Schnee
,
[* 2] atmosphärischer Niederschlag, welcher sich nach denselben Gesetzen bildet wie der Regen (s. d.). Wenn die Verdichtung der Wasserdämpfe bei einer unter dem Gefrierpunkt liegenden Temperatur vor sich geht, so nimmt der Niederschlag die Gestalt festen Eises an und bildet gewöhnlich Körper (s. Figur), welche sich zu mannigfachen Formen, oft äußerst zierlichen Sternen, gruppieren, in denen die Form des Sechsecks vorherrscht und nur Winkel [* 3] von 60° oder 120° vorkommen.
Diese
Figuren heißen Schnee
kristalle. Nähert sich die
Temperatur der
Luft dem
Gefrierpunkt, so fallen besonders aus
Nadeln
[* 4] bestehende
Gebilde, während bei stärkerer
Kälte Eisblättchen auftreten; bei einer
Temperatur von -20° gehört
Schneefall
zu den Seltenheiten, da bei großer
Kälte die
Luft nur wenig Wasserdampf enthalten kann. Meist sind die Schnee
kristalle,
deren
Formen
Scoresby genauer untersucht und in
Gruppen geteilt hat, flächenartige
Sterne, die senkrecht zu ihrer
Ebene nur sehr
dünn sind.
Körperhaftere Gebilde entstehen durch
Verbindung mehrerer Schnee
sternchen nach den
Gesetzen der Zwillingsbildung oder dadurch,
daß zwei parallele Blättchen durch eine auf ihrer
Ebene senkrechte
Säule verbunden werden, doch kommt diese letztere Form
am seltensten vor. Bei windstillem
Wetter
[* 5] ohne
Nebel sind die
Formen am reinsten;
Nebel erzeugt rauhe, wenig ausgebildete
Kristalle,
[* 6] und
Wind wirbelt die Sternchen ineinander und zerbricht sie. Bei milderer
Temperatur frieren zahlreiche
Sterne zu
oft sehr großen Flocken zusammen.
Die Wasserhöhe, welche aus einer gewissen
Höhe des gefallenen
Schnees
durch Auftauen entsteht, ist sehr verschieden, da
der S., welcher bei strenger
Kälte fällt, feinkörnig und ausnehmend locker ist. Im allgemeinen verhalten
sich die
Dichtigkeiten von
S. und
Wasser wie 1:10. Bei längerm
Liegen sinkt der S. zusammen, die
Sonne
[* 7] schmelzt kleine
Quantitäten,
und wenn auch das
Wasser wieder gefriert, so verbindet es doch die
Kristalle, macht den S. dichter und erzeugt oft eine feste
Kruste und im Innern der Schnee
massen sich beständig vergrößernde Eiskörner.
Diese Erscheinung ist analog der Bildung des Firns der Gletscher (s. d.). In trockner Luft verdampft der S. schnell, wegen seiner weißen Farbe taut er sehr langsam, und wenn er mit Wasser durchtränkt ist, so absorbiert das unter dem Einfluß der Sonne verdunstende Wasser so viel Wärme, [* 8] daß sich der S. lange erhalten kann. Dunkle Körper (Kohle, schwarze Erde etc.), welche sich in der Sonne stark erwärmen, befördern, wenn sie auf den S. gestreut werden, das Tauen desselben ungemein, ebenso das Bestreuen mit Salz, [* 9] indem sich eine schwer gefrierende Salzlösung bildet.
Die
Farbe des frisch gefallenen Schnees
ist blendend weiß, etwas ins Bläuliche spielend.
Daher reflektiert
er viel
Licht,
[* 10] erhellt die dunkeln
Nächte, wirkt aber auch wegen des stark reflektierten
Tages- oder Sonnenlichts blendend
auf die
Augen und erzeugt dadurch namentlich in den nördlichen Gegenden die
Schneeblindheit. Auf Hochgebirgen
(Alpen,
[* 11]
Pyrenäen)
sowie im hohen
Norden
[* 12] zeigt der S. oft auf seiner Oberfläche und auch mehrere
Zoll nach innen eine rote
Farbe, welche von mikroskopisch kleinen, karmin- bis blutroten Organismen herrührt. Der roten
Farbe wegen heißt diese
Erscheinung
Blutschnee (s. d.).
In den kalten
Zonen fällt der größte Teil des
Niederschlags in Gestalt von S., ebenso auf höhern
Gebirgen.
Je mehr man sich der kalten
Zone nähert, und je höher man emporsteigt, desto größer wird der
Anteil des Schnees
an der
gesamten Niederschlagsmenge. Die
Region des Schnees
beginnt in
Europa
[* 13] etwa im mittlern
Italien;
[* 14] in
Asien
[* 15] und besonders in
Amerika
[* 16] erstreckt sie sich aber viel weiter nach
Süden. Im allgemeinen kann man den Anfang derjenigen
Region,
in der es in der
Ebene überhaupt schneit, in die
Isotherme von 15° C. setzen, die etwa durch
Florenz
[* 17] geht.
Von hier an nimmt die Schnee
menge mit der
Breite
[* 18] zu bis etwa zur
Isotherme von 5°, die ungefähr durch
Drontheim
geht, worauf sie wieder abnimmt, da im hohen
Norden die
Luft zu kalt ist, um viel Wasserdämpfe enthalten zu können. Auf den
Gebirgen ist die
Höhe, in welcher S. fällt, um so beträchtlicher, je mehr man sich dem
Äquator nähert. Der größte Teil
des im
Winter gefallenen Schnees
taut im
Sommer weg; doch bleibt von bestimmten
Höhen ab aufwärts ein
Teil des Schnees
das ganze Jahr
[* 1] ^[Abb.: Schneekristalle.] ¶
mehr
über liegen, ohne zu schmelzen. Die Schneedecke der Gebirge steigt im Winter gegen die Niederungen herab und zieht sich im Sommer wieder gegen die Gipfel der Gebirge zurück. Jene Höhengrenze, bis zu welcher sich der S. der Gebirge im Sommer zurückzieht, bezeichnet man als Schneegrenze oder Schneelinie, auch die Grenze des ewigen (besser fortdauernden) Schnees genannt. Sie ist von zwei klimatischen Faktoren abhängig: von der Sommerwärme und von der Mächtigkeit der winterlichen Schneemengen.
Die Schneelinie fällt deshalb keineswegs mit der Jahresisotherme von 0° zusammen, sondern liegt bald über, bald unter dieser Jahresisotherme, je nach dem Verhältnis der Sommerwärme zu der Menge des im Winter gefallenen Schnees. Die mittlere Jahrestemperatur an der Schneelinie sinkt um so tiefer unter den Gefrierpunkt des Wassers, je kontinentaler das Klima [* 20] (s. d.) und je geringer die Schneemenge des Winters ist. Deshalb ist auch die jahreszeitliche Wanderung der untersten Schneegrenze in jenen Gegenden am größten, wo der Unterschied zwischen Sommerhitze und Winterkälte am größten ist, also im kontinentalen Klima; sie ist im Küstenklima kleiner und sehr klein unter dem Äquator, wo namentlich in den Höhen der Schneegrenze fast kein Wärmewechsel der Jahreszeiten [* 21] mehr besteht. Nachstehende Zahlenangaben geben eine Übersicht der Höhengrenze der Linie des »ewigen Schnees« unter verschiedenen Breitengraden und verschiedenen klimatischen Verhältnissen:
Orte | Geographische Breite | Höhe der Schneegrenze in Metern |
---|---|---|
Nordgrönland | 75° Nord | 715 |
Island (Österjökul) | 65 " | 936 |
Norwegen: Inneres | 70 " | 1021 |
" Küste | 70 " | 884 |
" Inneres | 60 " | 1680 |
" Küste | 60 " | 1360 |
Alpen: West- und Mittelalpen | 45-47 " | 2700 |
" Ostalpen | 45-47 " | 2800 |
Kaukasus: Elbrus | 43 " | 3372 |
" Kasbek | 43 " | 3235 |
Himalaja: Südabhang | 27 " | 3956 |
" Nordabhang | 30½ " | 5067 |
Karakorum: Tibet | 28-36 " | 5820 |
Südamerika: Andes unter d. Äquator | 0 | 4820 |
Kilima Ndscharo (Afrika) | 3° Süd | 5000 |
Südamerika: Andes von Bolivia (Ostseite) | 16 " | 4850 |
"do. do. (Westseite) | 16 " | 5620 |
" Andes von Chile | 33 " | 4500 |
" Andes von Patagonien | 42 " | 1830 |
Magelhaensstraße | 53½ " | 1100 |
Aus der Vergleichung dieser Zahlenwerte ersieht man den Einfluß eines feuchten, gleichmäßigen Klimas auf das Herabdrücken der Schneegrenze und das Zurückweichen derselben in größere Höhen im trocknen, extremen Klima. So liegt z. B. in Norwegen [* 22] die Schneelinie in gleichen Breiten an der Küste tiefer als im Innern, ebenso an der feuchten indischen Seite des Himalaja tiefer als auf dem nördlichen Abhang, der ein mehr kontinentales Klima besitzt, und dessen Temperaturverhältnisse durch die Hochebenen Mittelasiens stark beeinflußt werden. Am höchsten liegt sie in den trocknen Hochebenen Tibets auf dem Karakorum. In dem regenreichen Patagonien reicht in der Breite von Rom [* 23] (42°) die Schneegrenze bis zu 1830 m, und in der Magelhaensstraße, unter der Breite von Berlin, [* 24] liegt die Schneelinie nur wenig höher als in Norwegen unter 70°.
Vgl. Fischer, Die Äquatorialgrenze des Schneefalls (Leipz. 1888).