Titel
Schmetterlinge
[* 2] (Lepidoptera, s. die
Tafel: Schmetterlinge
I und II), eine große, etwa 20000 bekannte
Arten zählende Ordnung der
Insekten,
[* 3] die sich durch vier staubartig beschuppte Flügel von gleicher
Substanz, einen spiralig
einwärts gerollten
Rüssel und die sehr vollkommene Verwandlung auszeichnet. Die
Größe der S. ist äußerst verschieden;
einige Motten messen ausgebreitet nur wenige Millimeter, manche ausländische
Tagschmetterlinge bis gegen 30 cm.
Der Körper besteht aus den bei allen vollkommenern
Insekten gewöhnlichen
Abschnitten,
Kopf,
Brust und Hinterleib; nur sind
die Brustringe eng untereinander verbunden.
Von den drei Fußpaaren bleibt das erste bisweilen (als sog. Putzfüße) sehr klein. Die Flügel zeigen eine sehr große Abwechselung der Umrisse. Sie sind ganzrandig oder sind mannigfach ausgeschnitten, bei den Federmotten fast bis zur Wurzel [* 4] in mehrere Teile zerschnitten, bald geschwänzt, bald ungeschwänzt, bei allen mit feinen staubartigen Schüppchen dachziegelartig bedeckt, die sehr verschieden gefärbt und gestaltet, breit oder lang, dick oder dünn, rund oder eckig, stumpf, spitzig oder gezähnt, gestielt oder stiellos u. s. w. sind. (S. Tafel: Körperbedeckung der Tiere I, [* 1] Fig. 22-31.) Nur bei wenigen sind die Flügel an einzelnen Stellen oder die Vorderflügel größtenteils schuppenlos und durchsichtig wie bei den Glasflüglern (Sesia).
Bei sehr wenigen Weibchen sind die Flügel sehr kurz oder fehlen gar gänzlich, wie bei dem großen Frostschmetterling (Geometra defoliaria L., s. Tafel: Schädliche Forstinsekten II, [* 1] Fig. 6 b), dem Aprikosenspinner, den Sackträgerrn u. a. m. Die Ernährungswerkzeuge sind weniger kompliziert gebaut wie diejenigen der Käfer, [* 5] bestehen aber hauptsächlich aus dem Rüssel und haben auch nur die Bestimmung zum Aufsaugen flüssiger Stoffe (Honig, Wasser), die nicht in großer Menge aufgenommen werden und überhaupt nicht als Nahrungsmittel [* 6] gelten können; ja einige Arten von S. scheinen ihr kurzes Leben hindurch durchaus nichts zu genießen, indem manchen Eulenarten der Rüssel ganz fehlt. Die Oberlippe ist nur als Rudiment vorhanden, die Unterlippe aber groß, dreieckig, mit zwei großen, meist dreigliedrigen Lippentastern, zwischen denen der aus zwei Hälften, den modifizierten Kiefern, bestehende Rüssel liegt, an dessen Grunde die kleinen, ein- bis dreigliedrigen Kiefertaster sitzen. Alle haben zwei große facettierte Augen, nur sehr wenige zugleich Nebenaugen.
Die Geschlechter sind äußerlich oft leicht erkennbar. Die Weibchen sind meistenteils größer, oft minder lebhaft gefärbt, haben einen dickern Hinterleib und oft dünnere Fühler (z. B. bei der Nonne, [* 1] Fig. 1 a; beim Kiefernspinner, [* 1] Fig. 2 a u. s. w.). Die Weibchen legen Eier [* 7] von verschiedener, oft sehr zierlicher Gestalt und mit verwickeltem Mikropylapparat (s. Tafel: Eier II, [* 1] Fig. 13 u. 14), aus denen nach Ablauf [* 8] einer feststehenden Zeit die Raupe (s. d. und Tafel: Raupen) hervorkommt, die, zur Fortpflanzung unfähig, nur auf Anhäufung von Körpermasse durch Ernährung hingewiesen, also sehr ¶
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gefräßig ist und alle dem Schmetterling [* 10] zukommenden Organe, wenn auch in sehr unentwickeltem Zustande, in sich trägt. Nach mehrfacher Häutung spinnt sie sich ein, fertigt sich eine mit Spinnstoff ausgeglättete Höhlung in der Erde, oder heftet sich an und wird zur Puppe (s. d.). Nach Ablauf der letzten Periode der Metamorphose kriecht endlich der Schmetterling aus der Puppe hervor, es trocknen und entfalten sich seine Flügel, deren Tracheen [* 11] (s. d.) durch kräftige Atmung mit Luft erfüllt, ausgedehnt und gespannt werden, und beginnt sein meist nur kurz dauerndes Leben als vollkommen entwickeltes Tier, dessen Hauptgeschäft nun die Fortpflanzung ist, von deren früherer oder späterer Vollziehung auch die kürzere oder längere Lebensdauer abhängt.
Dem Menschen sind die S. nur insofern nützlich, als mehrere Arten von Spinnern, die Seidenraupen (s. d.), Seide [* 12] liefern; viele sind dagegen als Raupen lästig oder schädlich. Ihre Verbreitung reicht zwar über die ganze Erde, denn einige leben selbst noch unter dem Polarkreise; doch übertreffen die tropischen Arten durch Zahl, Größe und Schönheit diejenigen milder Klimate. Man teilt die S. systematisch in zwei große Unterabteilungen:
1) Großschmetterlinge
oder Makrolepidopteren und 2) Kleinschmetterlinge oder Mikrolepidopteren. Das Nähere über Systematik
der S. und Tafelerklärung s. Insekten.
Die Litteratur über die S. ist sehr reich und schließt viele Prachtwerke ein. Die europäischen S. beschrieben Ochsenheimer und Treitschke in dem Werke «Die S. von Europa» [* 13] (10 Bde. in 17 Abteil., Lpz. 1805-35).
Vgl. auch Heinemann, Die S. Deutschlands [* 14] und der Schweiz [* 15] (1. Abteil, und 2. Abteil, in 2 Bdn., Braunschw. 1859-77);
Staudinger und Wocke, Katalog der Lepidopteren des europ. Faunengebietes (Dresd. 1871);
Speyer, [* 16] Die geogr. Verbreitung der S. Deutschlands und der Schweiz (2 Bde., Lpz. 1858-62);
Rühl, Die paläarktischen Großschmetterlinge
(ebd. 1892 fg.);
Romanoff, Mémoires sur les lépidoptères (3 Bde., Mosk. 1887).
Der Schmetterling war schon im Altertum ein Sinnbild der Unsterblichkeit der Seele (Psyche), und das Hervorgehen des Schmetterlings aus der Puppe in seiner Vollkommenheit wurde auf die Befreiung der Seele von dem Körper im Tode bezogen. Daher erscheint Psyche (s. d.) auf Kunstwerken meist mit Schmetterlingsflügeln. Auch der Gott des Schlafs (Hypnos) wurde mit Schmetterlingsflügeln am Kopfe abgebildet, indem der Schlaf als eine periodische Befreiung der Seele von den irdischen Banden angesehen wurde.