Schottische
Kirche, die in
Schottland herrschende
Kirche, die sich von der anglikanischen durch strenges Festhalten an den
calvinistischen
Lehren
[* 2] und an einfacherm
Kultus, vorzüglich aber durch die freie, demokratische
Verfassung unterscheidet und
überhaupt den protestantischen
Gegensatz wider
Rom
[* 3] nach allen
Richtungen zum schroffsten
Ausdruck bringt.
Diesen ihren
Charakter hat ihr zumeist
John
Knox (s. d.) aufgeprägt. Unter seinem Einfluß nahm das
Parlament 1560 die sogen.
schottische
Konfession und 1561 die
Kirchenordnung (book of discipline) an. Auf dieser Grundlage entwickelte sich die
Verfassung
der
Kirche.
Ein von der
Gemeinde gewähltes, weiterhin sich selbst ergänzendes, aus sogen.
Ältesten oder Kirche
nvorstehern
und dem präsidierenden
Geistlichen bestehendes geistliches
Gericht (kirk-session) ist
Verwaltungs- und Disziplinarbehörde.
Das
Presbyterium (local presbytery), die nächst höhere Behörde, ist aus sämtlichen
Pfarrern einer unbestimmten Anzahl benachbarter
Kirchspiele sowie je einem
Kirchenältesten aus jeder
Gemeinde zusammengesetzt.
Über dem Presbyterium stehen die mehrere Presbyterialbezirke repräsentierenden Synoden; die höchste Behörde ist die Generalsynode (general assembly), die jedes Jahr zusammentritt. Sie ernennt für die Zeit, wo sie nicht versammelt ist, einen stehenden Ausschuß (assembly-commission). Diese theokratisch reformierte Verfassung, insonderheit die den Gemeinden zustehende Pfarrerwahl, bildete den ständigen Zankapfel zwischen Kirche und Staat, besonders seitdem es galt, die Zumutungen der anglikanischen Bischöfe zurückzuweisen, welche die s. K. zu einer Provinz der anglikanischen Kirche zu machen trachteten.
Sowohl unter
Jakob I. als unter
Karl II. setzten die anglikanischen
Bischöfe ihre Ansprüche mit
Hilfe des schottischen
Adels
durch. Doch war
Jakob I. 1592 genötigt, der schottischen
Kirche die volle
Freiheit zu gewähren, und der
zur Abwehr der vom
Erzbischof
Laud mit Zustimmung
Karls I. aufgezwungenen englischen
Liturgie 1638 gestiftete
Covenant (s. d.)
gab das
Signal zum
Ausbruch der englischen
Revolution.
Endlich hob ein
Gesetz von 1690 das
Patronatsrecht der
Regierung bezüglich
der Pfarrbesetzungen auf, gab den Grundeigentümern nur das Präsentationsrecht, der ganzen
Gemeinde aber
die
Wahl anheim.
Jedoch schon unter der
Königin
Anna machte das Staatskirchentum
wieder Fortschritte, und ein
Gesetz von 1711 führte auch das
Patronatsrecht wieder ein.
Immer erhoben sich gewichtige
Stimmen gegen diese Beschränkung der freien
Verfassung, und es fehlte
nicht an Unzufriedenen und dissentierenden
Gemeinden
(s.
Seceders). Ein entscheidender
Schritt erfolgte
1834, als die Generalsynode erklärte, es sei ein
Grundgesetz der
Kirche, daß kein
Geistlicher einer
Gemeinde aufgedrungen werden
könne, und zugleich festsetzte, daß die Presbyterien angewiesen werden sollten, bei der Besetzung einer Pfarrstelle nach
der
Ansicht der
Mehrzahl der männlichen Familienhäupter entweder den
Kandidaten zu bestätigen oder zurückzuweisen.
Dieser Beschluß, im nächsten Jahr unter dem
Namen
Veto-Akte erneuert, rief bei dem
Widerstand der englischen
Regierung den
Gegensatz der
Nonintrusionisten, kürzer
Nons (d. h. die von einer Aufdrängung, intrusion, eines
Geistlichen nichts wissen wollen),
meist zur Whigpartei gehörend, und der Gemäßigten (moderates), meist zu den
Tories zählend, hervor.
Nach mancherlei
Kämpfen erklärten die
Nons auf der im Mai 1843 zu
Edinburg
[* 4] stattfindenden
Landessynode ihren
Austritt aus der
Staatskirche
, konstituierten sich als
freie s. K. (free presbyterian church) und wählten
Thomas
Chalmers (s. d.) zum Vorsitzenden.
Man beschloß, daß die Präsentation von dem geistlichen Gericht der betreffenden Gemeinde und einigen von diesem gewählten Gemeindegliedern, die Wahl dagegen von allen männlichen Gemeindegliedern ausgeübt werden sollte, gründete eine gemeinschaftliche Kasse, aus der die Geistlichen gleichmäßig besoldet werden sollten, und im Lauf weniger Wochen hatten sich 687 Gesellschaften zur Unterstützung der Kirche gebildet. Am Schluß des Jahrs belief sich die Zahl der der jungen Kirche Angehörigen auf beinahe eine Million; mehrere Peers und Parlamentsmitglieder traten ihr bei, unter ihnen der Herzog von Argyll, der Marquis Breadalbane, Fox Maule, Campbell u. a. Seitdem ist das Interesse für die freie s. K. gleich lebendig geblieben; nur hat sie neuerdings an Ansehen verloren durch den im Prozeß des Professors W. R. Smith zu Tage getretenen orthodoxen Fanatismus, womit die Hochländer jede einigermaßen wissenschaftliche Richtung in der Theologie der freien Kirche daniederhalten.
Um so mehr
Grund für die
Majorität des
Volkes, in der Staatskirche
zu verbleiben, welche 1874 das
Patronatsrecht aufgeben
mußte. Immerhin erscheint
Schottland mit einer
Bevölkerung
[* 5] von kaum 4
Millionen als das kirchlichste Land
Europas, wenn man
erwägt, daß hier in 35
Jahren (seit 1845) etwa 1500
Kirchen neu erbaut und
Geistliche für sie angestellt wurden, ohne daß
die Beiträge für Heidenmission und andre große Angelegenheiten des
Reichs Gottes einen Rückgang erlitten
hätten.
Vgl. Cook, History of the reformation in Scotland (2. Aufl., Edinb. 1819, 3 Bde.);
Sack, Die Kirche von Schottland (Heidelb. 1844-45, 2 Bde.);
Merle d'Aubigné, Die S. K. in ihrem 300jährigen Kampf (deutsch, Leipz. 1851);
Köstlin, Die S. K. (Hamb. 1852);
Cunningham, Church history of Scotland (Lond. 1863);
Stanley, History of the church of Scotland (neue Ausg., das. 1879).