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aber waren Wissenschaftslehre und Naturphilosophie so weit auseinander getreten, daß sie einer Versöh- nung bedurften.
Diese suchte S. zunächst in ent- schiedener Abhängigkeit von den ästhetischen Ideen Kants und Schillers und im Zusammenhange mit der romantischen Bewegung (vgl. Noack, S. und die Philosophie der Romantik, 2 Tle., Verl. 1859, und Haym, Die romantische Schule, ebd. 1870) in dem Wesen der Kunst und des Genies.
Wenn das Leben der Natur das unbewußte, das des Geistes das be- wußte ist, so ist die Thätigkeit des künstlerischen Ge- nies, das nach Kants Äusspruch wie eine Natur wirkt, eine Vereinigung beider.
Wie der Organis- mus das Produkt der natürlichen Welt und die Hei- mat der Intelligenz, so ist umgekehrt das Kunstwerk ein Produkt der Intelligenz und in seiner sinnlichen Gestalt ein Organismus.
In der Knust also löst sich das Weltrütsel: sie ist die höchste und vollkommenste aller Gestalten.
Diesen ästhetischen Idealismus ver- kündete er in der Schrift «System des transcenden- talen Idealismus» (Tüb. 1800) und in den erst nach seinem Tode gedruckten, aber damals in Jena [* 3] und später in Würzburg [* 4] gehaltenen «Vorlesungen über die Philosophie der Kunst».
Den geineinsamen Grund des geistigen und des uatürlichen Lebens fand S. in dem Begriff des Unendlichen oder des Absoluten, d. h. der Gottheit. Er nannte das Absolute die Iden- tität oder Indifferenz des Realen und des Idealen, und suchte daraus die Reihe der endlichen Erschei- nungen in der Weise abzuleiten, daß das Absolute zwar in allen Erscheinungen gleich gegenwärtig sei, aber doch in jeder einzelnen mit einem Übergewicht bald des realen, bald des idealen Faktors. So ent- wickelt er aus der Gottheit die beiden Reihen des Realen und des Idealen als verschiedener «Poten- zen» ;
jene von der Materie anhebend und im mensch- lichen Organismus endend, diese vom Ich beginnend und in der künstlerischen Produktion sich vollendend.
Auf diese Weise verwandelt sich der ästhetische in den absoluten Idealismus oder die Identi- tätsphilosophie. Er legte diese Gedanken nieder in der «Darstellung meines Systems der Philo- sophie» (1801),
in dem Dialog «Bruno oder über die göttlichen und natürlichen Principien der Dinge» (Berl. 1802),
in dem «System der gesamten Philo- sophie und der Naturphilosophie insbesondere», das nach seinem Tode gedruckt ist, endlich in einer Reihe von meist polemischen Abhandlungen in seinen Jour- nalen.
Die Aufgabe, die S. hier stellt, vom Begriff des Absoluten aus das gesamte Universum in den beiden Reihen des Realen und des Idealen zu ent- wickeln, wurde später von Hegel durchgeführt. S. selbst kam davon ab und geriet auf diese Weise auch mit Hegel in den entschiedensten Gegensatz. Es voll- zog sich in ihm allmählich eine Umbildung seiner Lehre, [* 5] die ihn immer mehr auf theosophifche Bahnen brachte.
Durch Eschenmayers Vorwurf des Pan- theismus veranlaßt, gab S. 1804 die Schrift «Philo- sophie und Religion» (Tüb. 1804) heraus, und nach- dem er sich auf Vaaders Anregung mitIakob Böhme beschäftigt hatte, erschienen 1809 seine «Untersuchun- gen über das Wesen der menschlichen Freiheit». Diese Schrift erfuhr durch F. H. Iacobi einen hef- tigen Angriff, der von S. in feinem «Denkmal der Schrift von den göttlichen Dingen und ihrer Offen- barung des Herrn F. H. Iacobi» (Tüb. 1812) in grober, aber vernichtender Weise beantwortet wurde. Außer einigen andern polemischen Aufsätzen und tlemen mytholog.
Arbeiten veröffentlichte dann S. jahrzehntelang nichts.
Erst nach Hegels Tode lenkte sich auf S. wieder die öffentliche Aufmerksamkeit. Es verlautete nach seinen Vorlesungen, daß er ein System habe, das den Hegelianismus widerlege, und dies zu verkünden, wurde er nach Berlin [* 6] be- rufen. Seine Berliner [* 7] Vorlesungen wurden teils durch Frauenstädt («S.s Vorlesungen in Berlin», Verl. 1842),
teils durch Paulus («Die endlich offenbar gewordene positive Philosophie der Offenbarung», Darmst. 1843) bekannt.
Der Grundgedanke war der, die Notwendigkeit der Geschichte der Religionen aus der Notwendigkeit der göttlichen Lebensentsal- tung zu begreifen.
S.s Bedeutung für die Geschichte der deutschen Philosophie besteht somit nicht in der Aufstellung bleibender Grundlagen der wissenschaft- lichen Forschung, sondern in der Anregung, die er durch die großen Gesichtspunkte seiner Spekulation auf seine Zeitgenossen ausgeübt hat.
Vgl. Rosenkranz, S., Vorlesungen (Danz. 1843); Kuno Fischer, Friedrich Wilhelm Joseph S. (Bd. 6 der «Geschichte der neuern Philosophie», Heidelb. 1872 u. 1877; 2. Aufl. 1895);
Beckers, S.s Geistes- entwicklung in ihrem innern Zusammenhana (Etuttg. 1875);
Pfleiderer, Friedrich Wilhelm Joseph S. (Münch. 1875);
C. Frantz, S.s positive Philosophie (Cöthen [* 8] 1880).
Schelling
,
Hermann von, preuß. Iustizminister, geb. in
Erlangen,
[* 9] jüngster Sohn des
Philosophen S., studierte zuerst
Philologie, dann die
Rechte, trat 1844 in den preuß. Iustizdienst und wurde, nachdem er 1861-64 die
Stelle des ersten
Staatsanwalts
beim Stadtgericht zu
Berlin bekleidet hatte, als Hilfsarbeiter ins Justizministerium
be- rufen. Hier verfaßte
er den
«Entwurf einer
Straf- prozeßordnung für den preuß.
Staat» (Berl. 1865), der in den neuerworbenen Provinzen
Geltung erhielt.
Seit 1866 vortragender Rat, ver- blieb S. im Justizministerium, auch nachdem er 1874 zum Präsidenten des Appellationsgerichts zu Halber- stadt ernannt worden war, ging aber 1875 als Vice- präsident zum preuß. Obertribunal über, wo er den Vorsitz in einem Civilsenat führte. 1877 wurde er Unterstaatssekretär im Justizministerium und leitete hier die Ausarbeituug der preuß. Ausführungsge- setze zu den Reichsjustizgesetzen. 1879 zum Staats- sekretär des Reichsjustizamtes ernannt, leitete S. die Ausarbeitung der Aktiengesetznovelle von 1884 und des Genossenschaftsgesetzes von 1889. Am wurde er zum preuh.
Staats- und Iustiz- minister ernannt.
Schon 1874 war er Vorsitzender der Kommission zur Beratung von Plan und Me- thode des neuen bürgert.
Gesetzbuches. Unter seiner Verwaltung erfolgte 1889 die Stellungnahme der preuß. Negierung zu dem Entwurf erster Lesung; auch wurde der dem Reichstage vorgelegte Entwurf einer Revision der Strafprozeßordnung und Vor- arbeiten zu einer Revision der Civilprozeßordnung unter seiner Leitung hergestellt. Im Nov. 1894 nahm S. seine Entlassung.
Schelling
, Karoline, eine der geistreichsten Frauen ihrer Zeit, geb. zu Göttingen
[* 10] als
Tochter des
Orientalisten I. D. Michaelis, vermählte sich 1784 mit dem Bergmedikus Vöhmer in
Clausthal,
[* 11] nach dessen
Tode (1788) sie nach Göt- tingen zurückkehrte, wo sie zu
Bürger und A. W. Schlegel in freundschaftliche
Beziehungen
trat. 1791 ging sie nach Mainz,
[* 12] wo sie sich 1792 mit G. Forster den Klubbisten anschloß und kurze Zeit
in Haft kam. 1796 vermählte sie sich mit Schlegel und, nachdem
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