Schefer
,
Leopold, Lyriker und Novellist, geb. zu Muskau in der Niederlausitz, besuchte das Gymnasium zu Bautzen [* 2] und beschäftigte sich dann in der Heimat namentlich mit Mathematik, Philosophie und linguistischen Studien. Seine ersten poetischen und musikalischen Erzeugnisse: »Gedichte mit Kompositionen« (Berl. 1811), wurden von dem Grafen Pückler herausgegeben, der lange als Verfasser derselben angesehen ward;
auch eine zweite Sammlung erschien zwei Jahre später anonym.
Beim Ausbruch des Kriegs 1813 ernannte ihn Graf Pückler zum Bevollmächtigten für seine Besitzungen und setzte ihn nachmals in den Stand, eine größere Reise nach England, Italien, [* 3] Griechenland, [* 4] den Ionischen Inseln, der Türkei [* 5] und Kleinasien zu machen. 1820 nach Muskau zurückgekehrt, lebte S. fortan hier in enger Verbindung mit seinem Beschützer seinen Studien und Arbeiten. Zuerst entfaltete er auf dem Gebiet der Novelle eine reiche Produktivität. Der ersten Sammlung: »Novellen« (Leipz. 1825-29, 5 Bde.),
folgte bald eine zweite: »Neue Novellen« (das. 1831-1835, 4 Bde.),
dann »Lavabecher« (Stuttg. 1833, 2 Bde.) und »Kleine Romane« (Bunzl. 1836-37, 6 Bde.) sowie einzeln: »Die Gräfin Ulfeld« (Berl. 1834, 2 Bde.);
»Viel Sinne, viel Köpfe«, Zaubergeschichte (Stuttg. 1840);
»Graf Promnitz« (Kottb. 1842);
»Die Göttliche Komödie in Rom« [* 6] (2. Aufl., das. 1843);
»Génévion von Toulouse« [* 7] (Leipz. 1846);
»Achtzehn Töchter« (Bresl. 1847) und die gegen das moderne Konventikelwesen gerichtete pikante Novelle »Die Sibylle von Mantua« [* 8] (Hamb. 1852).
Schefers
Novellen sind lyrisch-epische
Dichtungen in
Prosa; sie führen den
Leser nach
China,
[* 9]
Kanada,
Konstantinopel,
[* 10] auf die
Griechischen
Inseln, nach
Rom,
Venedig
[* 11] etc. und fesseln durch ein ebenso glänzendes wie treues
Kolorit, originelle
Erfindung und die lebendigste
Phantasie,
die, von den eingehendsten
Studien fremder
Länder und
Sitten unterstützt, uns das Fernste in seinem eigensten
Schmuck vor
die
Seele zaubert. Daneben bekunden sie große Gemütstiefe; beinahe überall aber ist die
Charakteristik verschwimmend, der
Zusammenhang der
Handlung allzu lose, die Motivierung der geschehenden
Dinge oft dunkel, die
Entwickelung ganzer
Partien traumhaft,
ja visionär. In späterer Zeit wandte sich S. vorzugsweise der lyrischen und didaktischen
Poesie zu. So erschienen
von ihm: »Kleine lyrische Werke« (Frankf. 1828);
»Vigilien« (das. 1842);
»Gedichte« (3. Aufl., Berl. 1846);
besonders aber das »Laienbrevier« (das. 1834, 18. Aufl. 1884);
der »Weltpriester« (Nürnb. 1846);
»Hausreden« (Dessau [* 12] 1854, 2 Bde.; 4. Aufl., Leipz. 1869),
die, aus spruchartigen Gedichten bestehend, eine besondere, moralisch-religiöse, zum Pantheismus sich hinneigende Richtung verfolgen.
Höchst originelle Poesien enthalten: »Hafis in Hellas« (Hamb. 1853),
worin sich das anakreontisch Spielende der althellenischen Liebespoesie mit der didaktischen Richtung und der Bilderpracht des Orients vereinigt, und der »Koran der Liebe nebst kleiner Sunna« (das. 1855), ¶
mehr
die Fortsetzung des »Hafis«, voll schalkhafter Epigramme, leichtfüßiger Dithyramben, erotischer Legenden und Parabeln von höchst
abgerundeter Form. Manches Fremdartige in diesen Produkten erklärt sich aus Schefers
Vorliebe für den Orient und die religiös-sittlichen
Ansichten des Mohammedanismus, die besonders stark in »Mahomets türkischen
Himmelsbriefen« (Berl. 1840) hervortritt. Seine letzten Publikationen waren: »Schneekönigs Kinder«, komisches
Epos (Düsseld. 1857),
und »Homers Apotheose« (Lahr
[* 14] 1858), ein Gedicht, in welchem mit der Verherrlichung des Dichters die des
vollen, gesunden, ausgereiften Menschendaseins gegeben werden sollte. Seine musikalische Begabung machte der Dichter in späterer
Zeit in einer Oper: »Sakontala«, und mehreren von ihm komponierten Quartetten geltend. Er starb in
Muskau. Aus seinem Nachlaß gab Gottschall »Für Haus und Herz. Letzte Klänge« (Leipz. 1867) und Moschkau »Das
Buch des Lebens und der Liebe« (das. 1877, 3. Aufl. 1887) heraus. »Ausgewählte
Werke« Schefers
erschienen in 12 Bänden (2. Aufl., Berl. 1857).