Titel
Schimmel
,
[* 1] gewöhnliche Bezeichnung einer Anzahl Pilze [* 2] (Schimmelpilze), welche als faseriger, flockiger oder staubiger, weißer, grauer, bläulichgrüner, gelblicher, rötlicher, bräunlicher oder schwärzlicher Überzug auf an der Luft befindlichen leblosen Körpern der verschiedensten Art sich bilden und den Beginn einer Fäulnis der organischen Substanzen, aus denen diese Körper bestehen, bezeichnen. Zuerst bildet sich aus zufällig auf die Unterlage gefallenen Sporen des Schimmelpilzes [* 1] (Fig. 1 Aa) ein Mycelium [* 1] (Fig. 2b) in Form langer, dünner, vielfach verzweigter Pilzfäden, welche sich von einzelnen Punkten aus allseitig zentrifugal ausbreiten, indem sie oft mit großer Geschwindigkeit an ihren Spitzen weiter wachsen, so daß der S. nicht selten rasch über große Flächen sich ausdehnt.
Die Myceliumfäden erzeugen alsbald zahlreiche vertikal von der Oberfläche sich erhebende Fruchthyphen
[* 1]
(Fig. 1 Ab,
[* 1]
Fig. 2 c), welche bei schwacher Vergrößerung wie ein kleiner
Wald erscheinen. Auf diesen sind gewöhnlich
reiche
Mengen von ihnen erzeugter
Sporen angehäuft
[* 1]
(Fig. 1
Cd), und der S. nimmt daher in dieser
Periode eine mehr staubige
Beschaffenheit an. Die
Schimmelpilze gehören sehr verschiedenen
Gattungen und selbst verschiedenen
Familien an; sie werden nach
den Merkmalen ihrer Fruchthyphen unterschieden; auch findet man auf gewissen
Substraten fast immer nur
bestimmte
Arten, während andre auf allen möglichen
Körpern sich ansiedeln. Nur die Mukorineen stellen in der Form des Schimmels
den vollständigen
Pilz
[* 3] (Fig. 1) dar; alle übrigen
Schimmelpilze sind nur die konidienbildenden Zustände vollkommener
Pilze
aus der
Klasse der
Askomyceten, besonders unter den
Perisporiaceen und
Pyrenomyceten. Die konidienabschnürenden Fruchthyphen
[* 1]
(Fig. 3) derselben bilden den
S., und erst, wenn dieselben vorüber sind, und auch nur unter gewissen Umständen und verhältnismäßig
selten, erscheinen auf dem
Mycelium die vollkommenen
Früchte, nämlich die
Perithecien.
Daher kennt man noch nicht einmal von
allen
Schimmelpilzen diese vollkommene Fruchtform. Die gewöhnlichsten
Schimmelpilze sind: der gemeine
Kopfschimmel
(Mucor Mucedo L.,
[* 1]
(Fig. 1) und der ähnliche
Mucor stolonifer, die auf allen möglichen organischen
Substanzen wachsen (s.
Mucor);
der graugrüne Pinselschimmel (Peni-
[* 1] ^[Abb.: Fig. 1. Kopfschimmel (Mucor Mucedo). A Ganze Pflanze, bei a die ursprüngliche Spore, b die Fruchthyphe, c das Sporangium. B Junges Sporangium. C Älteres Sporangium mit der Fruchthyphe a, der Trägerzelle (Columella) b, der Sporangiumhaut c und den Sporen d.]
[* 1] ^[Abb.: Fig. 2. Pinselschimmel (Penicillium glaucum). Bei a die ursprüngliche Spore, b ein Faden [* 4] des Myceliums, c die Fruchthyphe.] ¶
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cillium glaucum Link, [* 5] Fig. 2 u. 3), der häufigste von allen und ebenfalls auf allerlei Körpern, ist die Konidienform einer Tuberacee;
der Kolbenschimmel (Aspergillus glaucus Link), auf eingemachten Früchten und andern faulenden Pflanzenteilen, ist die Konidienform einer Perisporiacee (s. Aspergillus);
der Milch-Eischimmel (Oidium lactis Fres.), besonders auf verdorbener Milch, auch auf andern Nahrungsstoffen (s. Oïdium);
häufig begegnet man auch dem Cephalothecium roseum Corda, welches auf faulenden Pflanzenteilen weißen oder blaßroten S. darstellt und durch birnförmige, zweizellige Sporen, die ein Köpfchen auf den unverzweigten Fruchthyphen bilden, ausgezeichnet ist, desgleichen dem Acrostalagmus cinnabarinus Corda, dessen zierlich baumförmige Fruchthyphen viele quirlständige und wiederholt quirlförmig verzweigte Äste mit endständigen, runden Sporenköpfen haben, und welcher einen ziegelroten S. an faulenden Vegetabilien bildet, besonders an faulen Kartoffelknollen, wo auch Fusisporium solani Mart. wächst, dessen wenig verzweigte Fruchthyphen weiße oder gelbliche, dichte Polster bilden und spindelförmige, mehrzellige Sporen tragen.
Als S. bezeichnet man wohl auch gewisse üppig entwickelte, aber steril vorkommende Myceliumformen, die sich an dumpfen, der Luft und dem Licht [* 6] entzogenen Orten entwickeln, wie das sogen. Kellertuch (Rhacodium cellare Pers.), welches in Kellern an alten Fässern und sonstigem Holzwerk oft mehrere Fuß ausgebreitete, dicke, samtartig weiche, schwarze, grün schillernde, aus verfilzten Myceliumfäden gebildete Überzüge darstellt, oder wie die sogen. Wetterzotte oder Schwindfaser (Hypha floccosa Link), welche sich wie baumwollartige, an der Luft zusammenfallende, schneeweiße Fäden in Bergwerken zeigt.
Die Schimmelpilze ziehen ihre Nahrung aus den Substanzen, auf denen sie sich ansiedeln, und bedingen dadurch zugleich die Zersetzung und Verderbnis derselben; aber man weiß noch nicht, in welcher Weise sie die verschiedenen fäulnisfähigen Substanzen chemisch zersetzen. Das Verschimmeln läßt sich nur vermeiden, wenn man die Sporen der Schimmelpilze fern hält, die allerdings überall in der Luft verbreitet sind. Eingekochte Früchte u. dgl. bleiben in luftdicht verschlossenen Gefäßen schimmelfrei, wenn nicht schon beim Verschließen zufällig Sporen hineingeraten sind, oder wenn die hineingeratenen Sporen durch anhaltende hohe Temperatur getötet wurden.
Empfehlenswert ist das Aufstreuen einer etwa 6 mm dicken Schicht gepulverten Zuckers auf die Oberfläche der Früchte. Nicht verschließbare, leicht schimmelnde Eßwaren, wie Schinken, Würste u. dgl., bestreiche man mit einer breiigen Auflösung von Kochsalz in Wasser; die Salzkruste schützt nicht nur, sondern erstickt auch schon vorhandenen S. Das Faulen und Schimmeln größerer reifer Früchte läßt sich oft schon durch Einhüllen derselben in Baumwolle [* 7] oder Papier vermeiden.
Vgl. De Bary, S. und Hefe [* 8] (2. Aufl., Berl. 1874);
Brefeld, Botanische Untersuchungen über die Schimmelpilze (Leipz. 1878-88).
[* 5] ^[Abb.: Fig. 3. Entwickelung der Konidien auf der Fruchthyphe von Penicillium. A junger Zustand der Fruchthyphe. B Dieselbe hat mehrere Seitenäste und eine einzige endständige Konidie gebildet. C Älterer Zustand mit zahlreichen Konidien.]