Titel
Schnorr
von
Carolsfeld
, 1)
Julius,
Ritter,
Maler, Sohn des Malers
Johann
Veit S. (geb. 1764 zu
Schneeberg,
gest. 1841 als
Direktor der
Leipziger
Akademie) und
Bruder des Malers
Ludwig
Ferdinand S. (geb. 1788 zu
Leipzig,
[* 3] gest. als
Kustos der Belvederegalerie in
Wien),
[* 4] geb. zu
Leipzig, erhielt den ersten
Unterricht in der
Kunst von
seinem
Vater,
bildete sich dann seit 1811 auf der
Wiener
Akademie aus und trat hier einer Vereinigung von
jungen Künstlern
bei, welche ihren eignen Weg gehen wollten.
Damals entstanden seine
Bilder: das
Almosen des heil.
Rochus
(Museum zu
Leipzig) u. die
Familie
Johannes des Täufers bei der
Familie
Christi
(Dresdener
Galerie). 1817 begab er sich nach
Rom,
[* 5] wo er als jüngstes Mitglied jener von
Cornelius,
Overbeck u. a. begründeten deutschen
Genossenschaft, die durch die
Romantik und den Neukatholizismus die alte
Kunst wiederherzustellen
strebte, sich bald rühmlich hervorthat; doch war er der einzige derselben, der seinen protestantischen Überzeugungen treu
blieb.
Von
seinen in jener Zeit ausgeführten
Ölgemälden sind hervorzuheben: die
Hochzeit zu Kana, eine reiche
Komposition mit mehr als 60
Figuren;
eine heilige Familie und eine Madonna mit dem Kinde;
die drei christlichen und die drei heidnischen Ritter nach Ariosto;
Ruth auf Boas' Feld, für den Hamburger Kunstverein.
Daneben entstand in den
Jahren
1819-27 eine
Reihe von
ca. 100 landschaftlichen Naturstudien (hrsg. von
Jordan, Berl. 1878). Hauptsächlich beschäftigte ihn
aber in den
Jahren 1820-26 die Ausmalung eines
Zimmers in der
Villa
Massimi mit Fresken nach
Ariostos »Rasendem
Roland« in 23
Kompositionen. 1827 wurde
er als
Professor der
Historienmalerei an die
Akademie zu
München
[* 6] berufen, und König
Ludwig erteilte ihm
zugleich den Auftrag, im Erdgeschoß des Königsbaues fünf Prunkgemächer mit
Darstellungen aus dem
Nibelungenlied sowie drei
Säle des Festsaalbaues in der königlichen
Residenz mit
Darstellungen aus dem
Leben
Karls d. Gr.,
Barbarossas und
Rudolfs von
Habsburg
zu zieren.
Erstere führte
er a fresco, letztere in enkaustischer
Manier aus; doch gelangten die Nibelungenfresken
erst 1867 zur Vollendung. Daneben entwarf er eine
Reihe von
Federzeichnungen zu den Homerischen
Hymnen, nach welchen
Hiltensperger
enkaustische Deckengemälde in einem
Zimmer des Königsbaues ausführte. 1846 folgte er einem
Ruf als
Professor der
Akademie
und
Direktor der
Gemäldegalerie nach
Dresden.
[* 7] Von seinen hier entstandenen Bildern in
Öl sind zu nennen:
eine
heilige Familie im
Grünen,
Christus mit dem
Kreuz,
[* 8] vor den
Thoren
Roms dem heil.
Petrus begegnend, und der
Abschied
Siegfrieds von
Kriemhild.
Weiter sind hervorzuheben seine Zeichnungen für die Cottasche Prachtausgabe: »Der Nibelungen Not« und für die Wigandsche »Bibel [* 9] in Bildern«, welch letztere, von echt protestantischem Geist erfüllt, seine bedeutendste künstlerische Schöpfung bilden. Noch entstanden Kartons zu Glasgemälden für die Paulskirche in London, [* 10] das Ölbild: Luther in Worms [* 11] für das Maximilianeum in München und: das neue Jerusalem [* 12] (unvollendet). S. starb in Dresden. S. war ein vermittelnder Künstler, da seine Bildung sich zwar in jener Zeit vollendete, wo die altdeutsche Kunst zu Rom eine Erneuerung in religiösem und zwar katholischem Sinn erfuhr, er aber, ohne sich in dem Grundprinzip von seinen Genossen loszusagen, gegenüber verschiedenen Ausschreitungen derselben stets die Mittelstraße einhielt und seine künstlerische Eigentümlichkeit ebenso streng zu wahren wußte wie seine persönliche.
Der
Geist des
Protestantismus ist auch in seinen Werken stets lebendig geblieben, und selbst seine biblischen Gemälde sind
frei von jener krankhaft schwärmerischen Auffassung des Religiösen, wie sie sich bei
Overbeck und
Schadow findet. Auch in der
Technik hielt er sich entfernt von jenem
Extrem seiner Genossen, die mit fast ausschließlicher Beachtung
des
Geistigen auf die
Malerei des Körperlichen wenig Wert legten und sich dadurch oft einer unrichtigen, schwächlichen
Zeichnung
und matten
Farbengebung schuldig machten. Schnorrs
Behandlung des
Fleisches ist dagegen kräftig und lebensvoll.
Vgl. »Briefe aus Italien [* 13] von J. S. v. C.« (Gotha [* 14] 1886). ¶
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2) Ludwig, Bühnensänger (Tenor), Sohn des vorigen, geb. zu München, studierte während des Jahrs 1854 am Konservatorium zu Leipzig, begab sich aber noch Ende desselben Jahrs behufs schauspielerischer Ausbildung zu Eduard Devrient nach Karlsruhe [* 16] und wurde hier alsbald für die Bühne engagiert. Nachdem er sich einige Jahre später mit der dortigen ersten Sängerin Malvina Garrigues vermählt hatte, folgte er 1860 mit seiner Gattin einem Ruf nach Dresden, wo sich beide namentlich in Wagnerschen Opern so glänzend bewährten, daß bei der 1865 in München veranstalteten ersten Aufführung von »Tristan und Isolde« der Komponist ihnen die Titelrollen übertrug. Doch sollte S. sich des hier durch seine wahrhaft großartige Leistung als Sänger wie als Schauspieler errungenen Erfolgs nicht lange erfreuen, da er, nach Dresden zurückgekehrt, schon 21. Juli d. J. starb.
Vgl. R. Wagner, Erinnerungen an L. S. - Sein Bruder Franz, geb. zu München, Oberbibliothekar an der königlichen öffentlichen Bibliothek in Dresden, als welcher er die Herausgabe des »Handschriftenkatalogs« besorgte, gab 1873-87 das von Gosche begründete »Archiv für Litteraturgeschichte« (Bd. 3-15) heraus und schrieb: »Zur Geschichte des deutschen Meistergesangs« (Berl. 1872) u. a.