Dorf im preuß. Regierungsbezirk Breslau, Kreis Neurode, in einem tiefen Thal des Neuroder Gebirges, hat eine
kath. Kirche, ein Krankenhaus, Steinkohlenbergbau, Glasfabrikation, Sandsteinbrüche und Steinhauerei, Weberei, eine Lumpensortieranstalt,
Bierbrauerei und (1885) 3593 meist kath. Einwohner.
1) Johann Elias, Dichter, geb. zu Meißen, besuchte die Klosterschule Pforta,
studierte sodann in Leipzig die Rechte, wurde hier mit Gottsched bekannt und schrieb die Tragödie »Hermann« sowie ein episches
Gedicht: »Heinrich der Löwe«. 1743 ging er als Privatsekretär des sächsischen Gesandten nach Kopenhagen, wurde später Professor
an der neugegründeten Ritterakademie zu Sorö und starb daselbst. Seine Lustspiele: »Der Triumph
der guten Frauen« und »Stumme Schönheit« erwarben ihm das Lob Mendelssohns und Lessings;
in allen seinen dramatischen Versuchen
war ein noch unentwickelter Keim zu wirklich dramatischer Gestaltung vorhanden.
Höher noch als seine Dichtungen stand seine
Einsicht in das Wesen des Dramas; er war der erste, welcher auf Shakespeare wieder im Sinn aufrichtiger Verehrung
hinzudeuten wagte. Seine Werke erschienen in 5 Bänden (Leipz. 1761-1770), seine »Ästhetischen
und dramaturgischen Schriften« in neuer Ausgabe von Antoniewicz (Heilbr. 1887).
Vgl. Wolff, Joh. Elias S. (Kiel 1889).
2) Johann Adolf, Dichter und Kanzelredner, Bruder des vorigen, geb. zu Meißen, studierte in Leipzig,
wurde 1751 Diakonus und Lehrer zu Pforta, 1754 Pastor und Professor zu Zerbst und 1759 Pastor, 1775 auch Konsistorialrat und Superintendent
in Hannover, wo er starb. Er war ein mehr thätiger als glücklicher Mitarbeiter an den »Bremischen
Beiträgen«. Von seinen Gedichten erhielten sich nur einige geistliche Lieder. Er veröffentlichte auch
eine Erläuterung von
Batteux' »Einschränkung der schönen Künste auf Einen Grundsatz« (3. Aufl., Leipz. 1770, 2 Bde.).
3) Johann Heinrich, dän. Geschichtschreiber, Bruder der vorigen, geb. 1724 zu Meißen, studierte in Leipzig die
Rechte und Geschichte, ward Sekretär in der Kanzlei zu Kopenhagen, dann königlicher Historiograph und Professor der Geschichte
daselbst und starb hier Er schrieb unter anderm eine »Geschichte der
Könige von Dänemark aus dem oldenburgischen Stamm« (Kopenh. u. Leipz.
1777, 2 Bde.), übersetzte mehrere Stücke von Thomson und andern englischen Dramatikern und gab die Werke
seines Bruders Johann Elias S. heraus.
4) Johan Friderich Wilhelm, dän. Jurist, Sohn des vorigen, geb. zu Kopenhagen, studierte daselbst und wurde 1789 Adjunkt
der juristischen Fakultät, 1800 ordentlicher Professor der Rechte, 1812 Konferenzrat. Er starb auf seinem
Landsitz Söllerödgaard bei Kopenhagen. Von seinen zahlreichen Schriften, meist in dänischer Sprache, sind hervorzuheben:
»Naturrecht« (Kopenh. 1798, 2 Bde.; 2. Aufl.
1805);
»Staatsrecht des Königreichs Dänemark und der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg« (deutsch von F. H. W. Sarauw,
Schlesw. 1829);
»Codex juris Islandorum antiquissimus, qui nominatur Grágás« (Kopenh.
1829, 2 Bde.).
5) August Wilhelm von, ausgezeichneter Kritiker, Sprachforscher und Dichter, Sohn von S. 2), geb. zu Hannover, woselbst
er das Gymnasium besuchte, begann 1786 in Göttingen das Studium der Theologie, wandte sich jedoch bald ausschließlich der Philologie
und schriftstellerischen Thätigkeit zu. Als Mitglied des Heyneschen philologischen Seminars schrieb er 1787 eine
lateinische Abhandlung über Homerische Geographie, im nächsten Jahr ein Register zu Heynes Ausgabe des Vergil; auch beteiligte
er sich seit 1789 als Mitarbeiter an den »Göttinger gelehrten Anzeigen«.
Wesentlichen Einfluß auf ihn in ästhetischer Richtung gewannen Bürger, der ihm befreundet ward und in einem
Sonett Schlegels Dichterberuf proklamierte, und Bouterwek, der ihm Vorliebe für romanische Poesie einflößte. Seit 1787 veröffentlichte
S. im »Göttinger Musenalmanach« und in der »Akademie der schönen Redekünste« (beide damals von Bürger redigiert) einzelne
Dichtungen. Nach beendigten akademischen Studien bekleidete er drei Jahre lang eine Hofmeisterstelle im Haus des Bankiers Muilman
zu Amsterdam und ließ sich, nachdem er im Herbst 1795 nach Deutschland zurückgekehrt war, im folgenden Frühjahr in Jena nieder.
Hier war er, zum Teil in Gemeinschaft mit seiner geistreichen (später von ihm geschiedenen) Frau, einer Tochter des Professors
Michaelis in Göttingen (s. Schelling 2), als Dichter besonders für Schillers »Horen« und »Musenalmanach«,
als Kritiker für die jenaische »Allgemeine Litteraturzeitung« eifrig thätig; auch begann er damals durch Verdeutschung von
Dichtungen Shakespeares, Calderons, Dantes, Guarinis, Cervantes', Camoens' u. a. seine eigenste Begabung und rasch erreichte Meisterschaft
in der Kunst der poetischen Übertragung zu erweisen. Vom Herzog Karl August 1798 zum außerordentlichen Professor
an der Universität Jena ernannt, gab er mit seinem Bruder Friedrich gemeinsam die Zeitschrift »Athenäum« heraus, blieb bis 1801 in
Jena, ging dann nach Berlin und hielt dort Vorlesungen über schöne Litteratur und Kunst, die große Teilnahme fanden. Von 1804 an
lebte er meist außerhalb Deutschlands
mehr
auf dem der Frau v. Staël gehörigen Landgut Coppet am Genfer See sowie als deren Reisebegleiter nach Italien, Frankreich, Schweden
und England. In Wien hielt er 1808 mit höchstem Beifall aufgenommene Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur. Während
der Feldzüge 1813 und 1814 stand er als Sekretär in Diensten des damaligen Kronprinzen von Schweden, dessen
Proklamationen er zum größten Teil verfaßte. Nach dem Krieg lebte S., der sich seit 1815 auf Grund eines seinem Urahnen von
Ferdinand III. erteilten Adelsdiploms von S. nannte, wieder mit der Frau v. Staël in Coppet, bis er 1818 einem Ruf als Professor
der Litteratur an die Universität zu Bonn folgte.
Hier betrieb er mit Vorliebe orientalische, namentlich indische, Studien, die ihn zu wiederholten Malen nach Frankreich und 1823 nach
England führten und ihn zur Gründung einer Druckerei mit Sanskrittypen in Bonn veranlaßten. Während eines längern Besuchs
in Berlin 1827 hielt er Vorlesungen über die Theorie und Geschichte der bildenden Künste. Eine zweite
Ehe, die er mit der Tochter des Kirchenrats Paulus 1819 geschlossen, wurde noch rascher als die erste wieder getrennt. Er starb in
Bonn. Schlegels eignes poetisches Schaffen erscheint gegenüber seiner sonstigen vielseitigen Produktivität unbedeutend. Bei
aller formellen Virtuosität hat er es kaum zu einer wahrhaft lebensvollen dichterischen Schöpfung gebracht;
seiner Lyrik fehlt die Herzenswärme, und so gelangen ihm eigentlich nur Epigramme oder Sonette, in denen die geistreiche Pointe
und die durchgebildete Form die Hauptsache sind. Sein dramatischer Versuch »Jon« (Hamb. 1803) gehört der reflektierten
Philologenpoesie an. Unübertrefflich und unvergänglich dagegen ist, was S. als poetischer Übersetzer
geschaffen.
Daß die deutsche Nation Shakespeare wie einen Dichter des eignen Volkes ansehen kann, verdankt sie Schlegels Übertragung der
Shakespeareschen Dramen, welche jedoch nur 16 Stücke umfaßt (Berl. 1797-1810, 10 Bde.;
vgl. Bernays, Zur Entstehungsgeschichte des Schlegelschen Shakespeare, Leipz. 1872). Mit gleicher Meisterschaft
übertrug S. fünf Dramen Calderons (»Spanisches Theater«, Berl. 1803-1809, 2 Bde.)
und andre romanische Dichtungen (»Blumensträuße italienischer, spanischer und portugiesischer
Poesie«, das. 1803). Als Ästhetiker eröffnete S. mit seinem Bruder den Reigen der deutschen Romantik (s. Deutsche Litteratur,
S. 751 f.). Er war mit feinfühliger Urteilskraft für Dinge der Kunst begabt, ging aber freilich teilweise
von falschen Prinzipien aus. Die mit seinem Bruder gemeinsam herausgegebenen kritischen Schriften und Aufsätze (»Charakteristiken
und Kritiken«, Königsb. 1801) und die von ihm allein verfaßten (gesammelt als »Kritische Schriften«, Berl. 1828, 2 Bde.)
enthalten vieles von dauerndem Wert, freilich auch viel gehässige Polemik.
Letztere verfeindete ihn nicht nur mit zahlreichen und einflußreichen jüngern Schriftstellern,
z. B. mit Kotzebue (der ihn mit Garlieb Merkel im »Freimütigen« bekämpfte und dafür von S. in »Ehrenpforte und Triumphbogen
für den Theaterpräsidenten v. Kotzebue bei seiner gehofften Rückkehr ins Vaterland« und im »Paradiesgärtlein
für Garlieb Merkel« witzig gegeißelt wurde),
sondern auch mit Wieland und Schiller und endlich mit Goethe.
Dagegen entfaltet S. in den »Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur« (Heidelb. 1805-11, 3 Bde.)
und »Über Theorie und Geschichte der bildenden Künste« (Berl. 1827) die ganze Feinheit und den großen Überblick seines
kunsthistorischen und ästhetischen Urteils.
Unter seinen philologischen Arbeiten verdienen die »Observations
sur la langue et la littérature provençale« (Par. 1818),
die Zeitschrift »Indische Bibliothek« (Bonn 1823-30, 3 Bde.),
die
Ausgaben des »Bhagavad-Gitâ« (das. 1823) und des »Râmâyana« (das. 1829-1846) Auszeichnung, durch welch letztere Werke eine
wissenschaftliche Behandlung der indischen Litteratur in Deutschland zuerst eingeführt wurde. Eine treffliche Gesamtausgabe
seiner deutschen Schriften hat Böcking veranstaltet (Leipz. 1846-47, 12 Bde.),
der sich die von demselben redigierten »Œuvres écrites en français« (das. 1846, 3 Bde.)
und die »Opuscula quae latine scripta reliquit« (das.
1848) anschließen. Eine Auswahl der »Gedichte« Schlegels erschien zu Leipzig 1854.
6) Friedrich von, Bruder des vorigen, geb. zu Hannover, war ursprünglich zum Kaufmann bestimmt,
begann als solcher seine Lehrzeit in Leipzig, entschied sich aber dann für das Studium der Philologie, dem er in Göttingen und
Leipzig oblag, und widmete sich gleich seinem Bruder Wilhelm ausschließlich der Litteratur. In Berlin lernte er Moses Mendelssohns
Tochter Dorothea Veit kennen, die sich um seinetwillen von ihrem Gatten scheiden ließ. Nach seiner Verheiratung
mit derselben habilitierte er sich in Jena als Privatdozent, ging 1802 nach Dresden und begab sich von hier zum Studium der Kunstsammlungen
nach Paris.
Von dort aus begründete er die Zeitschrift »Europa« und ließ sich dann in Köln nieder, wo er und seine
Gattin zur katholischen Kirche übertraten. 1808 ward er in österreichischen Diensten als Sekretär und litterarischer Hilfsarbeiter
bei der Hof- und Staatskanzlei mit dem Titel eines Hofrats angestellt. Die schwungvollen Proklamationen, welche 1809 die Erhebung
Österreichs verkündeten, stammten aus seiner Feder; im Hauptquartier des Erzherzogs Karl redigierte er eine
»Armeezeitung«.
Nach dem verhängnisvollen Friedensschluß im Herbst 1809 versank er mit dem gesamten Metternich-Gentzschen Kreis in resignierten
Pessimismus, schloß sich demnächst immer inniger und gegen Andersdenkende unduldsamer an die Kirche an, wie aus den vielbesuchten
historischen und litterarhistorischen Vorlesungen hervorgeht, die er in den Wintern 1810 und 1812 zu Wien
hielt. 1814 ward S. zum Ritter des päpstlichen Christusordens erhoben; 1815-18 war er als Legationsrat bei der österreichischen
Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt thätig, widmete sich dann in Wien wieder ausschließlich litterarischen Arbeiten und gab
unter anderm die Zeitschrift »Concordia« heraus, deren Tendenz auf die Zurückführung aller Konfessionen
in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche gerichtet war.
Dabei gab er sich der »Philosophie des Lebens« in der wachsenden Lust an der Gourmandise hin. 1827 hielt er wieder in Wien Vorlesungen
»zur Philosophie der Geschichte«, kam im Herbst 1828 nach Dresden, wo er Vorlesungen »über Philosophie der Sprache und
des Wortes« zu halten begann und starb. S. zeigte in seiner ganzen litterarischen Erscheinung mannigfache Verwandtschaft
mit seinem jüngern Bruder August Wilhelm, mit dem er während der ersten Hälfte seines Lebens getreulich zusammenwirkte. In
seinen produktiven Anläufen war er aber noch unglücklicher als jener. Seine »Gedichte«
(Berl. 1809) enthielten nur wenige wirklich aus der Seele klingende Töne und unendliche Formspielereien.
Der halb lüsterne, halb kalt reflektierte Roman »Lucinde« (1. Teil, Berl. 1799; unvollendet)
erwies trotz einiger interessanter Momente
mehr
Schlegels poetische Impotenz. Dieselbe trat noch greller in der Tragödie »Alarkos« (Berl. 1802) hervor,
die Schiller ein »seltsames Amalgam vom Antiken und Neuest Modernen« nannte, und von der Schillers Freund Körner ganz richtig urteilte,
sie zeige »das peinliche Streben, bei gänzlichem Mangel an Phantasie aus allgemeinen Begriffen ein Kunstwerk hervorzubringen«.
Weit bedeutender erschien S. als Forscher und Kritiker. Den Jugendarbeiten: »Von den Schulen der griechischen Poesie« und »Geschichte
der Poesie der Griechen und Römer« (Berl. 1798) folgten die Abhandlungen über Goethe und überhaupt die Aufsätze im »Athenäum«,
mit denen S. die Theorie einer neuen »romantischen« Poesie zu begründen suchte, »die allein unendlich
ist, wie sie allein frei ist und das als erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide«.
In den mit seinem Bruder herausgegebenen »Charakteristiken und Kritiken«, in den spätern Aufsätzen seiner »Europa« ward diese
Anschauung verfochten. Bald aber suchte er einen Halt für seine unruhige Phantastik und eine Stärkung
seiner Welt- und Kunstanschauung in der unbedingten Unterordnung unter die Kirche. So mußte er bereits in seiner »Geschichte
der alten und neuen Litteratur« (Wien 1815) gar vieles von dem zurücknehmen, was er einst enthusiastisch verkündet hatte,
und statt Goethe wurden ihm Dante und Calderon die ersten und größten »romantischen« Dichter. In seinen
»Vorlesungen über die neuere Geschichte« (Wien 1811) und in seiner »Philosophie der Geschichte« (das. 1829) traten die katholisierenden
Tendenzen natürlich noch stärker hervor.
Sein bestes, wenigstens anregendstes Buch blieb das »Über Sprache und Weisheit der Inder« (Heidelb. 1808),
welches den historischen
Wissenschaften und der vergleichenden Sprachforschung mächtige und fruchtbare Anregungen gab. Schlegels
»Sämtliche Werke« (Wien 1822-25, 10 Bde.) erschienen noch bei Lebzeiten des
Autors; ihnen schlossen sich die »Philosophischen Vorlesungen aus den Jahren 1804-1806« (hrsg. von Windischmann, Bonn 1836, 2 Bde.)
an. Eine neue, von Feuchtersleben veranstaltete Ausgabe der »Sämtlichen Werke« (Wien 1846, 15 Bde.) erfuhr
mannigfache Vermehrungen. Seine »Prosaischen Jugendschriften« gab Minor heraus (Wien 1882, 2 Bde.).
Vgl. Haym, Die romantische
Schule (Berl. 1869);
»Aus Schleiermachers Leben« (hrsg. von Dilthey, das. 1858-64, 4 Bde.).
Seine geistreiche, aber exzentrische Gattin Dorothea, geb. zu Berlin als Tochter Moses Mendelssohns (s.
oben), war in erster Ehe mit dem Kaufmann Simon Veit vermählt. Die Bekanntschaft mit S. führte zur Lösung dieser Ehe (aus welcher
der bekannte Maler Philipp Veit stammt);
Dorothea folgte S. nach Paris, wo sie zum Christentum übertrat, später nach Wien, Frankfurt
und Dresden und starb in Frankfurt a. M. Ihre von S. unter seinem Namen herausgegebenen Schriften
sind: »Florentin«, ein unvollendeter Roman (Leipz. 1801);
»Sammlung romantischer Dichtungen des Mittelalters« (Bd. 1, das.
1804);
eine Bearbeitung von »Lothar und Maller« (Frankf. 1805) und die Übersetzung der »Corinne« der
Frau v. Staël (Berl. 1808).
Vgl. Raich, Dorothea v. S. und deren Söhne Johannes und Philipp Veit, Briefwechsel
(Mainz 1881).