Schneider
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Schneider,
Schneider,
1) Johann Gottlob, Philolog, geb. zu Kollmen bei Wurzen [* 3] (daher Saxo), vorgebildet in Schulpforta, studierte in Leipzig [* 4] und Göttingen, [* 5] ging 1774 nach Straßburg, [* 6] um Brunck bei der Herausgabe griechischer Dichter zu unterstützen, wurde 1776 Professor der Beredsamkeit in Frankfurt [* 7] a. O., siedelte 1811 bei der Verlegung der Universität mit nach Breslau [* 8] über, ward dort 1816 auch Oberbibliothekar und starb Einem besondern Interesse für die naturgeschichtlichen Verhältnisse bei den Alten entsprangen nicht bloß: »Ichthyologiae veterum specimina« (Frankf. 1782),
»Litterarische Beiträge zur Naturgeschichte aus den alten Schriftstellern« (das. 1786),
»Analecta ad historiam rei metallicae veterum« (das. 1788),
»Eclogae physicae ex scriptoribus praecipue graecis excerptae« (Jena [* 9] 1801, 2 Bde.) u. a., es war auch von Einfluß auf die Auswahl der von ihm herausgegebenen Schriftsteller. Wir nennen von seinen Ausgaben die von Oppian (Straßb. 1776 u. Leipz. 1813);
Älians »De natura animalium« (das. 1784, 2 Bde.);
Xenophon (das. 1790-1815, 6 Bde.; neu hrsg. von Bornemann u. Sauppe, 1825 ff.);
Nikanders »Alexipharmaca« (Halle [* 10] 1792) und »Theriaca« (Leipz. 1816);
Orpheus' [* 11] »Argonautica« (Jena 1803);
Aristoteles' ¶
»Politica« (Frankf. 1809, 2 Bde.; 2. Aufl., Berl. 1825),
»Animalium historia« (Leipz. 1811, 4 Bde.) und »Oeconomica« (das. 1815);
Äsop (Bresl. 1812);
Epikurs »Physica et Meteorologica« (Leipz. 1813);
Theophrast (das. 1818-21, 5 Bde.).
Von Lateinern edierte er nur »Scriptores rei rusticae« (Leipz. 1794 bis 1797, 4 Bde.) und Vitruv (das. 1807-1808, 3 Bde.). Sein »Großes kritisches griechisch-deutsches Wörterbuch« (Züllich. 1797-98, 2 Bde.; 3. Aufl., Leipz. 1819-24) diente dem Werk Passows zur Grundlage.
Vgl. Passow, Memoria Schneideri
(Bresl. 1822).
2) Eulogius (eigentlich Georg), Führer der Jakobiner im Elsaß zur Zeit der ersten französischen Revolution, geb. zu Wipfeld im Würzburgischen von armen Eltern, besuchte das Jesuitengymnasium und die Universität in Würzburg, [* 13] trat nach einer leichtsinnigen Jugend 1777 zu Bamberg [* 14] in den Franziskanerorden ein und studierte in Salzburg [* 15] Theologie. 1784 wurde er Priester, dann Lektor am Franziskanerkloster in Augsburg, [* 16] 1786 Hofprediger des Herzogs Karl Eugen von Württemberg [* 17] und 1789 Professor der schönen Wissenschaften zu Bonn. [* 18] Er schied nun aus dem Orden [* 19] aus und gab sich ganz seinen freisinnigen Ideen hin.
Deswegen vom Kurfürsten von Köln [* 20] seiner Stelle entsetzt, begab er sich 1791 nach Straßburg, wo er Professor der geistlichen Beredsamkeit und des Kirchenrechts an der katholischen Fakultät wurde. Sofort stürzte er sich in die Politik und wurde ein eifriger Vorkämpfer der französischen Revolution und Wortführer der jakobinischen Partei. 1792 ward er Maire von Hagenau, [* 21] dann Zivilkommissar bei der Armee. Endlich zum öffentlichen Ankläger bei dem Revolutionsgericht im Elsaß ernannt, übertraf er an revolutionärem Fanatismus noch die Schreckensmänner des Konvents.
Trotz seines Eifers für die Revolution und die Herrschaft des Konvents erweckte er jedoch als Deutscher den Verdacht des verräterischen Einverständnisses mit den Österreichern und ward im Dezember 1793 auf Befehl der Konventskommissare Saint-Just und Lebas verhaftet und zu Paris [* 22] guillotiniert. Außer mehreren Schriften theologischen Inhalts hinterließ er »Gedichte« (Frankf. 1790 u. öfter) und »Predigten« (das. u. Leipz. 1790).
Vgl. Heitz, Notes sur la vie et les écrits d'Euloge S. (Straßb. 1862);
Faber, Eulogius S. (Mülh. 1886).
3) Friedrich, Komponist, geb. zu Altwaltersdorf bei Zittau, [* 23] Sohn des Organisten Joh. Gottlob S. (gest. 1840), hatte sich bereits im Alter von zwölf Jahren ungewöhnliche Fertigkeit auf fast allen Instrumenten erworben und versuchte sich auch bald darauf als Schüler des Gymnasiums zu Zittau in der Komposition von Harmoniemusiken für Blasinstrumente und Vokalmessen. 1805 bezog er die Universität Leipzig und erhielt dort, nachdem er öffentlich als Komponist aufgetreten war, 1807 die Organistenstelle an der Universitätskirche.
Von 1810 bis 1813 war er als Musikdirektor bei der Secondaschen Schauspielergesellschaft thätig, die abwechselnd in Dresden [* 24] und in Leipzig spielte, und nahm sodann die Organistenstelle an der Thomaskirche in Leipzig an. Für die von Schicht gegründete Singakademie schrieb er damals unter anderm eine Messe a cappella und für die neugegründete Leipziger Liedertafel zahlreiche Gesellschaftslieder. 1817 wurde er Musikdirektor am Leipziger Stadttheater, vertauschte diesen Posten aber vier Jahre später mit dem eines Organisten und herzoglichen Kapellmeisters in Dessau, [* 25] wo er nach einer erfolgreichen Thätigkeit als Dirigent, Komponist und namentlich als Lehrer starb.
Hinsichtlich seines Stils ist S. als einer der talentvollsten Epigonen der Haydn-Mozartschen Richtung zu bezeichnen. Bei seinen Zeitgenossen stand er als Musiker in so hohem Ansehen, daß kaum ein größeres Musikfest veranstaltet wurde, bei welchem S. nicht entweder als Dirigent oder als Komponist beteiligt war. Als die vorzüglichsten seiner Werke sind hervorzuheben die Oratorien: »Das Weltgericht« (1820),
»Die Sündflut«, »Das verlorne Paradies«, »Pharao«, »Christus das Kind«, »Christus der Mittler« und »Absalom«. Außerdem schrieb er mehrere große Messen, 7 Opern (darunter »Claudine von Villa-Bella« von Goethe), kleinere Vokalkompositionen aller Art, Ouvertüren, Streichquartette etc. Auch machte er sich um die Bearbeitung des evangelischen Chorals verdient. Unter seinen pädagogischen Arbeiten sind zu nennen: das »Elementarbuch der Tonsetzkunst«, die »Vorschule der Musik«, das »Handbuch des Organisten« (Halberst. 1829-33, 4 Tle.) etc. Von 1831 bis 1846 leitete er in Dessau auch eine Musikschule, aus der bedeutende Musiker hervorgingen.
Vgl. Kempe, F. S. als Mensch u. Künstler (Dess. 1859).
4) Karl, Philolog, geb. zu Wiehe in Thüringen, vorgebildet zu Roßleben, studierte seit 1803 in Leipzig Theologie, dann Philologie, ward 1811 Lehrer an der Nikolaischule daselbst, 1816 außerordentlicher und 1818 ordentlicher Professor der klassischen Litteratur zu Breslau und starb dort Seine Schriften beziehen sich vornehmlich auf Platon und Cäsar. Zu ersterm veröffentlichte er von der »Republik« eine große Ausgabe (Leipz. 1830-33, 3 Bde.),
eine kleinere mit Scholien (Bresl. 1841),
»Additamenta« (Leipz. 1854) und eine Übersetzung (Bresl. 1839, 2. Aufl. 1850),
den 2. Band [* 26] der Didotschen Gesamtausgabe (Par. 1846-56, 2. Aufl. 1862) und vom »Timäos« eine Übersetzung (Bresl. 1847) sowie »Procli Commentarius in Platonis Timaeum« (das. 1847); zu letzterm ist hervorzuheben seine Ausgabe des »Bellum gallicum« (Halle 1840-55, 2 Bde.). Sonst nennen wir seine Ausgabe von Äsop (Leipz. 1810),
Plautus' »Rudens« (Bresl. 1824) und »Vorlesungen über griech. Grammatik« (1. Bd., Bresl. 1837).
5) Johann, Orgelspieler und Komponist, Bruder von S. 3), geb. zu Altgersdorf bei Zittau, bezog 1810 die Universität in Leipzig, wo er 1811 Organist an der Universitätskirche wurde, kam 1812 als Organist nach Görlitz [* 27] und ward 1825 Hoforganist an der evangelischen Hofkirche zu Dresden, wo er zugleich die Direktion der Dreißigschen Singakademie übernahm; starb Er war einer der ausgezeichnetsten Orgelvirtuosen der Neuzeit und hat viele Schüler gebildet. Im Druck erschienen von ihm Phantasien und Fugen, Präludien, Chor- und Weihgesänge etc. -
Auch sein Bruder Gottlieb S., geb. gest. als Organist zu Hirschberg, [* 28] hat sich durch Orgelkompositionen bekannt gemacht.
6) Eugen, franz. Industrieller und Politiker, geb. zu Bideshoff (Meurthe) aus armer Familie, wurde Kaufmann im Geschäft des Bankiers Seillière und 1830 mit der Leitung der Eisenwerke von Bazeilles betraut. Einige Jahre später erhielt er im Verein mit seinem Bruder, seit 1845 allein, die Direktion der großen Eisen-, Stahl- und Maschinenfabrik im Creusot (s. d.), welche er zu hoher Blüte [* 29] und zur größten Frankreichs (10,000 Arbeiter) erhob. 1845-48 war er Deputierter, 20. Jan. bis Minister des Handels und Ackerbaues, wurde 1852 Mitglied und Vizepräsident des Gesetzgebenden Körpers, 1865 nach Mornys Tod Präsident ¶
desselben und erhielt 1868 das Großkreuz der Ehrenlegion. Seine politische Laufbahn endete mit dem Sturz des Kaiserreichs, Er starb Im J. 1879 wurde sein Denkmal im Creusot enthüllt.
7) Ludwig, Schauspieler und Schriftsteller, geb. zu Berlin, [* 31] Sohn des Kapellmeisters Georg Abraham S. (geb. 1770, gest. 1839), begleitete schon als Knabe seinen Vater auf dessen Kunstreisen und wurde 1820 an der königlichen Bühne zu Berlin engagiert, an der er, kurze Unterbrechungen abgerechnet, fast 30 Jahre hindurch als ausgezeichneter Komiker wirkte. Außer mehreren Romanen und »Schauspielernovellen« (Berl. 1839, 2 Bde.) bearbeitete er, zum Teil nach fremden Originalen, eine Reihe kleiner Schwänke, von denen besonders »Der reisende Student«, »Der Heiratsantrag auf Helgoland«, [* 32] »Der Kapellmeister von Venedig«, [* 33] »Der Kurmärker und die Picarde« sehr beliebt wurden.
Unter dem Namen Both gab er das »Bühnenrepertoire des Auslandes« heraus; auch redigierte er seit 1833 den »Soldatenfreund«, ein Unterhaltungsblatt für Unteroffiziere und Gemeine. Seit 1845 mit der Regie der königlichen Oper in Berlin betraut, erregte er durch seine der revolutionären Bewegung von 1848 feindliche Haltung so viel Unzufriedenheit, daß er seine Stellung am Theater [* 34] aufgab und sich nach Potsdam [* 35] zurückzog. Friedrich Wilhelm IV. ernannte ihn zu seinem Vorleser und verlieh ihm den Rang eines Hofrats; seitdem war S. stets, auch auf Reisen, in der Begleitung des Königs.
König Wilhelm I. ließ ihn in dieser Stellung, übergab auch die königliche Privatbibliothek seiner Aufsicht und ernannte ihn 1865 zum Geheimen Hofrat. 1866 nahm S. als Berichterstatter für den »Staatsanzeiger« im großen Hauptquartier am Feldzug gegen Österreich [* 36] teil, begleitete auch beim französischen Feldzug 1870/71 den Kaiser Wilhelm. Er starb zu Potsdam. Von seinen Schriften sind noch anzuführen: »Die Galerie der Kostüme« [* 37] (Berl. 1844-47, 12 Hefte);
»Geschichte der Oper und des Opernhauses zu Berlin« (das. 1845-52, 5 Lfgn.);
»König Wilhelm, militärische Lebensbeschreibung« (das. 1869);
»Kaiser Wilhelm, 1867-71« (das. 1875);
»Die preußischen Orden, Ehrenzeichen und Auszeichnungen« (das. 1867-72, 12 Tle.);
»Der Krieg der Tripleallianz gegen die Regierung der Republik Paraguay« [* 38] (das. 1872-75, 3 Bde.).
Großes Aufsehen erregten die nach seinem Tod erschienenen Denkwürdigkeiten »Aus meinem Leben« (Berl. 1879-80, 3 Bde.), deren eitle Breitspurigkeit und servile Beschränktheit, die es als Hauptkennzeichen des preußischen Patriotismus betrachtet, vor dem russischen Zaren tief im Staub zu liegen, das Interesse an vielem Thatsächlichen und Neuen nicht völlig aufheben konnte. Von größerm Wert ist das später veröffentlichte Werk »Aus dem Leben Kaiser Wilhelms 1849-73« (Berl. 1888, 3 Bde.).
8) Karl, Schulmann, geb. zu Neusalz a. d. Oder, studierte in Breslau Theologie und Philosophie, ward nach längerer lehr- und pfarramtlicher Thätigkeit 1863 Seminardirektor zu Bromberg, [* 39] 1867 Direktor der Waisen- und Schulanstalt und des Seminars zu Bunzlau [* 40] und 1870 Direktor des Seminars für Stadtschulen in Berlin, wo ihn der Minister Falk 1872 als Hilfsarbeiter und 1873 als Geheimen Regierungs- und vortragenden Rat in sein Ministerium zog. S. begann seine bedeutende Thätigkeit in dieser einflußreichen Stellung mit der Entwerfung der »Allgemeinen Bestimmungen« vom und ist seitdem für die Förderung des preußischen Volks- und Mädchenschul-, Seminar-, Taubstummen- und Blindenwesens in mannigfaltiger Weise thätig gewesen. 1876 wurde er Geheimer Oberregierungsrat und führte im Herbst 1880 eine Kommission von preußischen Schulmännern zur Beobachtung der sogen. Handfleißbestrebungen nach Dänemark [* 41] und Schweden. [* 42] Unter seinen zahlreichen Schriften heben wir hervor: »Volksschule und Lehrerbildung in Frankreich« (Bielef. 1867);
»Handreichung der Kirche an die Schule« (das. 1867);
»Volksschule und Lehrerbildung in Preußen« [* 43] (1875);
»Rousseau und Pestalozzi« (4. Aufl., Berl. 1889);
»Das Volksschulwesen im preußischen Staat« (mit v. Bremen, [* 44] Berl. 1886-1887, 3 Bde.).
9) Lina, geborne Weller, Schriftstellerin, geb. zu Weimar, [* 45] trieb schon frühzeitig ernste Litteraturstudien und kam 1852 infolge ihrer Vermählung mit dem Opernsänger Karl S. (gest. 1882 in Köln) nach Rotterdam, [* 46] wo sie durch Vorlesungen für die Kenntnis der deutschen Litteratur sehr erfolgreich wirkte. Aufmerksam gemacht auf die indische Litteratur, erlernte sie die malaiische Schriftsprache und veröffentlichte nach dem Holländischen: »Aus dem indischen Leben«; »Ostindische Damen und Herren«; »Erinnerungen aus der Laufbahn eines indischen Offiziers« u. a. Durch das Mittelhochdeutsche wurde sie auch auf die Schätze des Mittelniederländischen hingeführt und lieferte eine metrische Übersetzung des Gedichts »Beatrijs« aus dem 14. Jahrh., welcher die Kritik die höchste Anerkennung zollte.
Weiter veröffentlichte sie eine deutsche Bearbeitung von Jonckbloets »Geschichte der niederländischen Litteratur« (unter dem Namen Wilh. Berg, Leipz. 1870-72, 2 Bde.) sowie das von Nicolai komponierte Oratorium »Bonifacius«. 1872 wurde sie zum Ehrenmitglied der Maatschappij van nederlandsche letterkunde in Leiden [* 47] ernannt, und 1873 erhielt sie von der Regierung wegen besonderer Verdienste um die niederländische Litteratur die eigens geschlagene große goldene Verdienstmedaille. Neuerdings erschienen: »Frauengestalten der griechischen Sage und Dichtung« (Leipz. 1879) und eine neue »Geschichte der niederländischen Litteratur« (das. 1887) auf Grund der von Ferd. v. Hellwald hinterlassenen Vorarbeiten. Die Verfasserin lebt seit letzter Zeit in Köln.