Schmarotze
rpflanzen
[* 2] (parasitische
Pflanzen, hierzu Tafel »Schmarotze
rpflanzen«). Abgesehen von dem großen
Heere der pflanzen- und tierbewohnenden
Schmarotzerpilze ist die Zahl der höhern, mit
Blüten ausgestatteten
S. eine verhältnismäßig
geringe, da im ganzen nur etwa 1400
Phanerogamen mit parasitischer Lebensweise bekannt sind. Die S. stehen in nahen Beziehungen
teils zu den
Saprophyten oder
Humuspflanzen (s. d.), teils zu den Scheinschmarotzern
oder
Epiphyten (s. d.,
Bd. 17); sie leben wie erstere wenigstens teilweise von organischen,
bereits assimilierten
Stoffen, unterscheiden sich aber dadurch von ihnen, daß sie ihre
Nahrung lebenden
Gewächsen entnehmen.
Von den Scheinschmarotzern
, die sich gleich den echten
Parasiten auf fremden
Gewächsen ansiedeln und mit ihnen
in
Verbindung treten, trennen sich die S. ebenfalls durch die Art ihrer
Ernährung, indem sie die
Nährstoffe nicht wie jene
ausschließlich in der
Atmosphäre, den
Niederschlägen oder einer abgestorbenen Humusunterlage, sondern auch in dem innern
Gewebe
[* 3] ihrer Wirtspflanzen finden. Zu letzterm
Zwecke sind sie ohne Ausnahme mit eigenartigen
Organen der
Anheftung und
Ernährung versehen, welche bei ihren verschiedenen
Formen ungleich ausgebildet erscheinen und daher auch unter
mannigfachen Bezeichnungen, wie Haftscheiben, Haftwurzeln, Rindensaugwurzeln,
Saugwarzen oder
Haustorien, Saugscheiben, Saugfortsätzen
oder Senkern, Saugfäden oder mycelialen Thallushyphen, beschrieben worden sind.
Für das Verständnis der höchst mannigfaltigen und teilweise verwickelten Lebensbeziehungen der S. ist vor
allem festzuhalten, daß verschiedene
Grade des
Parasitismus von den gewöhnlichen, mit grünen Laubblättern versehenen
Formen
bis zu völlig umgestalteten, der
Wurzeln, der
Laubblätter und der vegetativen
Stengel
[* 4] gänzlich entbehrenden
Gewächsen hinführen.
Auf der niedersten
Stufe stehen diejenigen S., welche noch wie echte Chlorophyllpflanzen die
Kohlensäure der
Luft unter Einfluß
des Sonnenlichts zu zersetzen vermögen und sich nur nebenher auch von organischem, ihren Wirtspflanzen
entnommenem
Material ernähren. Zu diesen sogen. Halbschmarotzern
gehört eine
Reihe von Pflanzenarten aus den
Familien der
Rhinanthaceen und
Santalaceen, welche äußerlich kaum für S. gehalten werden, da sie in der
Erde wurzeln und mit normalen,
grünen Laubblättern ausgestattet sind; sie besitzen jedoch an ihren
Wurzeln warzen- oder zangenartige
Haftorgane
(Haustorien), mit welchen sie fremde
Wurzeln oder
Rhizome ergreifen; von der Unterseite der Haftscheiben aus dringt
ein mit Gefäßgruppen ausgestatteter Zellenstrang, der sogen. Saugfortsatz (Senker), in das
innere
Gewebe der Nährwurzel ein und legt sich den Leitungsgeweben derselben an, um auf diese
Weise bereits
assimilierte
Stoffe auf
Kosten der Wirtspflanze aufsaugen zu können.
Genauer verfolgt ist diese Art des Schmarotzers innerhalb der Familie der Santalaceen bei den Gattungen Thesium, Santalum und Osyris, die als Keimpflanzen zunächst eine normale Hauptwurzel erzeugen; erst die Seitenzweige derselben bilden die Haustorien aus; sobald letztere keine Wirtspflanze zu erreichen vermögen, wachsen ihre Anlagen zu senkrecht abstehenden, kleinen Wurzelzweigen aus. Innerhalb der Familie der Rhinanthaceen gibt es, wie neuerdings von Koch nachgewiesen wurde, neben blaugrünen, echten Wurzelschmarotzern, wie z. B. dem auf unsern Wiesen häufigen Klappertopf (Rhinanthus major), auch blattgrüne Humuspflanzen, wie Melampyrum (s. Humuspflanzen); außerdem können aber auch erstere statt einer lebenden Nährwurzel gelegentlich auch abgestorbene Pflanzenteile umklammern. Ebenso besitzen Augentrost- (Euphrasia) und Läusekrautarten (Pedicularis), ferner Bartsia alpina u. a. echte Saugwarzen; letztere Art ist jedoch nach Kerner v. Marilaun zugleich eine halbe Verwesungspflanze, da sie an ihren unterirdischen ¶
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Rhizomen auch lange Wurzelhaare entwickelt, mit denen sie der Humuserde Stoffe entzieht. Mehrfach gelang es auch, Rhinanthaceen aus Samen [* 6] nur in Sand und Humus bei Abwesenheit irgendwelcher Nährpflanzen, freilich meist nur zu Kümmerlingen, aufzuziehen.
Eine zweite Untergruppe der Halbschmarotzer veranschaulicht am besten unsre einheimische, durch ihre zweigabelige Verzweigung, gegenständige, immergrüne Blätter und weiße, mit Klebstoff erfüllte Beeren auffallende Mistel (Viscum album, s. Tafel, [* 5] Fig. I). Bei ihr findet, wie auch für bei der Mehrzahl ihrer Familiengenossen, den Loranthaceen oder Riemenblumengewächsen, zwar noch selbständige Kohlensäurezersetzung mittels der chlorophyllhaltigen Blätter oder Stammteile statt; allein ihre Samen keimen und wurzeln niemals in der Erde, sondern nur auf der Rinde andrer Holzgewächse (Kiefern, Pappeln, Obstbäumen, selten auch auf Eichen), auf der sich die Keimwurzel des durch Klebstoff befestigten Samens sofort mit einer Haftscheibe festsetzt, dessen Unterseite dann ein in das Gewebe der Nährpflanze eindringender Senker entspringt; dieses primäre Saugorgan entwickelt blattgrünführende, am Ende mit haarartig verlängerten Saugfäden versehene Rindensaugstränge [* 5] (Fig. 1), die parallel der Längsrichtung der Nährzweige in deren Rinde verlaufen und senkrecht zu ihrer Hauptrichtung gestellte, keilartige Senker in das umgebende Nährholz eintreiben, um sich mit den Leitungsbahnen (Gefäßröhren) desselben in Verbindung zu setzen.
Diese Senker werden von den neu sich bildenden Holzschichten des Nährstammes allmählich umwallt und halten ihrerseits durch eine Zellbildungsschicht (Meristem) mit dem Jahresringzuwachs des Wirtes gleichen Schritt; der Schmarotzer vermag so zu einem stattlichen Busche bis zu mehreren Metern Umfang heranzuwachsen und kann ein Alter von 30-40 Jahren erreichen; auch erzeugen die Rindenwurzeln durch Brutknospenbildung junge Mistelpflänzchen, die aus der Rinde hervorbrechen. Die südeuropäische Wachholdermistel (Arceuthobium Oxycedri) mit roten Beeren und verkümmerten Blättern entwickelt nur Krautstengel und im Innern der Nährrinde eine Art von Fadengeflecht, das die parasitäre Ernährung besorgt. Bei der auf Eichen und Edelkastanien Ost- und Südeuropas schmarotzenden Riemenblume (Loranthus europaeus), die zierliche Träubchen gelber Beeren trägt, wachsen die Saugstränge [* 5] (Fig. 2) innerhalb der Kambial- und Jungholzschichten der Nährbäume; die allmählich erhärtenden Holzzellen leisten den Strängen schließlich solchen Widerstand, daß letztere treppenartig ausbiegen und ihre fortwachsenden Spitzen um 5-8 mm nach außen verlegen müssen.
Andre Loranthaceen (Oryctanthus, Phthirusa) erzeugen auch Haftwurzeln von echter Wurzelnatur, die um den Nährast herum eine Art von Gitterwerk bilden und an den Berührungsstellen Haftscheiben erzeugen. Den S. der Mistelform schließen sich auch einige Santalaceen (Henslowia, Phacellaria) sowie die kleine, auf Amerika [* 7] beschränkte Familie der Myzodendreae an, deren Früchte nicht wie bei den Loranthaceen durch den Klebstoff der Beeren, sondern durch 3 lange Haftborsten der Rinde des Nährbaumes angeheftet werden. Die einstmalige Urform der Loranthaceen wird durch zwei Gattungen Australiens (Nuytsia und Gaiadendron) angedeutet, deren Arten höhere Bäume oder Sträucher mit gewöhnlichen Erdwurzeln darstellen.
In der äußern Tracht von den S. der Mistelform sehr abweichend zeigt sich die Reihe der Schlingschmarotzer, deren fadenförmige, oft zwirnartig dünne Stengel (Fig. 3, bei a, S. 832) die Nährpflanzen umwickeln u. sich an denselben mit Hilfe reihenweise übereinanderstehender Haftorgane von Form der Raupenfußstummel festsetzen; auch hier entspringt der Unterseite derselben [* 5] (Fig. 3, bei b) ein in das Innere der Nährpflanze eindringender Saugstrang, dessen Zellen sich mehr oder weniger fächerförmig ausbreiten.
Wenn ein Zweig des Schmarotzers einen andern berührt, so entwickeln sich zwar auch die Haftorgane, aber die Bildung des Saugstranges bleibt rudimentär. Dieser Reihe von S. gehören zwei Familien an, von denen die eine, die Flachsseiden- oder Teufelszwirngewächse (Cuscuteae) nach der Art ihres Blüten- und Fruchtbaues mit den Windenpflanzen (Convolvulaceae), die andre, die Kassytheen, mit den Lorbeergewächsen am nächsten verwandt ist. Trotz so ungleicher Familienabstammung besitzen sie große Ähnlichkeit, [* 8] da ihre Blätter zu kleinen unscheinbaren Schuppen verkümmern; der Chlorophyllgehalt ist bei Cuscuta [* 9] sehr gering, bei Cassytha sind deutliche Chlorophyllkörner ausgebildet; dem entsprechend sind bei ersterer auch die Spaltöffnungen sehr spärlich, bei Cassytha da-
[* 5] ^[Abb.: Fig. 1. Mistel (Viscum album), Längsdurchschnitt des untern Stammteils nebst Rindensaugsträngen und Senkern (die dunklern Partien der
Figur), die in einen Holzstamm eindringen.]
[* 5] ^[Abb.: Fig. 2. Riemenblume (Loranthus europaeus), Längsschnitt des untern Stammteils nebst Saugstrang (die dunklere Partie der
Figur), der einem Holzstamm aufsitzt.] ¶
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gegen reichlich vorhanden. Die Keimung der Samen von Cuscuta findet in der Erde oder auf der verwitterten Borke von Bäumen statt; der im Ruhezustand eingerollte Keimling streckt sich, wird schraubenförmig, und sein Wurzelende dringt in den Boden, während das entgegengesetzte Ende sich wie der Zeiger einer Uhr [* 11] herumbewegt und eine Stütze zu erfassen sucht; sobald dies gelungen ist, umwickelt es dieselbe mit einigen Windungen und bildet Haftwarzen aus, welche dann, wenn die ergriffene Unterlage eine lebende Pflanze ist, den schon geschilderten Saugstrang aussenden. Das untere Ende der Pflanze stirbt darauf ab, und dieselbe steht dann nicht mehr mit dem Boden, sondern nur noch durch die Haustorien mit der Wirtspflanze in Verbindung; im Gewebe letzterer laufen die Saugstränge in myceliumähnliche Zellfäden aus. Der Parasitismus von Cuscuta ist demnach viel weiter vorgeschritten als bei den Rhinanthaceen und bei der Mistel, da dort die selbständige Assimilation fast ganz aufgegeben erscheint.
Dasselbe gilt von der Gruppe der Braunschuppschmarotzer, die von den lippenblütigen Orobancheen gebildet wird. Dieselben entwickeln oberhalb der Erde einen dicken, fleischigen, mit Schuppenblättern besetzten, gelblich oder braungefärbten, oft auch bläulich oder violett überlaufenen Blütensproß, der unterwärts in eine Art von Knolle übergeht; letztere sitzt der Wurzel [* 12] einer Nährpflanze auf und trägt an ihrer Basis eine Anzahl kurzer Fasern, von denen sich einige ebenfalls der Nährwurzel anheften.
Bei der Keimung des sehr kleinen Samens von Orobanche, die nach Koch nur bei dichter Berührung einer Nährwurzel erfolgt, entwickelt sich der völlig ungegliederte Embryo zu einem Faden, [* 13] dessen unteres Ende mit warzenartigen Ausstülpungen in die Nährwurzel eindringt und dort ein keilförmiges primäres Saugorgan ausbildet, während gleichzeitig die außerhalb des Wirts verbleibende Basis des Keimlings zu einem knollenförmigen Körper etwa von Erbsengröße heranwächst, der in seinem Innern (endogen) nach oben zu Stammvegetationspunkte, nach unten Anlagen von Wurzeln erzeugt.
Umgekehrt wie bei Cuscuta, bei welcher das obere Ende des Keimlings sich allein weiter entwickelt, stirbt dasselbe bei Orobanche frühzeitig ab. Der aus der Keimlingsbasis hervorgegangene Knollenkörper gewinnt durch die an ihm auftretenden Wurzelanlagen zunächst die Form eines kleinen Streitkolbens und läßt erst nach längerer Zeit (bei Phelipaea ramosa z. B. 3½ Monat nach der Aussaat) den Blütensproß hervortreten. Die meisten Orobancheen sind nur auf einer beschränkten Zahl von Nährpflanzen entwickelungsfähig, so z. B. Phelipaea ramosa auf Hanf und Tabak, [* 14] Orobanche caryophyllacea auf Galiumarten, Orobanche Teucrii auf Arten von Teucrium etc. Die bisweilen ebenfalls zu den Braunschuppern gezählte Schuppenwurz (Lathraea Squamaria, s. Tafel, [* 10] Fig. 2) unterscheidet sich von ihnen sowohl in systematischer als in biologischer Beziehung und wird deshalb neuerdings zu den Rhinanthaceen gestellt.
Sie besitzt ein fleischiges, weiß gefärbtes, dicht mit Blattschuppen nach Art eines Fichtenzapfens besetztes, sich verzweigendes Rhizom, [* 15] dessen Enden sich über die Erde erheben und anfangs hakenförmig eingekrümmte, violettrötlich überlaufene Blütenstände mit einseitswendigen Lippenblumen tragen. Die Keimpflanze von Lathraea entwickelt ein Würzelchen, das auf einer Nährwurzel (Haselnuß, Hainbuche u. a.) eine primäre Haftscheibe nebst Saugfortsatz erzeugt, während sich das Stengelende zu dem Schuppenrhizom entwickelt. Letzteres bildet Beiwurzeln, die in dickliche, fadenförmige Ästchen mit Haftscheiben und Saugfortsätzen auslaufen.
Eine vierte Reihe der S., die Knollensproßschmarotzer, zu welchen die merkwürdigen, oft an Pilze [* 16] erinnernden Formen der Balanophoreen gehören, knüpft in mancher Beziehung an die Entwickelung der Orobancheen an, indem auch bei ihnen der primäre Vegetationskörper eine Art von Knollen [* 17] bildet, aus welchem die blütentragenden Sprosse hervorwachsen; jedoch ist die Gruppe von den Braunschuppengewächsen durch zahlreiche systematische und biologische Merkmale verschieden. In Europa [* 18] wird sie nur durch den Malteserschwamm (Cynomorium coccineum, s. Tafel, [* 10] Fig. 6) vertreten, während die übrigen 36 bekannten Arten vorzugsweise die tropischen Urwälder Südasiens und Südamerikas bewohnen und dort auf
[* 10] ^[Abb.: Fig. 3. Cuscuta europaea, auf dem Stengel des Hopfens schmarotzend: a in natürlicher Größe. - b Durchschnitt des Nährstengels und des Haftorgans, vergrößert.] ¶