Sardou
(spr. -duh), Victorien, franz. Theaterdichter, geb. zu Paris, [* 2] studierte anfangs Medizin, dann Geschichte und Litteratur. Die Bekanntschaft mit der Déjazet veranlaßte ihn zu dramat. Schriftstellerei und verhalf ihm zu um so schnellerm Aufkommen, als diese berühmte Schauspielerin ihm nicht bloß ihr eigenes Theater [* 3] zur Verfügung stellte, sondern auch in seinen ersten Stücken «Monsieur [* 4] Garat» und «Les prés Saint-Gervais» (1860) die Hauptrollen spielte.
S.s Ruf war damit sofort begründet, und seine fruchtbare Feder lieferte seitdem für verschiedene Pariser Bühnen, besonders für das Gymnase und Vaudeville, eine beträchtliche Anzahl Komödien und Dramen, die größtenteils eine glänzende Aufnahme fanden. Dahin gehören: «Les pattes des Mouche» (1860, in Deutschland [* 5] bekannt u. d. T. «Der letzte Brief»),
«Nos intimes» (1861),
«Les ganaches» (1862),
«Don Quichotte» (1864),
«Les vieux garçons» (1865),
«La famille Benoîton» (1865),
«Nos bons villageois» (1866),
«La maison neuve» (1866),
«Séraphine» (1868),
«Patrie», ein patriotisch-histor. Drama (1869),
«Fernande» (1870),
«Rabagas», ein antirepublikanisch-polit.-histor. Lustspiel (1872),
«L'oncle Sam» (1873),
«Les merveilleuses», «La haine» (1874),
«Ferréol» (1875),
«Dora» (1877),
«Les bourgeois de Pont-Arcy» (1878),
«Daniel Rochat» (1880),
«Odette» (1881),
«Fédora» (1882),
«Théodora» (1885),
«Tosca» (1887),
«Georgette» (1887),
«Belle-Maman» (1889, mit R. Deslandes). Neuerdings hatten großen Erfolg «Thermidor» (1891) und «Madame Sans-Gêne» (1894),
das sich auch in Deutschland großer Beliebtheit erfreut. Weniger gefiel «Ghismonda» (1894). Mit Emile de Najac schrieb S. das dreiaktige Lustspiel «Divorçons» (1880, in Deutschland bekannt als «Cyprienne»). S. hat auch Operettentexte verfaßt, zu denen Offenbach [* 6] u. a. die Musik lieferten. S.s Verfahren bei der Komposition seiner Bühnenstücke ist fast überall das gleiche, und wenn sie auch des eigentlich poet. Wertes entbehren, sind sie doch effektvoll und spannend. Im Grunde genommen sind S.s Komödien Vaudevilles mit Dramen- oder Melodramenanhängseln, die nicht wesentlich dazu gehören, aber wirkungsvoll damit verbunden sind. Sein Dialog ist gewandt und witzig, die Charaktere sind nicht durchgearbeitet, aber prägnante Typen. Mit vielem Bedacht sorgt S. für die scenische Anordnung und legt großen Wert auf historische genaue Berücksichtigung von Ort und Zeit, auf histor. Treue der Kostüme, [* 7] der Dekorationen und sonstigen Beiwerks. Seit ist S. Mitglied der französischen Akademie. -
Vgl. die Charakteristik S.s in Gottschalls «Porträts und Studien», Bd. 4 (Lpz. 1871);
Montégut in der «Revue des Deux Mondes» (1877);
A. Wolff, Victorien S. et l'oncle Sam (Par. 1874).