das Transportwesen zu Wasser und zwar: Binnenschiffahrt, die S. auf Flüssen (s. Flußschiffahrt), Kanälen
(s. Kanäle) und Landseen, Küstenschiffahrt längs der Meeresküsten und Seeschiffahrt auf hoher See. Die Anfänge der S. in
dem heute gebräuchlichen Sinn sind bei den Phönikern zu suchen. Die hohe Stufe, welche die S. in spätern
Jahrhunderten zur Blütezeit des altrömischen Reichs und der griechischen Staatenbildungen erreicht hatte, ist aus den Überlieferungen
der damaligen Schriftsteller bekannt.
Auch bei den nordischen Völkern hatte die S. in den ersten Jahrhunderten nach Christo einen bemerkenswerten Aufschwung zu
verzeichnen. Die Wikinger von den Küsten Englands, Norwegens und Dänemarks hatten zu jenen Zeiten wahrscheinlich
schon die Gestade Nordamerikas entdeckt. Sie fanden auch den Weg zum Mittelmeer und waren an allen europäischen Küsten, von
Island bis Konstantinopel, wohl bekannt. Ihre schnellen und kühnen Reisen durch große und stürmische Meere zeigen eine
Geschicklichkeit in der Seefahrt, welche die frühern Schiffer, die ihre Fahrten meist nur entlang den Küsten ausführten,
bei weitem übertrafen. Im Mittelalter übernahmen Portugiesen und Spanier die Führerschaft unter den seefahrenden Nationen.
Schon vom Beginn des 14. Jahrh. ab war der Handel zwischen dem Königreich Aragonien und den afrikanischen Küsten
in steter Entwickelung begriffen, und trotz der religiösen Spaltung hatten die christlichen Nationen des Westens und die Mohammedaner
schon von jeher volle Gegenseitigkeit in ihren Schiffahrts- und Handelsbeziehungen zugelassen. Den Ausgangspunkt zu den wichtigen
Schiffahrtsunternehmungen, welche den Aufschwung der S. in den letzten Jahrhunderten herbeiführten, bildeten die Bestrebungen
zur Auffindung eines direkten Seewegs nach Ostindien.
Schon die Seereisen Marco Polos hatten im 13. Jahrh. den europäischen Völkern die weite Ausdehnung des asiatischen Festlandes
gezeigt und klare Begriffe von seiner Gestaltung geliefert; die Handeltreibenden des Mittelmeers waren jedoch zu eifersüchtig
auf die Erhaltung des in ihren Händen befindlichen Monopols des indischen Handels, als daß sie ihre Aufmerksamkeit
mehr auf die bloße geographische Erforschung der unbekannten Meere gerichtet hätten. Erst dem portugiesischen Prinzen Heinrich,
mit dem Beinamen »der Seefahrer«, war es vorbehalten, die Anregung zu den
Entdeckungsexpeditionen zu geben, welche im 15. Jahrh. und besonders gegen Ende desselben
einen völligen Umschwung in der bisherigen Richtung und Ausdehnung der S. hervorriefen. Unter dem Prinzen
Heinrich wurde 1418 Madeira entdeckt, 1441 erreichten portugiesische Seefahrer das Cabo Blanco; 1446 und 1449 entdeckten portugiesische
Expeditionen die Kapverdischen Inseln, und 1471 wurde der Äquator überschritten und der Grund zu Handelsniederlassungen an den
Küsten von
mehr
Guinea gelegt. 1486 entdeckte B. Dias das Kap der Guten Hoffnung, wagte sich aber nur eine kurze Strecke jenseit des Wegs, und
erst zehn Jahre später gelang es Vasco da Gama, den Seeweg nach Ostindien aufzufinden. Inzwischen hatten die Versuche Kolumbus',
Indien durch eine Fahrt nach dem Westen zu erreichen, 1492 zur Entdeckung Amerikas geführt. Damit waren der
S. ganz neue großartige Bahnen eröffnet, und es war damit der Grund zu der hohen Entwickelung gelegt, welche sie in der Neuzeit,
unterstützt durch die Anwendung der Dampfkraft auf den Wassertransport (s. Dampfschiff und Dampfschiffahrt) genommen hat.
In welchem Maß die Segelschifffahrt zur Zeit durch die Dampfschiffahrt verdrängt ist, ist in dem Art.
»Dampfschiffahrt« (S. 492 f.) näher ausgeführt.
Auf den englischen, nordamerikanischen, deutschen, französischen, italienischen, skandinavischen und andern Schiffswerften
wurden 1883 vom Stapel gelassen: 1370 Dampfer mit 994,797 Ton. Gehalt und 2811 Segelschiffe mit 403,983 T. Gehalt. In den spätern
Jahren ist jedoch im Bau der Dampfer ein starker Rückgang eingetreten, während der Bau der Segelschiffe
seit 1881 eine fortwährende Steigerung zeigt. Während die Segelschiffahrt von den Flüssen und Kanälen immer mehr verschwindet,
wird sie auf offener See für voluminöse und minderwertige Güter vermöge ihrer billigern Betriebskosten dauernd am Platz
bleiben. Die Gesamtzahl aller Seesegelschiffe wurde 1879 zu 118,800 mit einem Raumgehalt von 15,130,351
Nettoregistertonnen angegeben. Über den Bestand der deutschen See- (Kauffahrtei-) Schiffahrt und den Binnenschiffahrtsverkehr
in Deutschland geben die nebenstehenden Tabellen Aufschluß (s. auch die Textbeilage zu »Marine«).
Die Größe und Tragfähigkeit der Schiffe wird in Registertonnen ausgedrückt. Wenn aber der Tonnengehalt
zur Angabe der Leistungsfähigkeit einer aus Segel- und Dampfschiffen gemischten Flotte dienen soll, so trägt man dem Umstand,
daß die Dampfer infolge ihrer Unabhängigkeit vom Wind in derselben Zeit mehr Reisen machen, dadurch Rechnung, daß man von
dem Tonnengehalt derselben ein Vielfaches, und zwar in der internationalen Statistik das Dreifache, in Rechnung
zieht; eine solche Angabe nennt man den berechneten Tonnengehalt. Die Vermessung der Schiffe geschieht bei allen seefahrenden
Nationen amtlich, und jedem Schiff wird ein amtliches Attest (Schiffscertifikat oder Meßbrief) über seinen Raumgehalt ausgestellt.
Mit demselben wird es in die Schiffsregister eingetragen, und danach richten sich die Abgaben des Schiffs
in Häfen etc. (weiteres s. Schiffsvermessung).
Die Gesamtheit der Schiffsbesatzungen zählt gegenwärtig gegen 900,000 Köpfe, von denen 200,000 auf die Dampfschiffe, über
500,000 auf die Segelschiffe kommen. Die deutsche Handelsflotte hat eine Besatzung von 39,000 Köpfen, die englische gegen 270,000;
in einzelnen Flotten zeigt die Zahl der Besatzung trotz der Zunahme des Tonnengehalts infolge zunehmender
Durchschnittsgröße der Schiffe in den letzten Jahren eine Abnahme. Die deutsche Flotte z. B. hatte die höchste Zahl von Mannschaften
1875, d. h. 1600 Mann mehr als jetzt; 1887 betrug zwar die Dampferbesatzung derselben Flotte gegen 9000 Mann mehr, die Segelschiffsbesatzung
aber 10,000 weniger als 1875, was, abgesehen von der Vermehrung der Dampferflotte auf Kosten der Segelflotte,
auf die Außerdienststellung zahlreicher kleinerer Fahrzeuge und die Ersetzung durch wenige größere Schiffe zurückzuführen
ist.
II. Binnenschiffahrtsverkehr in Deutschland 1886.
Durchgangs- bez. Hafenorte
Anzahl der durchgegangenen, bez. abgegangenen Frachtschiffe
zu Berg
zu Thal
Schiffe
Schiffe
beladen
unbeladen
Tragfähigkeit in 1000 t
beladen
unbeladen
Tragfähigkeit in 1000 t
Schmalleningken (Memel)
142
1183
143.1
1358
14
149.2
Pillau (Frisches Haff)
742
179
69.4
528
391
68.9
Königsberg (Pregel)
5221
168
140.4
3429
18
206.9
Thorn (Weichsel)
534
173
84.5
846
7
97.2
Bromberger Kanal Richtung n. d. Netze
519
312
73.6
- Richtung n. d. Weichsel
367
229
56.2
Küstrin (Warthe)
938
1434
264.7
2075
153
247.7
Thiergarten b. Ohlau (Oder)
134
572
53.3
628
54
50.9
Lübeck (Trave)
604
135
45.2
442
9
17.8
Hamburg (Oberelbe)
15608
3353
1854.1
15436
3076
1894.0
Rathenower Schleuse (Havel)
4542
133
489.7
667
547
159.1
Berlin (Spree)
20511
1167
2333.1
14016
1062
1534.6
Brieskow (Friedrich-Wilhelms-Kanal) Richtung n. d. Spree
1329
36
145.8
- Richtung n. d. Oder
553
1345
198.1
Eberswalde (Finowkanal) Richtung n. d. Havel
10794
46
1184.7
- Richtung n. d. Oder
119
1820
206.4
Niegripper Schleuse (Plauer Kanal) Richtung n. d. Elbe
424
452
127.8
- Richtung n. d. Havel
2338
126
349.6
Schandau (Elbe)
1167
5203
1676.2
7490
-
1872.1
Bremen (Oberweser)
427
277
113.4
645
68
114.5
Koppelschleuse bei Meppen (Ems)
355
33
16.8
183
194
16.1
Emmerich (Rhein)
7820
7267
3304.5
14174
426
3137.5
Ruhrort (Rhein)
1738
872
898.1
9655
327
1596.6
Köln (Rhein)
842
-
235.1
1628
-
273.1
Koblenz (Mosel)
34
-
3.3
117
-
3.7
Güdingen (Saar)
3781
228
947.0
935
3045
941.4
Niederlahnstein (Lahn)
36
596
73.9
619
22
75.0
Würzburg (Main)
243
350
40.4
545
112
44.5
Mannheim (Rhein)
3426
528
1819.5
442
244
118.7
Heilbronn (Neckar)
1650
-
144.3
369
-
34.8
Passau (Donau)
798
-
129.2
188
-
44.6
Die
Frage, wie sich die durch S. vermittelte Warenbewegung zu derjenigen auf dem Land verhält, ist noch nicht sicher gelöst.
Als ungefährer Ausdruck kann das Verhältnis der Tragfähigkeit aller Schiffe zu derjenigen aller Eisenbahnen gelten. Im J. 1882 überstieg
zwar die Tragfähigkeit der Schiffe diejenige der Eisenbahnfahrzeuge um etwa 13 Mill. Gewichtstonnen;
dagegen hatten sämtliche in europäischen und amerikanischen Häfen ein- und ausgelaufene Schiffe nur eine Fracht von etwa 370 Mill.
Gewichtstonnen, während die Eisenbahnen der Welt 1200 Mill. Gewichtstonnen Frachten bewegten. Berücksichtigt man aber die
durchschnittlich größern Strecken bei den Schiffsfrachten, so wird man die Transportleistung der Schiffe
und der Eisenbahnen immerhin einander gleichsetzen können.
Bei der außerordentlichen Wichtigkeit der S. ist die Regelung der dabei in Betracht kommenden Rechtsverhältnisse im Weg
der Gesetzgebung (Schiffahrtsgesetze) und die stete Überwachung der Normen der letztern (Schiffahrtspolizei) geboten. Soweit
sie die Seeschiffahrt betreffen, bilden diese gesetzlichen Vorschriften das Seerecht (s. d.). Zahlreiche
Schiffahrtsverträge (s. d.) regulieren dabei die internationalen Verkehrsverhältnisse,
und schwere Strafandrohungen sind, insbesondere auch in dem
mehr
deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 322 ff.), gegen gemeingefährliche Störungen der S. erlassen. Die deutsche Reichsverfassung
vom (Art. 4) erklärt den Schutz der deutschen S. für Reichssache. Das statistische Material über die Schiffahrts-
und Reedereiverhältnisse ist in den verschiedenen Ländern nach zu ungleichen Grundsätzen gesammelt, als daß eine Vergleichung
desselben von Nutzen sein könnte. Über die Lehre von der S., die Schiffahrtskunde, s. Navigation (Nautik).
Vgl. Lindsay, History
of merchant shipping (Lond. 1874-76, 4 Bde.);