Schielen
[* 1]
(Strabismus), diejenige fehlerhafte
Stellung der
Augen, bei der nur ein
Auge
[* 2] central fixierend auf das Gesichtsobjekt
eingestellt ist, während das andere in irgend welcher
Richtung an ihm vorbeisieht. Je nachdem in dem
die
Stellung und
Bewegung der
Augen regulierenden Muskelapparate oder in den denselben versorgenden
Nerven
[* 3] die
Ursache der fehlerhaften
Stellung (und
Bewegung) des
Auges liegt, spricht man von einem myopathischen (muskulären, konkomitiercnden)
und von einem neuropathischen
(paralytischen) S. Das muskuläre S. entsteht ohne
Störung des nervösen
Apparats dadurch, daß sich in
einem bestimmten
Augenmuskel, am häufigsten dem innern oder äußern geraden, ein erhöhter Kontraktionszustand entwickelt,
infolgedessen das
Auge entweder zu stark nach der
Nase
[* 4] (Einwärtsschielen
, strabismus convergens) oder nach der Schläfe (Auswärtsschielen
,
strabismus divergens) gestellt wird. (S. nachstehende
[* 1]
Fig. 1
u. 2: a das fixierende, b das schielende
Auge.)
Figur 1 und 2:
Nach neuern Forschungen liegen dem S. hauptsächlich
Anomalien der
Refraktion zu
Grunde, nämlich dem Einwärtsschielen
die
Hyperopie (s. d.,
Übersichtigkeit), dem Auswärtsschielen
die
Myopie (Kurzsichtigkeit, s. d.).
Alle
Momente, die das Zusammenwirken
beider
Augen dauernd oder vorübergehend stören, wie ungleiche
Sehschärfe oder
Refraktion der beiden
Augen,
Entzündungen und Residuen derselben, begünstigen die
Entwicklung des S. Durch den Gebrauch geeigneter
Brillen und Erleichterung
des binokularen Sehaktes ist daher in vielen Fällen das S. auf unblutige
Weise zu beseitigen, um so mehr, als im Anfange
seiner
Entwicklung das S. meistens ein periodisches ist, d. h. nur bei gewissen
Anstrengungen der
Augen hervortritt, und erst allmählich durch eine gewisse Verkürzung des betreffenden
Muskels konstant
wird.
Bei alledem ist die operative Behandlung des S. noch immer unentbehrlich. Angeregt wurde dieselbe von L.
Stromeyer, zum erstenmal 1839 von
Dieffenbach ausgeführt, besonders entwickelt indessen von
A. von Graefe, nachdem die ursprüngliche Methode
Dieffenbachs und seiner Zeitgenossen zu vielen Mißerfolgen, namentlich zu Sekundärschielen
(s. d.),
Veranlassung gegeben hatte und die Schieloperation wieder zu verdrängen drohte. Die
Operation besteht darin, daß der
Ansatz
eines
Muskels von dem
Augapfel losgelöst wird und entweder weiter nach hinten, entfernter vom Hornhautrande
(Rücklagerung) oder weiter nach vorn, näher an die Hornhaut (Vorlagerung) zum Anheilen gebracht wird.
Beim paralytischen S. besteht zunächst eine Lähmung eines Augenmuskels, die rheumatischen Ursprungs oder von einer Störung der Augenmuskelnerven oder ihrer Centralorgane bedingt sein kann. Anfangs tritt die falsche Stellung des Auges nur bei solchen Blickrichtungen ein, in denen die Thätigkeit des gelähmten Muskels in Anspruch genommen wird; allmählich aber entwickelt sich eine Kontraktion des Antagonisten und dann ist S. in allen Blickrichtungen, wenn auch in verschiedenem Grade, vorhanden. Hier ist auch durch eine Schieloperation nur ein teilweiser Erfolg zu erzielen.
Frisch entstandenes, daher namentlich das paralytische S. ist fast immer mit störendem Doppelsehen verknüpft. Wenn z. B. in vorstehender [* 1] Fig. 3 das linke Auge den Punkt A fixiert, das rechte nach ¶