Schwabens
piegel,
deutsches Rechtsbuch, in den ältesten Handschriften gewöhnlich nur als »Land- und Lehnrechtsbuch«, im 14. Jahrh. auch »Kayserrecht« oder in den ältern Ausgaben »Spiegel [* 2] kayserlichen und gemeinen Landrechts« bezeichnet und erst nach Goldasts Vorschlag (1609) allgemein S. genannt. Der S. ist in oberdeutscher Mundart von einem unbekannten Verfasser um 1275 geschrieben. Seine Hauptquelle ist der »Sachsenspiegel«, der jedoch nicht unmittelbar, sondern in derjenigen Umarbeitung benutzt wurde, welche erst 1857 wieder auf der Innsbrucker Universitätsbibliothek aufgefunden worden ist und in der Vorrede sich »Spiegel aller deutschen Leute« benennt.
Dieser »Deutschenspiegel«, welcher 1859 von Ficker herausgegeben ward, ist wahrscheinlich von einem Augsburger Rechtskundigen um 1260 verfaßt worden; er folgt in der Hauptsache dem Sachsenspiegel, beseitigt aber die auf Sachsen [* 3] bezüglichen Stellen und manches, was antiquiert erschien. Dagegen enthält er bis zu Buch II, Art. 12, § 13 Zusätze aus dem römischen und kanonischen Recht, aus den Reichsgesetzen und dem Augsburger und Freiburger Stadtrecht, der Kaiserchronik, der Bibel [* 4] und aus andern Quellen. Von jener Stelle an ist jedoch dies Verfahren aufgegeben, und der Schluß des ¶
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Deutschenspiegels ist meist eine flüchtige, oft inkorrekte hochdeutsche Übersetzung des Sachsenspiegels mit Weglassung sächsischer Eigentümlichkeiten und mit unbedeutenden Änderungen und Zusätzen. Der S. folgt nur in seinem ersten Teil dem Deutschenspiegel ziemlich genau; im zweiten bezieht er sich zwar auch auf denselben, führt jedoch hier unter Benutzung der Lex Bajuvariorum und der Lex Alamannorum, der Kapitularien, der Reichsgesetze, des Freiburger und Augsburger Stadtrechts, des römischen und kanonischen Rechts, des Vrydank, historischer Schriften, der Bibel etc. die Umarbeitung und Ergänzung fort. Im Lehnrecht schließt er sich wieder näher an den Deutschenspiegel an. Gleich diesem will der S. das in ganz Deutschland [* 6] geltende Recht darstellen, hat aber öfter Beziehungen auf Schwaben. An Präzision des Ausdrucks steht der S. hinter dem Sachsenspiegel zurück.
Die zahlreichen Handschriften, in denen der S. durch ganz Deutschland, besonders und mehr als der Sachsenspiegel im Süden, verbreitet
ist, weichen stärker voneinander ab als die des letztern Rechtsbuches. Wie dieses, erlangte er auch
im Ausland maßgebendes Ansehen in den Gerichten und ward ins Lateinische, Französische und Tschechische übersetzt. Die ersten
Ausgaben des Schwabens
piegels, ohne Orts- und Jahresangabe, reichen bis in das 15. Jahrh. zurück. Die erste mit Datum versehene
ist von 1480. Kritisch gesichtet sind erst die von Laßberg (Tübing. 1840) und von Wackernagel (Zürich
[* 7] 1840). Eine
Handausgabe mit Wörterbuch besorgte Gengler (Erlangen
[* 8] 1851). Das Lehnrecht mit einem guten Kommentar ist enthalten in Schilter,
Codex juris alemannici feudalis (1696, 1728).
Vgl. Laband, Beiträge zur Kunde des Schwabens
piegels (Berl. 1861);
Ficker, Zur
Genealogie der Handschriften des Schwabens
piegels (Wien
[* 9] 1862);
Derselbe, Über die Entstehungszeit des Schwabens
piegels
(das. 1874);
Rockinger, Berichte über die Untersuchung von Handschriften des sogen. Schwabens
piegels (das. 1873 bis 1884, 7 Hefte);
Derselbe, Über die Abfassung des kaiserlichen Land- und Lehnrechts (Münch. 1888, 1. Hälfte);
Haiser, Zur Genealogie der Schwabens
piegelhandschriften
(Weim. 1876-77, 2 Hefte).
Eine im Anschluß an den S., mit wissenschaftlicherer Färbung, ausgeführte Arbeit ist das »Land- und Stadtrechtsbuch« Ruprechts für das Stift und die Stadt Freising [* 10] von 1328 (hrsg. von G. L. v. Maurer, Stuttg. 1839).