Titel
Schwedische
Sprache.
[* 2] Das Gebiet der schwedischen
Sprache ist im allgemeinen das schwedische
Reich, nur daß im
Norden
[* 3] das
Finnische und Lappische sich noch gehalten hat, während anderseits in
Finnland das
Schwedische Schriftsprache
ist. Unter
den Volksdialekten stehen die der
Landschaften
Schonen,
Blekinge und
Halland, welche ehemals zu
Dänemark
[* 4] gehörten, dem
Dänischen näher als dem
Schwedischen, während die
Mundarten von
Norrland,
Finnland und
Esthland
[* 5] sprachgeschichtlich
zum
Norwegischen gehören.
Eine Sonderstellung nimmt das Gotländische ein, dessen ältestes Denkmal, das »Gutalag« (Gesetzbuch von Gotland),
sprachlich von höchstem Interesse ist (Handausgabe von Säve: »Gutniska urkunder«, Stockh. 1859).
Vgl. besonders J. A. ^[Johan August] Lundell, »Om de svenska folkmålens frändskaper ock etnologiska betydelse« (Stockh. 1880),
sowie die neubegründete schwedische
Zeitschrift »Nyare bidrag till kännedom om de svenska landsmålen ock
svenskt folklif« (das. 1879
f.) und Lefflers
Schrift »Om konsonantljuden i de svenska allmoge-målen« (Heft 1, das.
1872).
In lexikalischer Hinsicht sind die Dialekte am besten bearbeitet in dem vortrefflichen »Svenskt dialektlexikon« von Rietz (Lund 1867). Ursprünglich gab es im heutigen Schweden [* 6] zwei besondere Stämme, die Schweden (Svêar) und die Gauten (Gautar, Götar). Die Sprachen beider zeigen sich aber in historischer Zeit schon miteinander verschmolzen; man kann also nicht mehr feststellen, ob diese Gauten (Göten) den andern Skandinaviern oder den geschichtlich bekannten Goten (Gutôs) näher standen.
Die s. S. ist eine nordische und teilt als solche die allgemeinen Eigentümlichkeiten des nordischen
Zweigs vom germanischen
Sprachstamm
[* 7] (s.
Nordische Sprache und Litteratur). Es ist aber das
Schwedische mit dem
Dänischen als das
Ostnordische dem Norwegisch-Isländischen als dem Westnordischen gegenüberzustellen, nicht als Tochtersprache
, sondern als
gleichgeordnete Schwestersprache
, da der nordischen Grundsprache zuweilen noch das Ostnordische am nächsten steht (z. B.
im seltenern Auftreten des Stammumlauts und im fast gänzlichen Fehlen des Flexionsumlauts durch u, ferner in der
Erhaltung
des vr-Anlauts, in der geringern
Ausdehnung
[* 8] konsonantischer
Assimilation), meist jedoch das Westnordische.
Das Ostnordische hat nämlich eine ausgeprägte Neigung zur Formenausgleichung (Analogiebildung), die sich sowohl innerhalb der Konjugation als der Deklination geltend macht; sodann hat es später die Diphthonge (in den altertümlichsten Dialekten jedoch noch heute nicht) zu langen Vokalen zusammengezogen (au und ey zu ö, ei zu ê; mehrfach fehlt der i-Umlaut). Die Sprachtrennung mag etwa im 9. Jahrh. begonnen haben, trat aber erst im Lauf der Zeit deutlicher hervor.
Man unterscheidet fünf Sprachperioden. In die erste (ostnordische) Periode (bis 1250) fallen die meisten der kurzen, uns schwer datierbaren Inschriften des kürzern Runenalphabets (s. Runen), [* 9] in die zweite (1250-1400) die Landschaftsgesetze. Das älteste darunter ist das ältere »Vestgötalag« (Handschrift von 1281; Handausgabe mit normalisiertem Text von Schwartz und Noreen, Ups. 1876); demnächst sind die wichtigsten das »Östgötalag« und »Uplandslag« (in Handschriften aus dem 14. Jahrh.),
besonders auch das »Gutalag« (s. oben),
dessen Abfassung noch älter
ist (Gesamtausgabe der altschwedischen
Gesetze im
»Corpus juris Sveo-Gothorum antiqui« von
Collin und
Schlyter, Stockh. 1827 ff.).
Die dritte
Periode (1400-1520,
Zeitalter der
Chroniken und der »Euphemia-visor«) umfaßt die Unionszeit, in der
die aus dem Södermanländischen entwickelte Schriftsprache
(d. h. hier noch
Sprache der Hofkreise) unter dänischem und (direkt
und indirekt durchs
Dänische hindurchwirkendem) deutschem Einfluß stand.
Die vierte
Periode (1520-1700) umfaßt das
Zeitalter der
Reformation und ist auf sprachlichem Gebiet eine Zeit der
Reaktion.
Der Entwickelungsgang der
Sprache in diesen
Perioden ist nämlich folgender: Innerhalb der ostnordischen Sprachgruppe bildet
sich ein zunächst noch fast verschwindender Unterschied zwischen den dänischen und schwedischen
Dialekten.
Dieser ist auch in der zweiten
Periode noch sehr gering, wodurch die Sprachmischung in der Unionszeit ermöglicht ward, indem
besonders das
Schwedische der beeinflußte Teil war.
Zusammenfallen der vollern Endvokale im tonlosen e sowie der meisten
Kasus (durch Verlust des
Dativs) und andrer Flexionsformen,
Erweichung der
Tenues, die Eigentümlichkeiten des gleichzeitigen
Dänischen, finden sich daher vielfach
auch in den schwedischen
Schriftwerken dieser
Periode. Mit dem Aufhören der
Union beginnt eine
Reinigung des
Schwedischen von
Danismen infolge des in
Schweden erstarkten Nationalgefühls, unterstützt durch die
Reformation in
Verbindung mit der Einführung
des Buchdrucks (1483), besonders durch die
Bibelübersetzung der
Brüder
Petri (1526-41).
Alte
Formen und
vollere Endungen treten aus den
Dialekten, wo sie sich erhalten haben, in die zu einer nationalen Reichssprache
sich entwickelnde
Schriftsprache, die von da ab vom
Dänischen wesentlich verschieden ist. Am Ende der vierten
Periode, beim
Tod
Karls XI., ist
das
Schwedische im wesentlichen zur heutigen
Reichs- und Schriftsprache geworden, deren
Ausbildung im einzelnen
die fünfte
Periode (von 1700 ab) ausfüllt. Zugleich beginnt die grammatische Behandlung der
Sprache, zuerst durch
Nils Tjällman
(»Grammatica svecana«, 1696) und Jesper Svedberg
(»Schibboleth«, 1716; »En kort svensk grammatica«, 1722).
Das heutige Schwedisch unterscheidet sich durch seine vollen Endungen (welche die Sprache zu einer sehr wohlklingenden machen) und durch Bewahrung eines verhältnismäßig alten, mehr nordischen Gepräges, namentlich auch im Wortschatz, vorteilhaft vom nahe verwandten Dänischen. Die Aussprache unterscheidet sich wesentlich im folgenden von der deutschen: å bezeichnet den Laut zwischen a und o;
für Länge und Kürze lassen sich nur ganz im allgemeinen diese Regeln ausstellen: kurzer Vokal vor Doppelkonsonanz (außer rn, rd);
langer:
1) am Ende des Stammes, 2) vor rn und rd, 3) vor einfacher ¶
mehr
Konsonanz. Antretende Flexionskonsonanten (s und t) ändern daran nichts. Von Konsonanten lauten k vor weichen Vokalen (ä, e, i, ö) und tj immer fast wie tch (nicht ganz wie tsch), g vor weichen Vokalen wie j;
gj und dj lauten nur wie j;
h vor Konsonanten ist stumm, s im Anlaut immer scharf;
fv = weichem v;
skj, stj und sj immer, sk vor weichen Vokalen = sch.
Als Hilfsmittel für die Geschichte der Sprache sind zu empfehlen: Rydquist, Svenska språkets lagar (Stockh. 1850-83, 6 Bde.);
Söderwall, Hufvudepokerna af svenska språkets utbildning (Lund 1870);
Derselbe, Ordbok öfver svenska medeltids-språket (Stockh. 1886);
Petersen, Det svenske sprogs historie (in »Det danske etc. sprogs historie«, Tl. 2, Kopenh. 1830);
Munch, Forn-svenskans och forn-norskans språkbyggnad (Stockh. 1849);
Dieterich, Svensk språklära etc. (das. 1850).
Unter den zahlreichen schwedischen
Grammatiken der neuern Sprache nennen wir die von Ljungberg
(1756), Sahlstedt (1769), Fryxell (13. Aufl. 1865), Tullberg (1836), Almquist (3. Aufl. 1840), dann die
von der schwedischen
Akademie herausgegebene (1836), die von Sjöborg (deutsch als »Schwedische Sprachlehre für Anfänger«, 5. Aufl.,
Strals. 1841),
ferner (als sehr empfehlenswert) die von Dieterich (»Ausführliche schwedische
Grammatik«, 2. Aufl., Stockh. 1848) und von Jessen (Christ. 1869). Wörterbücher lieferten Sahlstedt (»Svensk ordbok
med latinsk uttolkning«, 1773),
Dalin (Stockh. 1869; Handwörterbuch, das. 1868),
Kindblad (das. 1867-71, 3 Bde.).
Ein von der schwedischen
Akademie herausgegebenes »Ordbok öfver svenska språket« erscheint
seit 1870; eine »Ordlista«, herausgegeben von der Akademie, erschien in 4. Auflage Stockholm
[* 11] 1880. Schwedisch-deutsche Wörterbücher
besorgten Möller (2. Aufl., Leipz. 1808) und Helms (3. Aufl., das. 1887).