Schwefelsäure
H2SO4 findet sich im freien Zustand in einigen Gewässern Südamerikas, welche auf vulkanischem Gebiet entspringen, z. B. im Rio Vinagre, der täglich 37,600 kg S. liefert, und in einigen Wassern Louisianas, von denen eins 5,29 g S. in 1 Lit. enthält. Sehr weit verbreitet findet sich S. an Basen gebunden in Form von Schwefelsäuresalzen, besonders als schwefelsaurer Kalk, schwefelsaure Magnesia und schwefelsaures Alkali (vgl. Schwefel). Sie entsteht bei Oxydation von Schwefel und schwefliger Säure, beim Lösen von Schwefelsäureanhydrid in Wasser und als Schwefelsäuresalz beim Rösten von Schwefelmetallen. Schweflige Säure, welche sich an der Luft nur langsam in S. verwandelt, erleidet diese Oxydation schnell, wenn Salpetersäure oder andre höhere Oxyde des Stickstoffs gegenwärtig sind, welche dabei zu Stickstoffoxyd reduziert werden. Letzteres bildet aber bei Gegenwart von Luft Stickstofftetroxyd, und dies wird durch schweflige Säure bei Gegenwart von Wasser wieder zu Stickstoffoxyd reduziert. Unter abwechselnder Reduktion und Regeneration einer und derselben geringen Menge von höhern Oxyden des Stickstoffs kann also theoretisch eine unbeschränkte Menge schwefliger Säure in S. verwandelt werden, und hierauf beruht die Darstellung derjenigen S., welche zuerst als englische in den Handel kam und bisweilen auch jetzt noch so bezeichnet wird.
Die schweflige Säure wird in den Schwefelsäurefabriken durch Verbrennen von Schwefel nur noch erzeugt, wenn es sich um Gewinnung arsenfreier S. handelt; meist erhält man sie durch Rösten von Schwefelkies (Pyrit), verarbeitet aber auch kupfer- und silberhaltige Kiese und gewinnt aus denselben nach dem Abrösten Kupfer und Silber. Die beim Rösten von Kupferkies, Zinkblende, Kupferrohstein, Bleistein etc. auftretende schweflige Säure, welche bei Hüttenprozessen früher als lästiges Nebenprodukt entwich, wird gegenwärtig ebenfalls auf S. verarbeitet (metallurgische S.). Zum Rösten der Kiese, welche, einmal bis zur Rösttemperatur erhitzt, in größern Partien fortbrennen, benutzt man kleine, niedrige Schachtöfen (Kilns), welche stets in Gruppen angewandt und in der Art betrieben werden, daß man eine regelmäßige Gasentwickelung erhält. Fig. 1 und 2 zeigen einen Kiesröstofen in Vorderansicht, Längs- und Querschnitt. a ist die Arbeitsthür mit der Schiebeklappe b zum Beobachten des Ofeninnern, c c sind die Thüren für die Roste und d für den Aschenfall, e ist eine kleine Arbeitsthür, und f führt in den Zugkanal. Die Pyrite, welche 35-50 Proz. Schwefel enthalten, werden so weit abgeröstet, daß die wesentlich aus Eisenoxyd bestehenden Abbrände nur noch 3 Proz. Schwefel enthalten. Die Kiesschliche, welche beim Zerkleinern der Pyrite entstehen und nicht in die Kilns gebracht werden dürfen, weil sie den Zug hemmen würden, formt man durch Anrühren mit Wasser und Trocknen in Stücke, welche sich für die Verarbeitung in den Kilns eignen, oder man röstet sie in letztern auf Platten über dem brennenden Stückkies oder läßt sie in einem turmartigen Apparat auf geneigten Platten herabrutschen den Röstgasen entgegen, welche aus einem Kiln entweichen. Auch benutzt man den Gerstenhöferschen Röstofen, in welchem sie, nachdem derselbe weißglühend gemacht worden, von horizontal liegenden prismatischen Thonstäben aufgehalten, allmählich dem oxydierenden Luftstrom entgegen herabrieseln, so daß sie mit fortschreitender Röstung beständig sauerstoffreicherer Luft begegnen.
Die aus den Röstöfen entweichenden Gase enthalten etwa 7-8 Volumprozent schweflige Säure und passieren bei Verarbeitung von Schlichen zunächst Flugstaubkammern, um den aus den Öfen mechanisch fortgerissenen Staub ablagern zu lassen. Sie werden dann in gußeisernen Röhren gekühlt, auch zur Heizung von Abdampfpfannen benutzt, gegenwärtig aber häufiger sogleich in den Gloverturm geleitet. Auf die eine oder die andre Weise hinreichend abgekühlt, ge-
^[Abb.: Fig. 1 u. 2. Kiesröstofen. Fig. 1. Längsschnitt. Fig. 2. Querschnitt.]
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langen sie zur Oxydation der schwefligen Säure in die Bleikammern. Diese werden aus Bleiplatten von 2,6-3 mm Stärke, die mit Hilfe des Knallgasgebläses zusammengelötet sind, konstruiert und erhalten einen Rauminhalt von 800-2000 cbm. Sie sind von Holzgerüsten umgeben und ruhen auf eisernen oder hölzernen Gerüsten, unter welchen die Röstöfen und Abdampfpfannen aufgestellt werden. Die Gase, welche aufeinander einwirken sollen, durchströmen die Kammern von der einen Schmalseite zur andern, und gewöhnlich sind 3-4 Kammern zu einem System vereinigt und durch weite Bleiröhren miteinander verbunden. Die zur Oxydation der schwefligen Säure bestimmte Salpetersäure wird aus Chilisalpeter und S. in einer besondern Abteilung der Kilns entwickelt. In Fig. 1 ist h ein Halbcylinder, der in dem Raum g auf der Platte i steht und durch den Trichter k gespeist wird, so daß sich die Salpetersäuredämpfe mit den Röstgasen mischen. Man stellt aber auch in der Bleikammer flache irdene Schalen mit breitem Überlaufschnabel treppenartig zu einem Kaskadenapparat zusammen und läßt Salpetersäure langsam durch alle Schalen strömen, so daß sie der schwefligen Säure eine große Oberfläche darbietet. Den zur Bildung der S. erforderlichen Wasserdampf leitet man aus einem Dampfkessel in der Richtung der Strömung der Gase in die Bleikammern. Die zweckmäßige Zusammensetzung der Gase, d. h. das richtige Verhältnis zwischen Sauerstoff und schwefliger Säure, erreicht man durch den richtigen Gang der Öfen, einen der letzten Kammer angefügten Schornstein oder durch ein vertikales Abzugsrohr. Die Temperatur in den Kammern beträgt etwa 45-50°. Der oben angedeutete Schwefelsäurebildungsprozeß verläuft am energischten in der ersten Kummer und vollendet sich in den folgenden Kammern, so daß in der letzten die schweflige Säure verschwunden ist und rote Dämpfe von Stickstofftetroxyd und salpetriger Säure die Kammer erfüllen. Man erreicht dieses Resultat mit etwa 3-4 Proz. Salpeter vom Gewicht des verbrannten Schwefels, muß dann aber, um Verluste an Salpetergasen zu vermeiden, einen Gay-Lussacschen Turm anfügen. Dieser ist 8-15 m hoch, aus Bleiplatten konstruiert und mit Koks gefüllt. Letztere ruhen auf einer Art Rost aus hart gebrannten Thonsteinen. Die Gase gelangen aus der letzten Bleikammer durch das Rohr A (Fig. 3) in den Turm und passieren dabei den Ventilkasten B, welcher eventuell die direkte Abführung der Gase in die Luft durch das Rohr C gestattet. Die Gase steigen in feiner Verteilung in der Kokssäule auf, während gleichzeitig möglichst kalte konzentrierte S. von etwa 62° B. über die Koks herabrieselt und die Salpetergase absorbiert. Die von letztern befreiten Gase ziehen durch die Rohre D und C ab und passieren dabei den Ventilkasten E, welcher bei direkter Abführung der Gase die Verbindung des Rohrs C mit dem Turm unterbricht. Die Lösung der Salpetergase in der S. (Nitrose) fließt in das Reservoir R. Die konzentrierte Säure zur Speisung des Turms passiert aus dem Behälter J eine Vorrichtung, durch welche sie gleichmäßig über die Koks verteilt wird. Die Nitrose, welche beim Verdünnen mit Wasser lebhaft rote Salpetergase entwickelt, läßt man entweder mit warmem Wasser zusammenfließen und den Kaskadenapparat passieren, oder man läßt sie in stehenden Cylindern (Kochtrommeln) über Quarzstücke herabrinnen, während am Boden der Cylinder Wasserdampf einströmt und die Salpetergase entbindet, die dann in die Bleikammern geleitet werden; vorteilhafter aber benutzt man den dem Gay-Lussacschen Turm ähnlich konstruierten Gloverturm, welcher mit der Nitrose und Kammersäure (der in den Bleikammern sich sammelnden, noch nicht weiter konzentrierten S.) gespeist wird, während die heißen Gase aus den Kilns unten eintreten und der Säure entgegenströmen. Hierbei findet vollständige Austreibung der Salpetergase (Denitrierung) statt, und die gesamte Säure wird ohne weitere Kosten auf eine Konzentration von 62° B. gebracht, während die Gase zweckmäßig abgekühlt aus dem Turm direkt in die Bleikammern gelangen.
Die Kammersäure, welche 50, höchstens 55° B. stark ist, kann für manche Zwecke direkt benutzt werden, der Gloverturm liefert sogar S. von 60-62° B.; wo aber ein solcher Turm nicht vorhanden ist und stärkere Säure dargestellt werden soll, verdampft man die Kammersäure in Bleipfannen bis 60 oder 62° B. (Pfannensäure). Bei weitem der größte Teil der S. wird in dieser Konzentration (zur Soda- und Superphosphatfabrikation) verbraucht. Für den Handel aber stellt man konzentrierte S. (66, oft nur 65° B.) dar und zwar durch Verdampfen in Glas- oder Platingefäßen, da Blei zu stark angegriffen werden würde. Einen Platinapparat zeigt Fig. 4. Der Kessel a besteht aus Platinplatten, welche mit dem Knallgasgebläse zusammengelötet sind, und ruht auf dem eisernen Ring c. Die Kammersäure läuft aus dem Hahn b durch ein Rohr auf den erhitzten dicken Boden des Kessels, wo sie rasch konzentriert wird, während der Wasserdampf durch das Rohr l entweicht. Sowie die Säure das Niveau des Trichters d erreicht hat, fängt sie an abzufließen und gelangt durch e in das Platingefäß f, um welches ein Strom kalten Wassers in g fließt. Wenn das Gefäß gefüllt ist, läuft die Säure durch ein Heberrohr in das ebenfalls durch Wasser gekühlte Steingutgefäß h und von da durch das Heberrohr i welches aus Blei oder Steingut besteht, in den Be-
^[Abb.: Fig. 3. Gay-Lussacscher Turm.]
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hälter k, aus welchem sie in die Ballons abgelassen wird. Der Prozeß geht ununterbrochen fort, wenn die Kammersäure in richtigem Verhältnis zufließt. Sehr häufig benutzt man statt des Platinapparats auch Glasretorten, welche etwa 135 Lit. fassen, aus einem flaschenförmigen Gefäß und Helm bestehen und einzeln in Kapellen mit Sandbad mit eigner Feuerung aufgestellt sind. Man füllt die Retorten, von denen etwa 20-50 in einem durchaus zugfreien Haus im Betrieb sind, mit warmer, 60gradiger Säure, feuert etwa 12 Stunden, läßt dann 12 Stunden abkühlen und zieht die konzentrierte Säure mit einem Heber ab. Unter Anwendung terrassenförmig aufgestellter und durch Heber miteinander verbundener Retorten kann man auch kontinuierlichen Betrieb erzielen, indem die S. aus einer Retorte in die andre und zwar aus der von der gemeinsamen Feuerung entferntesten allmählich in die am stärksten geheizte Retorte gelangt.
Theoretisch sollten 100 Teile Schwefel 306,25 Teile S. liefern; man erhält aber im Durchschnitt aus Rohschwefel 296-300 und aus Pyrit auf 100 Teile wirklich verbrannten Schwefel 283-301 Teile S. Die Kammersäure wird häufig mit Schwefelwasserstoff behandelt, welche S. neben Arsen auch Blei, Antimon, Kupfer, Selen fällt und salpetrige Säure, Salpetersäure und schweflige Säure zerstört. Die konzentrierte S. des Handels ist oft durch hineingefallenen und zum Teil verkohlten Staub mehr oder weniger braun gefärbt; sie enthält meist etwas schwefelsaures Bleioxyd, welches sich beim Verdünnen abscheidet, gewöhnlich auch Salpetersäure oder Oxyde des Stickstoffs und Arsen. Reine S. erhält man durch Aufkochen der etwas verdünnten Säure des Handels mit schwefelsaurem Ammoniak (zur Entfernung der Oxyde des Stickstoffs) und Zugeben von chromsaurem Kali (zur Oxydation der arsenigen Säure). Man gießt von ausgeschiedenem Bleisulfat ab, destilliert aus dem Sandbad, wobei nur die Seiten der Retorte erhitzt werden dürfen, und vermeidet das Stoßen durch Einlegen von Platindraht oder Platinblechschnitzeln. Wenn 0,16 Volumen übergegangen ist, wechselt man die Vorlage und destilliert, bis von 10 Teilen roher S. 6 Teile in der Vorlage sich befinden.
Reine S. ist farb- und geruchlos, fließt wie Öl, raucht nicht an der Luft, zischt nicht beim Eingießen in Wasser und wirkt höchst ätzend. Sie besitzt das spez. Gew. 1,840, enthält noch 1,5 Proz. Wasser und siedet bei 338°, in der Kälte kristallisiert aber wasserfreie S. heraus, welche bei 10,5° schmilzt und das spez. Gew. 1,857 besitzt; sie beginnt bei 290° zu sieden, gibt Schwefelsäureanhydrid ab und hinterläßt unter Steigerung der Temperatur eine Säure von oben angegebener Beschaffenheit. S. zieht aus der Luft begierig Wasser an und entwickelt beim Verdünnen mit Wasser viel Wärme. Man muß stets, wenn man S. mit Wasser mischen will, die Säure vorsichtig und unter Umrühren in das Wasser gießen, niemals umgekehrt, weil sonst durch plötzliche Dampfbildung die Säure umhergeschleudert werden würde. Den Gehalt verdünnter S. von verschiedenem spezifischen Gewicht zeigt nebenstehende Tabelle (S. 731).
S. ist eine starke Säure; sie neutralisiert die stärksten Basen vollständig und bildet zwei Reihen Salze; sie treibt die andern Säuren aus ihren Verbindungen aus und wird selbst regelmäßig nur durch nicht flüchtige Säuren in hoher Temperatur deplaciert. Sie löst die meisten Metalle entweder als verdünnte Säure unter Entwickelung von Wasserstoff oder als konzentrierte Säure unter teilweiser Reduktion zu schwefliger Säure. Platin wird von konzentrierter S. nicht angegriffen, Gußeisen widersteht einer Säure von höherm spezifischen Gewicht als 1,65 in der Wärme und in der Kälte sehr gut, und Blei wird nur von Säure angegriffen, welche ein höheres spezifisches Gewicht besitzt als 1,71. Auch durch Kohle, Schwefel, Phosphor und bei 160° durch Wasserstoff wird sie zu schwefliger Säure reduziert. Leitet man den Dampf von S. durch glühende Röhren, so zerfällt er in schweflige Säure, Sauerstoff u. Wasser. Organischen Stoffen entzieht S. die Elemente des Wassers, oft unter tief greifender Zersetzung, Verkohlung, Entwickelung von Kohlenoxyd, Kohlensäure, schwefliger Säure. Alkohol wird durch S. in Äthylen u. Wasser zerlegt, und bei Einwirkung minder konzentrierter Säure entsteht Äther; Glykoside werden durch sie gespalten, Fette in Glycerin und fette Säuren zerlegt, Papier wird von konzentrierter S. in Pergamentpapier umgewandelt, Cellulose und Stärkemehl bei längerer Einwirkung verdünnter S. in Dextrin und Zucker übergeführt etc.
Rauchende S. (Nordhäuser Vitriolöl, Oleum) ist eine Mischung von S. (H2SO4) ^[(H2SO4)] und Pyroschwefelsäure (H2S2O7) ^[(H2S2O7)]. Sie wird dargestellt, indem man Vitriolschiefer (schwefelkieshaltigen Thonschiefer) an der Luft stark verwittern läßt, dann auslaugt, die Lauge, welche schwefelsaures Eisenoxydul und schwefelsaures Eisenoxyd enthält, verdampft, den Rückstand im Flammofen kalciniert und in kleinen irdenen Kolben mit irdenen Vorlagen im Galeerenofen erhitzt. Das schwefelsaure Eisenoxyd zerfällt hierbei in Eisenoxyd (Totenkopf, Caput mortuum), welches in der Retorte zurückbleibt, und
^[Abb.: Fig. 4. Platinapparat zur Konzentrierung der Schwefelsäure.]
Schwefelsäure
(Vitriolöl, Schwefeltrioxid, lat. acidum sulphuricum, oleum vitrioli; frz. acide sulphurique; engl. sulphuric acid.), die wichtigste, unentbehrlichste und stärkste aller Säuren, wird massenhaft verbraucht und daher auch in sehr bedeutenden Mengen erzeugt; der größte Teil alles gewonnenen Schwefels wird in S. verwandelt. Es gibt in der Natur ungeheure Mengen fertiger S. in Form von schwefelsauren Salzen; schon die so häufigen und reichhaltigen Lager von Anhydrit und Gips (schwefelsaurem Kalk) könnten die in ihnen steckende Säure zu Millionen von Zentnern hergeben, wenn man nur dieselbe von der Basis in einer praktischen Weise abzutrennen wüßte. Die schwefelsauren natürlichen Metallsalze, Eisen-, Kupfer-, Zinkvitriol, sind fügsamer und lassen sich durch Hitze, auf dem Wege der trocknen Destillation, die Säure abtreiben. So hat namentlich der am ehesten disponible Eisenvitriol seit alten Zeiten zur Gewinnung der Säure gedient und dient im beschränktem Maße noch dazu. Das Produkt, welches auf diesem Wege erhalten wird, heißt rauchende oder Nordhäuser Schwefelsäure, Nordhäuser Vitriolöl (acidum sulfuricum fumans). Die Großfabrikation dagegen verfolgt ganz andre Wege und geht von der Verbrennung von Schwefel aus, dessen Dämpfe, die schweflige Säure, höher oxydiert, d. h. mit noch mehr Sauerstoff verbunden und dadurch zu S. werden. Dieses Kunstprodukt, das viel wohlfeiler und massenhafter geliefert werden kann, bildet die gewöhnliche oder sog. englische S. (acidum sulfuricum anglicum). Während jene das Produkt der einfachsten Destillation ist, kommt diese durch ein eigentümliches Zusammenspiel chemischer Thätigkeiten zustande. Zur Darstellung der Nordhäuser Säure, die aber jetzt nicht mehr dort, sondern hauptsächlich in Böhmen (Altsattel u. a. O.) betrieben wird, benutzt man auf den Vitriolhütten die von der Kristallisation des Eisenvitriols überbleibenden Mutterlaugen, die man eindampft und kalciniert. Den so erhaltenen Vitriolstein destilliert man dann aus Retorten von feuerfestem Thon unter Glühhitze. Die Vorlagen enthalten ein wenig Wasser oder neuerdings statt dessen auch englische S. Die dampfförmig übergehende wasserfreie S. kondensiert sich hier zur Flüssigkeit, aber zu einer rauchenden; sie stößt an der Luft wasserfreie gasförmige Säure aus, welche sehr flüchtig und wasserbegierig ist, daher aus der Luft sogleich Wasserdämpfe an sich reißt und mit diesen weiße Wolken bildet. Ohne allen Wassergehalt bildet die Säure nämlich einen starren kristallinischen Körper, nach Umständen eine schneeige oder wachsähnliche, sich an der Luft in Gas verwandelnde Masse, und nur mit einer gewissen Wassermenge eine Flüssigkeit. In der Nordhäuser Säure ist die zur Sättigung nötige Wassermenge nicht vollständig vorhanden; sie ist daher um so stärker und ätzender. Sie ist teurer als die englische und hat beschränkte Verwendung in Fällen, wo eine ausnahmsweise starke Säure gebraucht wird. Besonders dient sie zum Auflösen des Indigo, wozu sie sich am besten eignet, namentlich weil sie frei von Salpetersäure ist, mit der die englische häufig verunreinigt ist. Der Destillationsrückstand ist Eisenoxyd (Colcothar, caput mortuum). - Als sogenannte wasserfreie S. (acidum sulfuricum anhydricum) kommt seit einigen Jahren eine feste, weiße kristallinische Säure von England und Böhmen aus in den Handel, die zwar nicht ganz wasserfrei ist, aber doch neben 60% Schwefelsäuremonohydrat 40% wirkliches Schwefelsäureanhydrit enthält. Man versendet sie in eisernen Trommeln bis zu 1 Ztr. Inhalt. Verwendung findet diese Säure bei der Fabrikation des künstlichen Alizarins. Doch hat man neuerdings im Handel auch wasserfreie Säure, die bis zu 99% Anhydrit enthält. Bei der Bereitung der englischen S. findet folgender Vorgang statt. An der Luft und selbst in reinem Sauerstoff verbrannter Schwefel gibt immer nur die durch ihren Geruch bekannte gasförmige schweflige Säure; sie ist zwar begierig, mehr Sauerstoff aufzunehmen und dadurch zu S. zu werden, doch muß ihr, wenn das rasch geschehen soll, der Sauerstoff in einem Zustande der Konzentration, wie z. B. im Platinschwamm, oder in einer lockern Verbindung dargeboten werden, die er leicht aufzugeben geneigt ist. Hierzu benutzt man die Salpetersäure, welche in dem hausgroßen Erzeugungsapparat in Wechselwirkung mit der schwefligen Säure, atmosphärischer Luft und Wasserdampf eine eigentümliche Vermittlerrolle spielt. Der Apparat besteht aus einer Reihe, aus Bleiplatten gefertigter Kammern, bodenlosen Kästen, die an Gerüsten aufgehangen, durch weite Bleiröhren verbunden und unterhalb dadurch geschlossen sind, daß sie mit ihren Rändern in eine Schicht schwacher Säure eintauchen. Am einen Ende wird in einem Ofen Rohschwefel verbrannt oder es werden Schwefelmetalle wie Eisenkiese, Zinkblende abgeröstet. Die in die Kammern ziehende schweflige Säure, welche auch gleich die nötige Luft mitbringt, trifft bald auf Salpetersäure, die in einem Strahle einrinnt und sich über Porzellanplatten ausbreitet. Dies ist die jetzige Praxis, während man früher gleich Schwefel und Salpeter im Gemenge verbrannte. An verschiednen Stellen der Kammern treten nun noch
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Wasserdämpfe in dieselben ein und sie enthalten somit ein langsam durchziehendes Gemisch von Gasen, in welchem eine lebhafte chemische Umsetzung kontinuierlich stattfindet. Die schweflige Säure entreißt der Salpetersäure soviel Sauerstoff, daß sie zu S. wird, die sich mit verdichtetem Wasserdampf niederschlägt. Die Salpetersäure wird hierbei bis zu Stickoxydgas reduziert, dieses aber nimmt aus der mit eingedrungenen Luft wieder Sauerstoff auf und verwandelt sich dadurch in salpetrige Säure, welche den aufgenommenen Sauerstoff wieder an ein neues Quantum schweflige Säure abgibt und so wiederholt sich der Prozeß beständig.
Das Endresultat ist daher immer, daß die Luft den zur Säurebildung nötigen Sauerstoff herzugeben hat und von ihr nur das Stickstoffgas übrig bleibt, welches fortgeschafft werden muß. Am Ende der letzten Kammer steht daher ein Schlot, durch welchen die Gase entweichen und wo durch einen Regen von konzentrierter S. die noch vorhandnen salpetrigen Gase großenteils eingefangen und wieder in den Betrieb zurückgeführt werden. Die sich in den Bleikammern niederschlagende Säure fließt, soweit sie nicht zum Verschluß des Apparats gebraucht wird, immerfort ab.
Sie heißt Kammersäure und hat eine Stärke von etwa 48° Bé., bei welcher sie für manche Fabrikationszweige stark genug ist. Die meiste Säure aber wird durch Eindampfen erst zu größerer Konzentration gebracht, womit zugleich eine Reinigung und Entfärbung bewirkt wird. Das Eindampfen geschieht zunächst durch Sieden in großen flachen Bleipfannen durch direkte Feuerung. Die Kammersäure greift das Blei nur sehr wenig an, und gegen die Hitze von unten schützen Ziegelplatten an den heißesten, Eisenplatten an den vom Feuer entferntesten Stellen. Jedweder Grad von Hitze kann hierbei aber doch nicht gegeben werden, auch würde bei weiterer Konzentration das Blei zu stark angegriffen und zuviel davon gelöst werden; daher wird die Säure auf den Pfannen nur bis auf 60° konzentriert und dann auf Erfordern noch in eine Destillierblase von Platin übergepumpt, das teuerste Stück der Fabrik. Bei der unter der Blase herrschenden stärkern Hitze geht durch das von ihr ausgehende gekühlte Schlangenrohr erst ganz schwache, dann allmählich stärkere Säure über; das Abgetriebene kommt wieder auf die Eindampfpfannen zurück. Zeigt dasselbe 45°, so weiß man, daß das noch in der Blase befindliche 66° hat, und schließt hiermit die Arbeit, indem man die Säure durch einen Heber in die großen, zur Versendung bestimmten Glasballons abläßt, welche etwa 1½ bis 2 Ztr. Säure fassen. Durch die letzte Hitze hat die Säure in der Blase infolge der Zerstörung der färbenden Stoffe ihre braune Farbe verloren und ist wasserhell geworden. -
Zur Reinigung von Salpetersäure, womit die rohe Säure infolge ihrer Bildung immer noch behaftet ist, werden verschiedne Maßregeln getroffen; die Reinigung ist aber öfter unvollständig genug. Die rauchende Säure ist von diesem Übel frei, was einen ihrer Vorzüge ausmacht. Die Stärke von 66° Bé. soll die gewöhnliche konzentrierte Handelsware haben (häufig ist sie aber einige Grade schwächer); es entspricht dies einem spezifischen Gewichte von 1,8460 oder 98% Schwefelsäuremonohydrat. Die Preise betragen 12-13 Mk. pro 100 kg, incl. Ballon, arsenfreie 15 Mk. Die Freiberger Hüttenwerke liefern drei Stärken, 66, 60, 50 Grade, zu 5 Mk., 4 Mk., 3,20 Mk. pro Ztr., ab loco, ohne Ballon. Die rauchende Säure ist in kleinere Flaschen von etwa 15 kg gefüllt und kostet 80 Mk. pro 100 kg; 99 prozentiges Anhydrit wird mit Mk. 3,20 pro kg verkauft.
Die Verwendung der Schwefelsäure ist eine so vielseitige, daß nur einige der wichtigsten Verwendungsarten hier angeführt werden können. Die größten Mengen werden jedenfalls in der Sodafabrikation gebraucht; ferner verwendet man sie überall da, wo Säuren, die schwächer sind, als S. abgeschieden werden sollen, so bei der Fabrikation von Salpetersäure, Phosphorsäure, Chromsäure, Weinsäure, Essigsäure, Zitronensäure etc., sowie auch bei der Bereitung von Äther, Essigäther, Essigsäureamyläther etc.; Stärkezuckerfabriken, Stearinkerzenfabriken, Sodawasser- und Mineralwasserfabriken, Affinieranstalten brauchen viel S.; man gebraucht sie bei der Darstellung von schwefelsaurer Thonerde, Alaun, Kupfervitriol, Zinkvitriol etc., in der Teerfarbenfabrikation, in der Ölraffinerie, zum Reinigen des Petroleums, Solaröls u. dgl., zur Bereitung von Pergamentpapier, Schießbaumwolle und Nitroglycerin, zur Bereitung von Indiglösung und Indigokarmin, zum Abbeizen von Metallen. Große Mengen von S. werden endlich jetzt zur Herstellung von Superphosphaten aus Knochenmehl, Apatit, Phosphoriten und Guano verbraucht, doch benutzt man hierzu gewöhnlich Kammersäure.
Zu medizinischen Zwecken und für chemische Laboratorien braucht man eine vollständig chemisch reine Säure (acidum sulfuricum purissimum). Die gewöhnliche S. enthält sehr häufig kleine Spuren von Arsen und schwefelsaurem Bleioxyd, zuweilen auch salpetrige Säure, Salpetersäure und Selen. Die S. ist eine der wenigen Flüssigkeiten, welche, im offenen Gefäß stehen gelassen, nicht eintrocknen, sondern durch Wasseranziehung sich sogar vermehren. Die Säure muß daher auch stets in gut verschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden; diese dürfen nicht mit Kork, sondern müssen mit Glas- oder Thonstöpsel verschlossen sein. Die Produktion von englischer S. im Deutschen Reiche war:
1877: 1863937 Ztr.
1878: 1776744 "
1879: 1970500 "
1880: 2594520 "
1881: 3938840 "
Die Einfuhr von S. war 1881 11542100 kg, die Ausfuhr 8158900 kg. - Zollfrei.