Schlesische
Kriege, Bezeichnung der drei
Kriege, die König
Friedrich II. von
Preußen
[* 2] gegen Maria
Theresia und ihre Bundesgenossen
1740-63 um den
Besitz von
Schlesien
[* 3] geführt hat und die mit dem Ergebnis schlossen, daß
Preußen endgültig in den
Besitz der
bis 1740 österr.
Provinz
Schlesien gelangte. Die zwei ersten S. K. bilden einen
Teil des
Österreichischen
Erbfolgekrieges
(s. d.), der dritte heißt gewöhnlich der Siebenjährige
Krieg (s. d.).
Erster Schlesischer Krieg (1740-42). Als mit dem Tode Kaiser Karls VI. das Haus Habsburg im Mannsstamm ausstarb, erkannte Friedrich II. von Preußen sofort, daß jetzt der günstige Augenblick gekommen sei, um Vergeltung zu fordern für die Unbill, die Friedrich Wilhelm I. in der jülich-bergischen Erbschaftssache durch das Haus Habsburg erlitten hatte, und um die alten Ansprüche Preußens [* 4] auf die Fürstentümer Jägerndorf, Liegnitz, [* 5] Brieg [* 6] und Wohlau durchzusetzen. Der König beschloß, in Wien [* 7] eine Unterhandlung anzuknüpfen, um, wenn möglich, auf friedlichem Wege zu einer Verständigung zu gelangen, zugleich aber auch sofort auf Schlesien Hand [* 8] zu legen.
Am überschritt das preuß. Heer die schles. Grenze und nahm schnell die ganze Provinz in Besitz, nur die Festungen Glogau, [* 9] Brieg, Neisse [* 10] leisteten Widerstand. Die prot. Bevölkerung [* 11] begrüßte die Preußen als Befreier von dem harten religiösen Druck, unter dem sie bisher gelitten hatte. Die Unterhandlungen, die in Wien der Gesandte von Borcke und Graf Gotter angeknüpft hatten, blieben ohne Erfolg. Hofrat von Bartenstein [* 12] bewog die Königin Maria Theresia, alle von preuß. Seite gemachten Vorschläge auf Abtretung Schlesiens gegen Garantie der Pragmatischen Sanktion schroff abzulehnen.
König Georg II. von England zeigte sich auf Österreichs Unterstützungsgesuch eifrig bestrebt, zwischen England, Hannover, [* 13] Holland, Sachsen [* 14] und Rußland eine Allianz wider Preußen zu stande zu bringen. Inzwischen hatte der Erbprinz Leopold von Dessau [* 15] in der Nacht zum die Festung [* 16] Glogau mit Sturm genommen; die preuß. Hauptarmee unter Schwerin [* 17] war bis an die Pässe von Oberschlesien, bis nach Jägerndorf, vorgerückt; aber das in Böhmen [* 18] gesammelte österr.
Heer unter Neipperg überschritt bei Freudenthal das Gebirge, marschierte auf Neisse und verlegte den Preußen die Rückzugsstraße nach Breslau, [* 19] wurde jedoch durch den Sieg der Preußen bei Mollwitz 10. April zurückgeworfen; einige Wochen später kapitulierte die Festung Brieg. Diese Erfolge vereitelten auch die gegen Friedrich II. geplante Koalition, zu der schon die Verhandlungen in Dresden [* 20] begonnen hatten. England, Holland, Rußland, nicht weniger als Frankreich, Bauern und Sachsen umwarben jetzt den König.
Die Engländer wollten zwischen Preußen und Österreich [* 21] vermitteln, während Franzosen und Bayern, [* 22] die im Begriff standen, den Kampf um das österr. Erbe zu beginnen, Preußen als Bundesgenossen zu gewinnen trachteten. Friedrich hielt sich vorerst zurück und lehnte die Anträge des Marschalls Belle-Isle ab; er ließ sich durch den brit. Gesandten Hyndford bestimmen, an die Königin Maria Theresia die Anfrage zu richten, ob sie gewillt sein würde, Niederschlesien mit Breslau abzutreten. Da Maria Theresia diese Zumutung entschieden zurückwies, schloß Friedrich nunmehr in Breslau ein Defensivbündnis auf 15 Jahre mit Frankreich.
Friedrich aber mußte bald inne werden, daß Frankreich, von Eifersucht gegen das aufstrebende Preußen erfüllt, Österreich zu erhalten, Bayern und Sachsen zu verstärken gedachte, um diese als Gegengewicht gegen Preußen zu benutzen und um ungestört an der deutschen Westgrenze selbst seine Macht erweitern zu können. Vom Juni bis Aug. 1741 bezog Friedrich das Lager [* 23] bei Strehlen [* 24] und widmete sich der Ausbildung der preuß. Reiterei. Am 10. Aug. wurde Breslau besetzt; Anfang September suchte der König den Marschall Neipperg zu einer neuen Schlacht zu nötigen, um endlich in den Besitz von Neisse zu gelangen.
Der Versuch mißglückte, und Friedrich ließ sich zu Unterhandlungen mit Neipperg verleiten. Am 9. Okt. wurde die Konvention von Kleinschnellendorf abgeschlossen. Der König verhieß die Feindseligkeiten gegen Maria Theresia einzustellen; er erhielt dagegen Niederschlesien und Breslau; nach einer kurzen Scheinbelagerung sollte auch Neisse ihm übergeben werden. Da aber die Konvention von der österr. Regierung nicht, wie ausbedungen, geheimgehalten wurde, so begann der König im Winter, nachdem 26. Nov. Prag [* 25] von den Franzosen, Sachsen und Bayern gestürmt worden war, den Krieg gegen Österreich von neuem.
Schwerin drang in Mähren ein; 26. Dez. fiel Olmütz. [* 26] Im Verein mit einem sächs. Korps gingen die Preußen Anfang 1742 weiter vor, um den Bayern Luft zu machen, deren Land von den Österreichern unter Khevenbüller erobert war. Schon streiften die preuß. Husaren bis in die Nähe von Wien; dann aber erhoben sich Schwierigkeiten bei der Verpflegung; die Sachsen zeigten sich unzuverlässig, die leichten ungar. Truppen thaten dem Heere vielen Abbruch, eine Schlacht, die Friedrich herbeizuführen wünschte, ward von den Österreichern vermieden. Als die in ¶
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Böhmen bedrängten franz. Generale den König um Hilfe ersuchten, ergriff dieser gern den Anlaß, um die unhaltbare Stellung
in Mähren aufzugeben. Das preuß. Heer rückte Anfang April in das östl. Böhmen ein. Nunmehr entschied sich der König zum
Angriff auf das gegen Prag marschierende Heer des Prinzen von Lothringen und schlug ihn bei Chotusitz
(s. d.). Hierauf zeigte sich Maria Theresia zum Frieden
bereit; auch Friedrich sehnte sich, von der Verbindung mit den Franzosen
loszukommen. So kam der Präliminarfriede
von Breslau (s. d., Bd.
3, S. 514 b) zu stande, dem 28. Juli der definitive Friede
von Berlin
[* 28] folgte.
Zweiter Schlesischer Krieg (1744-45). Mit Besorgnis sah Friedrich die überraschend schnellen Fortschritte, die nach dem Frieden
die Waffen
[* 29] Maria Theresias und ihrer Verbündeten machten. (S. Österreichischer Erbfolgekrieg.) Sein Versuch, die deutschen
Staaten unter der militär. Hegemonie Preußens zu vereinigen (s. Friedrich II., Bd. 7, S. 338 a) und dem
bedrängten Kaiser in Deutschland
[* 30] Hilfe zu schaffen, scheiterte, und da er sich selbst in dem Besitz von Schlesien bedroht glaubte,
so nahm er neue Verhandlungen mit Frankreich auf.
Sein Abgesandter Graf Rothenburg [* 31] verstand es, Ludwig XV. zur offenen Kriegserklärung an Österreich und zu einem neuen Bündnis mit Preußen zu bewegen. Am wurde in Versailles [* 32] der Vertrag unterzeichnet. Friedrich verhieß, mit 80000 Mann «kaiserl. Hilfsvölker» in Böhmen einzubrechen; als Entschädigung wurde ihm das nordöstl. Böhmen, insbesondere der Kreis [* 33] Königgrätz, [* 34] in Aussicht gestellt. Gleichzeitig hatte sich Friedrich auch mit Karl VII., mit Kurpfalz und mit Hessen-Cassel durch die Frankfurter Union (s. d.) vom verbündet.
Obschon der König nur in dem Falle zum Kriege verpflichtet war, wenn Frankreich durch einen Bund mit Rußland ihm den Rücken
deckte, so entschied er sich doch im Hochsommer 1744, trotz der feindseligen Haltung Rußlands, zu sofortigem Angriff auf Österreich;
denn er befürchtete, daß die Franzosen infolge des Einbruchs der Österreicher in das Elsaß einen voreiligen
Frieden
abschließen und Preußen im Stich lassen könnten. Im Aug. 1744 drangen 80000 Mann durch Sachsen und durch Schlesien
in Böhmen ein. Am 16. Sept. wurde Prag erobert.
Friedrich rückte weiter moldauaufwärts, auch Tabor, Budweis, Frauenberg fielen; doch die Saumseligkeit seiner Verbündeten durchkreuzte des Königs Pläne, ganz Böhmen in Besitz zu nehmen. Prinz Karl von Lothringen konnte ganz unbelästigt den Rhein überschreiten und seine Truppen in Eilmärschen durch Süddeutschland nach Böhmen führen. Aus Bayern und Ungarn [* 35] stießen weitere österr. Heerhaufen hinzu, durch das Vogtland zog ein sächs. Hilfskorps herbei.
Friedrich sah sich plötzlich allein der gesamten feindlichen Macht gegenüber. Er hatte versäumt, die Pässe des Böhmerwaldes besetzen zu lassen. Dem Marschall Traun gelang es, die preuß. Rückzugsstraße zu bedrohen; durch geschickte Manöver, durch Abschneiden der Lebensmittel drängte er den König von einer Position in die andere zurück. Vergebens bemühte sich Friedrich, den Gegner zu einer Schlacht zu verleiten. Die feindselige Gesinnung des böhm. Landvolks, Krankheit und Desertion unter den Truppen, Mangel der Verpflegung brachten das preuß. Heer in eine immer üblere Lage.
Anfang Dezember waren die Preußen aus Böhmen hinausgeworfen; die Hälfte der Truppen war verloren, die nach Schlesien geretteten Reste in traurigstem Zustande. Die österr. Heeresleitung ging sofort zur Offensive über, Oberschlesien ward von leichten Truppen überschwemmt. Durch die Quadrupelallianz von Warschau [* 36] schlossen sich im Jan. 1745 Österreich, Sachsen-Polen, England-Hannover und Holland zusammen und verabredeten eine Teilung der preuß. Monarchie.
Mit rücksichtsloser Energie, aber auch mit größter Umsicht und Sorgfalt bereitete Friedrich alles vor,
um den siegesgewissen Gegner mit einem Schlage zu zerschmettern. Kleine glückliche Gefechte bei Ratibor,
[* 37] Habelschwerdt und Landeshut
hoben den Mut der Truppen. Es glückte dem König, das österr.-sächs. Heer unter dem Prinzen von Lothringen durch die absichtlich
unbesetzt gelassenen Pässe nach Mittelschlesien hineinzulocken. Nachdem Zieten die Vereinigung des Korps
unter Markgraf Karl mit der königl. Armee ermöglicht hatte, überraschte Friedrich 4. Juni die ahnungslosen Sachsen und Österreicher
bei Hohenfriedeberg
[* 38] (s. d.) und erfocht einen glänzenden Sieg. Er folgte dem weichenden Gegner nach Böhmen hinein, beschränkte
sich jedoch auf die Besetzung der östl. Grenzbezirke.
Zwischen Preußen und England wurden nun zu Hannover 26. Aug. die Grundlagen eines Friede
nsvertrages festgestellt. König Georg
verhieß, die Herstellung des status quo ante bei den Höfen von Wien und Dresden durchzusetzen. Friedrich versah sich nicht
mehr eines weitern Kampfes, schickte von seinem Heere einen beträchtlichen Teil nach Sachsen und Schlesien
zurück und stand mit nur 22000 Mann in der Gegend von Trautenau den Österreichern gegenüber, die ihm um mehr als die Hälfte
überlegen waren.
Prinz Karl von Lothringen überraschte den König in einer ungünstigen Stellung und eröffnete 30. Sept. bei Soor den Angriff auf die Preußen, wurde aber von diesen trotz größter Schwierigkeiten in die Flucht getrieben. Auch jetzt beharrten die Österreicher und Sachsen bei dem Plan, noch einen Winterfeldzug zu unternehmen und den Krieg in die altpreuß. Lande hinüberzuspielen. Von Sachsen her sollte eine verbündete Armee in die Marken eindringen, während das nach der Lausitz vorgehende Heer des Prinzen von Lothringen den preuß. Truppen in Schlesien den Rückweg nach Brandenburg [* 39] verlegen sollte.
Friedrich erfuhr von diesem bedrohlichen Projekt durch den schwed. Gesandten in Berlin, sammelte sofort seine Truppen in Schlesien
und ließ ein zweites Armeekorps bei Halle
[* 40] unter dem Fürsten Leopold von Dessau zusammenziehen. Die Vorhut
des königl. Heers brach in die Lausitz ein und warf bei Katholisch-Hennersdorf 23. Nov. die Spitzen der Armee Karls von Lothringen
zurück. Eilends trat dieser den Rückmarsch nach Böhmen an. Am 15. Dez. griff Leopold von Dessau die sächs. Hauptarmee unter
Rutowski bei Kesselsdorf an und brachte den Sachsen so starke Verluste bei, daß eine zweite Schlacht von
dem österr. und sächs. Heerführer nicht mehr gewagt wurde. Friedrich vereinigte sich mit dein Korps des Dessauers und hielt 18. Dez. seinen
Einzug in Dresden. Er war trotz der letzten Erfolge bereit, den Frieden
auf Grund des Statusquo anzunehmen; hingegen blieb
Maria Theresia der Versöhnung mit Preußen noch immer abgeneigt. Sie sandte dem Unterhändler in Dresden,
dem Grafen Harrach, Befehl, statt mit Preußen vielmehr mit dem franz. Gesandten abzuschließen. Doch dieser Befehl
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traf zu spät ein; es glückte Friedrich, den Franzosen zuvorzukommen. Unter engl.-hannov. Vermittelung wurde 25. Dez. der Friede
in Dresden (s. Dresdner Friede) abgeschlossen.
Vgl. Grünhagen, Geschichte des Ersten Schlesischen Krieges (2 Bde., Gotha [* 42] 1881);
Die Kriege Friedrichs d. Gr. (hg. vom Großen Generalstabe, Tl. 1, 3 Bde., Berl. 1890-93);
Friedrich II., Histoire de mon temps (in der zweiten Redaktion von 1775 hg. in den «Œuvres de Frédéric le Grand», Bd. 2 u. 3, ebd. 1846; in der ersten Redaktion von 1746 in den «Publikationen aus den preuß. Staatsarchiven», Bd. 4, Lpz. 1879, hg. von Posner);
ferner die Litteratur bei den Artikeln: Preußen, Friedrich II. und Maria Theresia.