Scalæratobel
(Kt. Graubünden, Bez. Plessur). 1900-556 m. Wildes Felsenthälchen am NW.-Hang der Hochwangkette zwischen Chur und Trimmis; beginnt in der Gratgegend am Feuerhörnli und wird im W. von der Roten Platte (1502 m) und im O. vom Hohgang (1711 m), zwei Ausläufern des Montalin (2263 m), begleitet, die furchtbar steil gegen die 2,7 km lange Schluchtenrinne abfallen. Das Kaltbrunnertobel im SW. und das Maschanzertobel im NO. gehen mit der Scalärafurche, der tiefsten und wildesten unter ihnen, ungefähr parallel.
Alle drei verursachen bei Gewitterregen schlimme Muhrgänge, gegen die man mit Verbauungen in den Felsenrinnen und den benachbarten Feldern angekämpft hat. Der Schuttkegel der Scalärarüfe hat bis zum Rhein eine Neigung von etwa 12,5%. Auf ihm stehen der im Gemeindebann von Chur liegende und zum Teil dem Bischof von Chur gehörende Fürstenwald und der Tannwald während über dem Ausgang des Tobels und über der Maschanzerrüfe die bewaldete Kuppe mit den Trümmern der Burg Ober Ruchenberg (Alt Aspermont; zu Beginn des 16. Jahrhunderts zerfallen) aufragt.
Die Sage lässt die Tochter des Raubritters, die ein goldenes Kegelspiel und andere Schätze hütet, hier oben auf Erlösung warten und zu Zeiten im Brautschmuck und weissen Gewand schwermütig durch den Wald ziehen. Das Scaläratobel figuriert in der Sage als Sonderhölle der Churer, von denen alle, «die nicht recht taten», in dieser acherontischen Schlucht ihre Sünden abzubüssen hatten, wobei die strengste Individualisierung in den Strafen stattfand (vergl. das bezügl. Gedicht von Stephan Fischer).
Die steilen grauen Felswände, die in weitest gehendem Mass der Verwitterung und Zerstörung unterliegen, bestehen aus liasischem Bündnerschiefer, dessen Falten in der Hochwangkette z. T. nach W. überkippt sind und in ihren Muldenkernen Flysch mit Fucoidenabdrücken enthalten können. Reste von Lawinenschnee bleiben im tiefen Felsenbett bis weit in den Sommer hinein liegen. Man trifft hier Alpenrosen, Atragene alpina, Dryas octopetala und andere Alpenpflanzen. Auch die Gemse ist aus dieser Gegend noch nicht verschwunden. Man erreicht das Scaläratobel von Chur über die Fürstenalp und den Hof Campodèls in 2 Stunden.