Titel
Scherenberg
,
1) Christian Friedrich, Dichter, geb. zu Stettin, [* 2] war erst zum Kaufmann bestimmt, kam dann, 15 Jahre alt, auf das Gymnasium seiner Vaterstadt, verließ aber 1817 heimlich das elterliche Haus und lebte zwei Jahre in Berlin, [* 3] um sich auf eine künstlerische Laufbahn vorbereiten, über deren Ziel und Richtung er sich selbst noch wenig klar war. Der berühmte Schauspieler Wolff, in dessen Haus er Zutritt hatte, erkannte zuerst seine ungewöhnliche dramatische Begabung und bestimmte ihn, sich zunächst praktisch dem Schauspiel zu widmen. S. schloß sich der Truppe zu Magdeburg [* 4] an, widmete sich aber, durch den Tod seines Vaters in den Besitz eines kleinen Vermögens gelangt, zugleich kaufmännischen Geschäften. Durch unglückliche Spekulationen verarmt, kehrte er 1837 nach Berlin zurück, erhielt eine Beamtenstellung im preußischen Kriegsministerium, nahm seine dichterischen Arbeiten wieder auf und ward bald eins der gefeiertsten Glieder [* 5] der Dichtergesellschaft, welche sich selbst den Namen »Tunnel« [* 6] beigelegt hatte. Neben lyrischen Dichtungen (»Gedichte«, Berl. 1845, 4. Aufl. 1869) veröffentlichte er die Schlachtengemälde: »Waterloo« [* 7] (das. 1849, 6. Aufl. 1869),
»Ligny« (das. 1850, 4. Aufl. 1870),
»Leuthen« [* 8] (das. 1852, 3. Aufl. 1867),
»Abukir, die
Schlacht am
Nil« (das. 1854, 2. Aufl. 1855)
und »Hohenfriedberg« (das. 1869). Durch patriotische
Glut, durch
Mark und
Kraft
[* 9] in der Schilderung, durch wirkliche
Freude am großen und kleinen
Leben des
Kriegs
ausgezeichnet, dabei aber von einem knorrigen
Realismus, der im
Ringen nach eigentümlichem
Ausdruck oft aller Form spottet,
gehören Scherenbergs
Dichtungen zu jenen
Schöpfungen, die von
Haus aus ein beschränktes
Publikum haben. Eine
Reihe andrer epischer
und dramatischer Werke des Dichters ist noch nicht veröffentlicht. S. starb in
Zehlendorf bei
Berlin.
Vgl. Fontane, Christ. Friedr. S. (Berl. 1885).
2) Ernst, Dichter und Publizist, Neffe des vorigen, geb. zu Swinemünde, besuchte das Gymnasium in Stettin, sollte sich auf väterlichen Wunsch dann einem technischen Beruf widmen und begann die Berliner [* 10] Gewerbeakademie zu besuchen, vertauschte dieselbe 1858 mit der Kunstakademie, widmete sich endlich aber ausschließlich der Litteratur. Er redigierte 1864-69 das »Braunschweiger Tageblatt« und ließ sich dann in Elberfeld [* 11] nieder, wo er bis 1883 die Chefredaktion der »Elberfelder Zeitung« führte und noch jetzt das Sekretariat der Handelskammer versieht. Als sinniger und fein empfindender Lyriker bewährte er sich zuerst in der Gedichtsammlung »Aus tiefstem Herzen« (Berl. 1860, 2. Aufl. 1862),
welcher der Cyklus »Verbannt« (das. 1861, 2. Aufl. 1865),
»Stürme des Frühlings« (neue Gedichte, das. 1865, 2. Aufl. 1870),
»1866, Dichtungen« (das. 1867),
»Gedichte« (Leipz. 1874, 2. Aufl. 1879) und »Neue Gedichte« (das. 1882) folgten. Weiter veröffentlichte er die Charakterbilder: »Fürst Bismarck« (Elberf. 1885) und »Kaiser Wilhelm« (Leipz. 1888) sowie die dramatische Dichtung »Germania« [* 12] (das. 1886). Auch gab er eine Anthologie: »Gegen Rom, [* 13] Zeitstimmen deutscher Dichter« (1.-10. Aufl., Elberf. 1874), heraus.