Schicksals
drama,
üblich gewordene Bezeichnung für eine
Gruppe von
Dramen, vorwiegend
Tragödien, welche im zweiten
und dritten Jahrzehnt des 19. Jahrh. in der deutschen Litteratur hervortraten und eine kurze
Zeit hindurch außerordentliche, namentlich theatralische, Erfolge erzielten. Die Schicksals
dramen waren schwächliche
Nachgeburten der
Romantik und der durch die
Romantiker vermittelten nähern Bekanntschaft mit dem spanischen
Drama. Eine gewisse
Neigung, fatalistische
Elemente als dramatisch wirksame zu verwenden, wuchs entschieden schon aus
Schillers
»Jungfrau von Orléans«
und
»Braut von
Messina«
[* 2] hervor.
Die
Wirkung dieses mißverstandenen
Fatalismus läßt sich namentlich in den ältern sogen. historischen
Tragödien
Zacharias
Werners verfolgen. Aber erst mit der einaktigen
Tragödie »Der vierundzwanzigste
Februar« schuf
Werner das
eigentliche Vorbild für die ganze
Reihe der Schicksals
dramen. Nicht der
Glaube der Dichter an irgend eine dunkle in das
Leben
der
Welt oder der Einzelnen hineingreifende
Gewalt, sondern ein willkürlich den Gestalten geliehener Gespensterglaube
veranlaßt in
Verbindung mit rohen
Begierden und wilden
Leidenschaften Greuel aller Art, namentlich
Verwandtenmord und
Blutschande,
welche in den meisten Schicksals
dramen wiederkehren.
Der theatralische
Effekt, welchen diese in ihrem poetischen Gesamtwert sehr ungleichen, in ihrer Motivierung aber meist kindischen
Tragödien hervorbrachten, beruhte auf der
Kunst, mit einem von vornherein geahnten, aber noch unenthüllten
Verbrechen oder
Entsetzen zu spielen. Dem S. brachen vor allen die
Dichtungen
Ad.
Müllners (s. d.): »Die
Schuld«, »Yngurd«, »Die
Albaneserin«,
Bahn,
Houwald mit den
Tragödien: »Das
Bild« und »Der
Leuchtturm« folgte, eine
Menge von vergessenen Nachahmern,
wie W. Smets, Heinr.
Smidt,
Ant.
Richter, A. v.
Seckendorff, versuchten mit ähnlichen und bis zum Lächerlichen
übersteigerten
Effekten ähnliche Erfolge zu erzielen. Auch
Franz
Grillparzer schloß sich in seiner immerhin phantasiereichen
und lebensvollen Jugendtragödie »Die
Ahnfrau« der falschen
Richtung an, ließ sie aber schon in seinen nächsten
Dramen völlig
hinter sich. Das S. verfiel beizeiten der
Parodie,
Jeitteles-Castellis »Schicksals
strumpf« (Leipz.
1818) eröffnete den
Reigen, und
Platens satirische
Komödie »Die verhängnisvolle
Gabel« beschloß ihn.