitung derselben Veranlassung gab.
Das sind dann eben solche Thäler mit Wasserfällen beim Eintritt in das Hauptthal. Jetzt wirkt die vertiefende Arbeit des Wassers nur noch in den oberen Teilen der Thäler und ganz besonders in den höchsten Thalrinnen, wo die Gräte durch vielverzweigte Furchen angegriffen werden. In diesen letztern fliesst übrigens nicht beständig Wasser, so dass hier in der Hauptsache durch Frost und Erwärmung, sowie durch die sprengende Wirkung der Pflanzenwurzeln Trümmer losgelöst werden, welche entweder direkt abstürzen oder durch die zeitweise Einwirkung des Wassers - bei Schneeschmelze oder Regen - weggeführt werden und durch ihr Anprallen die Rinnen vertiefen.
Diese langsame aber unaufhaltsame Zerstörung des Gebirges führt zu den ruinenhaften Formen der höchsten Kämme. Dieselben sind ausserdem noch der unterwaschenden Wirkung der sich immer mehr eingrabenden grösseren Bäche ausgesetzt, wodurch Bergstürze verursacht werden. Auch die seitlich tätige ehemalige Gletschererosion hat unzählige bedeutende Bergstürze verursacht, welche kurz nach der Gletscherzeit oder auch während der Interglazialzeiten niedergegangen sind.
Hierher gehören z. B. die grossen Bergsturzmassen von Flims in Graubünden und diejenigen von Siders in Wallis. Bei Vugelles oberhalb Grandson liegt auf Moräne und Molasse ein interglazialer Bergsturz vom Chasseron. Aber auch in neuerer Zeit haben grössere Bergstürze stattgefunden, z. T. infolge langsamer Auslösung eines seit langer Zeit labil gebliebenen Gleichgewichts (Diablerets, Rossberg), oder auch infolge von unbedachtem Eingreifen des Menschen (Elm). Flusserosion ist besonders bei Trümmer-, Schutt- und Moränenanhäufungen verhängnisvoll, indem dadurch ganz gewaltige Massen solchen Gesteines in gleitende Bewegung geraten können (Campo im Tessin). Gegen Bodenbewegungen letzterer Art wird neuerdings durch Verbauungen energisch angekämpft.
Ueberall sehen wir in den Alpen, sowohl an den Thalgehängen als an den höchsten Gräten, die zerstörende Wirkung der Erosion als Verwitterung und Abtrag durch Wasser, oder als blosses Abstürzen tätig. Viele Spitzen, welche von weitem aus festem Gestein aufgebaut zu sein scheinen, sind tatsächlich durch und durch faul - daher auch die häufige Bezeichnung Faulhorn, Faulengrat etc. Die Felsoberfläche ist geborsten; auf Metertiefe und mehr ist das Gestein disloziert und lässt sich blockweise losbrechen. Oftmals stellt sich bei näherer Besichtigung heraus, dass ein von weitem blos etwas zernagt aussehender Grat oder eine Spitze weiter nichts als ein Blockhaufen ist. Der feste, gewachsene, Fels liegt unter den Trümmern begraben (sog. Blockgipfel).
Das Endergebnis dieser Tätigkeit wird die zunehmende Erniedrigung des Alpenkörpers sein.
Alle die mächtig erhobenen krystallinen Massive der nördlichen Zone waren wie die aufeinandergetürmten Gneismassen des südlichen Gebietes ursprünglich mit Sedimenten bedeckt. Ja sogar auf den normal dazugehörenden Sedimentdecken lagen früher noch mehrere überschobene Faltendecken. Es ist kaum möglich, die einstige Höhe des ursprünglichen Alpenkörpers anzugeben. Dass aber infolge der Erosion schon während der Miozänzeit ungeheure Gesteinsmassen fortgeschleppt wurden, beweisen die Trümmeranhäufungen der Nagelfluhablagerungen dem ganzen Alpenrande entlang. Ein grosser Teil der feineren Niederschläge der Miozänzeit stammt ebenfalls aus den Alpen. Die Gletscherzeit und die dieser Epoche vorangegangene Pliozänzeit, während welchen die aktivste Erosion herrschte, sowie die noch fortdauernde Erosion und Verwitterung haben also zu der jetzigen orographischen Gestalt der Alpen geführt, nachdem der Alpenkörper aufgefaltet und zu seiner ursprünglichen Höhe gehoben worden war.
Es muss noch als weitere Tatsache der Umstand hervorgehoben werden, dass nach der Hebung der Alpen und nach der pliozänen Erosionsphase, während welcher die alpinen Thäler zum grossen Teile (wenigstens in ihrem untern Abschnitt) definitiv ausgetieft wurden, der ganze Alpenkörper um eine 500-1000 m betragende Höhe einsank, d. h. die Erdkruste dem vermehrten Druck unter dem überhöhten Teil des Gebirges nachgab und zurücksank. Dadurch wurden die unteren Thalrinnen z. T. rückläufig und verwandelten sich in Seen. Am Südrand der
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Alpen sind diese Seen weit tiefer, weil hier das Absinken des Alpenkörpers beträchtlicher war als am Nordrand und daher eine vor dem Einsinken horizontale Ebene nachher im Süden um 500 m tiefer zu liegen kam als eine solche im N. Wo in Thalrinnen keine Seen entstanden, sind doch wenigstens die Gefälle so reduziert worden, dass sich Alluvialanhäufungen bilden mussten, indem der Fluss nicht mehr das nötige Gefälle zur Wegführung seiner Geschiebe hatte.
Die Thalrinnen haben sich im Laufe der Zeit gegenseitig in ihrer Entwicklung gestört. Rückwärts einschneidende Flüsse konnten höher gelegene Wasserläufe seitlich anzapfen und so einen Flusslauf ablenken und dessen Unterlauf fast trocken legen. Auch Moränen haben zu solchen Flussverlegungen beigetragen, und anderswo waren es Bergstürze, welche die gleiche Erscheinung verursachten. Daraus erklären sich die oft recht tief gelegenen Trockenthäler, welche einzelne Thalrinnen miteinander verbinden und als Pässe benutzt werden, so z. B. die Lenzerheide, der Kunkelspass, das tief gelegene Thal des Walensees. In der Westschweiz sind solche Flussverschiebungen weniger häufig, weil hier die tief eingeschnittene alte Thalrinne der Rhone beizeiten alle Gewässer des Wallis und der Südwestschweiz dem Mittelmeer zuleitete.
Dass die Rhone, wie behauptet wurde, früher über Attalens und Moudon nach Norden geflossen sei, ist absolut unmöglich. Der Einschnitt von Attalens ist eine zufällige Vertiefung im Jorat, welche durch Gletschererosion entstanden ist. Ebensowenig kann der Vermutung Raum gegeben werden, dass die Rhone in der Längsrichtung über den Col de la Forclaz jemals das Thal von Chamonix erreicht habe. Dass die verschiedenen Nebenflüsse hin und wieder durch Bergstürze, Moränen etc. lokale Verlegungen erlitten haben, ist selbstverständlich, waren ja nach der Gletscherzeit die meisten Nebenthäler, besonders an ihren untern Enden und hauptsächlich auch beidseitig des untern Teiles der Hauptthäler, bis hoch hinauf mit Moränenschutt aufgefüllt. In diesem musste sich nachher eine neue Rinne austiefen, wobei der Fluss oder Bach oft den früheren Thalweg verfehlte und sich seitlich in den Felsboden ein neues Bett eingrub, sodass gewisse Strecken seines alten Bettes mit Moräne ausgefüllt blieben (Entstehung von Grundwasserquellen in dem ausgefüllt gebliebenen alten Thalstück).
Die jetzige Gestalt der Alpen ist auch noch weiterhin zu Veränderungen bestimmt. Die hohen Gräte gehen sicherer Zerstörung entgegen; das Gefälle der Thalrinnen nimmt ab im Verhältnis zu der mehr und mehr zunehmenden Vertiefung im obern Teil und der anwachsenden Auffüllung im untern Teil. Zuletzt werden zwischen schwach geneigten Thalrinnen nur noch in ihrem eigenen Schutt begrabene Bergrücken übrig bleiben, denen der träge dazwischen hinfliessende Fluss nichts mehr anhaben kann, auf welche aber die Verwitterung noch so lange einwirkt, bis die Verwitterungskruste so mächtig geworden ist, dass sie den innern Felskern vor weiterer Zerstörung zu schützen vermag. Die Gletscher, welche heute als glänzende Zierde der Alpen die oberen Thalrinnen ausfüllen oder hoch oben an den Flanken der Gräte hängen, werden dann infolge der Abtragung des Gebirges schon lange verschwunden sein.
2. Mittelland.
Die Orographie des Mittellandes geht aus den beschriebenen tektonischen Verhältnissen und der vorangeschickten Darstellung des landschaftlichen Bildes hervor. Einer schwach geneigten Hochebene gleich senkte sich das Mittelland ursprünglich vom Alpenrand - 800-1000 m (ausnahmsweise mehr als 1200 m bis nahezu 2000 m; Pélerin 1216 m, Napf 1408 m, Rigi 1800 m, Speer 1950 m) - gegen den Jura zu, wo zwischen 500 und 300 m der Uebergang zwischen diesen beiden tektonischen Gliedern unseres Landes sich vollzieht.
In dieses von SO. nach NW. geneigte Plateauland haben sich die Gewässer ihre Thalrinnen eingeschnitten und so den spezifischen Charakter unseres Molasselandes geschaffen, welches nunmehr als ein von unzähligen Furchen durchzogenes Hügelland vor uns liegt. Am auffallendsten ist die auf ein beschränktes Einzugsgebiet fallende Thalfurche des Lemansees *) (* Diese Form [anstatt Genfersee] wird hier auf ausdrücklichen Wunsch des Verfassers gebraucht. [Red.]) und des unteren Rhonelaufes mit ihren steilen Böschungen.
Zuerst quer verlaufend, senkt sich diese Furche, halbkreisförmig umschwenkend und parallel zwischen Alpen und Jura hinziehend, mitten in das Molasseland, um dann wieder quer zur Streichrichtung des Gebirges dem Jura sich zuzuwenden, welcher in enger Kluse durchbrochen wird. Nur wenige und mit steilen Gefällen versehene Bachrinnen münden in diese tiefe Senke ein; einige derselben (Venoge, Aubonne, Versoix, London) zeigen indessen eine ziemlich bedeutende horizontale Entwicklung und schwächere Gefälle. Sie leiten die Gewässer vom Jurafuss nach der Hauptrinne.
Die im übrigen Mittelland vorhandenen Thalrinnen sind in von den Alpen ausgehender und annähernd quer zu deren Streichen ziehender Richtung in die Tertiärablagerungen eingeschnitten. Mit Ausnahme
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derjenigen des St. Gallerlandes und des Thurgaues, welche sich direkt dem Rhein zuwenden, richten sich alle diese Rinnen deutlich konvergierend gegen den Aaredurchbruch bei Brugg. Dem Jurafuss entlang zieht sich auf eine lange Strecke ein Sammellauf parallel zum Gebirgsrande. Es ist dies die Thalsenke der Orbe-Zihl, welche sowohl die Gewässer des Jura, als diejenigen des anliegenden Mittellandes sammelt und dann der Aare zuleitet, welch' letztere bis zum Durchbruch bei Brugg ebenfalls der Streichrichtung des Jura parallel fliesst. Alle übrigen Thalrinnen sind dagegen mehr oder weniger quer zum Jura gerichtet. Deshalb erscheint das Mittelland von ganz verschiedenem orographischen Charakter, je nachdem wir dasselbe in der Südwestschweiz, dem Jurafuss entlang, im eigentlichen Herzen, d. h. zwischen Bern und Zürich, oder dem Alpenrand entlang kennen lernen.
In der Umgebung des Genfersees hat das Mittelland, von der tiefen Rinne der Rhone abgesehen, wohl noch am meisten den Charakter einer Hochebene behalten, indem hier nördlich der Wasserscheide die Thalrinnen verhältnismässig wenig zahlreich und auch weniger tief eingeschnitten sind. Dem Jurafuss entlang ziehen sich hingegen die Ueberbleibsel der früheren Hochebene in langgestreckten Rücken zwischen den Thalrinnen hin, so der Wistenlacherberg (Mont Vully), der Jolimont, der Brüttelenberg, der Jensberg und der Büttenberg.
Ganz anders erscheint der orographische Charakter wieder im zentralen Mittelland, woselbst die weitverzeigten Querthäler das Gebiet in unzählige, quer zur Streichrichtung von Jura und Alpen verlaufende Hügel und Kuppen zerlegen, an deren Halden oft senkrecht angeschnittene Schichten sichtbar sind. Durch die zahlreichen Verzweigungen sind die Querthäler miteinander in Verbindung gesetzt, aber selten in gleicher Höhe wie die Hauptfurchen. Wieder anders gestalten sich die Oberflächenformen in nächster Nähe der Alpen.
Hier treten, dank der bedeutenden Erhöhung der Molasseschichten, sowie besonders dank deren intensiver Faltung und des Vorhandenseins von mächtigen Nagelfluhlagern, fast alpine orographische Formen auf, so am Rigi, am Napf und im Gebiet des Toggenburgs. Immerhin ist der Kontrast mit den rein alpinen Ketten unschwer zu erkennen. Dass in allen diesen orographischen Gestaltungsformen ausser Flusserosion auch die Gletschertätigkeit von hervorragendem Einfluss war, braucht gewiss nicht besonders betont zu werden.
Die diluvialen Gletscher, welche viermal das Mittelland ganz oder doch zum grossen Teil bedeckten, haben in diesen verschiedenen Gebieten auch verschieden gewirkt. Am deutlichsten zeigt sich diese Erosionswirkung am Fusse der Alpen in der Ausweitung der Thalfurchen. Im zentralen Mittelland wurden die vorhandenen Thalrinnen zwar z. T. ebenfalls erweitert, aber besonders die dazwischen liegenden Hügel abgerundet und allfällig vorhandene grössere Flächen mit Grundmoränen überdeckt.
Die Thalfurchen wurden während den Vor- und Rückstossperioden abwechslungsweise aufgefüllt und wieder neu vertieft. Am Jurafuss zeigen sich hingegen ausser diesen Erscheinungen noch die beträchtlichen Wallmoränen des Stirngebietes der letzten Gletscherzeit, deren Höhe und Ausdehnung so bedeutend ist, dass dadurch ein besonderes orographisches Bild entsteht. Einzelne Gletscher haben im Verlauf der Rückzugsphase längere Zwischenstadien eingenommen, so der Aaregletscher bei Bern, der Linthgletscher bei Zürich etc. Auch der Rhonegletscher zeigt solche Zwischenstadien, doch liegen seine Stirnmoränen auf dem Boden des Lemansees, während seine Randmoränen auf der Abdachung des Jorat, wo sie die schroffe Topographie des Gehänges ausgleichen, deutlich sichtbar sind. Zwischen dem Lauf der Wigger und dem der Limmat, in welchem Gebiet die letzte Vergletscherung kaum den Jurafuss erreichte, bildet die Moränenlandschaft fast ausschliesslich das orographische Bild, indem die Molasse hier topographisch fast vollständig verwischt ist.
Bezüglich der Richtung der Flussläufe hat das Mittelland während der Eiszeiten ausserordentlich viele Veränderungen erlitten und zwar hauptsächlich infolge von Abdämmungen, weniger dagegen durch Erosionserscheinungen, vielleicht aber auch durch tektonische Vorgänge. So wurde vorerst die Aare, welche ursprünglich von Bern über Utzensdorf und Wangen nach N. floss, durch Moränen nördlich von Bern gegen W. abgelenkt und zwar zweimal, da auch das Trockenthal von Lyss-Zollikofen ein altes Aarebett darstellt.
Die vorglaziale Linth soll über Gossau und Bülach geflossen sein und durch Abzapfung der Sihl in Folge von rückschreitender Erosion in ihren jetzigen Lauf gebracht worden sein, während die Sihl selber durch Moränen gezwungen wurde, eine andere Richtung anzunehmen. Moränen sind es auch, welche die Seen des Mittellandes (Sempacher-, Hallwiler-, Baldegger-, Greifensee etc.) abgedämmt haben. Andererseits ist der Jurafuss der Westschweiz durch tektonische Vorgänge gründlich umgeändert worden. Hier ist infolge Einsenkung eines Teiles des Mittellandes und des Jurarandes