Savonarola
,
Girolamo, berühmter ital. Reformator, geb. zu Ferrara, [* 3] Sprössling einer angesehenen Familie in Padua. [* 4] Ernsten Gemüts, wurde er schon früh von dem eitlen Treiben der Welt abgestoßen und zu düsterer Andacht hingetrieben, welche, durch verschmähte Liebe gesteigert, ihn veranlaßte, zu Bologna in ein Dominikanerkloster zu treten. Seine eifrigen Studien belehrten ihn hier über die Schäden der Kirche und veranlaßten ihn zu einem Gedicht: »Über den Ruin der Kirche«.
Der Krieg trieb ihn 1482 nach Florenz, [* 5] wo er in das Kloster von San Marco trat, und von wo er Reisen unternahm, um erschütternde Predigten gegen die Laster der Welt und das Verderben der Kirche zu halten. 1490 kehrte er auf Wunsch des Lorenzo de' Medici nach Florenz zurück und ward zum Prior des Klosters San Marco erwählt. Nun entfaltete er als Lehrer, Schriftsteller und Prediger eine außerordentliche Thätigkeit; er drang vor allem statt der äußerlichen Religionsübung auf inbrünstiges Gebet mit Glaubens- und Liebeswerken, auf Liebe und Hingebung an Christus; schonungslos enthüllte er die Gebrechen in der Politik und in der Religion und forderte die Freiheit der Völker als ein göttliches Recht.
Erst mit dem Erscheinen der Franzosen in Italien [* 6] und der Vertreibung der Medici (1494) aber begann seine großartige politische Wirksamkeit. Geistliches und Weltliches verknüpfend, gedachte er Staat und Kirche zu einem theokratisch-republikanischen, auf Volkssouveränität sich gründenden Gemeinwesen zusammenzuschmelzen. Seine Anhänger, welche in ihm einen Propheten verehrten, erhielten wegen ihrer asketischen Lebensweise den Beinamen der »Mönchischen« (frateschi) oder der »Heuler« (piagnoni),
während ihre aristokratischen Gegner die »Wütenden«
(arrabbiati) hießen, unter welchen besonders die jüngern, die sogen. »schlechten
Gesellen« (compagnacci), S. bitter haßten. Nicht minder ward dieser von den
Klerikern angefeindet. Unter seinem Einfluß erließen
die Behörden von
Florenz
Gesetze zum Behuf der Bestrafung auffälliger
Laster und zur
Hebung
[* 7] der
Zucht und
Sitte:
Karten- und Würfelspiele
wurden verboten, Buhldirnen verjagt, anstößige Gemälde, musikalische
Instrumente, insbesondere auch
Exemplare des
Boccaccio
etc. am Karnevalstag unter Absingung von
Psalmen verbrannt
(»Auto da
Fé der
Eitelkeiten«) etc. Aber bald gab der
Wechsel der
obrigkeitlichen
Ämter den Feinden Savonarolas
die öffentliche
Gewalt in die
Hände, und die
Gesellschaft der Compagnacci machte
nun einen
Anschlag, ihn am Himmelfahrtstag 1497 auf der
Kanzel zu ermorden; S. ward jedoch in dem dadurch veranlassten
Tumult
durch die Entschlossenheit einiger
Freunde gerettet.
Die Signoria aber nahm von diesem Vorfall Anlaß, ihm das fernere Predigen zu verbieten, und der Papst Alexander VI., den er schonungslos angegriffen, der ihn aber anfangs für sich zu gewinnen versucht hatte, sprach 12. Mai Bann über ihn aus. S. beschäftigte sich nun mit Abfassung seiner Schrift »Triumph des Kreuzes«. Schon im Februar 1498 aber betrat er wieder die Kanzel, um schonungsloser als je die Verderbtheit der römischen Kirche anzugreifen, und forderte in Briefen an die Könige ein freies Konzil.
Auch unter den Mönchen, namentlich unter den Franziskanern von der strengen Observanz, hatte er sich viele Feinde gemacht. Als nun ein Mönch seines Klosters, Fra Domenico, zum Beweis, daß die Lehren [* 8] und Prophezeiungen seines Meisters wahr seien, durch das Feuer zu gehen sich erbot, wenn einer von der Gegenpartei deren Recht durch dieselbe Probe zu erhärten bereit sei, nahm ein Franziskanermönch die Herausforderung an; doch kam das Gottesurteil nicht zur Ausführung, weil Domenico eine Hostie mit sich ins Feuer nehmen wollte.
Das
Volk, welches in der Erwartung, es werde zu Savonarolas
gunsten ein
Wunder geschehen, in
Masse zusammengeströmt
war, fing jetzt an, an seiner göttlichen Sendung, zu zweifeln, und dadurch bekamen die Compagnacci die Oberhand. Am ward
das
Kloster
San Marco erstürmt, S. gefesselt nach dem
Palast der
Signoria geführt und vor ein
Gericht gestellt, welches aus
lauter entschiedenen Widersachern des Angeklagten bestand. Um Geständnisse zu erpressen, wandte man
die
Folter gegen ihn an. Aber selbst durch so schmähliches
Verfahren ergab sich kein hinreichender
Grund zu Savonarolas
Verdammung.
Der Papst indes, dem die Akten mitgeteilt wurden, verurteilte ihn als Ketzer, Schismatiker, Kirchenstörer und Volksverführer. Darauf ward er 23. Mai mit seinen Genossen Domenico da Pescia und Sylvester Maruffi erst gehenkt und dann verbrannt. 1875 wurde ihm in Ferrara eine Marmorstatue errichtet. Eine Sammlung seiner Werke, vornehmlich solcher von philosophischem und asketischem Inhalt, erschien Lyon [* 9] 1633-40, 6 Bde.; 1846, 4 Bde.; seine »Erwecklichen Schriften« übersetzte Rapp (Stuttg. 1839).
Vgl. außer den ältern Biographien von Rudelbach (Hamb. 1835) und F. K. Meier (Berl. 1836) besonders Villari, La storia di G. S. e de' suoi tempi (2. Aufl., Flor. 1887, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1868, 2 Bde.);
Clark, S., his life and times (Lond. 1878);