Schuld
isziplin,
s. Schulwesen, S. 656.
Schuldisziplin
5 Wörter, 39 Zeichen
Schuldisziplin,
s. Schulwesen, S. 656.
Geschichtliches. Bei allen Völkern, welche sich irgendwie über den ursprünglichen Zustand natürlicher Roheit erhoben haben, muß sich das Bedürfnis nach besondern Unterrichtsanstalten (Schulen) herausstellen. Einerseits sind die Forderungen, welche an die geistige Bildung des einzelnen gestellt werden, zu vielseitig, um anders als durch berufsmäßig gebildete Lehrer befriedigt zu werden; anderseits nimmt der einzelne Beruf bei der mit der Steigerung der Kultur zunehmenden Teilung der Arbeit die Eltern, namentlich die Hausväter, zu stark und zu einseitig in Anspruch, um ihnen Muße und Befähigung zum Unterricht der Kinder, der naturgemäß zunächst ihre Aufgabe ist, zu belassen.
Nur wenigen gestattet dagegen ihr höherer Wohlstand, eigne Lehrer und Erzieher für ihre Familie zu bestellen. Anfänge und Ansätze des Schulwesens begegnen uns daher bei allen zivilisierten Völkern; eine tiefere und allgemeine Schätzung desselben nach seinem wahren Wert für das Leben des Volkes findet indes auf den niedern Stufen der Kultur, da dieser Wert zunächst ganz auf dem idealen Gebiet liegt und nur mittelbar für den äußern Wohlstand des Volkes ins Gewicht fällt, große Hindernisse und darf als das deutlichste Merkmal einer höhern Bildungsstufe bezeichnet werden.
Ein staatsseitig systematisch durchgeführtes oder wenigstens geordnetes und überwachtes S. finden wir daher auch, von den merkwürdigen analogen Einrichtungen in China [* 4] und dem frühern Japan abgesehen, bei welchen die pedantisch geregelte Form den Inhalt nicht zum rechten Leben gelangen läßt, nur bei den Völkern der modernen europäischen Kultur, und soweit deren zivilisatorischer Einfluß reicht; ja, selbst bei diesen hat das S. noch nicht überall den Platz und die Pflege gefunden, welche es gegenüber den ältern Zweigen der Staatsverwaltung beanspruchen darf und, wenn nicht gewaltsame Erschütterungen die geistige Entwickelung der europäischen Menschheit unterbrechen, allen Anzeichen nach gewiß erlangen wird.
Die ersten bedeutsamen Anfänge des Schulwesens, mit welchen unsre Unterrichtsanstalten kaum noch in einem gewissen ursachlichen Zusammenhang stehen, entwickelten sich bei den alten Griechen einer- und bei den alten Hebräern anderseits. Unter den Griechen waren es trotz ihres lebhaften Interesses für die Erziehung der Jugend weniger die Spartaner, denen es fast nur auf kriegerische Tüchtigkeit ankam, als die Athener, bei denen die Schulen blühten und zwar neben den Redner- und Philosophenschulen auch die einfachen Knabenschulen.
Man führt den Ursprung der letztern namentlich auf Solons Einfluß zurück, welcher in seinen Gesetzen bestimmte, daß ein athenischer Bürger seinen Vater gerichtlich belangen dürfe, wenn dieser ihn in seiner Jugend nicht gehörig habe unterrichten lassen. Immerhin ist festzuhalten, daß von einer durchgreifenden staatlichen Regelung des Unterrichtswesens nicht die Rede war, und daß alle wirklich vorhandenen Schulen doch nur den Kindern und zwar den Söhnen der freien Bürger zu gute kamen, welche namentlich seit den Perserkriegen gegenüber den Sklaven nur die Minderzahl der Landesbewohner bildeten.
Von Athen [* 5] aus verbreitete sich das griechische S. zu den meisten griechischen Stämmen und Städten und zu den Römern, deren praktischer Sinn schon für sich zu gewissen einfachen Grundlagen ähnlicher Art geführt hatte und nun sich der fremden Anregung gegenüber doppelt empfänglich bewies. Gleichzeitig bildeten sich bei den alten Israeliten Knabenschulen heraus, welche die Kenntnis der heiligen Sprache [* 6] der Väter und die Kunde des Gesetzes der männlichen Jugend vermittelten, also wesentlich religiösen Charakter hatten. An diese gegebenen Anfänge knüpfte die christliche Kirche an, welche nach dem Vorbild und der Mahnung ihres Stifters die Pflege und Leitung der Jugend von jeher als eine ihrer wichtigsten Aufgaben angesehen hat.
Sie gründete Katechumenenschulen, in welchen eigne Jugendlehrer, Katecheten (s. d.), die meist in jugendlichem Alter befindlichen Neophyten zu unterrichten hatten; auch beschäftigten sich seit ihrer Gründung (3. und 4. Jahrh.) und namentlich seit ihrer neuen Organisation durch Benedikt von Nursia und Cassiodorus (6. Jahrh.) die Klöster mit der Beschulung der Jugend. Der Gedanke eines allgemeinen Volksunterrichts, wo er einmal auftauchte, scheiterte an den gewaltigen rohen Volksmassen, welchen die Kirche seit der Völkerwanderung gegenüberstand.
Der große Gedanke fand besonders in Karl d. Gr. einen Vertreter; aber auch dieser mächtige Herrscher war nicht im stande, ihn auch nur annähernd praktisch zu verwirklichen. Kaum minder glücklich auf kleinerm Gebiet waren einige höhere Geistliche, welche im weitern Verlauf des Mittelalters auf ihn zurückkamen. So gab es im Mittelalter fast nur gelehrte Schulen an den Domen und in den Klöstern, welche meistens in innere, für künftige Mönche und Geistliche, und äußere, den Söhnen der Edlen zugängliche, zerfielen, bis das Emporblühen der Städte auch in diesen das Bedürfnis nach Schulen und zwar deutschen wie lateinischen ¶
erweckte. Über beiden als Krönung des Gebäudes erhoben sich seit dem 12. und 13. Jahrh., zumeist nach dem Muster der Universität Paris, [* 8] die »hohen Schulen« oder Universitäten. Im 15. Jahrh. wurde in Deutschland, [* 9] den Niederlanden etc. die Gründung von Schulen besonders von den Hieronymianern oder Brüdern des gemeinsamen Lebens betrieben. Einen wesentlichen Aufschwung brachten demnächst nach fast allgemeinem tiefen Verfall Humanismus und Reformation, während der Jesuitenorden in seinen Kollegien, die auch bei andern Orden [* 10] Nachahmung fanden, eine neue Art der Klosterschulen schuf.
Erst seit der Reformation und mehr noch seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. wurde auch die Volksschule, zunächst in den protestantischen Gebieten Deutschlands [* 11] und demnächst auch im katholischen Teil, unter vorwiegender Mitwirkung der Geistlichkeit beider Bekenntnisse in weitern Kreisen zur Durchführung gebracht. Zu den beiden Arten von Schulen, höhern und niedern, lateinischen und deutschen, kamen in der neuern Zeit, namentlich während des »pädagogischen« 18. und des 19. Jahrh., allmählich Realschulen, Lehrerseminare, Töchterschulen, Handelsschulen, Handelsakademien, Gewerbeschulen und technische Hochschulen, Landwirtschaftsschulen, landwirtschaftliche Akademien, Navigationsschulen, Kadetten- und Kriegsschulen etc. Ihrethalben muß auf die einzelnen Artikel verwiesen werden, ebenso wegen der wechselnden Theorien, welche auf das S. Einfluß gewannen, auf den Artikel Pädagogik.
Gegenüber den gelehrten Schulen wurde in den höhern Gesellschaftskreisen durch den Einfluß von Montaigne, Locke, Leibniz, Rousseau u. a. in den letzten Jahrhunderten oft die Einzelerziehung durch Hofmeister und Hauslehrer bevorzugt. Allein die letztere wird es, von einzelnen günstigen Ausnahmen abgesehen, mit einer geordneten Schulerziehung in ihren Leistungen nie aufnehmen können. Auch mußte sie in unserm Jahrhundert sehr zurücktreten, seitdem, zuerst in Preußen [* 12] und dann nach preußischem Muster in vielen andern Staaten Europas, eine Reihe wichtiger Berechtigungen im Staats- und Kriegsdienst an den erfolgreichen Besuch gewisser staatlicher oder wenigstens staatlich anerkannter und beaufsichtigter Schulen geknüpft wurde.
Neben dieser äußern Nötigung hat aber dazu auch die in der modernen Entwickelung des Nationalgefühls und des öffentlichen Lebens wurzelnde Überzeugung mitgewirkt, daß besonders Knaben schon früh lernen müssen und am besten in öffentlichen Schulen lernen können, sich als dienende Glieder [* 13] in ein größeres Ganze einzufügen, eine Überzeugung, welche neuerdings sogar einsichtige Fürsten, wie z. B. den deutschen Kaiser Friedrich III. als Kronprinzen, bewogen hat, ihre Söhne bewährten öffentlichen Schulanstalten mindestens für einige Zeit anzuvertrauen.
Hierin liegt auch zugleich der Grundsatz angedeutet, welcher die Schulzucht oder Schuldisziplin nach der Anschauung der neuern Pädagogik zu leiten hat, indem man von der Schule verlangt, daß sie durch den überwältigenden Eindruck einer sachlich begründeten und besonnen durchgeführten Ordnung den Schüler innerlich zum gesetzmäßigen Verhalten bestimmen, nur im Notfall aber zu äußern Strafen und namentlich zu mäßigen körperlichen Züchtigungen schreiten soll.
Nach der gegenwärtigen Gestalt des deutschen und namentlich des preußischen Schulwesens hat dasselbe folgende Gliederung angenommen. Die allgemeine Grundlage bildet die Volksschule (Elementarschule), in welcher auf dem Land meist die Kinder beiderlei Geschlechts vereinigt, in größern Orten Knaben und Mädchen gesondert in der christlichen Religion, der Muttersprache (Lesen, Schreiben), im Rechnen, in den Elementen der Raumlehre, den wichtigsten Realien (Geschichte, Geographie, Naturkunde), Zeichnen, Singen, Turnen und weiblichen Handarbeiten unterrichtet werden.
Die Volksschule müssen alle Kinder vom 6.-14. Jahr besuchen, wenn sie nicht anderweit mindestens dem entsprechend unterrichtet werden. An die Volksschule schließt sich die Fortbildungsschule, in mannigfachen Formen ausgebildet und vielfach dem bürgerlichen Beruf der Zöglinge angepaßt, als landwirtschaftliche Fortbildungsschule auf dem Land, als Lehrlings- oder Gewerbe- u. Fachschule in Städten. In einer Anzahl deutscher Staaten (Sachsen, [* 14] Königreich und Herzogtümer, Bayern, [* 15] Württemberg, [* 16] Baden, [* 17] Hessen) [* 18] erstreckt die gesetzliche Schulpflicht sich auch auf diese ergänzende Fortsetzung der Volksschule.
Neben der Volksschule, nur hier und da in größern Städten mit derselben verschmolzen, steht die Mittelschule, welche mindestens fünf aufsteigende Klassen und demgemäß erweiterte Lehrziele in den Fächern der Volksschule hat, auch daneben den Unterricht in mindestens einer fremden Sprache aufnimmt. Übrigens ist der Name Mittelschule nicht überall für die Anstalten dieser Stufe im Gebrauch; vielmehr werden sie auch als Bürgerschulen, Stadtschulen, Rektorschulen etc. bezeichnet.
Die höhern Schulen (in Österreich [* 19] und Süddeutschland: Mittelschulen), sofern sie ein allgemeines Bildungsziel verfolgen, stehen diesen beiden erstern Formen fast ganz selbständig gegenüber, indem sie zwar die Aufnahme von Schülern aus ihnen keineswegs ausschließen, aber vielfach durch eigne Vorschulen dafür sorgen, daß wenigstens der Hauptsache nach ihre Schüler von früh an gesonderten Unterricht empfangen. Sie zerfallen nach dem Geschlecht der Schüler in höhere Töchter- oder Mädchenschulen und höhere Schulen für das männliche Geschlecht.
Lehrplan und Bildungsziele der erstern, welche sich am spätesten entwickelt haben, sind noch recht verschiedenen Auffassungen unterworfen; unverkennbar ist indes das höhere Mädchenschulwesen in erfreulichem innern wie äußern Aufschwung begriffen. Die höhern Knabenschulen, um sie kurz so zu bezeichnen, sind nach den geltenden preußischen Lehrplänen vom Gymnasien (Lyceen, Ritterakademien, Pädagogien), Realgymnasien und Oberrealschulen, je nachdem sie Griechisch-Lateinisch-Französisch, Lateinisch-Französisch-Englisch oder nur Französisch-Englisch lehren.
Diese vollständigen höhern Lehranstalten haben neunjährigen Lehrgang, in dem nach den sechs ersten Jahren das Recht zum einjährig-freiwilligen Heerdienst erlangt wird. Als unvollständige Anstalten mit siebenjähriger Lehrdauer entsprechen ihnen die Progymnasien, Realprogymnasien und Realschulen, als unvollständige Anstalt mit sechsjähriger Dauer entspricht der Oberreal- und Realschule die höhere Bürgerschule, die demnach mit Erlangung des Freiwilligenrechts abschließt. Von der höhern Bürgerschule weichen die Landwirtschafts- u. Handelsschulen fast nur in dem Vorzug ab, der in ihrem Lehrplan den für das spätere Berufsleben der Zöglinge wichtigen Unterrichtszweigen eingeräumt ist. Die höhern Gewerbe- oder Fachschulen sowie die Kunst- und Kunstgewerbeschulen dagegen setzen meist den Besuch einer der vorgenannten Anstalten, wenigstens in ihren untern Stufen, schon voraus. Über diesen allen als höchste ¶
Stufe des gesamten Schulwesens stehen endlich die Hochschulen, unter denen die der Wissenschaft, die Universitäten, durch Alter, Ansehen, Zahl und Umfang hervorragen, obwohl ihnen rechtlich die technischen Hochschulen und die verschiedenen Akademien für die Kunst wie für einzelne Zweige des höhern technischen Staatsdienstes (Forst-, Bergakademie etc.) gleichstehen. Neben diesem bürgerlichen Schulwesen steht ein reichgegliedertes militärisches Unterrichtswesen, das von den Militärwaisenhäusern und Unteroffizierschulen durch die den Realgymnasien entsprechenden Kadettenhäuser bis zu der Kriegs- und Marineakademie hinauf alle Stufen ebenfalls eigenartig entwickelt hat. Für die Bildung des Lehrerstandes an allen diesen Schulen sorgen, soweit nicht die besondern Fachlehrer einzelner Berufsschulen in Frage stehen, auf den niedern Stufen die Seminare für Volksschullehrer und Lehrerinnen, denen in Preußen besondere Präparandenschulen vorarbeiten, auf den höhern Stufen die Universitäten und teilweise die technischen Hochschulen. S. die betreffenden Einzelartikel.
Diese große Mannigfaltigkeit von Schulen, die das moderne Leben allmählich herangebildet hat, und zu der noch manche Nebenformen, wie die Taubstummen-, Blinden-, Idiotenanstalten und -Schulen, für besondere, regelwidrige Fälle kommen, ist ohne Zweifel ein auszeichnendes Merkmal des Jahrhunderts; und daß Deutschland, namentlich Preußen, darin allen Ländern der gebildeten Welt vorangeschritten, steht unverkennbar mit den politischen Erfolgen des deutschen Volkes während des letzten Menschenalters in ursachlicher Wechselwirkung.
Doch hat anderseits die große Verschiedenheit der Schulen und Schularten auch ihr unbequemes und unter Umständen selbst ihr Bedenkliches, indem der vorhandene Reichtum der Formen eine einheitliche Leitung des Schulwesens und den beteiligten Kreisen des Volkes die Übersicht und Auswahl der richtigen Schulen für ihre Kinder sehr erschwert. Diese Schwierigkeit für die Eltern macht sich namentlich fühlbar auf der mittlern Stufe der sogen. höhern Schulen, bei denen die sehr verschieden bemessenen Berechtigungen für den bürgerlichen wie militärischen Staatsdienst erheblich ins Gewicht fallen, und an denen im Verlauf der Geschichte sich die beiden verschiedenen Grundrichtungen des Humanismus und des Realismus herausgebildet haben, von denen jener Sprach- und Schrifttum der alten Römer [* 21] und Griechen, dieser dagegen neben den neuern Sprachen die mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung der neuen Zeit in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen bestrebt ist.
Jener Übelstand (der erschwerte Überblick über das Ganze des Schulwesens) dagegen hat eine bisweilen bis zu unnatürlicher Entfremdung gehende Scheidung des niedern vom höhern Schulwesen zur Folge gehabt. Obwohl nun eine unbefangene Kritik anerkennen muß, daß diese Bedenken durch die zu keiner frühern Zeit auch nur annähernd erreichte Blüte [* 22] des Unterrichtswesens unserer Tage mehr als aufgewogen werden, und daß die neuere und neueste Entwickelung des Schulwesens in diesen Hinsichten eher zur guten Zuversicht als zu vermehrter Besorgnis auffordert, so ist doch eine gewisse Beunruhigung in der einen wie in der andern Richtung unverkennbar vorhanden.
Innerhalb des höhern Schulwesens macht diese sich geltend in der seit Jahrzehnten geschäftigen Agitation zu gunsten der Realschulen, für die man, sei es in der reinen Form der lateinlosen Oberrealschule, sei es in der Kompromißform des Realgymnasiums, volle Gleichberechtigung mit dem Gymnasium auch hinsichtlich des Universitätsstudiums beansprucht, und von der andern Seite in dem Streben des deutschen Einheitsschulvereins, der über das Ziel der höhern Bürgerschule hinaus nur eine Grundform der höhern Schule und zwar das alte Humangymnasium mit einem der modernen und realistischen Seite etwas angenäherten Lehrplan zugelassen zu sehen wünscht.
Man hat kaum zu erwarten, daß dieser Einheitsschule zuliebe die vorhandenen Anstalten von ihren Anhängern und von den Regierungen geopfert werden. Eher wird den Schülern der Realanstalten erweiterte Berechtigung an den Universitäten sich eröffnen, wenn einmal für das ärztliche, vielleicht auch das juristische Studium statt des jetzt (ohne die Realgymnasiasten!) vorhandenen Überflusses Mangel an Zufluß eintritt. Inzwischen ist der bestehende Zustand keineswegs so mangelhaft, daß die Beunruhigung des Publikums durch den steten, von verschiedenen Standpunkten aus erhobenen Ruf nach Revisionen und Reformen gerechtfertigt wäre. - Die Spannung, welche namentlich in den letzten Menschenaltern vor 1870 zwischen gelehrtem und Volksschulwesen eingetreten war, hat vielfach in den Kreisen der Volksschullehrer den alten Ruf nach einer allgemeinen deutschen Einheitsschule wieder erweckt, die auf der gemeinsamen Grundlage der Elementarschule (vier Jahre) sich zunächst in höhere Schule und Volksschule teilen soll, von denen jene wieder nach zwei Jahren einen humanistischen und einen realistischen Zweig bilden würde, wie diese noch eine Bürgerschule mit einer fremden Sprache und etwas verlängerter Schulzeit als Nebenform absonderte.
Obwohl diese Theorie sich auf ein ehrwürdiges Alter und vornehme Ahnen, wie Comenius, berufen kann, entfernt sie sich doch so weit von den Gewohnheiten der Gegenwart und nimmt so wenig Rücksicht auf die unendlich verschiedenen örtlichen Voraussetzungen des Schulwesens, daß sie vorderhand noch keine Aussicht auf irgend welche praktische Erfolge hat. Der berechtigte Anspruch liegt ihr aber unleugbar zu Grunde, daß es eine Gefährdung des nationalen Lebens bedeutet, wenn höheres und niederes Schulwesen unabhängig voneinander, ja in auseinander strebenden Bahnen sich bewegen, statt daß die Erziehung der Jugend als eine große nationale Angelegenheit von einheitlichen Gesichtspunkten aus geleitet werde; und dieses Bedenken ins Gedächtnis zu rufen, liegt aller Anlaß vor, wo, wie in Preußen, die beiden Gebiete des Schulwesens bis zur Person des Ministers hinauf fast völlig getrennten Behörden zur Pflege anvertraut sind.
Beschränken sich diese Verhandlungen fast ganz auf den innern Kreis [* 23] der Lehrer und Schulfreunde, so ist anderseits seit dem Erwachen des modernen Staatsgedankens die Schule auch ein bevorzugter Gegenstand des politischen Interesses geworden. Diese Wendung läßt sich zurückverfolgen bis in die Reformationszeit, wo in den protestantischen Gebieten beim Sturz der kirchlichen Hierarchie an die weltliche Obrigkeit die Nötigung herantrat, für das Unterrichtswesen selbst Sorge zu tragen.
Die Fürsorge für das S. wurde den deutschen Fürsten doppelt nahegelegt durch das Elend, welches der Dreißigjährige Krieg über die vordem blühenden Länder gebracht hatte, und wirklich hat in jener Zeit eine ganze Reihe deutscher Landesfürsten sich nach dieser Richtung hin hohe Verdienste erworben. Immer konnte aber bei der eigentümlichen Gestaltung der landeskirchlichen Verhältnisse noch zweifelhaft sein, ob sie in dieser Hinsicht unmittelbar als Landesfürsten ¶