Titel
Schwein
[* 1] (Sus L., hierzu Tafel »Schweine«),
Säugetiergattung aus der Ordnung der paarzehigen Huftiere und der Familie der Schweine (Suina), plump gebaute Tiere mit langgestrecktem, in einen kurzen, stumpfen Rüssel endigendem Kopf, in der Regel nur mäßig großen Ohren und kleinen Augen. Sie haben oben 6 und unten 6 Schneidezähne; die obern sind konisch und durch Zwischenräume getrennt, die untern rundlich, stecken tief in den Kiefern, stehen gedrängt aneinander und bilden eine nach vorn zugespitzte Schaufel.
Die Eckzähne (Hauer), vier an der Zahl, sind sehr stark entwickelt, besonders bei den Männchen und im Unterkiefer, treten zwischen den Lippen aus dem Maul hervor und krümmen sich nach außen und aufwärts; die untern werden durch die Reibung der obern Hauer scharf erhalten. Backenzähne sind oben und unten je 14 vorhanden; der vorderste, welcher im Unterkiefer jederseits durch einen größern Zwischenraum von dem folgenden getrennt ist, wird auch Wolfs- oder Lückenzahn genannt, der zweite dem entsprechend als erster, der dritte als zweiter Backenzahn etc. bezeichnet.
Die Beine sind mittellang, an jedem Fuß stehen vier paarig gestellte Zehen, von denen aber nur die beiden Mittelzehen auf den Boden auftreten, während die beiden Außenzehen höchstens mit den Spitzen den Boden berühren. Der Schwanz ist mittellang, kahl, nur an der Spitze mit einer kleinen Quaste versehen, der Magen einfach, der Darmkanal 12-16mal so lang wie der Körper; am Bauch stehen meist 12 Zitzen. Die Tiere leben vorzugsweise von Wurzeln und Früchten; doch fressen sie auch Weichtiere, Fleisch von höhern Tierarten und Aas. Sie lieben feuchte Orte, welche ihnen günstiges Terrain zum Wühlen bieten. Fitzinger unterscheidet neun durch erhebliche Differenzen in den körperlichen Eigenschaften gekennzeichnete Arten der Gattung Sus L., doch hat man häufig genug bedingungslos fruchtbare Fortpflanzung zwischen Tieren dieser verschiedenen »Arten«, namentlich zwischen wilden und indischen Schweinen, beobachtet.
Die mannigfachen Rassen des europäischen Hausschweins, welches weitaus die größte Wichtigkeit beansprucht, lassen sich auf zwei noch jetzt in der Wildnis lebende Arten oder Rassen zurückführen, auf das europäische Wildschwein und das indische S. Das europäische Wildschwein (S. europaeus Pall., S. Scrofa L.), 1,8 m lang, mit 25 cm langem Schwanz, 95 cm hoch, bis 200 kg schwer, unterscheidet sich von dem indischen S. durch den langen und schmalen, gestreckten Kopf mit gerader Profillinie, durch den scharfen, aufwärts gekrümmten Rücken, die flachen Rippen, den nach hinten sich verjüngenden, schmalen Rumpf und das stark abfallende Kreuz, endlich durch die dichte Bedeckung mit dunkelbraunen bis schwarzen Borsten, unter denen in der kältern Jahreszeit ein dichter Flaum von feinen, wolligen Haaren zum Schutz des Körpers sich bildet.
Auf dem Widerrist und Rücken verlängern sich die Borsten zu einem mähnenartigen Kamm, welchen das Tier emporsträubt, wenn es in Wut gerät. Besonders stark ausgebildet sind die Eckzähne (Gewehre), eine gefährliche Waffe der Tiere. Im 6. oder 7. Lebensjahr wird die Form der lang herausgewachsenen Gewehre eine mehr gekrümmte und dadurch minder gefährliche. Der Jäger nennt das Tier allgemein »Sau«, das männliche speziell »Wildschwein«, »Schwein«, das weibliche »Bache«.
Die Brunst bei der letztern fällt gewöhnlich in den Herbst (November und Dezember); im Frühjahr wirft (frischt) sie 4-10 Junge (Frischlinge), die bei der Geburt rot gefleckt sind, mit schwärzlichen, braungelben und weißen Streifen, welche sich erst in dem Alter von 5-6 Monaten verlieren. Das männliche Tier heißt vom zweiten Jahr an, bis es erwachsen ist, Keiler. Die Bache behält die Frischlinge während des Sommers bei sich, verteidigt sie mit Einsetzung ihres Lebens gegen Gefahren und verläßt sie erst, wenn sie im Herbst von neuem brünstig wird.
Die alten Keiler leben einsam, gewöhnlich fern von dem aus Bachen, Frischlingen und jungen Schweinen gebildeten Rudel. Erst zur Zeit der Brunst finden sie sich ein und suchen die Nebenbuhler unter heftigen Kämpfen abzuschlagen. Mit 18-19 Monaten ist das Wildschwein fortpflanzungsfähig, mit 5-6 Jahren erwachsen; es soll 20-30 Jahre alt werden. Das Wildschwein war früher über fast ganz Europa verbreitet, ist gegenwärtig aber stark zurückgedrängt u. findet sich nicht mehr jenseit 55° nördl. Br. In Deutschland kommt es noch in allen waldreichern Gegenden vor, häufiger aber ist es in einzelnen Gebirgsgegenden Frankreichs und Belgiens, in Polen und Südosteuropa, auch in Nordafrika und in ganz Nordasien vom 55.° nördl. Br. bis zum Himalaja findet es sich. Es lebt in den dichtesten Wäldern, namentlich in Kiefernschonungen, sucht Orte auf, wo es sich im Wasser wälzen kann (Saulachen),
[* 1] ^[Abb.: Fig. 1. Schwarzwildfährte.
Fig. 2. Fährte des Wildschwein (Überläufer). ½ natürl. Größe.]
Berkshire-Schwein. 1/16.
Japanisches Maskenschwein. 1/16.
Kleines weißes Yorkshire-Schwein. 1/12.
Hampshire-Schwein. 1/18.
Zum Artikel »Schweine«.
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nährt sich von Baumfrüchten, Wurzeln, Insektenlarven und richtet in den angrenzenden Äckern durch Umwühlen und Abfressen des Getreides großen Schaden an. Es frißt auch Aas und soll Wildkälber und verwundete Hirsche und Rehe töten. Es läuft ziemlich schnell und am liebsten geradeaus, durchbricht mit Gewalt Dickichte, hört und riecht scharf, sieht aber schlecht. Aus seiner gewöhnlich harmlosen Ruhe geht es sehr leicht zur rasendsten Wut über, nimmt dann den bewaffneten Mann ohne weiteres an und wird durch seine Hauer sehr gefährlich.
Das Fleisch ist fein und wohlschmeckend, Kopf und Keulen gelten als Leckerbissen, auch Haut und Borsten sind sehr gesucht, der Schade aber, welchen das Tier anrichtet, überwiegt bei weitem den Nutzen. Man gewährt daher dem Schwarzwild keine Schonzeit, weshalb es mehr und mehr ausgerottet und nur noch in Saugärten in größerer Zahl gehalten wird. Die Fährte des Schwarzwildes unterscheidet sich von der des Rotwildes durch kürzern Schritt [* ] (Fig. 1), flachere Ballen und besonders durch die weit auseinander stehenden, stark ausgedrückten Geäfter [* ] (Fig. 2). Man erlegt wenigstens stärkere Sauen am sichersten mit der Kugel, weil diese durch Suhlen und Mahlen für Schrot undurchdringliche Schwarten bekommen (gepanzerte Sauen).
Angeschossene Sauen setzen sich zur Wehr, die Keiler schlagen mit ihren scharfen Gewehren von unten nach oben, während die Bachen beißen, aber viel weniger gefährlich sind. Von den Jagdmethoden ist der Anstand am lohnendsten, wenn man die Sauen durch Eicheln, Erbsen, Kartoffeln vorher angekirrt hat. Bei Wind und weichem Schnee gelingt es auch, durch Folgen der Fährte die Sauen im Kessel anzuschleichen. Die Treibjagd hat meist nur Erfolg, wenn die Sauen vorher durch Einkreisen bei einer Neue festgespürt sind und Finder benutzt werden, weil sie sonst meist durch die Treibwehr brechen.
Vor den Saufindern stellen sie sich dagegen und können von dem den Hund führenden Jäger beschlichen werden, andernfalls werden sie flüchtig und kommen dann den vorstehenden Schützen zu Schuß. Stehen schwere Packer und Hetzhunde zur Verfügung, so hetzt man diese zu, wenn der Finder stellt, d. h. durch Lautgeben auf einer Stelle anzeigt, daß sich das S. vor ihm zur Wehr setzt, und läßt durch diese das S. festhalten (decken), um es abzufangen. Endlich werden die Sauen noch auf der Parfocejagd ^[richtig: Parforcejagd] erlegt und in Saufängen gefangen.
Das indische S. (S. indicus Pall.) ist über das östliche Asien und die Malaiischen Inseln verbreitet. Eine Form desselben, das chinesische S. (S. indicus brachyotis), wird in China seit Jahrhunderten mit Sorgfalt als Haustier gehalten, besitzt einen kurzen, breiten Kopf mit aufrechter Stirn und eingedrücktem oder konkav geformtem Nasenrücken, einen kurzen, breiten Rüssel, starke, fleischige Backen, kurze, zugespitzte, aufrecht stehende Ohren, einen kurzen, dicken Hals, langen Leib, geraden, zwischen Schuft und Becken sogar eingesenkten, breiten Rücken, gerades Kreuz, gewölbte Rippen, einen großen Tiefendurchmesser der Brust, breit gestellte, kurze Schenkel und eine dünne, mit schwachen Borsten besetzte Haut. Es zeichnet sich durch Frühreife und großen Fettansatz aus.
Die andre Form, das japanische Maskenschwein (S. pliciceps Gray, S. indicus macrotis), hat ähnliche Schnellwüchsigkeit und Mastfähigkeit, unterscheidet sich aber von dem chinesischen durch dicke Gesichtsfalten, lange, herabhängende Ohren, eine dicke Schwarte, einen etwas flachrippigern Rumpf und höhere, starkknochige Beine. Es ist bei uns vielfach in zoologischen Gärten vertreten; die Versuche, es zur Hebung der deutschen Schweinezucht zu benutzen, sind aber nur mäßig günstig ausgefallen.
Rassen des zahmen Schweins.
Zur Heranbildung der heute in Europa vorkommenden Hausschweine haben beide, das europäische Wildschwein und das indische S., beigetragen. Durch den Einfluß der verschiedenen Klimate und der Züchtung sind dieselben vielfach in ihren innern und äußern Eigenschaften abgeändert worden. Je nachdem nun mehr der Einfluß der Natur oder der der Züchtung in den Formen des Hausschweins zum Ausdruck gelangt, unterscheidet man natürliche (primitive, unveredelte, Land-) Rassen und Kulturrassen (Züchtungs-, künstliche, veredelte Rassen). Zu den natürlichen Rassen gehören: das großohrige, das kurzohrige, das kraushaarige und das romanische S., welche sämtlich auf dem europäischen Kontinent einheimisch sind;
zu den Kulturrassen stellt man die modernen englischen Rassen.
Bei den drei erstgenannten tritt die Verwandtschaft mit dem europäischen Wildschwein deutlich zu Tage, während das romanische und englische S. den Einfluß vom Typus des Sus indicus nicht verkennen läßt.
1) Das großohrige S. ist charakterisiert durch die nach vorn und unten hängenden Ohren, welche
[* ] ^[Abb.: Skelett des Schweins.]
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breit und länger sind als der Raum zwischen Ohröffnung und Auge, durch die hohen Beine, die Flachrippigkeit und den Karpfenrücken. Gute Ernährung und verminderte Bewegung bessern diese fehlerhaften Körpereigenschaften. Zuweilen sind am Hals zwei Hautausstülpungen, »Glocken«, vorhanden. Borsten sind schlicht oder schwach gelockt; die Farbe derselben ist vorherrschend gelbweiß, doch kommen auch dunkle und schwarzscheckige Tiere vor. Die Tiere dieser Rassen werden bis 2 m lang und 1 m hoch; sie entwickeln sich langsam, sind spät reif. Das großohrige S. ist durch den mittlern, westlichen und nördlichen Teil von Europa verbreitet, und es gehören zu dieser Rasse die großen polnischen Schweine, die deutschen Marschschweine (holsteinisches, jütländisches und westfälisches, letzteres wegen seiner vorzüglichen Schinken berühmt), die französischen (craonnaisischen, Champagner, normännischen) Schweine und die frühern großen englischen Schweine.
2) Das kurzohrige S. hat Hochbeinigkeit, Flachrippigkeit und Karpfenrücken mit dem großohrigen gemeinsam. Der Rumpf ist aber nie so lang gestreckt wie bei letzterm; die Ohren sind klein, aufrecht stehend oder schwach nach vorn geneigt; die Augenachse ist länger im Verhältnis zu den andern Dimensionen des Kopfes, die Stirn höher und breiter. Es ist mehr Niederungsrasse und vorzugsweise durch das mittlere Deutschland verbreitet.
3) Das kraushaarige S. Gesicht unterhalb der Augen schmal, spitz in den Rüssel übergehend, Ohren wenig länger als der Raum zwischen Ohröffnung und Auge, aufrecht oder schwach nach vorn geneigt, Rumpf kurz, Rippen flach, Rücken konvex, scharfgrätig, Länge der Beine gleich der Tiefe der Brust, Körper stark behaart, Borsten kraus, Farbe asch- bis schwarzgrau; dasselbe ist über den Südosten Europas, namentlich über Ungarn, Slawonien, die Donaufürstentümer, die Türkei, Südrußland, und über die westlichen Teile von Mittelasien verbreitet.
4) Das romanische S. Kopf kurz im Verhältnis zur Breite, Gesicht eingeknickt in der Augenachse, Stirn vorstehend und gerunzelt, Rüssel schlank, Backen dick, Ohren länger als der Raum zwischen Ohröffnung und Auge, nach vorn geneigt, nicht schlaff hängend, lanzettförmig zugespitzt, Falten über dem Auge, keine deutliche Halsfläche, Rippen gewölbt, Rücken breit und geradlinig, Kreuz abschüssig, Beine kürzer als die Brusttiefe. Behaarung schwach, Farbe dunkel, schwarz oder dunkel aschgrau, sehr selten feuerrot. Die Tiere sind klein, aber gute Futterverwerter. Die Anklänge an den Typus des indischen Schweins sind unverkennbar. Es gehören zu dieser Rasse das portugiesische, das französische Périgord- und das italienische S.
5) Die englischen Schweine. Seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist es den englischen Landwirten nach dem Vorgang Bakewells in Dishley und dessen Schülers Colling gelungen, durch Einführung indischer und romanischer Schweine und Kreuzung derselben mit dem einheimischen großohrigen S. sowie durch sorgfältige Pflege und Fütterung ein Tier zu erzielen, das sich durch schnelle Entwickelung und große Mastfähigkeit auszeichnet. Bei der Züchtung dieser neuern englischen Kulturrassen ist der Hauptgesichtspunkt auf die größtmögliche Entwickelung aller nutzbaren Teile gerichtet gewesen, während die nicht oder wenig nutzbaren Teile, wie Kopf und Beine, auf das kleinste Maß beschränkt wurden.
Der Kopf dieser Rassen ist klein, kurz, in der Profillinie eingesenkt, mit dicken, muskulösen Backen und kurzen, aufrecht stehenden Ohren versehen. Die Kopflänge, vom Auge bis zur Rüsselspitze, erreicht nur den 9., bei den größern Rassen sogar nur den 11. Teil der Körperlänge, während bei dem natürlichen oder Landschwein dieses Verhältnis sich auf 1:6 stellt. Der Hals ist kurz, der Leib gedrungen, breit, tonnenförmig, von Parallelogrammform; der Rücken ist gerade oder etwas eingesenkt, das Kreuz nur wenig abschüssig, der Schwanz leicht geringelt.
Die Brust ist tief, die Beine sind kurz, voll und fleischig. Das Knochengerüst ist fein und leicht, ebenso die Haut fein und oft nahezu nackt, bei den neuern Zuchten jedoch spärlich mit feinen Haaren bedeckt. Die Tiere zeichnen sich durch Frühreife, gute Futterverwertung und große Mastfähigkeit aus, Vorzüge, welche durch das denselben eigne phlegmatische Temperament wesentlich gefördert werden. Anderseits zeigen sie sich aber auch sehr empfindlich gegen die Einflüsse der Witterung und stehen in der Fruchtbarkeit weit hinter den Tieren der natürlichen Rassen zurück.
Beides gilt besonders von der ursprünglich durch Paarung mit der romanischen Rasse hergestellten kleinern Zucht, bei der man die Frühreife und Mastfähigkeit etwas zu weit getrieben hatte auf Kosten der Widerstandsfähigkeit des Körpers und der Fruchtbarkeit. Fester und fruchtbarer sind die Tiere der großen Zuchten, in denen mehr von dem Blute des alten englischen Landschweins steckt. Freilich ist die Körperentwickelung bei diesen auch eine langsamere und das Verhältnis der nutzbaren und nicht nutzbaren Teile ein ungünstigeres. In neuerer Zeit hat man Mittelrassen produziert, in denen die Vorzüge der kleinen und großen Zuchten gut vereinigt sind. Man unterscheidet sonach englische Rassen der kleinen, der großen und der mittelgroßen Zucht. Die Körperunterschiede sind, abgesehen von Farbe und Größe, gering; Parallelogrammform des Rumpfes, Kleinheit der Beine und des Kopfes sind allen eigen.
a) Rassen der kleinen Zucht (small breed):
1) schwarze Essex (die verbreitetste), Sussex, Suffolk;
2) weiße Yorkshire (s. Tafel), Windsor, Coleshill.
b) Rassen der großen Zucht (large white breed): Leicester, Yorkshire, Suffolk, Lincolnshire, Lancashire.
c) Rassen der mittelgroßen Zucht (middle breed).
1) bunte Berkshire (s. Tafel), Hampshire (s. Tafel);
2) weiße Yorkshire, Suffolk.
Nach dem Kontinent und namentlich nach Deutschland sind seit Jahrzehnten in sehr großer Zahl englische Schweine eingeführt und entweder rein in sich fortgezüchtet oder zur Verbesserung der einheimischen Schweine der natürlichen Rassen verwandt worden. Die letztern werden mehr und mehr verdrängt, die reinen Landschweine werden immer seltener, während die Schweine der englischen Kulturrassen (die edlen) als Vollblut- oder Halbbluttiere von Jahr zu Jahr weiteres Terrain erobern.
Die amerikanischen Hausschweine, welche neuerdings eine große Bedeutung durch den Massenimport von Speck und Schmalz bei uns erlangt haben, sind durch von auswärts eingeführte und miteinander gekreuzte Rassen entstanden; dasselbe gilt von dem Kapschwein in Afrika, während sich außerdem in diesem Erdteil und in Australien einheimische, von den Eingebornen gezähmte Hausschweine finden, dort das Senaar- und das guineische S., hier das Papuaschwein.
Schweinezucht.
Bei dem Betrieb der Schweinezucht hat man nur die Produktion von Fleisch und Fett im Auge. In den kultivierten Wirtschaften unsrer Gegenden
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spaltet sich aber der auf einer niedern Kulturstufe einheitliche Betrieb in drei verschiedene Weisen. Bei dem einen hält man Mutterschweine zum Zweck der Produktion und des Verkaufs von Gebrauchs- und Zuchtferkeln; bei dem andern kauft man Ferkel an oder züchtet sie auch wohl selbst, um sie aufzuziehen und erwachsen im magern Zustand an Mäster zu verkaufen (Läufer- oder Faselschweinhaltung); bei dem dritten kauft man erwachsene magere Schweine, um sie zu mästen und fett zu veräußern.
Die Wahl der Betriebsweise richtet sich nach den vorhandenen Futtermitteln und den Absatzverhältnissen. Der Ferkelverkauf ist die unsicherste Betriebsart wegen der Schwierigkeit der Aufzucht und des Schwankens der Preise; anderseits ist der Verkauf von Ferkeln aber der lohnendste, wenn viele derselben als Zuchttiere abgesetzt werden. Läuferhaltung ist am Platz in solchen Wirtschaften, welche nur vorübergehend (wie z. B. bei nur im Winter im Betrieb stehenden Brennereien) Schweinefutter zur Verfügung und bei einer zahlreichen Bevölkerung der Umgegend leichten Absatz der aufgezogenen Schweine zur Mästung in Haushaltungen haben. Mästung (abgesehen von der für den Hausbedarf) ist nur lohnend in Wirtschaften mit technischen Gewerben, die genügende Abfälle bieten, oder vorübergehend, wenn die Ernte große Mengen von Hinterkorn ergeben hat, oder wenn das Getreide sich durch den Verkauf schlechter verwertet.
Nur dort, wo die Schweine auf der Weide groß gezogen werden und größtenteils im Freien sich aufhalten sollen, wählt man Tiere der natürlichen Rassen. Wo die Fütterung aber lediglich im Stall stattfindet, sind jene als schlechte Futterverwerter nicht am Platz. Da erscheinen nur englische Schweine geeignet, für deutsche Verhältnisse freilich solche mit nicht zu dünner und nackter Haut. Je nachdem man Fleisch- oder Speckschweine ziehen will, wählt man entweder die kleinen, sich früh entwickelnden Rassen, die ein zartes, feines, mit Fett durchwachsenes, aber nicht zu speckiges Fleisch liefern, oder die Tiere der großen Zuchten, welche im ausgemästeten Zustand große Mengen von Schmalz, kernige Speckseiten und feine Schinken ergeben.
Zur Beurteilung des Alters der Schweine gewähren das Hervorkommen und der Wechsel der Zähne Anhaltspunkte, wie die folgende Tabelle zeigt:
Zähne | Ausbruch der Milchzähne im Alter von: | Wechsel d. Milchzähne im Alter von: | Ausbruch der Zähne, denen kein Milchzahn vorangeht, im Alter von: |
---|---|---|---|
Zangen (incisivi 1) | 4 Wochen | 12 Mon. | - |
Mittelzähne (incisivi 2) | 3 Monaten | 18 " | - |
Eckzähne (incisivi 3) | vor d. Geburt | 9 " | - |
Hakenzähne (canini) | " " " | 9 " | - |
Prämolaren 4 (Lückenz.) | - | - | 6 Monaten |
" 3 (1. Backenz.) | 5-6 Wochen | 13 Mon. | - |
" 2 (2. ") | 8-14 Tagen | 12 " | - |
" 1 (3. ") | 8-14 " | 12 " | - |
Molaren 1 (4. ") | - | - | 6 Monaten |
" 2 (5. ") | - | - | 9 " |
" 3 (6. ") | - | - | 18 " |
Bei der Auswahl der Zuchtschweine hat man das Hauptaugenmerk auf die Körperform zu richten. Der Kopf muß kurz, mit einem fein zulaufenden Rüssel und mit starken, fleischigen Backen versehen, die Stirn aufrecht, die Profillinie eingesenkt, die Augen müssen munter, freundlich, nicht heimtückisch, die Haut über denselben in Falten, die Ohren nicht zu groß, noch dickhäutig, das Genick kräftig und breit, der Hals kurz und voll, der Widerrist breit, mit dem Rücken in einer Ebene verlaufend, der Rücken gerade oder höchstens ganz wenig eingesenkt, das Kreuz breit, der Schwanz hoch angesetzt, die Rippen gut gewölbt, die Brust tief, der Leib im ganzen lang sein.
Der Rumpf soll annähernd Parallelogrammform besitzen, die Beine kurz, stämmig, an den Oberschenkeln fleischig, die Haut mit feinen Borsten besetzt sein. Flachrippigkeit, Karpfen- oder stark eingesenkter Rücken, spitz zulaufendes Kreuz sowie Hochbeinigkeit sind verwerflich. Das männliche Tier, der Zuchteber, darf außerdem keinen plumpen, schweren Kopf haben; sein Hinterteil muß besonders kräftig, die Schenkel breit gestellt, nicht zu fein und nicht übermäßig kurz, er selbst von reger Begattungslust und nicht bösartig sein.
Man verwendet ihn erst im Alter von etwa einem Jahr zum Springen. Im zweiten und dritten Lebensjahr ist er am leistungsfähigsten und fruchtbarsten. Später erhält er eine Neigung zum Fettwerden, wird deshalb schwerfällig und träge beim Springen. Die Zuchtsau soll in ihrer ganzen Erscheinung das Gepräge der Weiblichkeit zeigen, namentlich einen leichten Kopf mit feinem Rüssel haben, außerdem einen möglichst langen Leib, damit das Gesäuge recht ausgedehnt sei und womöglich mehr als zwölf Zitzen aufweise; das Hinterteil muß eine gehörige Breite haben, damit die Jungen sich gut entwickeln und die Geburt leicht von statten geht.
Ein großes Gewicht ist auch auf eine feine, mit Haaren gleichmäßig besetzte Haut und auf ein ruhiges Temperament zu legen. Im Alter von 10-14 Monaten können die jungen Sauen zur Zucht benutzt werden. Bis zum Alter von 3-4 Jahren sind sie am fruchtbarsten, dann werden sie zu beleibt und müssen in den Maststall gebracht werden. Manche bleiben indessen bis zum Alter von sechs Jahren zur Zucht brauchbar. Die Zeit der Zulassung der Sau zum Eber richtet sich nach dem Eintritt der Brunst, des »Rauschens«, welches 30-40 Stunden dauert und, wenn die Sau nicht oder ohne Erfolg besprungen wurde, nach 3-4 Wochen wiederkehrt.
Bei geordnetem Betrieb läßt man die Sau im März und September ferkeln. Da sie nahezu vier Monate trägt, so muß der eine Sprung in den November, der andre in den Mai fallen, immer etwa acht Wochen nach der Geburt. Ein Eber genügt für 25-40 Sauen. Zum Zweck des Springens läßt man Eber und Sau in einem geräumigen Stall oder in einem umschlossenen Hofraum zusammen, am besten etwa 12 Stunden nach Eintritt der Brunst. Kehrt das Rauschen bei der Sau nicht wieder, so gilt sie als trächtig.
Während der Trächtigkeit muß die kräftige Entwickelung des Fötus durch verdauliche und ausreichende Nahrung gefördert werden. Bei zu starker Fütterung wird die Sau fett, und die Entwickelung der Frucht leidet. Schwerverdauliches, stopfendes und blähendes Futter anderseits, ebenso Hetzen und Jagen des tragenden Tiers begünstigen das Verwerfen. Die jungen Ferkel sucht man nach 2-3 Wochen durch Vorsetzen von Milch an die Aufnahme von Futter zu gewöhnen. Daneben gibt man weiterhin etwas ganze Gerste, bringt die Ferkel bei guter Witterung bald ins Freie und nimmt sie von der Mutter im Alter von etwa sechs Wochen. Nach dem Absetzen bringt man sie in einen reinen, warmen Stall und reicht ihnen in der ersten Zeit reine, frische Kuhmilch fünf bis sechsmal des Tags, pro Tag und Stück etwa 2 Pfd. Nach einigen Wochen kann ein Teil und dann die ganze Milch abgerahmt gegeben und im Alter von 10-12 Wochen durch Schlickermilch ersetzt
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werden. Als Zusatz zur Milch empfiehlt sich mit heißem Wasser angebrühtes Haferschrot oder Kleie und gedämpfte Kartoffeln. Die nicht zur Zucht bestimmten Ferkel werden am besten noch während der Saugzeit im Alter von 4-5 Wochen kastriert. Das männliche kastrierte S. wird Bark oder Bork, das weibliche Nonne genannt. Für Schweine, die heranwachsen, um später in den Maststall gebracht zu werden, gelten pro Tag und auf 1000 kg Lebendgewicht berechnet folgende Futternormen:
Alter in Monaten | Lebendgewicht | Organische Substanz | Verdauliche Stoffe: | Nährstoff- | |
---|---|---|---|---|---|
Eiweiß | Kohlehydrate und Fette | verhältnisse | |||
2-3 | 25 km ^[richtig: kg] | 42.0 kg | 7.5 kg | 30.0 kg | 1:4.0 |
3-5 | 50 " | 34.0 " | 5.0 " | 25.0 " | 1:5.0 |
5-6 | 62 " | 31.5 " | 4.3 " | 23.7 " | 1:5.5 |
6-8 | 85 " | 27.0 " | 3.4 " | 20.4 " | 1:6.0 |
8-12 | 125 " | 21.0 " | 2.5 " | 16.2 " | 1:6.5 |
Für Zuchtsauen berechnet man auf 100 kg die Tagesration nach folgender Futternorm in Kilogrammen: Trockensubstanz 2,0, stickstoffhaltige Nährstoffe 0,18, stickstofffreie Nährstoffe 0,42, Nährstoffverhältnis 1:8. Zu den gebräuchlichsten Nahrungsmitteln gehören Kartoffeln oder Rüben im gekochten und gequetschten Zustand, denen man Weizen-, Roggen- oder Buchweizenkleie, Gerstenschrot, gekochte Erbsen, Biertreber und Malzkeime, kleine Quantitäten Ölkuchen oder abgerahmte, saure Milch oder auch Molke zusetzt.
Die saure Milch erhöht die Verdaulichkeit des Rohproteins und Fettes in den gleichzeitig verfütterten Erbsen und Gerste. Auch Scheunenabfälle, wie Spreu und Kaff, werden zweckmäßig als Schweinefutter verwertet, besonders wenn man sie mit heißer Schlempe oder heißem Wasser anbrüht. Im Sommer liefern Klee und Luzerne in möglichst jungem Zustand, auch grüne Unkrautpflanzen und Rübenblätter ein gedeihliches Futter. Daneben kann man unreifes Obst, Eicheln und Bucheln reichen. Alles Futter muß den Schweinen in zerkleinertem, möglichst verdaulichem und warmem Zustand, am besten in dickflüssiger Form dreimal am Tage gegeben werden. Hiervon und von der Regelmäßigkeit der Verabreichung hängt der gute Erfolg ab. Außerdem ist den wachsenden wie den Mutterschweinen täglich eine mehrstündige Bewegung auf einem Vorhof oder Acker, in dem sie wühlen können, ohne Schaden anzurichten, dringend nötig.
Der Stall der Schweine muß trocken gelegen, gegen rauhe Winde geschützt und mit einzelnen Abteilungen für die Altersklassen und Geschlechter versehen sein. Man berechnet für ein Läuferschwein 0,6-1,2, für einen Zuchteber 2,4, für eine Sau mit Ferkeln 3-4,5 qm Stallraum. Der Boden soll fest, am besten asphaltiert, nach einer Seite etwas gesenkt und mit Jaucherinnen versehen sein, damit die Jauche abfließen und abgeschwemmt werden kann. Reichliche Einstreu verhütet die Erkältung, tägliches Ausmisten und gute Ventilation die Luftverderbnis.
Die Stalltemperatur muß 12,5-15° C. betragen. Die ausgewachsenen Schweine werden in den Maststall gebracht, die kleinen Fleischschweinerassen im Alter von 8-10 Monaten, die großen, zu Speckschweinen bestimmten Tiere mit 1½-2 Jahren. Die günstigste Zeit zur Stallmast ist der Herbst oder Winter. Halbmast kann nach 8 Wochen abgeschlossen sein, volle Speckmast dauert 16-18 Wochen. Für den Verkauf ohne Bonitierung ist die erstere rentabler. Die Futternorm für Mastschweine beträgt pro Tag und 1000 kg Lebendgewicht in Kilogrammen:
Organische Substanz | Verdauliche Stoffe: | Nährstoff- | ||
---|---|---|---|---|
Eiweiß | Kohlehydrate und Fette | verhältnis | ||
1. Periode | 36.0 | 5.0 | 27.5 | 1:5.5 |
2. " | 31.0 | 4.0 | 24.0 | 1:6.0 |
3. " | 23.5 | 2.7 | 17.5 | 1:6.5 |
Mit fortschreitender Mast wird die Futtermenge also geringer, das Nährstoffverhältnis ein weiteres. Die gewöhnlichsten Mastfuttermittel sind gekochte Kartoffeln mit Gerstenschrot und Molkereiabfällen oder mit Biertrebern und Schlempe. Auch Erbsen und Bohnen sowie Ölkuchen kann man den Kartoffeln hinzufügen, nur muß man diese in der letzten Zeit fortlassen; denn erstere geben dem Fleisch einen bittern Geschmack, nach letztern wird Fleisch und Speck locker, triefend und thranig. In neuester Zeit mästet man auch vorteilhaft mit Kartoffeln und Fleischmehl (0,5 kg Fleischmehl neben 7-11 kg Kartoffeln für 100 kg Körpergewicht pro Tag). Zuweilen erweist sich eine Zugabe von Kochsalz (15 g pro Kopf und Tag) zum Mastfutter zweckmäßig. Reinlichkeit und Dunkelheit des Stalles, Regelmäßigkeit der Fütterung und Abhaltung jeder Aufregung unterstützen den Masterfolg wesentlich.
Außer dem Fleisch und Fett werden auch die Gedärme verwendet als Wursthüllen, die Schwarte als Material zu verschiedenen Sattlergegenständen und zu Einbänden für Bücher, die Borsten, namentlich die von Landschweinen, zur Fabrikation von Pinseln, Bürsten wie auch bei der Mörtelbereitung. Vgl. Viehhandel. Von den Krankheiten des Schweins sind die wichtigsten: der Rotlauf, die infektiöse Lungenentzündung, die katarrhalische Lungenentzündung, die Maul- und Klauenseuche, der Hitzschlag (akute Herzinsuffizienz), der Gastrizismus infolge Überfressens, der Katarrh der Kopfschleimhäute (Schnuffelkrankheit), die Rachitis, die Bleichsucht (chronische Abmagerung) und der chronische Durchfall. Zuweilen ist das Fleisch von Finnen und Trichinen durchsetzt, welche den Genuß desselben für Menschen gefährlich machen (s. Bandwürmer und Trichine).
Vgl. H. v. Nathusius, Die Rassen des Schweins (Berl. 1860);
Derselbe, Vorstudien zur Geschichte und Zucht der Haustiere, zunächst am Schweineschädel (das. 1864);
Fitzinger, Über die Rassen des zahmen oder Hausschweins (Wien 1858);
v. Rodiczky, Studien über das S. (das. 1872);
Baumeister, Anleitung zur Schweinezucht (4. Aufl. von Rueff, Stuttg. 1871);
Rohde, Die Schweinezucht (3. Aufl., Berl. 1883);
Krafft, Die Tierzuchtlehre (4. Aufl., das. 1885);
Wolff, Rationelle Fütterung der landwirtschaftlichen Nutztiere (4. Aufl., das. 1885);
Heiden, Untersuchungen über die zweckmäßigste Ernährung des Schweins (Hannov. 1879);
May, Die Schweinezucht (Berl. 1880);
Junghanns und Schmid, Das S. (Stuttg. 1885);
Krichler, Das Schwarzwild, Naturgeschichte, Jagd, Fang (Trier 1887).