Titel
Schweinfurt.
[* 3]
1) Bezirksamt im bayr. Reg.-Bez. Unterfranken, hat 495,97 qkm und (1890) 32454 (15460 männl., 16994 weibl.) E. in 65 Gemeinden mit 104 Ortschaften. – 2) Unmittelbare Stadt und Bezirksstadt im Bezirksamt S., am rechten Ufer des Main, über den mehrere Brücken [* 4] führen, an den Linien Bamberg-Würzburg, Ritschenhausen-S. (70,5 km), S.-Bad Kissingen [* 5] (23 km) und S.-Gemünden (51,2 km) der Bayr. Staatsbahnen, [* 6] Sitz des Bezirksamtes, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Bamberg) [* 7] mit einer Kammer für Handelssachen und 15 Amtsgerichten (Bischofsheim, Eltmann, Euerdorf, Gerolzhofen, Hammelburg, Haßfurt, Hofheim, Bad Kissingen, [* 8] Königshofen, Mellrichstadt, Münnerstadt, Neustadt [* 9] a. d. Saale, S., Volkach, Werneck), eines Amtsgerichts, Rent-, Forst-, Hauptzoll-, Straßen- und Flußbauamtes, hat (1890) 12472 (5866 männl., 6606 weibl.) E., darunter 3713 Katholiken und 352 Israeliten, Post, Telegraph, [* 10] Fernsprecheinrichtung, Bezirksgremium, Straßenbahn zwischen Centralbahnhof und Stadt, Reste der ehemaligen Befestigungen, Parkanlagen jenseit des Mains, Denkmal des in S. geborenen Dichters Friedrich Rückert, Kriegerdenkmal, gotische evang. Hauptkirche (13. Jahrh.) mit schönen Portalen und Altertümern, evang. Salvatorkirche, kath. Kirche zum Heiligen Geist, Synagoge, Rathaus, 1570‒72 im Renaissancestil erbaut, mit Bibliothek und Museum von Altertümern und Kunstgegenständen, ehemaliges Gymnasialgebäude mit Rückert-Zimmer und großer zoolog. Sammlung; ferner ein Gymnasium, 1631 von Gustav Adolf gegründet und 1830 von König Ludwig Ⅰ. wieder errichtet, eine Realschule, kaufmännische und gewerbliche Fortbildungsschule, höhere Mädchen- und Frauenarbeitsschule, ein Theater, [* 11] städtisches Kranken- und Pfründehaus, Waisenhaus, Rettungshaus (Marienthal), Knabenhort, Wasserleitung, [* 12] Kanalisation und Gaswerk.
Die bedeutende Industrie erstreckt sich auf Fabrikation von Farben (Schweinfurter Grün, Bleiweiß, [* 13] Ultramarin), Maschinen, Stahlkugeln für Fahrräder, Löschgeräten, Leder, Schuhwaren, Zucker, [* 14] Malz, Gelatine, Stärke, [* 15] Nudeln, Margarine, Liqueur, Essig, Präserven, Tabak, [* 16] Schrot, Seife, Kerzen, Cementwaren, Eismaschinen, Apparaten für Brauerei und Brennerei; ferner bestehen Kunstmühlen, Loh- und Sägemühlen, Glockengießerei, Porzellanmalerei, Brauereien, Ziegeleien sowie bedeutender Handel mit pharmaceutischen und technischen Droguen, Tuch-, Metall-, Porzellan- und Seilerwaren, Wein, Obst, Gemüse, Getreide, [* 17] Mehl, [* 18] Holz, [* 19] Lohrinde und Vieh. Die Rindviehmärkte zählen zu den bedeutendsten Süddeutschlands; an Schweinen und Schafen werden jährlich etwa 40‒50000 Stück aufgetrieben; bedeutend sind die Obst- und Gemüsemärkte, deren Produkte sowie besonders Wein in der Umgegend gebaut werden. Handel und Industrie werden unterstützt durch ein Bezirksgremium, eine Filiale der königl. Bayrischen Bank, Agentur der Bayrischen Notenbank, städtische Sparkasse und Kreditverein.
S. wird zuerst 791 urkundlich erwähnt und wurde 1130 Freie Reichsstadt. In einer Fehde zwischen dem Grafen von Henneberg und dem Bischof Iring von Würzburg [* 20] 1259 wurde die Stadt zerstört und später weiter westlich aufgebaut; 1554 wurde sie zum zweitenmal zerstört, litt auch schwer im Dreißigjährigen und Siebenjährigen Kriege sowie 1796, 1800 und 1801. Im Frieden von Lunéville fiel S. an Bayern, [* 21] 1810 an das neugebildete Großherzogtum Würzburg und mit diesem wieder an Bayern. Zu S. wurde 1652 die Leopoldinisch-Karolinische Akademie (s. Akademien, Bd. 1, S. 276) gestiftet. –
Vgl. Beck, Chronik der Stadt S. (2 Bde., Schweinf. 1836‒41);
Bundschuh, Beschreibung der Reichsstadt S. (Ulm [* 22] 1862);
Enderlein, Die Reichsstadt S. (2 Bde., Schweinf. 1862‒63);
Stein, Geschichte der Stadt S. (ebd. 1873);
ders., Monumenta Suinfurtensia historica (ebd. 1875);
Wörl, Illustrierter Führer durch S. und Umgebung (Würzb. 1891);
Illustrierter Führer durch S. und Umgebung (Schweinf. 1893).