Sankt;
Saint, Sainte; San, Sant', Santo, Santa; im Engadin Sainch, im Bündner Oberland Sontg oder Sogn, Sontgia oder Sontga. Vom latein. sanctus. Ortsnamen mit diesem Zusatz sind immer von einem Heiligen herzuleiten, unter dessen Namen bei den Katholiken eine Kirche oder Kapelle gegründet und nach welchem sie benannt wurde. Dieser Heilige heisst der Kirchenpatron oder Schutzheilige des betreffenden Gotteshauses. Nachher ging dann dieser Name bisweilen auf die um die Kirche entstehende Ortschaft über, wie z. B. St. Gallen. Es kommt aber auch vor, dass ein schon bestehender Ortsname durch den Namen des Kirchepnatrons verdrängt wurde. So ist z. B. Altensee am Zugersee in St. Adrian, Bolteren im Kanton Schwyz in Eccehomo, Halten in Obwalden in St. Anton umgetauft worden.
Oefters ist eine Kapelle aus irgend einem Grund in Abgang gekommen, der Name selbst aber geblieben, woraus sich die den Namen eines Heiligen tragenden Flurnamen erklären. So gibt es bei Sursee ein St. Wendelinsbifang geheissenes Landstück, auf dem urkundlich vor Zeiten eine Kapelle des h. Wendelin sich befand. Sodann ist im Volksmund die Bezeichnung «Sankt» häufig verloren gegangen, wie in Mariahalden, Mariaberg etc. In diesem Fall ist man ohne urkundliche Belege nicht sicher, ob der Name eines Heiligen darin steckt.
Auch der Dialekt entstellt hie und da solche Namen durch Kürzung, so ist z. B. Sambroscio im Misox = Sant' Ambrosio und Deret bei Sursee = St. Erhard. Im topographischen Atlas (Siegfried) der Schweiz finden sich 486 hierher gehörende Orts- und Flurnamen. Davon entfallen auf Aargau 12, Appenzell 4, Basel 5, Bern 21, Freiburg 21, St. Gallen 41, Genf 7, Glarus 3, Graubünden 83, Luzern 15, Neuenburg 5, Schaffhausen 1, Schwyz 13, Solothurn 13, Tessin 116, Thurgau 6, Unterwalden 10, Uri 11, Waadt 46, Wallis 28, Zürich 5, Zug 10. Ausser im Kanton Waadt ist also die Zahl der hierher gehörenden Ortsnamen in den reformierten Gegenden eine kleine, weil infolge der Reformation die Feldkapellen und mit ihnen meist auch ihre Namen verschwanden.
Dagegen haben Tessin und Graubünden eine sehr grosse Anzahl von alleinstehenden Feldkapellen. Von diesen 486 Namen gehören 179 der deutschen, 112 der französischen, 137 der italienischen und 58 der romanischen Sprache an. Zur Bildung der schweizerischen Ortsnamen mit dem Zusatz Sankt etc. sind 138 Namen von Heiligen verwendet worden; darunter finden sich St. Antonius 28, St. Martin 27, St. Peter 27, St. Johann (Jean, Giovanni, Gian, Gion, Jon) 26,. St. Nikolaus 22, St. Georg (Georges, Giorgio, Guerg, Gieri) 16, St. Anna 15, St. Jakob 14, St. Rochus (Roch, Rocco) 13, St. Karl 13 mal. 35 Namen kommen 2-10 mal, der Rest nur einmal vor. Ein ähnliches Verzeichnis für Frankreich nennt St. Martin 238, St. Jean 171, St. Pierre 162, St. Germain 127, St. Antoine dagegen nur 14 mal.
[Dr. Jos. Leop. Brandstetter.]