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vertrieben. Die sog. Gemeinsame Negierung und die Statthalterschaft Schleswig-Holsteins hatten hier ihren Sitz; nach der Schlacht bei Idstedt aber fiel die Stadt wieder in die Hände der Dänen. Zur Strafe für ihre patriotische Haltung verlor sie jetzt den Rang der Landeshauptstadt, die Ständeversammlung und alle obersten Provinzialbehörden, die nach Flensburg [* 3] verlegt wurden. Am wurde S., nachdem die Dänen die Danewerkstellung geräumt hatten, von den Österreichern besetzt. Ende 1861 nahm die kaiserlich österr. und königlich preuß. Civilbehörde für Schleswig-Holstein [* 4] und Lauenburg [* 5] ihren Sitz in S., und vom Sept. 1865 bis Juni 1866 residierte daselbst der königlich preuß. Gouverneur des Herzogtums S. -
Vgl. Heldvader, Kurze und einfältige Beschreibung der alten weltberühmten Stadt S., aufs neue gedruckt im J. 1637; Schröder, Geschichte und Beschreibung der Stadt S. (Schlesw. 1827);
Sach, Geschichte der Stadt S. (ebd. 1875).
Schleswig-Angeler Eisenbahn, Privatbahn von
Schleswig
[* 6] nach
Süderbrarup
(Station der Kiel-Eckernförde-Flensburger
Eisenbahn), s.
Deutsche Eisenbahnen
[* 7] Bd. 4, S. 1000).
Schleswig-Holstein, Provinz im preuß.
Staate, gebildet aus den bis 1861 zu
Dänemark
[* 8] gehörigen Herzogtümern
Schleswig (s. d.), Holstein
(s. d.)
und (seit 1876) Lauenburg (s. d.), grenzt im N. an Jütland, im O. an die Ostsee,
Lübeck
[* 9] und
Mecklenburg,
[* 10] im
S. an
Mecklenburg,
Hamburg
[* 11] und Hannover
[* 12] und im
W. an die Nordsee, und hat einschließlich
Helgoland
[* 13] einen Flächenraum von 18997,17 qkm. (S. die Karte: Hannover,
Schleswig-Holstein,
Braunschweig
[* 14] und Oldenburg,
[* 15] Bd.
8, S. 790.)
Oberflächengestaltung,
Gewässer,
Klima.
[* 16]
Die Provinz besteht aus dem von Süden nach Norden [* 17] schmaler werdenden Festland und vielen Inseln, wie Alsen, Fehmarn, Aaröe in der Ostsee, Rm, Sylt, Föhr, Amrum, Pellworm, Nordstrand und den Halligen (s. d.) in der Nordsee. Von den Enklaven im Süden gehören vier zu Hamburg, fünf zu Lübeck und drei zu Mecklenburg-Strelitz. S. gehört zum großen norddeutschen Tiefland; man unterscheidet drei Teile: das fruchtbare Hügelland im Osten, das Marschland (s. d.) im Westen und zwischen beiden eine Hochfläche, das unfruchtbare Heideland, eine Fortsetzung der Lüneburger [* 18] Heide.
Die höchsten Punkte des Landes sind der Bungsberg (159 m) im Kreis [* 19] Oldenburg, der Pilsberg oder Hessenstein (128 m) nordwestlich von Lütjenburg, beide in einer landschaftlich schönen Gegend, und der Scheelsberg (106 m) bei Eckernförde. Die Marsch besteht aus Alluvionen des Meers und der Flüsse, [* 20] das übrige Land gehört dem Diluvium [* 21] an, das fruchtbare Hügelland dem Geschiebethon, das Heideland dem Geschiebesand und der unfruchtbaren Ahlformation oder der Geest (s. d.). Die Ostsee bespült S. auf eine Länge von 525, die Nordsee auf eine Länge von 330 km. Die Nordseeküste ist weniger entwickelt als die Ostseeküste mit ihren zahlreichen kleinern und größern Buchten. Da die Wasserscheide beider Meere der Ostsee näher liegt, so sind die Zuflüsse derselben kürzer als die der Nordsee.
Ebbe und Flut sind an der Ostseeküste kaum bemerkbar, um so mehr aber an der Nordseeküste. Überschwemmungen bringen der Westküste besonders die Nordweststürme, der Ostküste die Nordoststürme. Die Elbe berührt die Provinz auf 104 km und nimmt hier die Ville, Alster, Pinnau, Krückau und Stör auf. In die Ostsee münden die Schwentine und Trave, in die Nordsee die Königsau, Wiedau und Eider. Zahlreiche Landseen finden sich in der fruchtbaren Hügellandschaft des nordöstl.
Holsteins:
der Plöner See (s. d., der größte der Provinz) und der Selentersee (23 qkm);
im Schleswigschen ist der Wittensee (10 qkm) der größte.
Unter den Kanälen sind hervorzuheben: der Schleswig-Holsteinische oder Eiderkanal (s. d.), der durch den Nordostseekanal [* 22] (s. d.) ersetzt wird;
der Stecknitzkanal (11,5 km), einschließlich der kanalisierten Stecknitz und Delvenau 72 km lang, welcher die Delvenau (Elbe) mit der Stecknitz (Trave) verbindet und einer der ältesten Kanäle Europas ist (1391-98);
die Süderbootfahrt, 6,3 km lang, zwischen Garding und Katingsiel;
der Kudenseekanal (die kanalisierte Burger Au, 15 km) in Süderdithmarschen und der Tondernsche Kanal [* 23] zwischen Tondern und Wiedau (2,5 km). - Das Klima ist durch die Einwirkung der Meere gemäßigt und gilt im ganzen für sehr gesund. Die Witterung ist unbeständig, feucht und oft nebelig, die Durchschnittstemperatur aber beträgt im nördl. Schleswig etwa 7 ½ bis 8° C., in den südl. Kreisen über 9° C. und bleibt im Mittel selbst im Dezember und Januar über Null; die mittlere jährliche Niederschlagshöhe beträgt in Kappeln 63, Kiel [* 24] 67, Westerland auf Sylt 72, Segeberg 73, Tondern 76 und Apenrade 77 cm. Bevölkerung. [* 25]
Die Provinz hat (1890) einschließlich Helgoland 1219523 (617 430 männl., 602093 weibl.) E., 161162 bewohnte, 3162 unbewohnte Wohnhäuser, [* 26] 1033 andere bewohnte Baulichkeiten, 266770 Haushaltungen und 1216 Anstalten mit 35201 Insassen. Dem Religionsbekenntnis nach waren 1190793 Evangelische, 21807 Katholiken, 2649 andere Christen, 184 Dissidenten und 3571 Israeliten; der Staatsangehörigkeit nach 1181572 Reichsangehörige, 32198 Reichsausländer, darunter 29765 Dänen.
Der Muttersprache nach sind die meisten Bewohner Deutsche, mit Ausnahme von 135131 Dänen (westjütische Mundart). Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche kamen (1893) auf Acker- und Gartenland 1085557 ha, Wiesen 205244, Weiden und Hutungen 222773, Öd- und Unland 114132, Haus- und Hofräume 16842, Wegeland, Gewässer u. s. w. 130667 ha. Landwirtschaft und Viehzucht [* 27] stehen auf einer hohen Stufe. 1882 waren 37,76 Proz. der Bevölkerung in der Bodenbenutzung und Tierzucht beschäftigt.
Der größte Teil der landwirtschaftlich benutzten Fläche ist mit Hafer [* 28] bebaut (1893: 192175 ha), dann folgen Roggen (148779), Gerste [* 29] (53323), Weizen (46142) und Kartoffeln (31114 ha). Der Ernteertrag belief sich (1893) auf 208455 t Roggen, 97977 Weizen, 66237 Gerste, 286011 Kartoffeln, 205059 Hafer und 375832 t Wiesenheu. Die Pferdezucht [* 30] ist sehr ansehnlich; die Rindviehzucht ist in keiner Provinz so hoch entwickelt wie in S. und liefert unter andern große Massen von Mastvieh nach dem Rhein und ins Ausland; auch die Imkerei ist hervorragend. Der Viehbestand betrug 172107 Pferde, [* 31] 823539 (1893: 796305) Stück Rindvieh, 289521 Schafe, [* 32] 344968 (1893: 362962) Schweine, [* 33] 44653 Ziegen und 107849 Bienenstöcke. Im Wattenmeere wurde früher eine ausgedehnte Austernzucht betrieben; die Austernbänke [* 34] sind Domäne, aber an Private verpachtet. S. ist die waldärmste Provinz der Monarchie; nur in Lauenburg ist die Forstwirtschaft von ¶
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deutung. Die Provinz hat (1893) 124531 ha Forsten, darunter 77318 ha Privat-, 34769 Staats- und 9481 ha Gemeindeforsten; der Wald besteht zu 32,8 Proz. aus Nadelholz. Industrie und Gewerbe. Fabriken bestehen nur an einzelnen Plätzen. 1882 waren 26,33 Proz. der Bevölkerung in Industrie und Gewerbe und 9,37 Proz. in Handel und Verkehr beschäftigt. Abgesehen von der Kunst- und Handelsgärtnerei, die im Kreis Pinneberg von größerer Bedeutung ist, und von der Fischerei, [* 36] die (1882) 2011 Personen beschäftigte, ist die gewerbliche Produktion hervorragend durch Torfgräbern im Kreis Rendsburg, [* 37] durch Traßgräberei und Cementfabrikation in den Kreisen Steinburg, Norderdithmarschen und Pinneberg, durch Ziegelei, durch Glas-, Zinnwarenfabrikation und Zinngießerei in Ottensen, durch Eisengießerei [* 38] in Rendsburg, durch Blechwarenindustrie im Kreis Pinneberg, durch Maschinenfabrikation in Flensburg, Altona [* 39] und Stormarn, durch Wagenbau in Kiel und Altona, durch bedeutenden Schiffbau im Kreis Pinneberg, in Kiel, Flensburg, Apenrade und Plön, durch Sprengstoff- und Zündwarenfabrikation bei Flensburg und in Lauenburg, durch Wollweberei in Kiel, durch Leinweberei in den Kreisen Tondern, Hadersleben [* 40] u. a., durch Gummi- und Haarflechterei und Seilerei in Altona, durch Gerberei in den Kreisen Steinburg und Pinneberg, durch Holzindustrie und Korbflechterei, Korkschneiderei, Pinsel- und Kammfabrikation in den Kreisen Altona und Pinneberg längs der Elbe, durch Holzvergoldung und -Veredelung in Kiel und Altona, Holzschnitzerei in Flensburg, durch Müllerei, Fischsalzerei, Butter- und Milchkonservenfabrikation, durch Brauerei und Brennerei in Kiel, Stormarn und Altona sowie durch Schuhmacherei in Preetz, Pinneberg und Umgegend.
Handel und Verkehrswesen. Der Handel ist außerordentlich entwickelt; er wird besonders begünstigt durch die Wasserstraßen, die zahlreichen Häfen und die Reederei, die (Anfang 1894) über 169 Seedampfer mit 80195 und 468 Segelschiffe mit 24250, sowie über 911 Schiffe [* 41] mit 39656 Registertons für den Fluß- und Küstenverkehr verfügte. Haupthäfen sind Altona, Flensburg und Kiel, welche lebhaften überseeischen Verkehr unterhalten; Kiel ist zugleich starker Kriegshasen; außerdem giebt es noch zahlreiche größere und kleinere Häfen an der Nord- und Ostseeküste.
Haupthandelsartikel sind die Erzeugnisse der Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei, ferner ausländisches Bauholz, Kohlen, Salz [* 42] und Kolonialwaren. Handelskammern bestehen zu Altona, Flensburg und Kiel. Die Provinz hat (1891) 3554,3 km Chausseen, darunter 2503,9 km Provinz- und Bezirks- und 994,5 km Gemeindestraßen, sowie (1893) ein Eisenbahnnetz von 1288,13 km (d. i. 68 km auf 1000 qkm Grundfläche und 104 km auf 100000 E.), darunter 333,65 km staatliche und 159,43 km private Nebenbahnen.
Die königlich preuß. Eisenbahndirektion befindet sich in Altona, Oberpostdirektion in Kiel; der südöstl. Teil einschließlich des Kreises Herzogtum Lauenburg gehört zur Oberpostdirektion Hamburg. Unterrichtswesen. An Bildungsanstalten bestehen die Universität Kiel (s. d.), die Marineakademie und Marineschule ebenda, 1 Predigerseminar in Hadersleben, ferner 12 Gymnasien, 3 Realgymnasien, 1 Oberrealschule, 1 Progymnasium, 10 Realprogymnasien (zum Teil mit andern Lehranstalten verbunden), 3 Realschulen, 33 öffentliche Mittel- und höhere Mädchenschulen, 6 Schullehrerseminare (davon 1 im Kreis Herzogtum Lauenburg), 1 Lehrerinnenseminar, 2 königl. Präparandenanstalten, 1839 öffentliche Volksschulen mit 201861 Schulkindern, ferner 1 Landwirtschaftsschule, 3 Ackerbauschulen, 1 Baugewerksschule, 1 Handelsschule, 3 Navigationsschulen und 4 Navigationsvorschulen, je 1 Fachschule für Holzschnitzerei und Kunsttischlerei sowie für Dampfschiffmaschinisten, 1 Kadettenhaus, 1 Taubstummen-, 1 Blinden- und 2 Privatidiotenanstalten.
Außerdem besteht zu Kiel (s. d.) das Thaulow-Museum. Verfassung und Verwaltung. Die Provinz bildet den Reg.-Bez. Schleswig. Sitz des Oberpräsidenten ist Schleswig. Laut Gesetz vom sind in Kraft [* 43] getreten die Kreisordnung vom und die Provinzialordnung vom Der Kreis Herzogtum Lauenburg bildet einen eigenen Landeskommunalverband mit dem Verwaltungssitz in Ratzeburg. Die Auseinandersetzung und Gemeinheitsteilungssachen werden von der Generalkommission in Hannover bearbeitet.
Die kirchlichen Angelegenheiten der evang. Landeskirche verwaltet das Konsistorium in Kiel. Die kath. Kirche gehört zum Kirchensprengel Osnabrück. [* 44] Die Provinz, einschließlich des Kreises Herzogtum Lauenburg, ist in den Ablösungssachen der Rentenbank zu Stettin [* 45] zugeteilt. Für die indirekten Steuern und Zölle ist die Provinzialsteuerdirektion zu Altona zuständig. Das Medizinalkollegium hat seinen Sitz in Kiel. Die Deputation für das Heimatwesen befindet sich in Schleswig.
Für die Reichstagswahlen bestehen 10 Wahlkreise (s. Schleswig 1). In das Abgeordnetenbaus sendet die Provinz 36 Abgeordnete; im Herrenhause ist sie (1895) durch 11 Mitglieder vertreten, darunter 3 mit erblicher Berechtigung, 4 auf Lebenszeit und 4 auf Präsentation berufene. Die Bergbehörden stehen unter dem Oberbergamt Clausthal; [* 46] das Bergrevieramt befindet sich zu Hannover; die Geschäfte der frühern Berginspektion zu Segeberg bei Verwaltung des dortigen fiskalischen Gipswerkes sind auf die Berginspektion zu Lüneburg [* 47] übergegangen.
Die Provinz bildet den Oberlandesgerichtsbezirk Kiel (s. d.). Militärisch ist S. Ersatz- und Garnisonbezirk des 9. Armeekorps (Generalkommando in Altona, Kommando der 18. Division in Flensburg); die Marinestation der Ostsee hat ihren Sitz in Kiel. Das Wappen der Provinz, ein durch eine aufsteigende Spitze in drei Felder geteilter Schild, [* 48] zeigt: a. im roten Felde ein von Silber und Rot quergeteiltes Schildlein, umgeben von einem silbernen Nesselblatt, das in den beiden obern Ecken und am untern Rande je mit einem silbernen, mit der Spitze nach innen gekehrten Nagel versehen ist (für Holstein);
d. im goldenen Felde zwei übereinander gehende, blaue, rotgezüngte Löwen [* 49] (für Schleswig);
c. in der aufsteigenden Spitze im roten, von in Silber und Schwarz zu zwölf gestückter Einfassung umgebenen Felde einen silbernen Pferdekopf (für Lauenburg).
Die Farben sind Blau-Rot-Weiß. ^[Abbildung] ¶