Auch der aufgelösten Zweiten
Kammer von 1849 gehörte
er an. Er war einer von
den derSteuerverweigerung
angeklagten Abgeordneten und führte seine
Verteidigung in glänzender
Weise. Bei Umgestaltung der preußischen Justizeinrichtungen
wurde
er an das Kreisgericht in
Wreschen versetzt, nahm,
da man ihm einen zur Herstellung seiner
Gesundheit nachgesuchten
Urlaub
verweigerte, den
Abschied aus dem
Staatsdienst und zog sich nach
Delitzsch zurück, wo
er den ersten
Vorschußverein
gründete. Er widmete sich von da ab unermüdlich und mit günstigem Erfolg gemeinnützigen Bestrebungen, insbesondere der
Förderung des Genossenschaftswesens in
Deutschland.
[* 5]
Nachdem ihm auf dem ersten Vereinstag deutscher
Vorschußvereine zu
Weimar
[* 6] 1859 die Leitung des Zentralbüreaus
übertragen
worden war, blieb er
Leiter und
Anwalt des Genossenschafterbandes bis zu seinem in
Potsdam
[* 7] erfolgten
Tod. Am politischen
Leben nahm S. seit 1861 wieder regen
Anteil. Damals in das Abgeordnetenhaus gewählt,
schloß er sich ebenso
wie später im
Reichstag,
dem er seit 1867 angehörte, der
Fortschrittspartei an. Eine Sammlung von 150,000 Mk., die seine Parteigenossen
veranstaltet hatten, um sein gemeinnütziges Wirken zu belohnen, bestimmte er zu einer
Stiftung, deren
Zinsen solchen zuzuwenden
seien, die sich durch öffentliches Wirken einer solchen Auszeichnung würdig gemacht haben. Gegen die Lassallesche
Bewegung
richtete er zwei
Schriften:
»Kapitel zu einem deutschen Arbeiterkatechismus« (Leipz. 1863) und »Die
Abschaffung des geschäftlichenRisikos durch
HerrnLassalle« (das. 1866). Von seinen weitern, meist dem
Genossenschaftswesen gewidmeten
Schriften erwähnen wir noch: »Associationsbuch für deutsche
Handwerker und
Arbeiter« (Leipz.
1853);
»Die arbeitenden
Klassen und das Associationswesen in
Deutschland« (2. Aufl., das. 1863);
Hermann, Begründer der deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (s. d.),
geb. zu Delitzsch, studierte in Leipzig
[* 9] und Halle
[* 10] Jura, wurde 1830 Auskultator in Naumburg a. S., 1838 Assessor
am Kammergericht zu Berlin und kehrte 1841 als Patrimonialrichter nach seiner Vaterstadt zurück. 1848 vertrat S. den Wahlkreis
Delitzsch in der Nationalversammlung zu Berlin, wo er zum Vorsitzenden des Ausschusses zur Untersuchung
des Notstandes der arbeitenden Klassen ernannt wurde.
Dabei gewann er die Überzeugung, daß die Hebung der durch die Konkurrenz der Großindustrie hart bedrängten Kleingewerbe
nur durch die Beschaffung von Kapital und andern Mitteln des Großbetriebes im Wege der Association zu erreichen sei. 1849 begründete
er in seiner Vaterstadt die erste Rohstoffgenossenschaft für Schuhmacher und Tischler. Inzwischen war
er zum Mitglied der nach der octroyierten Verfassung von 1849 berufenen Zweiten Kammer gewählt worden, nach deren Auflösung
er wegen Teilnahme an dem Steuerverweigerungsbeschlusse von 1848 verklagt, auf seine glänzende Verteidigungsrede jedoch freigesprochen
und an das Kreisgericht zu Wreschen (Posen)
[* 11] versetzt wurde. Doch nahm er bald seine Entlassung und kehrte
nach Delitzsch zurück, wo er die Weiterentwicklung des Gedankens einer Hebung
[* 12] der arbeitenden Klassen¶
mehr
auf der Basis wirtschaftlicher Selbsthilfe wieder aufnahm. Unter seinem Einfluß entstanden zunächst in Delitzsch, Eilenburg,
[* 14] Halle, Bitterfeld
[* 15] und im Königreich Sachsen
[* 16] Genossenschaften zur billigern Beschaffung von Rohstoffen und Halbfabrikaten, Lebens-
und Genußmitteln, ferner sog. Volksbanken, die aus kleinen Einzahlungen und fortgesetzten Spareinlagen der Teilhaber sowie
aus empfangenen Darlehnen Geldvorschüsse gegen etwas höhere Zinsen gewährten und den Nutzen dem Guthaben
der Mitglieder zuwachsen ließen. (S. Vorschuß- und Kreditvereine.)
Durch zahlreiche populäre Schriften wirkte S. zugleich für die Ausbreitung seines wirtschaftlichen Princips und trat namentlich
der stürmischen Propaganda Lassalles für Produktivgenossenschaften mit Staatshilfe entgegen. Auf dem ersten Vereinstage
deutscher Vorschußvereine, welcher vom 14. bis in Weimar abgehalten wurde, übertrug man S.
die Stellung eines «Anwalts» des Genossenschaftswesens, welche er bis zu seinem Tode bekleidete. Seit 1859 beteiligte er sich
auch wieder an polit.
Angelegenheiten; er wirkte mit an der Stiftung des Nationalvereins und nahm 1861 ein Mandat für Berlin
zum preuß. Abgeordnetenhause an, wo er, ebenso wie im Reichstage (1867‒74 für Berlin, seit 1874 für Wiesbaden),
[* 17] der Fortschrittspartei
angehörte. Er starb zu Potsdam. In Delitzsch wurde ihm 1891 ein Denkmal errichtet. Von seinen zahlreichen Schriften
seien genannt: «Associationsbuch für deutsche Handwerker und Arbeiter» (Lpz. 1853),