Schießen.
[* 2] Zur Ausbildung im S. dienen Schießübungen, durch welche Infanterie und Kavallerie die Fähigkeit zum wirksamen Gebrauch ihrer Schußwaffe im Kriege erhalten sollen, während bei der Artillerie das scharfe S. unter möglichst gefechtsmäßigen Verhältnissen erlernt wird. Für das S. der Infanterie ist die Schießvorschrift vom maßgebend, welche auch für die Jäger, Schützen, Pioniere und Eisenbahntruppen gilt. Sie zerfällt in das S. mit dem Gewehr und mit dem Revolver. [* 3]
Die Schießausbildung mit dem
Gewehr gliedert sich in a) die vorbereitenden Übungen im
Anschlagen,
Zielen,
Feuern mit
Platzpatronen und Entfernungschätzen; b) das Schulschießen
, durch welches
Offiziere und
Mannschaften einen möglichst hohen
Grad von Schießfertigkeit erlangen sollen; dasselbe ist jedoch nur als Vorschule für das gefechtsmäßige S. zu betrachten
und wird gegen
Scheiben ausgeführt. Als solche dienen die Ringscheibe (s. Figur) aus weißem
Papier,
Breite
[* 4] der
Ringe 5
cm.
Die
Ringe 10-12 heißen der
Spiegel;
[* 5] die durch die beiden senkrechten punktierten
Linien bezeichnete 10
cm breite Trefffläche
heißt der
Strich, alle in denselben fallenden Schüsse sind Strichschüsse. Sie heißt deshalb Strichscheibe beim Strichschießen.
[* 1]
Figurenscheiben sind entweder
Kopf-,
Brust-,
Rumpf- oder Kniescheiben. Sektionsscheiben sind 2 m breit, 170
cm
mehr
hoch und von oben nach unten in fünf gleiche Felder geteilt. Reiter scheiben sind 2 m hoch und 85 cm (Reiter von vorn) oder 170 cm
breit (Reiter von der Seite). Außerdem kommen noch Zugscheiben, zur Darstellung sich bewegender Ziele, und verschwindende Scheiben,
welche plötzlich auf gewisse Zeit sichtbar werden, zur Anwendung. Die stufenweise fortschreitende Ausbildung
der Schützen bedingt deren Sonderung in drei Schießklassen, für welche besondere, in ihren Forderungen steigende Übungen
vorgeschrieben sind, und zwar zerfällt das Schulschießen
für jede Klasse in Vor- und Hauptübungen, welche in der dritten
Klasse 14, in der zweiten und ersten je 10 Bedingungen enthalten.
Jede Bedingung der Vorübungen muß mit mindestens 3, der Hauptübungen mit 5 Schüssen gelöst werden, so daß jeder Schütze
mindestens 146 Schüsse abgeben muß. Zur Aneiferung werden für jede der drei Schießklassen an Unteroffiziere und Gemeine
Schießpreise und Schützenabzeichen für die besten Schießleistungen verliehen. Alljährlich findet ein Preisschießen
der
Offiziere (Hauptleute und Leutnants) und Unteroffiziere im Armeekorps um den kaiserlichen Ehrenpreis statt.
Der beste Offizierschütze erhält einen Säbel, der beste Unteroffizierschütze eine Taschenuhr im Namen des Kaisers (Kaiserpreis).
c) Das gefechtsmäßige S. gliedert sich in Einzelschießen
und Abteilungsschießen mit 15, bez. 30 Patronen pro Schütze.
Das Schulschießen
bleibt innerhalb kleiner Entfernungen, bis 600 m, das gefechtsmäßige S. findet auch
auf mittlern, 600-1000 m, und großen Entfernungen, über 1000 m hinaus (das Visier reicht bis 2050 m), statt. d) Das Belehrungsschießen
soll die Leistungsfähigkeit des Gewehrs und die Bedingungen, unter denen es zur vollen Geltung gelangt, zum Ausdruck bringen
und dient vornehmlich zur Unterweisung des Ausbildungspersonals. e) Das Prüfungsschießen
im
einzelnen auf den Schießständen, für welches jährlich die Aufgaben vom Kriegsministerium durch das »Armee-Verordnungsblatt«
bekannt gemacht werden, und das Prüfungsschießen
im Gelände, welches bataillonsweise durch den Brigadekommandeur abgehalten
wird. Im S. mit dem Revolver sind die Offiziere, Feldwebel, Vizefeldwebel, Fähnriche, Fahnenträger, Regiments-
und Bataillonstamboure sowie die Unteroffiziere und Mannschaften auszubilden, welche als Krankenträger für Sanitätsdetachements
in Aussicht genommen sind. Es wird auf 20 m gegen eine
[* 6]
Figurenscheibe geschossen.
Die Ausbildung der Kavallerie im S. mit dem Karabiner und Revolver erfolgt nach der »Schießvorschrift für die Kavallerie« vom Der
Ausbildungsgang ist im allgemeinen derselbe wie bei der Infanterie, nur sind die Anforderungen an die Leistungen etwas geringer,
obgleich die Schußleistungen des Karabiners 88 (s. Handfeuerwaffen)
[* 7] denen des Gewehrs 88 wenig nachstehen. Die Schießübungen
zerfallen in vorbereitende, das Schulschießen
und gefechtsmäßige S. Für jede der drei Schießklassen sind nur
drei Bedingungen für die Vor- und vier für die Hauptübung vorgeschrieben.
Die Scheiben sind wie bei der Infanterie. Schießpreise ohne Schützenabzeichen werden ähnlich wie bei der Infanterie verliehen. Um einen kaiserlichen Ehrenpreis wird nicht geschossen. Das gefechtsmäßige S. findet in Gruppen auf den Schießständen oder im Gelände und in Zügen im Gelände statt. Als Feuerarten kommen Salve und Schützenfeuer, letzteres langsam oder als Schnellfeuer, zur Anwendung. Im allgemeinen gilt als Grundsatz, daß innerhalb 600 m alle Ziele, von 600-1000 m nur hohe und breite Ziele beschossen werden können, über 1000 m aber in der Regel nicht mehr gefeuert werden darf.
An den Schießübungen mit dem Revolver nehmen die Offiziere, Unteroffiziere und Trompeter teil, sie haben je zwei Bedingungen auf 20 und 30 m Entfernung zu erfüllen. Jede Infanteriekompanie und Eskadron führt ein Schießbuch mit einem nach Schießklassen geordneten Namensverzeichnis der zu ihr gehörenden Offiziere, Unteroffiziere und Gemeinen, Übersicht der Schießtage und verschossenen Munition, Nummerverzeichnis der Gewehre und Karabiner, sodann der Schießliste der einzelnen Schützen.
Die Schießausbildung der Artillerie ist eine wesentlich andre, weil das S. aus dem Geschütz das Zusammenwirken einer Anzahl Mannschaften bedingt. Für die Feldartillerie ist die Schießvorschrift vom maßgebend. Da ein genaues und zuverlässiges Richten die Grundlage des Schießens bildet, so wird auf die Richtausbildung ein besonderer Wert gelegt und finden dem entsprechend auch jährlich in jeder Batterie zwei Preisrichten der Richtkanoniere statt. Es können jährlich an 6 Richtkanoniere pro Batterie Richtpreise und Richtabzeichen und an einen Unteroffizier pro Batterie die Schützenabzeichen verliehen werden.
Das Scharfschießen
soll während der Schießübungen auf den Schießplätzen unter möglichst gefechtsmäßigen Verhältnissen
geübt und erlernt werden, wobei gleichzeitig die Feuerleitung von den kleinsten bis zu den größten Verbänden geübt wird.
Die Schießübungen beginnen mit dem zur Vorübung dienenden Schulschießen
der Batterien, an welches sich das gefechtsmäßige
S. in Batterien und Abteilungen anschließt. Die Scheiben der Artillerie werden aus 2 cm starken, an Ständer
angenagelten Brettern hergestellt.
Infanteriescheiben sind 1,7 m hoch, 10 m lang, Artilleriescheiben 1,7 m hoch, 2 m breit; es gehören stets zwei zusammen, von denen die eine das Geschütz, eine andre 8 m dahinter die Protze darstellt. 2-6 Paar solcher Scheiben, die mit je 16 m Zwischenraum aufgestellt sind, bilden ein Artillerieziel. Neben den Artilleriescheiben werden die Bedienungsmannschaften durch 1,7 m hohe Front- und Profilscheiben von 0,5, bez. 0,25 m Breite dargestellt. Schützen in Schützengräben durch Rumpf-, Brust- und Kopfscheiben 1,2, 0,5, bez. 0,35 m hoch und 0,5 m breit.
Stehende Schützen werden durch die ganze Front- (Schützen-) Scheibe dargestellt. Reiter- und Pferdescheiben sind 0,75 m breit
und 2,40, bez. 1,7 hoch.
Die Schützenscheiben werden auch als Drehscheiben angewendet, welche der schießenden
Batterie die Seitenkante zukehren und
deshalb nicht sichtbar sind, im gegebenen Augenblick werden sie um 90° herumgedreht und dadurch sichtbar.
Sektionsscheiben, in der Regel 4-8 nebeneinander, werden einzeln auf ein Paar Schlittenkufen aus Wellblech
[* 8] gestellt und in einer
Fronte der schießenden
Batterie entgegengefahren, um einen anrückenden Feind darzustellen.
Diese Scheiben werden auch zum Aufklappen eingerichtet, so daß sie plötzlich auftauchen. Aus den vorgenannten Scheiben können die verschiedensten Ziele zusammengestellt, frei stehend oder hinter Deckungen, Geschütze [* 9] in Geschützeinschnitten, aufgestellt werden, wie sie im Kriege vorkommen. Die Fußartillerie wendet auch die vorgenannten Ziele, hauptsächlich aber solche an, wie sie dem Festungskrieg entsprechen, also Batterien in verschiedenen Bauarten und Größen sowie ein den Teil eines Festungswerkes darstellendes Zielwerk, welches, ebenso wie die Batterien, der Wirklichkeit entsprechend mit Geschützen armiert ist, so daß alle Arten des Schießens, ¶
mehr
direkt und indirekt, mit langen und kurzen Kanonen, wie Mörsern, mit Granaten [* 11] und Schrapnells geübt werden können. Die Schießplätze der Artillerie sind 7-8 km lang und 2-3 km oder noch breiter, so daß auf größere Entfernungen geschossen werden kann und für die Sprengstücke und blind gehende Geschosse [* 12] genügendes Sicherheitsfeld bleibt. Der Feldartillerie muß der Schießplatz für taktische Bewegungen, für den Aufmarsch zum Gefecht im Regiment den nötigen Raum gewähren. Solche Schießplätze bestehen bei Gruppe (Graudenz), [* 13] Hammerstein (Hinterpommern), Jüterbog, [* 14] Falkenberg (Oberschlesien), Lockstädt (bei Itzehoe), bei Wesel, [* 15] Wahn, Griesheim (Darmstadt), [* 16] Hagenau, [* 17] Zeithain (bei Riesa), [* 18] Lechfeld (bei Augsburg). [* 19]